Robert Harris : Dictator

Dictator
Originalausgabe: Dictator Hutchinson, London 2015 Dictator Übersetzung: Wolfgang Müller Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 ISBN: 978-3-453-26871-5, 480 Seiten ISBN: 978-3-641-17647-1 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Weil der redegewandte Senator und Philosoph Cicero gegen das seiner Meinung nach die Republik gefährdende Erste Triumvirat opponiert, wird er 58 v. Chr. verbannt. Nach seiner Rehabilitierung setzt er sich weiter leidenschaftlich für den Erhalt der Republik ein. An den Iden des März ist Cicero zwar nur ein Augenzeuge, aber er begrüßt den Tyrannenmord. Caesars Tod hält die Entwicklung nicht auf, und Marcus Antonius sorgt dafür, dass der lästige Senator Cicero Ende 43 getötet wird ...
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Kritik

Mit "Dictator" schließt Robert Harris seine Romantrilogie über Cicero ab. Statt als auktorialer Erzähler aufzu­treten, schlüpft er in die Rolle des Sekretärs Tiro. Er porträtiert Cicero als widerspruchsvollen Charakter vor dem Hintergrund der römischen Geschichte in einer Zeit des Umbruchs.
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Als sich Julius Caesar, Pompeius Magnus und Marcus Crassus 60 v. Chr. verbünden, opponiert der redegewandte Senator Marcus Tullius Cicero gegen dieses Triumvirat, durch das er die Republik gefährdet sieht. Caesar, dem es nicht gelang, Cicero als vierten Mann für das Bündnis zu gewinnen, verhilft als Konsul des Jahres 59 Ciceros Todfeind Publius Clodius Pulcher zum Amt des Volkstribuns. Clodius dürfte als Patrizier eigentlich gar nicht dafür kandidieren, aber er lässt sich nach seiner Tätigkeit als Quästor in Sizilien von dem deutlich jüngeren Plebejer Publius Fonteius adoptieren. Er hasst Cicero, seit dieser 62 im Bona-Dea-Skandal gegen ihn aussagte.

Während Caesar 58 als Prokonsul nach Gallien marschiert, setzt Clodius in der Volksversammlung ein rückwirkendes Gesetz durch, demzufolge Cicero seine Bürgerrechte einbüßt, weil er bei der Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung im Jahr 63 fünf Männer ohne angemessenes Rechtsverfahren hinrichten ließ. Während der 48-jährige Senator nach Süden flieht, wird er verbannt, sein Besitz konfisziert und seine Villa auf dem Palatin niedergebrannt. Ciceros Ehefrau Terentia kommt mit dem Sohn Marcus bei ihrem Schwager Quintus Tullius Cicero unter, die Tochter Tullia bei ihren Schwiegereltern.

Gaius Vergilius, der Statthalter von Sizilien, verweigert Cicero die Überfahrt nach Messina. Der Flüchtling muss Italien verlassen. Ein Handelsschiff bringt ihn mit seinem kleinen Gefolge – darunter der als Sekretär eingesetzte Sklave Tiro, mit dem Caesar aufwuchs – von Brundisium über die Adria nach Dyrrhachium (Durrës). Appuleius Saturninus, der Statthalter von Macedonia, will seinen Freund Cicero nicht aufnehmen, um sich nicht den Zorn der Mächtigen in Rom zuzuziehen, aber der Quästor Gnaeus Plancius holt den Flüchtling in sein Haus in Thessalonica.

Als Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso, ein Gegner Ciceros, im Jahr 57 Statthalter von Macedonia wird, ist Ciceros Leben auch dort gefährdet. Glücklicherweise heben der Senat und die Volksversammlung in Rom aufgrund eines von Titus Annius Milo im Einvernehmen mit Pompeius eingebrachten Antrags Ciceros Verbannung auf, und Cicero kann nach eineinhalb Jahren aus dem Exil zurückkehren.

