Weißer Oleander

Weißer Oleander

Weißer Oleander

Weißer Oleander - Originaltitel: White Oleander - Regie: Peter Kosminsky - Drehbuch: Mary Agnes Donoghue, nach einem Roman von Janet Fitch - Kamera: Elliot Davis - Musik: Thomas Newman - Darsteller: Michelle Pfeiffer, Alison Lohman, Renée Zellweger, Robin Wright Penn, Patrick Fugit, Billy Connolly, Noah Wyle u.a. - 2002; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Ingrid Magnussen wird zu 35 Jahren Haft verurteilt, weil sie ihren untreuen Geliebten mit einem Oleanderextrakt vergiftete. Ihre 15-jährige Tochter Astrid, die ohne Vater aufwuchs, versucht sich in einem für beide schmerzvollen Prozess von ihrer beherrschenden Mutter abzunabeln und ihren eigenen Weg zu finden.
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Kritik

Mit einer sehr guten Drehbuchautorin und hervorragenden Schauspielerinnen ist es Peter Kosminsky gelungen, aus dem Roman "Weißer Oleander" von Jane Fitch einen bewegenden Film zu machen.
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Los Angeles. Die Künstlerin Ingrid Magnussen (Michelle Pfeiffer) wird von ihrem Liebhaber Barry Kolker (Billy Connolly) betrogen. Als er sich tagelang nicht bei ihr meldet, fährt sie mit ihrer 15-jährigen Tochter Astrid (Alison Lohman) zu ihm. Während Astrid im Wagen zurückbleibt, läutet sie und wird von Barry eingelassen. Einige Zeit später kommt Ingrid mit verweinten Augen und verkrampfter Miene zurück und setzt sich wieder hinter das Steuer.

Am nächsten Morgen wird Ingrid verhaftet. Sie habe ihren Geliebten mit einem aus Oleander gewonnenen Extrakt vergiftet, lautet die Anklage. Das Gericht verurteilt sie wegen Mordes zu 35 Jahren Haft.

Eine Mitarbeiterin der Fürsorge bringt Astrid zu Pflegeeltern. Starr Thomas (Robin Wright Penn) verdiente früher ihr Geld als Stripperin, war alkohol- und drogenkrank. Inzwischen hat die Mutter zweier Kinder in einer Jesus-Gemeinde und bei ihrem ausgeglichenen Lebensgefährten Ray (Cole Hauser) neuen Halt gefunden. Astrid gewöhnt sich rasch ein. Da ihr eigener Vater sie und ihre Mutter verließ, als sie zwei Jahre alt war, himmelt sie Ray als eine Art Ersatzvater an. Nachdem Starr das gute Verhältnis zwischen Ray und Astrid eine Weile eifersüchtig beobachtet und wieder zu trinken angefangen hat, beschließt sie, das Pflegekind wieder wegzuschicken, um ihren Lebensgefährten nicht zu verlieren. Während eines heftigen Streits mit Ray greift sie nach einem Revolver und schießt auf Astrid.

Nachdem Astrid sich im Krankenhaus von der Schussverletzung erholt hat, kommt sie in ein Jugendheim. Hier begegnet sie Paul Trout (Patrick Fugit), der als Sohn einer drogenabhängigen Mutter schon bei der Geburt süchtig war und ein halbes Jahr später eine Entziehungskur durchmachte. Seine Mutter starb, als er noch ein Kleinkind war, und der Vater kümmerte sich nicht weiter um ihn. Paul und Astrid zeichnen beide und sind künstlerisch begabt.

Beim nächsten Besuch im Gefängnis zeigt Astrid ihrer Mutter stolz und freudig einige Arbeiten ihres Freundes. Ingrid wirft ihr vor, sich wegen ihrer Einsamkeit an den Erstbesten wegzuwerfen, der freundlich zu ihr sei und schärft ihr ein, die Einsamkeit zu ertragen und unabhängig zu bleiben: „Liebe bringt nur Demütigungen mit sich; Hass dagegen macht stark.“ Verunsichert hält Astrid von da an Distanz zu Paul.

