Bertolt Brecht : Die Dreigroschenoper

Die Dreigroschenoper
Die Dreigroschenoper Uraufführung: Theater am Schiffbauerdamm Berlin, 31. August 1928
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Peachum gilt als "Bettlerkönig" von London. Als seine Tochter Polly sich mit Mackie Messer vermählt, setzt er den Polizeipräsidenten Brown unter Druck, damit dieser den Ganoven trotz seiner alten Freundschaft mit ihm verhaften lässt. Browns Tochter Lucy, eine Geliebte Mackie Messers, verhilft dem Eingesperrten zwar zur Flucht, aber er wird ein weiteres Mal festgenommen und soll am nächsten Morgen hingerichtet werden ...
mehr erfahren

Kritik

Obwohl "Die Dreigroschenoper" im viktorianischen London spielt, zielte Bertolt Brecht mit der Satire auf die Gesellschaft der Weimarer Republik. Über den Erfolg war er entsetzt, denn dieser beruhte darauf, dass sich das Publikum mitreißen ließ, statt über gesellschaftliche Missstände nachzudenken.
mehr erfahren

Sie werden jetzt eine Oper für Bettler hören. / Und weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, / Wie nur Bettler sie erträumen – / Und weil sie doch so billig sein sollte, / Dass nur Bettler sie bezahlen können, / Heißt sie die Dreigroschenoper. (Ouvertüre zu „Die Dreigroschenoper“)

Jonathan Jeremiah Peachum wird „Bettlerkönig“ genannt, weil er die Bettler in London kontrolliert, ihnen die Plätze zuteilt und sie so ausstattet, dass sie Mitleid erregen. Dass es nicht ratsam ist, auf eigene Faust in London zu betteln, erfährt ein junger Mann namens Filch, der es versucht und deshalb verprügelt wird.

Während Filch sich daraufhin von Peachum ein Areal zuweisen und von dessen Ehefrau herrichten lässt, hört er, wie die beiden über einen neuen Verehrer ihrer Tochter Polly reden. Aufgrund der Beschreibung befürchtet Peachum, dass es sich um den Ganoven Macheath handelt, den alle Räuber in London nur Mackie Messer nennen – und fürchten, weil er von ihnen Schutzgelder erpresst.

Tatsächlich bereitet Mackie Messer, der vom Straßenräuber zum Geschäftsmann aufsteigen möchte, seine Hochzeit mit Polly Peachum in einem Pferdestall vor, den er von seinen Komplizen mit gestohlenen Möbeln ausstaffieren lässt. Zur Feier erscheint auch Tiger-Brown, der Polizeipräsident von London, der seit der gemeinsam verbrachten Militärzeit mit Mackie Messer befreundet ist.

Als die Eltern im Nachhinein von der Verheiratung ihrer Tochter erfahren, fällt die Mutter in Ohnmacht, und Peachum beschimpft Polly als „Verbrecherschlampe“. Um das Paar auseinander zu bringen und die auf Mackie Messer ausgesetzte Kopfprämie zu kassieren, wollen die Eltern den Gesuchten an die Polizei verraten. Polly versucht, sie davon abzuhalten, indem sie auf die Freundschaft ihres Mannes mit dem Polizeipräsidenten hinweist. Als sie damit keinen Erfolg hat, warnt sie Mackie Messer und drängt ihn, zu fliehen. Ihr Vater habe Brown so unter Druck gesetzt, dass dieser seinen Freund nicht mehr vor einer Verhaftung schützen könne. Bevor Mackie Messer sich in Sicherheit bringt, übergibt er Polly die Leitung seiner Geschäfte, und es gelingt der jungen Frau, sich den Respekt der Bande zu verschaffen.

Inzwischen überredet Frau Peachum die Hure Jenny, Mackie Messer zu verraten, sobald er im Bordell von Turnbridge auftaucht. Es dauert nicht lang, bis Mackie Messer bei Jenny vorbeischaut. Als ihn der Polizist Smith festnehmen will, springt er durchs Fenster ins Freie – aber da erwarten ihn bereits Frau Peachum und andere Polizisten. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich abführen und ins Gefängnis Old Bailey bringen zu lassen.

