Teufelsbraten

Teufelsbraten

Teufelsbraten

Originaltitel: Teufelsbraten – Regie: Hermine Huntgeburth – Drehbuch: Volker Einrauch und Franziska Buch, nach dem Roman "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn – Kamera: Sebastian Edschmid – Schnitt: Eva Schnare – Musik: Biber Gullatz und Andreas Schäfer – Darsteller: Nina Siebertz, Ulrich Noethen, Charlotte Steinhauer, Anna Fischer, Margarita Broich, Alice Dwyer, Peter Franke, Barbara Nüsse, Ignaz Kirchner, Ludger Pistor, Felix Bröckling, Lucas Gregorowicz, Petra Welteroth, Heinrich Pachl, Annette Frier, Sebastian Urzendowsky, Harald Schmidt, Corinna Harfouch u.a. – 2008; 180 Minuten

Inhaltsangabe

Hildegard wächst in den 50er-Jahren in der rheinischen Provinz in einer Arbeiterfamilie auf. Der Großvater merkt zwar, dass sie besonders begabt ist, aber die streng katholische Großmutter hält sie für einen "Teufelsbraten", und der Vater versucht, seiner Tochter mit rabiaten Erziehungsmethoden einzubläuen, dass sie auch nichts Besseres sei. Widerstrebend lässt er sich vom Lehrer überreden, Hildegard auf eine höhere Schule zu schicken ...
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Kritik

Hermine Huntgeburth setzte bei "Teufelsbraten", der Verfilmung des Romans "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn, nicht auf Action, sondern auf das Milieu einer Arbeiterfamilie und das Zeitkolorit der Adenauer-Ära.
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Ausführlichere Inhaltsangabe zur Romanvorlage

Hildegard Palm (Nina Siebertz, Charlotte Steinhauer, Anna Fischer) wächst mit ihrem jüngeren Bruder Bertram in den Fünfzigerjahren in einem Dorf zwischen Köln und Düsseldorf auf. Der Vater (Ulrich Noethen) ist ungelernter Fabrikarbeiter, und die Mutter (Margarita Broich) bessert das Haushaltseinkommen durch Putzen auf. Sie schimpft, wenn ihr Mann das wenige Geld vertrinkt, aber der hält die freudlosen Lebensumstände oft nicht ohne Alkohol aus [Alkoholkrankheit].

Hildegards Großvater (Peter Franke), der mit seiner Frau (Barbara Nüsse) zum Haushalt gehört, merkt zwar, dass das aufgeweckte Kind besonders begabt ist, aber die streng katholische Großmutter hält es für einen Teufelsbraten („Düwelsbrode“). „Es Heldejaad“ sei „däm Düvel us dä Kiep jesprunge“, meint sie. – Frau Palm steht der Fantasie und dem Wissensdurst ihrer Tochter verständnislos gegenüber. Ihr Mann versucht, Hildegard mit rabiaten Erziehungsmethoden einzubläuen, dass sie auch nichts Besseres sei: „Mach, was du willst, du bist und bleibst das Kind eines Proleten!“, schreit er. Die Großmutter protestiert: „Wir sind keine Proleten, wir sind katholisch!“

Widerstrebend lässt sich der Vater von Lehrer Mohren (Ignaz Kirchner) überreden, Hildegard wenigstens auf die Mittelschule zu schicken.

In der neuen Schulklasse fällt Hildegard durch ihren breiten Dialekt auf. Eifrig bemüht sie sich, Hochdeutsch zu lernen. Sie befreundet sich mit ihrer Mitschülerin Doris. Als sie bei ihr eingeladen ist, bemerkt sie, dass sie ihr Würstchen als Einzige mit den Fingern isst. Da lässt sie sich von Doris zeigen, wie man mit Messer und Gabel umgeht. Zu Hause fällt sie jedoch mit ihren neuen Tischmanieren aus der Reihe: Der aufgebrachte Vater, der seine eigene Unterlegenheit nicht wahrhaben will, reißt Hildegard die Gabel aus der Hand und zwingt sie, mit dem Messer bzw. mit der Hand zu essen.