Pompeius, der zur Absicherung des Triumvirats Caesars Tochter Julia geheiratet hat, strebt das lukrative Amt des Präfekten für die Getreideversorgung an und erwartet von Cicero Unterstützung – was diesen in eine unangenehme Lage bringt:

„Wenn ich den Antrag einbringe, sagt jeder, dass ich Pompeius‘ Hündchen bin. Wenn ich nichts sage, habe ich ihn zum Feind. Was ich auch mache, ich bin der Verlierer.“

Erst nach längerem Zögern unterstützt Cicero das Vorhaben. Fast zur gleichen Zeit erreicht er die Rückerstattung seiner Besitztümer in Rom, Formiae und Tusculum. Clodius weist zwar darauf hin, dass ein Teil des konfiszierten Grundstücks auf dem Palatin inzwischen der Göttin Libertas gewidmet sei, aber Cicero hat herausgefunden, dass die von seinem Feind aufgestellte Statue vom Grab einer Kurtisane in Tanagra gestohlen wurde.

Durch Täuschungen und raffinierte Schachzüge in juristischen Auseinander­setzungen treibt Cicero den Senator Marcus Caelius Rufus in einen Prozess gegen Clodius‘ Schwester Clodia, mit der nicht nur der Politiker eine Affäre hatte. Als Rechtsbeistand seines Mandanten verhöhnt Cicero die Frau, der ein inzestuöses Verhältnis mit ihrem Bruder nachgesagt wird, beschimpft sie als „schamlos lüsterne Kurtisane“ und gibt sie der Lächerlichkeit preis.

„Nun, die meisten von euch wissen, dass mich eine tiefe persönliche Feindschaft mit Clodias Ehemann verbindet …“ Er hielt inne und schnippte verärgert mit den Fingern, als hätte er sich versprochen. „Ich wollte natürlich sagen, mit ihrem Bruder. Immer wieder mache ich diesen Fehler.“

„Es tut mir aufrichtig leid, mir diese Frau zum Feind zu machen, zumal sie ja mit jedem zweiten Mann gut Freund ist.“

Während Cicero die Senatsferien des Jahres 56 in seiner Villa in Cumae verbringt, erfährt er von einem Treffen der Triumviren Caesar, Crassus und Pompeius in Luca. Der Offizier Lucius Vibullius Rufus, der die Nachricht überbringt, fasst das Ergebnis, soweit es Cicero betrifft, respektlos zusammen:

„Maul halten, Marcus Tullius! Maul halten im Senat, wenn es um Caesars Gesetze geht. Maul halten, wenn es um Crassus geht. Maul halten und keinen Ärger mehr zwischen den dreien stiften. Also eigentlich ganz generell: Maul halten.“

Cicero bezweifelt, dass die in Luca beschlossene gemeinsame Kandidatur von Crassus und Pompeius für das Konsulat erfolgreich sein wird, aber Vibullius erläutert ihm den Plan, zum dem es gehört, dass Clodius neue Unruhen in Rom auslösen wird.

„Als Folge davon werden die Wahlen nicht vor dem Winter stattfinden. Dann ist die Zeit der Feldzüge in Gallien vorüber, und Caesar kann Tausende seiner Veteranen nach Rom schicken, die für seine Kollegen stimmen. Dann werden sie gewählt werden. Nach Beendigung ihrer Amtszeit als Konsuln werden Pompeius und Crassus als Prokonsuln militärische Kommandos übernehmen – Pompeius in Spanien, Crassus in Syria. […] Und am Ende seiner verlängerten Amtszeit wird Caesar nach Rom zurückkehren und sich selbst zum Konsul wählen lassen. Diesmal stellen Pompeius und Crassus ihre Veteranen zur Verfügung, die für Caesar stimmen werden. Das sind die Bestimmungen im Abkommen von Luca. Es wurde für die Dauer von sieben Jahren vereinbart.“

„Sieben Jahre!“, rief Cicero aus, nachdem Vibullius und seine Männer wieder fort waren. „Nichts in der Politik kann man auf sieben Jahre im Voraus planen. Hat Pompeius völlig den Verstand verloren? Sieht er nicht, dass Caesar der ausschließliche Nutznießer dieses Teufelspakts ist? Er verspricht Caesar, ihm den Rücken freizuhalten, bis der Gallien vollständig ausgeplündert hat, um dann nach Rom zurückzukehren und die Republik unter seine alleinige Herrschaft zu bringen. Was auch das Ende von Pompeius bedeuten wird.“

Wie vom Triumvirat vorgesehen, werden Crassus und Pompeius zu Konsuln des Jahres 55 gewählt. Oppositionelle Reden wagt nur Marcus Porcius Cato zu halten, der 56 von seinem erzwungenen Aufenthalt in Sizilien nach Rom zurückkam. Cato wirft Caesar vor, in einem unautorisierten Feldzug in Gallien 400 000 Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet zu haben.