Dort erhält er Besuch von Brown, der ihn um Verständnis dafür bittet, dass er ihm nicht helfen kann. Mackie Messer straft ihn durch Missachtung.

Unerwartet verhilft Smith ihm zur Flucht aus dem Gefängnis. Der Polizist wurde von Browns Tochter Lucy bestochen, einer Geliebten Mackie Messers, die sich nun darüber beschwert, dass ihr Liebhaber Polly geheiratet hat und vorgibt, von ihm schwanger zu sein. Als Polly zufällig dazukommt, verleugnet Mackie Messer seine Frau, und Lucy unterstützt ihn bei der weiteren Flucht.

Peachum bereitet mit seinen Bettlern eine „Demonstration des Elends“ vor, um den Polizeipräsidenten unter Druck zu setzen, damit dieser Mackie Messer erneut verhaften lässt. Jenny verlangt die für die Ergreifung von Mackie Messer ausgesetzte Belohnung, aber man verweigert ihr das Geld mit der Begründung, dass der Gangster auf freiem Fuß ist. Peachum erfährt von Jenny, wo Mackie Messer sich jetzt versteckt und gibt die Information an Brown weiter, nachdem dieser zugesagt hat, den Gesuchten festnehmen zu lassen. Die geplante Demonstration braucht also nicht mehr durchgeführt zu werden.

Auf der Suche nach ihrem Bräutigam wendet Polly sich an ihre Rivalin Lucy. Die beiden Frauen tun sich zusammen, und Lucy gesteht, die Schwangeschaft nur vorgetäuscht zu haben.

Währenddessen wird Mackie Messer wieder ins Old Bailey gebracht.

Am nächsten Morgen um 6 Uhr soll er gehängt werden. Eine Stunde vorher verabschiedet Polly sich weinend von ihm, und Mackie Messer nimmt seine Henkersmahlzeit ein. Im letzten Augenblick – Mackie Messer steht bereits unter dem Galgen – erscheint ein reitender Bote des Königs und überbringt die Begnadigung. Mackie Messer wird in den Adelsstand erhoben, erhält Schloss Marmarel und eine lebenslange Rente.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

1725 wurde Jonathan Wild in London hingerichtet. Er war der Anführer einer Räuberbande und hatte ein System der Alibi-Beschaffung eingeführt, damit er den Bestohlenen die Beute als scheinbar Unschuldiger zum Rückkauf anbieten konnte. Davon ließ John Gay (1685 – 1732) sich anregen, „The Beggar’s Opera“ zu schreiben, die 1728 in London erfolgreich uraufgeführt wurde (Musik: Christopher Pepush). Bertolt Brecht verwendete eine deutsche Neuübersetzung der „Beggar’s Opera“ von John Gay durch seine Assistentin Elisabeth Hauptmann als Vorlage für „Die Dreigroschenoper“ in drei Akten und einem Vorspiel. Kurt Weill (1900 – 1950) komponierte die sparsam instrumentierte Musik und verschmolz dabei wirkungsvoll Elemente des Jazz und der traditionellen Musik mit Foxtrott-, Shimmy- und Tangorhythmen.

Obwohl „Die Dreigroschenoper“ im viktorianischen London spielt, zielte Bertolt Brecht mit der Satire auf die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft der Weimarer Republik.

Ihr Herren, die ihr uns lehrt, wie man brav leben / und Sünd und Misstat vermeiden kann. / Zuerst müsst ihr uns was zu fressen geben. / Dann könnt ihr reden; damit fängt es an. / Ihr, die ihr euren Wanst und unsre Bravheit liebt / Das eine wisset ein für allemal: / Wie ihr es immer dreht und wie ihr’s immer schiebt / Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral […] / Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich / Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst. / Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich / Vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist. („Die Dreigroschenoper“, 2. Akt, Mackie Messer: Ballade über die Frage „Wovon lebt der Mensch“)