Nicht einmal mit gestohlenem Weihwasser aus Lourdes können Hildegard und Bertram verhindern, dass der Großvater immer kränker wird und schließlich stirbt.

Einige Zeit später wird bei ihrer Cousine Maria (Camilla Renschke), der Tochter ihrer Tante Berta (Petra Welteroth), Brustkrebs diagnostiziert. Die ganze Familie besucht die Patientin im Krankenhaus.

Während Doris (Alice Dwyer) mit ihrem ersten Freund knutscht, schwärmt Hildegard – die sich inzwischen „Hilla“ nennt – für Friedrich Schiller und lässt sich schließlich in den Rheinauen von einem italienischen Gastarbeiter namens Federico umwerben. Dann verliebt sie sich in den Unternehmersohn Sigismund Mix (Sebastian Urzendowsky). Dessen hochnäsige Mutter will zwar den Umgang ihres Sohnes mit einer Proletentochter unterbinden, aber die beiden Jugendlichen treffen sich heimlich weiter – bis Hildegard ihren Freund im Bus mit einer anderen sieht.

Als Klassenbeste hält Hildegard bei der Abschlussfeier in der Mittelschule eine Rede. Danach fängt sie als Bürolehrling in einer Fabrik an und wird von ihrer frustrierten Ausbildungsleiterin Wachtel (Corinna Harfouch) schikaniert. Hildegard wehrt sich nach Kräften und rächt sich an Frau Wachtel, als diese ihren Eltern einen Mahnbrief der Personalabteilung schicken lässt.

Ihre früheren Lehrer Mohren und Geffken (Lukas Gregorowicz) tun sich schließlich mit dem Pfarrer (Ludger Pistor) zusammen, um Palm davon zu überzeugen, dass er seine hochbegabte Tochter weiter zur Schule gehen und sie in einem Aufbaugymnasium das Abitur machen lässt.

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Unter dem Titel „Teufelsbraten“ verfilmte Hermine Huntgeburth den Roman „Das verborgene Wort“ von Ulla Hahn fürs Fernsehen.

Die literarische Vorlage – der erste Band einer Trilogie – weist autobiografische Züge auf. Nicht zuletzt durch die eingeflossene Erfahrung wirkt auch vieles in der Adaptation authentisch. „Teufelsbraten“ ist ein Stück Heimatgeschichte über die Adenauer-Ära und den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen. Besonders deutlich wird die Bedeutung der Sprache: Erst als Hildegard hochdeutsch lernt, kann sie sich aus der Beschränkung durch die Herkunft befreien, aber sie entfremdet sich dadurch zugleich ihrer Familie. „Teufelsbraten“ bleibt allerdings an der Oberfläche der komplexen gesellschaftlichen Problematik.

Hermine Huntgeburth schuf mit „Teufelsbraten“ kein Produkt „jener lärmenden Histotainment-Event-Industrie, die jüngst etwa den ZDF-Zweiteiler über den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ hervorgebracht hat“ (Peter Luley, Der Spiegel, 7. März 2008). Sie setzte nicht auf Action, sondern auf Milieu und Zeitkolorit. Das macht zumindest den ersten Teil des Fernseh-Zweiteilers sehenswert. Der Versuch, die ernste Thematik durch Humor aufzulockern, ist allerdings misslungen. Corinna Harfouch schafft es zwar, die als Karikatur angelegte Figur einer alten Jungfer ins Groteske zu überzeichnen, aber Harald Schmidt in der Rolle des schmierigen Unterwäsche-Vertreters liefert nichts als peinlichen Klamauk (zumal er auch noch Loriot zu imitieren versucht). Das gilt auch für die Szene mit der Perückenverkäuferin in der Krebsstation des Krankenhauses.

Hervorragend sind die Darsteller Nina Siebertz, Charlotte Steinhauer und Anna Fischer, Margarita Broich, Peter Franke, Barbara Nüsse und vor allem Ulrich Noethen.

Unter dem Titel „Aufbruch“ veröffentlichte Ulla Hahn 2009 eine Fortsetzung zu „Das verborgene Wort“. Ein dritter Teil soll geplant sein.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008 / 2009

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