Bei ihren nächsten Pflegeeltern handelt es sich um ein kinderloses Ehepaar: einen viel beschäftigten Fernsehregisseur und eine mittelmäßige Schauspielerin, die in einer Luxusvilla mit Blick auf den Strand von Malibu wohnen. Astrid weiß nicht, dass Claire Richards (Renée Zellweger) schon mehrmals versuchte, sich das Leben zu nehmen und ihr Mann die Aufnahme eines Pflegekindes befürwortete, damit sie während seiner häufigen Abwesenheit nicht allein ist. Als Ingrid merkt, dass sich zwischen ihrer Tochter und der labilen Schauspielerin ein inniges Verhältnis entwickelt, schreibt sie Claire heimlich Briefe und bringt sie dazu, Astrid bei einem Besuch im Gefängnis zu begleiten. Dort redet sie unter vier Augen mit Claire und spottet dann verächtlich über die schwache Frau. In der Nacht holt Claire ihre Pflegetochter zu sich ins Bett und kuschelt sich beim Einschlafen an sie, weil ihr so kalt ist. Als Astrid am nächsten Morgen erwacht, schreit sie entsetzt: Claire liegt leblos neben ihr; sie hat sich mit Schlaftabletten das Leben genommen.

Beim nächsten Besuch im Gefängnis wirft Astrid ihrer Mutter vor, Claire aus Eifersucht in den Suizid getrieben zu haben. Sie sei nur noch einmal gekommen, um ihr persönlich zu sagen, dass sie nichts mehr mit ihr zu tun haben wolle und sie nicht mehr besuchen werde.

Astrid muss wieder ins Heim. Paul wird 18, kann das Heim verlassen, will nach New York gehen und bittet Astrid, auszureißen und mitzukommen. Aber sie weist ihn brüsk zurück, und er reist allein und traurig ab.

Von der russischen Flohmarkthändlerin Rena (Swetlana Efremowa), die Astrid bei sich aufnimmt, lernt das Mädchen, wie man Kleider möglichst teuer verkauft und dadurch zu Geld kommt.

Eines Tages taucht Ingrids Verteidigerin bei Astrid auf. Der Fall soll noch einmal aufgenommen werden, und die Anwältin versucht Astrid zu überreden, vor Gericht auszusagen. Sie brauche nur zu behaupten, Barry sei gewalttätig gewesen, dann sei mit einem milderen Urteil zu rechnen.

Astrid geht zu ihrer Mutter ins Gefängnis. Die ist entsetzt: Vor ihr steht nicht die Tochter, die sie aufzog, sondern ein Punk mit pechschwarzen Haaren. Astrid schlägt ihr einen „Deal“ vor: Ingrid soll ihr einige Fragen wahrheitsgemäß beantworten, dann macht sie die gewünschten Falschaussagen vor Gericht. Zunächst glaubt Ingrid, ihre Tochter nach wie vor manipulieren zu können, aber sie begreift rasch, dass inzwischen – nicht zuletzt durch ihre Erziehung, ihr Beispiel und ihr Verhalten – aus dem unselbstständigen Kind eine selbstbewusste Frau geworden ist, die sich nichts vormachen lässt. Ingrid muss zugeben, dass sie überfordert war, als Astrids Vater sie mit dem Kind allein ließ, zumal es lebhaft war und ständig Aufmerksamkeit verlangte. Eines Tages habe sie Astrid einer lateinamerikanischen Nachbarin anvertraut, um den Nachmittag mit Freunden am Strand zu verbringen. Die nahmen sie dann auf ihr Anwesen in Mexiko mit, wo sie sich endlich frei und unabhängig fühlte. Erst nach einem Jahr besann sie sich und kehrte zu ihrer Tochter zurück.