Der Sklave Tiro wird am 28. April 53, seinem 50. Geburtstag, von Cicero in dessen Villa in Formiae freigelassen, aber die beiden seit der Kindheit befreundeten Männer bleiben zusammen, und Tiro arbeitet weiter als Sekretär für Cicero.

Crassus fällt im Juni 53 in der Schlacht bei Carrhae. Im Jahr darauf tötet Titus Annius Milo den von einem seiner Gladiatoren durch einen Speerwurf schwer verwundeten Politiker Publius Clodius Pulcher. Die Witwe Fulvia lässt die Leiche im Senatsgebäude verbrennen, das dabei völlig zerstört wird. Mit dem Ziel, Milo zu vernichten, beauftragt Pompeius den Senator Lucius Domitius Ahenobarbus mit der Untersuchung der Vorfälle. Um außerdem den lästigen Kritiker Cicero loszuwerden, macht er diesen für 51/50 zum Prokonsul der römischen Provinz Cicilicia (Kilikien).

Als Cicero im Herbst 50 nach Rom zurückkehrt, droht ein Machtkampf zwischen Caesar und Pompeius.

Pompeius ist entschlossen, Caesar die Kandidatur zum Konsul zu verweigern, sollte er seine Armee und seine Provinzen nicht aufgeben. Caesar hingegen ist davon überzeugt, ohne seine Armee nicht überleben zu können.

Pompeius setzt am 7. Januar 49 einen Senatsbeschluss durch, demzufolge Caesar vor einer erneuten Kandidatur für das Konsulat sein Heer entlassen und sein Imperium für Gallien und Illyrien niederlegen müsste. Stattdessen überschreitet er drei Tage später den Rubikon, den Grenzfluss zwischen der Provinz Gallia cisalpina und dem Kernland. Damit beginnt ein Bürgerkrieg. Pompeius weicht mit einer eilig zusammengestellten Armee nach Brundisium aus und setzt nach Dyrrhachium über.

Dieser Krieg würde nicht in Rom entschieden, verkündete er, nicht einmal in Italien. Hier zu bleiben würde Caesar nur in die Hände spielen. Es handele sich um einen Weltkrieg, der in Spanien, Africa, dem östlichen Mittelmeerraum und vor allem auf See ausgefochten würde. Über Italien würde er eine Blockade verhängen. Er würde den Feind aushungern und so in die Knie zwingen. Caesar würde über ein Leichenhaus herrschen.

Caesar kesselt Pompeius in der Nähe von Dyrrhachium ein, aber nach einem Durchbruch der Belagerten am 10. Juli 48 entgeht Caesar nur knapp einer Katastrophe. Titus Labienus, der Befehlshaber von Pompeius‘ Reiterei, lässt allen Kriegsgefangenen die Kehlen durchschneiden. Kurz darauf wendet sich das Blatt: Trotz seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit besiegt Caesar seinen Gegner Pompeius am 9. August in der Entscheidungsschlacht von Pharsalos. Pompeius flieht nach Lesbos, wo seine fünfte Ehefrau Cornelia Metella mit dem jüngsten Sohn auf ihn wartet. In der Hoffnung, den Pharao für seine Sache gewinnen zu können, segelt Pompeius mit ihnen weiter nach Ägypten. Am 28. September, einen Tag vor seinem 58. Geburtstag, erreicht das Schiff die ägyptische Küste. Höflinge des Kindkönigs Ptolemaios XIII. holen ihn mit einem Ruderboot ab – und erdolchen ihn am Strand.