Die Uraufführung fand am 31. August 1928 im neu gegründeten Theater am Schiffbauerdamm in Berlin statt. Unter der Regie von Erich Engel (1891 – 1966) spielten Erich Ponto (Peachum), Harald Paulsen (Mackie Messer), Roma Bahn (Polly), Rosa Valetti, Kate Kühl, Kurt Gerron, Ernst Busch und andere; Kurt Weills Ehefrau Lotte Lenya debütierte als Jenny. „Die Dreigroschenoper“ wurde zu einem der größten Theatererfolge der Zwanzigerjahre. Bertolt Brecht war darüber nicht etwa glücklich, sondern entsetzt, denn „Die Dreigroschenoper“ sollte der Maxime des epischen Theaters entsprechen und das Publikum davon abhalten, das Bühnengeschehen wie eine Illusion der Wirklichkeit zu erleben. Aber Brechts Absicht, die Zuschauer zum Nachdenken über die Missstände in der Gesellschaft zu bringen, wurde durch die mitreißende Vertonung der Balladen von Kurt Weill unterlaufen.

Aufgrund dieser Erfahrung wollte Bertolt Brecht die politische Akzentuierung in der geplanten Kinoadaptation der „Dreigroschenoper“ verschärfen und den Titel in „Die Beule“ ändern. Die Filmgesellschaft war damit allerdings nicht einverstanden und ließ das Drehbuch trotz vertraglicher Verpflichtungen am Ende nicht von Bertolt Brecht, sondern von Leo Lania, Ladislaus Vajda und Béla Bálazs schreiben. Georg Wilhelm Pabst (1885 – 1967) führte Regie.

Die Dreigroschenoper / Die 3groschenoper (Film) – Regie: Georg Wilhelm Pabst – Drehbuch: Leo Lania, Ladislaus Vajda und Béla Bálazs, nach „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill – Kamera: Fritz Arno Wagner – Schnitt: Hans Oser – Musik: Kurt Weill – Darsteller: Rudolf Forster (Mackie Messer), Carola Neher (Polly Peachum), Reinhold Schünzel (Brown), Fritz Rasp (Peachum), Valeska Gert (Mrs Peachum), Lotte Lenya (Jenny), Hermann Thimig, Ernst Busch, Vladimir Sokoloff, Paul Kemp, Gustav Püttjer, Oskar Höcker, Krafft-Raschig), Herbert Grünbaum u. a. – 1931; 110 Minuten

Über die Auseinandersetzung von Bertolt Brecht mit den Produzenten der Verfilmung der „Dreigroschenoper“ drehte Joachim A. Lang einen Film, der am 13. September 2018 in die Kinos kam.

Originaltitel: Mackie Messer. Brechts Dreigroschenfilm – Regie: Joachim A. Lang – Drehbuch: Joachim A. Lang – Kamera: David Slama – Schnitt: Alexander Dittner – Musik: HK Gruber – Darsteller: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Robert Stadlober, Joachim Król, Claudia Michelsen, Britta Hammelstein, Meike Droste, Christian Redl, Peri Baumeister, Vilmar Bieri, Godehard Giese, Marcus Calvin, Mateusz Dopieralski, Rainer Laupichler, Robert Dölle, Max Raabe u.a. – 2018; 135 Minuten

Nachdem Bertolt Brecht vergeblich versucht hatte, die Verfilmung durch Georg Wilhelm Pabst gerichtlich zu verhindern, griff er die Grundidee der „Dreigroschenoper“ im „Dreigroschenroman“ erneut auf.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Bertolt Brecht (Kurzbiografie)
Jan Schütte: Abschied. Brechts letzter Sommer
Episches Theater

Bertolt Brecht: Baal (Verfilmung)
Bertolt Brecht: Dreigroschenroman
Bertolt Brecht: Leben des Galilei
Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan

Stefanie Zweig - Nirgendwo in Afrika
Stefanie Zweig lässt sich Zeit bei der nuancierten Darstellung der Entwicklung der drei Hauptfiguren, vermeidet Klischees und präsentiert ein realistisches Bild vom Leben deutscher Emigranten in Afrika.
Nirgendwo in Afrika