Als Paul mit dem Greyhound-Bus aus New York kommt, wartet Astrid bereits auf ihn.

Er begleitet sie ins Gericht und wartet mit ihr vor dem Gerichtssaal darauf, bis sie ihre Aussage machen kann. Unvermittelt geht die Tür auf, und die Leute strömen heraus. Zunächst vermutet Astrid, es handele sich nur um eine Pause, aber von einem Saaldiener erfährt sie, dass das Verfahren abgeschlossen sei. Verwirrt wendet sie sich an die Verteidigerin. Astrid sei nicht aufgerufen worden, erklärt die Anwältin, weil ihre Mandantin auf ihre Zeugenaussage verzichtete. Astrid blickt ihrer Mutter nach, die von Beamten abgeführt wird, und Ingrid schaut immer wieder zu ihr um.

In der letzten Szene sehen wir Astrid und Paul in einem Atelier. Astrid, die jetzt wieder lange blonde Haare wie ihre Mutter trägt, schließt der Reihe nach Koffer mit Collagen, die sie an die verschiedenen Stationen ihrer Entwicklung erinnern.

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Ingrid Magnussen ist ein egomanischer Freigeist, eine einsame, verbitterte Frau, die zwischen Mutterliebe und Herrschsucht nicht zu differenzieren vermag. Noch vom Gefängnis aus kontrolliert sie die Beziehungen ihrer Tochter. Die 15-Jährige, die ohne Vater aufwuchs und durch die langjährige Haftstrafe ihrer Mutter allein ist, sucht in verschiedenen Pflegefamilien vergeblich nach Geborgenheit. Der Prozess der Selbstfindung dieses Mädchens steht im Mittelpunkt der Handlung, und es ist nur konsequent, dass der gesamte Film aus Astrids Sicht erzählt wird und nichts zeigt, was sie nicht selbst erlebt.

Zu Beginn des Films „Weißer Oleander“ sehen wir einen Ausschnitt aus der Schlusszene. „Ich beginne mit dem Ende“, erläutert Astrid, „weil ich das alles erst im Nachhinein verstehen konnte. Vorher fehlten mir zu viele Teile in dem Puzzle.“ Schnitt. Es ist Nacht. Astrid geht hinauf zu ihrer Mutter, die im weißen Kleid und mit langen blonden Haaren auf der Brüstung der Dachterrasse sitzt und auf die Lichter von Los Angeles hinunterblickt. – Ein gelungener Auftakt.

Mit einer sehr guten Drehbuchautorin und hervorragenden Schauspielerinnen ist es Peter Kosminsky gelungen, aus dem Roman „Weißer Oleander“ von Jane Fitch einen bewegenden Film zu machen. Michelle Pfeiffer lässt durch ihr feines Mienenspiel erkennen, dass hinter der schönen Fassade Ingrids Hass und Liebe lodern. Alison Lohman überzeugt in jeder Phase des Weges, den sie in der Rolle Astrids geht, um sich von ihrer dominanten Mutter abzunabeln und sich selbst zu finden. Renée Zellweger beweist Mut und Können in der Art, wie sie die labile mittelmäßige Schauspielerin Claire verkörpert.

Unverständlich ist, wie es in einer sorgfältigen und erstklassig besetzten Inszenierung wie der von „Weißer Oleander“ passieren kann, dass in Dutzenden von Einstellungen oben im Bild das Mikrofon oder sogar ein Teil des Mikrofongalgens zu sehen ist.

Janet Fitch: White Oleander (1999) – Deutsch: Weißer Oleander (2000). Übersetzung: Ute Leibmann

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

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In einfachen, aber durchaus nicht hingeschluderten Sätzen erzählt Rohinton Mistry ergreifende Lebensgeschichten vor dem Hintergrund der indischen Politik und Gesellschaft: "Das Gleichgewicht der Welt".
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