Während Caesar seinem römischen Gegner nach Ägypten folgt, zunächst in Alexandria Krieg führt und dann auch gegen Pharnakes II., den König des Bosporanischen Reiches, soll sein Gefolgsmann Marcus Antonius in Rom für Ruhe und Ordnung sorgen. Soziale Reformversuche des Volkstribuns Publius Cornelius Dolabella verhindert Marcus Antonius Anfang 47 mit Gewalt. Er hasst Dolabella, der zwar mit Ciceros Tochter Tulla verheiratet ist, dem jedoch eine Affäre mit Antonius‘ Ehefrau Antonia nachgesagt wird.

Marcus Antonius eignet sich Pompeius‘ Stadthaus an, lässt sich scheiden, führt mit der Nackttänzerin Volumnia Cytheris ein ausschweifendes Leben und heiratet Fulvia, die Witwe seines Jugendfreundes Publius Clodius Pulcher. Weil Antonius‘ Stiefvater Lentulus Sura einer der Mitverschwörer von Lucius Sergius Catilina war, die Cicero hinrichten ließ, zählt dieser ihn zu seinen Gegnern.

Caesar kehrt im Herbst 47 nach Rom zurück und ernennt statt Marcus Antonius einen anderen Gefolgsmann zum Mitkonsul des Jahres 46: Marcus Aemilius Lepidus.

Von seiner Tochter erfährt Cicero, dass seine Frau Terentia seit einiger Zeit nicht nur Inventar aus seinen Villen verkauft, sondern auch einige seiner Gelder für sich abzweigt. Offenbar bereitet sie sich auf eine Scheidung vor. Die erfolgt dann auch während ihres Besuchs bei ihrem Mann in Tusculum im Winter 47/46.

Sie hatten vereinbart, dass Terentia in ihrem gemeinsamen Haus in Rom bleiben würde, bis sie etwas Eigenes gefunden hätte. Cicero blieb in Tusculum, Marcus ging mit seiner Mutter zurück in die Stadt, und Tullia – deren treuloser Eheman Dolabella in Kürze nach Africa segeln würde, um gegen Cato zu kämpfen – blieb bei ihrem Vater.

Der Senatspartei des Pompeius ist es gelungen, sich in Africa durchzusetzen und mit König Juba I. von Numidien zu verbünden. Ende 47 landet Caesar vor Thapsus südlich von Karthago und besiegt zunächst Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio, dann auch Lucius Afranius und Juba I. Caesar annektiert Numidien und sichert sich die für die Getreideversorgung des Römischen Reichs wichtige Provinz Africa. Sein Gegner Marcus Porcius Cato kommt seiner Gefangennahme in der drei Tagesreisen entfernten Garnison Utica zuvor, indem er sich mit einem Schwert den Bauch öffnet. Ein Arzt näht die Wunde zwar zu, aber danach reißt Cato sich mit den Händen die Eingeweide heraus.

Ohne zu berücksichtigen, was es für seine etwa 30 Jahre alte schwangere Tochter Tullia bedeutet, eine halb so alte Stiefmutter zu bekommen, heiratet Cicero die 15-jährige Halbwaise Publilia. Aber er erträgt das ungebildete Mädchen nicht in seiner Nähe und schickt sie nach vier Wochen zu ihrer Mutter und ihrem Onkel zurück. Tullia, die sich Ende 46 von Dolabella scheiden ließ, bringt Anfang 45 dessen Sohn zur Welt.

Gaius Calpurnius Piso Frugi, Tullias erster Ehemann, war im Jahr 57 noch vor der Rückkehr seines Schwiegervaters aus dem Exil gestorben. 56 heiratete Tullia den Patrizier Furius Crassipes, aber diese Ehe wurde nach wenigen Jahren geschieden. Gegen den Rat ihres Vaters vermählte Tullia sich im Sommer 50, während Ciceros Aufenthalt in Cilicia, mit Publius Cornelius Dolabella. Ihr im Mai 49 in Cumae geborener Sohn starb nach kurzer Zeit. Während Dolabella Volkstribun in Rom war, lebte Tullia bei ihrem Vater in Brundisium. Ihren Mann sah sie erst Mitte 46 nach seiner Rückkehr aus Ägypten wieder. Dabei wurde Lentulus gezeugt. Kurz nach dessen Geburt stirbt Tullia an Schwindsucht. Der Säugling wird von einer Amme in Tusculum gestillt und schließlich von Dolabella nach Rom geholt.

