John Grisham : Das Fest
Inhaltsangabe
Kritik
Luther Krank ist vierundfünfzig, arbeitet als Steuerberater in der Kanzlei Wiley & Beck und wohnt seit achtzehn Jahren mit seiner Frau Nora und seiner Tochter Blair in der Hemlock Street. Im Alter von dreiundzwanzig Jahren schließt Blair ihr Studium ab, doch bevor sie eine berufliche Laufbahn einschlägt, will sie erst noch zwei Jahre lang Kindern in Ostperu das Lesen beibringen. Am Sonntag nach Thanksgiving lässt sie sich von ihren Eltern zum Flughafen bringen. Sie wird über Miami nach Lima fliegen und von dort drei Tage lang mit dem Bus zu ihrem Einsatzort in den Bergen fahren. Zum ersten Mal in ihrem Leben wird sie das Weihnachtsfest nicht mit ihren Eltern feiern.
Auf der Rückfahrt vom Flughafen will Nora noch etwas einkaufen. Bei dem Gedränge kommt Luther der Gedanke, die Gelegenheit zu nutzen und das Fest ausfallen zu lassen. Nachts steht er heimlich auf und errechnet anhand der Steuererklärung, was im letzten Jahr die Weihnachtsdekorationen, die Karten, das Essen und die Getränke, Noras Kleid für die Party und die Geschenke kosteten: Es waren 6100 Dollar!
Am nächsten Tag fährt er mit dem Aufzug von seinem Büro hinunter zu dem Reisebüro im selben Gebäude und bucht bei einer braungebrannten, sportlichen jungen Dame namens Biff eine zehntägige Kreuzfahrt auf der „Island Princess“ in die Karibik. Das Luxusschiff wird am 25. Dezember mittags von Miami aus in See stechen. Luther bezahlt 3000 Dollar – halb so viel wie für ein Weihnachtsfest! – und verzichtet auf eine Rücktrittsversicherung, denn es sind ja nur wenige Tage bis zum Antritt der Reise.
Zu Hause überredet er Nora, dieses Jahr auf Festschmuck, Karten, Party und Geschenke zu verzichten und sich stattdessen auf den Bahamas, Jamaika und den Caymaninseln umzusehen.
Kurze Zeit später erfolgt die erste Bewährungsprobe: Aubie vom Schreibwarengeschäft „Kürbiskern“ ruft an und erinnert Nora daran, mit der Auswahl der Weihnachtskarten nicht zu lange zu warten. Dass sie dieses Jahr keine Karten benötigt, kann er nicht verstehen. Ebenso ergeht es den Pfadfindern, die in der Hemlock Street wie jedes Jahr um diese Zeit Weihnachtsbäume verkaufen und von Luther gesagt bekommen, dass er diesmal keinen nimmt. Die Polizeibeamten Salino und Treen kommen mit Kalendern vorbei, die sie für einen guten Zweck verkaufen. Sie werden von Luther ebenso fortgeschickt wie der Feuerwehrmann Kistler und der Sanitäter Kendall, die sich das Ziel gesetzt haben, neunhundert Christstollen zu je 10 Dollar abzusetzen, um mit dem Erlös einen Kinderspielzeugfonds zu unterstützen. Als die Anführerin einer Weihnachtssängergruppe der Lutherischen Gemeinde erfährt, dass die Kranks kein Weihnachtsfest feiern wollen, erkundigt sie sich, ob es sich bei ihnen um Juden handelt.
Vic Frohmeyer, der in der Universität irgendwelche Forschungen durchführt und mit seiner Frau und den sechs Kindern in der Hemlock Street wohnt, engagiert sich in der Nachbarschaft, das heißt, er bringt Stadtratkandidaten mit zu Grillpartys, organisiert Unterschriftensammlungen, ruft das Tierheim an, wenn einer einen streunenden Hund entdeckt und sorgt dafür, dass der Rasen von Leuten gemäht wird, die im Krankenhaus sind. Seit sechs Jahren gibt er kurz vor Weihnachten den Startschuss für die Aufstellung von zwei Meter großen Schneemännern aus Hartplastik mit einer 200-Watt-Glühlampe im Inneren. So auch jetzt. Sofort helfen sich die Männer in der Hemlock Street gegenseitig, die „Frostys“ aufs Dach zu ziehen und mit einem von Frohmeyer ausgetüftelten Riemen am Schornstein zu befestigen. Einundzwanzig Häuser stehen auf jeder Seite der Hemlock Street. Nur bei den Kranks bleibt der Frosty diesmal im Keller. Am Morgen steht in ihrem Vorgarten ein Schild mit der Zeichnung eines in Ketten liegenden Schneemanns und darunter steht: „Freiheit für Frosty!“ Die Lokalzeitung „Gazette“ schickt eigens einen Reporter vorbei, aber Luther schlägt ihm die Tür vor der Nase zu.