Cicero erwirbt für Tiro einen Bauernhof bei Puteoli und erfüllt damit einen Traum seines treuen Freundes.

Während Cicero in Tusculum mit Tiros Unterstützung philosophische Bücher schreibt, besucht die ägyptische Königin Kleopatra Caesar in Rom. Caesar, der sich nur kurze Zeit in Rom aufhält, bringt sie in einer Villa in seinen ausgedehnten Gartenanlagen jenseits des Tibers unter und lässt in dem von ihm errichteten Tempel der Venus Genetrix auf dem Caesarforum eine goldene Statue von ihr aufstellen. Obwohl Caesar mit Calpurnia verheiratet ist, führt er eine eheähnliche Beziehung mit Kleopatra. Cicero und andere Senatoren empören sich nicht nur über die glänzende Hofhaltung der ägyptischen Vasallenkönigin, sondern auch über das Verhalten Caesars und dessen Anspruch, als Gott verehrt zu werden.

Nachdem Caesar die beiden aufständischen Söhne des Pompeius – Sextus und Gnaeus – im März 45 bei Munda in Südspanien besiegt hat, kehrt er zu Kleopatra nach Rom zurück und bringt den Senat im Oktober dazu, ihm diktatorische Vollmachten auf Lebzeiten zu übertragen.

Ende 45 besucht er Cicero in Puteoli.

Während seines gemeinsamen Konsulats mit Antonius im Jahr 44 plant Caesar einen „Welteroberungsfeldzug“ gegen die Parther. Am 18. März will er aufbrechen.

Drei Tage vorher kommt Caesar aufgrund böser Vorahnungen nur widerwillig in die anberaumte Senatssitzung im Theater des Pompeius. Marcus Antonius, der ihm folgt, wird von Gaius Trebonius unter einem Vorwand aufgehalten. Lucius Tillius Cimber eilt wie ein Bittsteller auf Caesar zu, zerrt an dessen Toga, und im nächsten Augenblick rammt Publius Servilius Casca einen Dolch in den entblößten Hals des Diktators. Weitere, von Marcus Junius Brutus und Gaius Cassius Longinus angeführte Senatoren fallen über Caesar her und töten ihn mit 23 Stichen. Im Ungestüm verletzten sich die Verschwörer versehentlich auch gegenseitig.

Cicero, der nichts von den Anschlagsplänen ahnte, schüttelt den Tyrannenmördern die Hand.

„Dann billigst du also, was wir getan haben?“, sagte Brutus.
„Billigen?“, sagte Cicero. „Es war die größte Tat in der Geschichte der Republik.“ Er schaute sich in dem finsteren Raum um. „Aber warum habt ihr euch wie Verbrecher hierher verkrochen? Warum seid ihr nicht draußen auf dem Forum und versammelt das Volk hinter eurer Sache?“
„Wir sind Patrioten, keine Demagogen. Unser Ziel war es, den Tyrannen zu beseitigen, sonst nichts.“
Cicero schaute sie erstaunt an. „Und wer führt jetzt die Staatsgeschäfte?“
„Im Augenblick niemand“, sagte Brutus.

Erst als Cicero hört, dass Marcus Antonius allein weiter amtieren soll, weicht sein Enthusiasmus einer neuen Sorge:

„Hütet euch davor, ihn mit solchen Machtbefugnissen auszustatten. Er hat von Caesar nur die schlechtesten Eigenschaften übernommen und keine von seinen guten.“ Er bat Cassius um Unterstützung.
„Ich stimme dir zu“, sagte Cassius. „Meiner Meinung nach hätten wir ihn zusammen mit Caesar beseitigen sollen. Aber Brutus war dagegen. Deshalb hat Trebonius ihn auf dem Weg zum Senat aufgehalten, und so ist er davongekommen.“

Marcus Antonius hetzt das Volk gegen die Attentäter auf. Der Mob verwechselt den Dichter Gaius Helvius Cinna mit Caesars politischem Gegner Lucius Cornelius Cinna und lyncht ihn auf offener Straße. Brutus und Cassius, die erwarteten, man würde sie als Befreier von der Tyrannei feiern, fliehen Anfang April aus Rom.

Zur Überraschung des Konsuls Antonius hat Caesar in seinem Testament Gaius Octavius, den 18-jährigen Sohn seiner Nichte Atia, adoptiert und ihm drei Viertel seines Vermögens vermacht.

Gaius Julius Caesar Octavianus, wie sich der unerfahrene Erbe nun nennt, sucht nach seiner Rückkehr aus Illyricum mit seinem Stiefvater Lucius Marcius Philippus und seiner Mutter Atia den erfahrenen Senator Cicero in Puteoli auf, um sich über sein weiteres Vorgehen beraten zu lassen.

Als die Besucher wieder fort sind, fragt Tiro, warum Cicero dem 18-Jährigen geraten habe, sich in Rom dem Volk zu zeigen.

„Warum habt Ihr ihn gedrängt, nach Rom zu gehen? Ihr wollt doch sicher keinem neuen Caesar den Weg bereiten?“
„Wenn er nach Rom geht, wird er Antonius unweigerlich in Schwierigkeiten bringen. Er wird sein Lager spalten.“
„Und wenn sein Abenteuer Erfolg hat?“
„Wird es nicht. Philippus hat recht. Er ist ein netter Junge, und ich hoffe, dass er überlebt. Aber er ist kein Caesar, da genügt ein einziger Blick.“

Kurz darauf berichtet Octiavian in einem Brief an Cicero, wie er von Antonius in Rom empfangen wurde:

Zunächst dankte ich ihm, dass er sich in meinem Namen des Vermögens meines Adoptivvaters angenommen habe, und bot ihm an, sich als Andenken nach Belieben ein Schmuckstück auszuwählen, mir aber dann den Rest auf der Stelle auszuhändigen. Ich sagte ihm, ich benötigte das Geld – wie im Testament meines Vaters festgelegt – zur sofortigen Auszahlung an die dreihunderttausend Bürger Roms. Für den Rest meiner Auslagen bat ich um ein Darlehen aus der Staatskasse. Ich erzählte ihm auch von meinem Vorhaben, mich für den vakanten Sitz des Volkstribunen zur Wahl zu stellen, und bat ihn um Beweise für die verschiedenen Verfügungen, von denen er behaupte, sie in den Unterlagen meines Vaters gefunden zu haben.
Er erwiderte entrüstet, dass Caesar kein König gewesen sei und mir nicht die Herrschaft über den Staat hinterlassen habe. Folglich müsse er mir auch keinen Bericht über seine öffentlichen Erlasse erstatten. Was das Geld angehe, so sei das Vermögen meines Vaters bei Weitem nicht so groß gewesen, außerdem habe er die Staatskasse leer hinterlassen, weshalb auch dort nichts zu holen sei. Was schließlich das Tribunat angehe, so sei meine Kandidatur ungesetzlich und komme deshalb nicht infrage.

Cicero freut sich über die Feindschaft zwischen Antonius und Octavian, aber er unterschätzt den Jüngeren der beiden und vergleicht dessen Vorgehen mit dem eines Löwenbabys, das einen ausgewachsenen Löwen in den Schwanz zwickt.

Am 7. Juni beraten sich Brutus und Cassius in Antium mit Cicero. Er hält es für das Beste, dass sie die von Antonius angebotenen Präfekturen in Macedonia bzw. Syria annehmen. Dort könnten sie Legionen ausheben und dann gegen den Usurpator bzw. für die Republik kämpfen.

Von den politischen Vorgängen angewidert, beabsichtigt Cicero, sich nach Athen zurückzuziehen und sein weiteres Leben der Philosophie zu widmen. Tiro, der inzwischen auf die 60 zugeht, bevorzugt einen Lebensabend auf seinem Bauernhof in Puteoli. Im Badehaus Venus Libertina in Baiae sieht er das damals 17-jährige Sklavenmädchen wieder, das er mit seinen Ersparnissen freikaufen hatte lassen, bevor er mit Cicero ins Exil ging. Jetzt gehört Agathe Licinia das Badehaus. Einige Zeit nach dem Wiedersehen wird sie Tiros Ehefrau.

Nach knapp sieben Wochen kehrt Cicero zurück. In Sizilien habe er es sich anders überlegt, erklärt er Tiro. Nun sei er auf dem Weg nach Rom und habe nur vorbeischauen wollen. Aber Tiro begleitet seinen Freund auf der achttägigen Reise.

In Rom wird Cicero von Lucius Calpurnius Piso gewarnt. Antonius wolle ihm im Senat eine Falle stellen und einen Antrag auf neue Ehrungen für Caesar fordern.

„Wenn du den Antrag unterstützt, ist deine Rückkehr ins öffentliche Leben schlagartig beendet. Die Massen, die dich heute noch bejubelt haben, werden dich als Wendehals verhöhnen. Und wenn du dich dagegen aussprichst, dann schaffst du es nicht lebend nach Hause.“

Um nicht in die Zwickmühle zu geraten, bleibt Cicero am nächsten Tag zu Hause und lässt sich wegen einer angeblichen Unpässlichkeit nach der anstrengenden Reise entschuldigen. Als er an der nächsten Senatssitzung am 2. September teilnimmt, fehlt Antonius. Cicero kritisiert die Gesetzgebung der Konsuln Marcus Antonius und Publius Cornelius Dolabella. Eine weitere, am 24. Oktober fertiggestellte Senatsrede wagt Cicero nur als Flugschrift zu verteilen. Spaßeshalber bezeichnet Cicero diese und weitere Texte, mit denen er die Republik vor einer erneuten Diktatur zu retten versucht, in Anlehnung an die 351 bis 341 von Demosthenes gegen den makedonischen König Philipp gehaltenen Reden „Philippica“ (Philippische Reden).

Cicero erreicht, dass der Senat Octavian trotz seines Alters bevollmächtigt, Krieg gegen Antonius zu führen.

„Hätte nicht ein einzelner junger Mann diesem Geisteskranken die Stirn geboten, dann wäre dieser Staat restlos zerstört worden.“

Auf dem Weg nach Syria trifft Ciceros früherer Schwiegersohn Publius Cornelius Dolabella mit seiner Armee in Smyrna auf Gaius Trebonius, den Statthalter von Asia. Obwohl dieser ihn nicht behindert, überfällt Dolabella ihn nachts im Schlaf, beraubt ihn und foltert ihn zwei Tage lang zu Tode.

Zur gleichen Zeit belagert Antonius seine in Mutina (Modena) verschanzten Gegner. Am 21. April 43 zerschlagen Octavian und der Konsul Aulus Hirtius den Belagerungsring. Hirtius fällt allerdings in der Schlacht von Mutina, und zwei Tage später erliegt auch sein Mitkonsul Gaius Vibius Pansa Caetronianus den einige Zeit zuvor erlittenen Verwundungen.

Obwohl Octavian erfahren hat, dass Cicero in Bezug auf ihn „aufbauen, hochjubeln, abservieren“ empfahl, erklärt er ihm in Rom, er garantiere für seine Sicherheit, wenn er sich verpflichte, sich in die Provinz zurückzuziehen, Italien aber auch nicht zu verlassen, an keinen weiteren Senatssitzungen teilzunehmen und keine politischen Schriften zu verfassen. Cicero fügt sich und reist am nächsten Tag nach Tusculum.

Dort überrascht ihn gegen Ende des Jahres die Nachricht vom Zweiten Triumvirat. Octavian hat sich in Verhandlungen auf einer Insel im Fluss Lavinius zwischen Bononia und Mutina mit seinen bisherigen Gegnern Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus verbündet. Die neuen Machthaber stellen Proskriptionslisten zusammen.

Drei Tage hatten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang daran gearbeitet, den Kadaver der Republik unter sich aufzuteilen. Um ihre Armeen bezahlen zu können, hatten sie eine Todesliste mit zweitausend wohlhabenden Männern zusammengestellt, deren Besitz beschlagnahmt werden sollte, darunter zweihundert Senatoren.

Antonius bestand bei den Verhandlungen darauf, dass auch Cicero und dessen Bruder getötet werden. Cicero versteckt sich zunächst auf der kleinen Insel Astura. Am 7. Dezember 43 wird er in der Nähe seines Anwesens in Formiae von dem Militärtribun Gaius Popilius Laenas aufgegriffen. Die Männer kennen sich. Als Gaius Popilius Laenas nämlich im Alter von 15 Jahren wegen Vatermords angeklagt war, erreichte Cicero als sein Verteidiger einen Freispruch für ihn. Dennoch zögert der Militärtribun nicht, seinen Lebensretter befehlsgemäß von einem Centurio töten zu lssen. Tiro muss nicht nur mit ansehen, wie sein 63-jähriger Freund auf der Stelle mit einem Schwert entleibt wird, sondern auch, wie die Soldaten Kopf und Hände des Toten abschneiden, um sie Marcus Antonius in Rom zu schicken.

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Mit dem Band „Dictator“ schließt Robert Harris seine 2006 mit „Imperium“ begonnene und 2009 mit „Titan“ weitergeführte Trilogie über Cicero ab. Wieder schlüpft er in die Rolle des Sekretärs Tiro, statt als auktorialer Erähler aufzutreten. Marcus Tullius Tiro (um 103 – 4 v. Chr.) ist keine fiktive Figur. Er wurde drei Jahre nach Cicero in Arpinum als Sklave geboren, wuchs mit Cicero zusammen auf und kam mit dessen Familie nach Rom. Jahrzehntelang diente er Cicero als Sekretär und wurde schließlich von ihm freigelassen. Um Ciceros Reden mitschreiben zu können, erfand Tiro eine Kurzschrift (Tironische Noten). Seinen Lebensabend verbrachte er auf einem kleinen Landgut bei Puteoli. Bezeugt ist auch, dass Marcus Tullius Tiro eine Biografie über Cicero schrieb. Allerdings ist sie verschollen.

Cicero wird in Robert Harris‘ Romanbiografie „Dictator“ als widerspruchsvoller Charakter lebendig. Der glühende Anhänger der untergehenden Römischen Republik verabscheut zwar generell Gewalt, schreckt jedoch nicht vor List, Täuschung und Intrige zurück, um seine Absichten durchzusetzen. Robert Harris bzw. Tiro schildert den herausragenden Rhetoriker, Politiker und Philosophen als mitunter feige, aber in entscheidenden Augenblicken als mutig. So wie wir Cicero in „Dictator“ erleben, wirkt er zwar eitel und egozentrisch, versucht aber auch, sich nicht verbiegen zu lassen und verfolgt konsequent sein politisches Ziel: den Erhalt der Republik und den Kampf gegen die Diktator bzw. Tyrannei.

Auf der Grundlage seines profunden Wissens über die Geschichte des Römischen Reiches hat Robert Harris mit „Dictator“ nicht nur eine farbige Romanbiografie über Cicero geschrieben, sondern er liefert zugleich einen detailreichen Abriss der historischen Entwicklung in den Jahren 60 bis 43 v. Chr. Dabei zeigt er uns die politischen Verhältnisse in einer Zeit des fundamentalen Wandels. Robert Harris beschreibt Politik als komplexes Geschehen, das von Eitelkeit, Rache und Machtgier, Finten, Intrigen und Korruption, Opportunismus, Öffentlichkeitsarbeit und Theatralik getrieben wird. Auch Ethik und Moral werden für politische Zwecke instrumentalisiert. Immer wieder blitzen in „Dictator“ Parallelen zur Gegenwart auf.

Einige Passagen wie zum Beispiel ausführlich dargestellte Senatsdebatten und zusammenfassende Schilderungen von Schlachten sind mitunter ermüdend. Aber insgesamt handelt es sich bei „Dictator“ um einen grandiosen Roman mit packenden Szenen wie etwa die Ermordung Caesars, bei der man als Leser glaubt, unter den Augenzeugen zu stehen.

Den Roman „Dictator“ von Robert Harris gibt es auch in einer gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von Frank Arnold (ISBN 978-3-8371-3169-7).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Textauszüge: © Wilhelm Heyne Verlag

Marcus Tullius Cicero (Kurzbiografie)
Augustus (Kurzbiografie)

Robert Harris: Vaterland
Robert Harris: Enigma (Verfilmung)
Robert Harris: Pompeji
Robert Harris: Imperium
Robert Harris: Ghost (Verfilmung)
Robert Harris: Angst
Robert Harris: Intrige
Robert Harris: Konklave
Robert Harris: München
Robert Harris: Der zweite Schlaf
Robert Harris: Vergeltung

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