Vor der Weihnachtsparade flüchten Nora und Luther in ein Restaurant. Bei der anschließenden Prämierung der Weihnachtsdekorationen landet die Hemlock Street abgeschlagen auf Platz 6. Nur die Trogdons schaffen es mit ihren vierzehntausend Lichtern im Vorgarten wenigstens auf Platz 4 in der Kategorie „festliche Beleuchtung“.
Zum Missfallen seiner Kollegen nimmt Luther nicht mit seiner Frau an der Weihnachtsfeier der Kanzlei teil, und als am 23. Dezember mittags die Büroparty beginnt, stiehlt er sich davon.
Am nächsten Morgen erinnert Luther sich, wie dieser Tag in den letzten Jahren verlief:
Am vierundzwanzigsten sprang Nora normalerweise vor Tag und Tau aus dem Bett und begann, eine lange Liste abzuarbeiten. Ihm gab sie eine noch längere. Um sieben Uhr morgens hatte sie schon den Truthahn im Ofen, das Haus tadellos sauber, die Tische für die Party gedeckt und ihren vollkommen erledigten Ehemann hinaus in den Dschungel geschickt, wo er sich mit seiner Liste durch den Verkehrsstau und das Gedränge in den Geschäften kämpfen musste. Den ganzen Tag lang schnauzten sie einander an, entweder von Angesicht zu Angesicht oder am Handy […]
Das totale Chaos. Um sechs Uhr abends, wenn sie beide erschöpft waren und die anstehenden Feiertage eigentlich schon satt hatten, trafen ihre Gäste ein, ebenfalls hundemüde von all der Weihnachtshektik […] (Seite 126)
Um kurz nach 11 Uhr klingelt das Telefon. Blair ist am Apparat. Sie ruft aus Miami an und ist mit ihrem Verlobten, einem peruanischen Arzt mit dem Namen Enrique, auf dem Weg zu ihren Eltern, um sie zu überraschen. Enrique freut sich schon darauf, endlich einmal amerikanische Weihnachten mit allem Drum und Dran zu erleben. Um 18 Uhr wird ihr Flugzeug landen, und Blair bittet ihre Eltern darum, sie abzuholen.
Es bleiben also weniger als sieben Stunden Zeit, um die Dekorationen vom Dachboden zu holen, den Frosty aufzustellen, einen Weihnachtsbaum zu besorgen und zu schmücken, Essen und Trinken für die Party einzukaufen, Leute einzuladen und die Tochter mit ihrem Verlobten vom Flughafen abzuholen!
Während Nora losfährt, um für die Weihnachtsparty am Abend einzukaufen und unterwegs alle Freunde und Bekannten anruft, die ihr einfallen, um sie einzuladen, kauft Luther den letzten noch verfügbaren Weihnachtsbaum, eine dürre Krüppelkiefer. „Der Baum braucht Wasser“, meint der Verkäufer. Als Luther zu Hause aussteigt, hat der Baum keine einzige Nadel mehr. In seiner Not geht er hinüber zu den Tragdons. Wes und Trish Tragdon fahren wie jedes Jahr mit ihren Kindern zum Skifahren und sind gerade dabei, die letzten Sachen ins Auto zu packen. Luther bittet Wes, ihm den Weihnachtsbaum zu leihen und verspricht, ihn vor ihrer Rückkehr wieder zurückzubringen, damit Trish nichts davon merkt. Tatsächlich überlässt Wes ihm die Schlüssel, damit er sich den Baum nach ihrer Abfahrt holen kann. Luther gibt Spike, einem der Söhne der Frohmeyers, 40 Dollar, damit dieser ihm dabei hilft. Als Walt Scheel durchs Fenster beobachtet, wie Luther mit einem Weihnachtsbaum aus dem Haus der Tragdons kommt, alarmiert er die Polizei. Salino und Treen nehmen Luther wegen Einbruchsdiebstahls fest. Er sitzt bereits im Fond des Streifenwagens, als Spike mit seinem Vater angerannt kommt. Vic Frohmeyer redet mit den Beamten und sorgt dafür, dass sie Luther wieder aussteigen lassen.
Nora ruft aufgeregt an: Die Straßen sind verstopft, die Geschäfte ausverkauft, und alle, die sie zur Weihnachtsparty einlädt, haben schon etwas anderes vor.
Inzwischen ist es 16.45 Uhr. Luther holt den Frosty aus dem Keller, setzt die Teile zusammen und versucht, den Plastikschneemann so unauffällig wie möglich aufs Dach zu schaffen. Er sichert sich mit einem Nylonseil, steigt hinauf und zieht den Frosty mit einem weiteren Seil hoch, um ihn mit dem dafür vorgesehen Riemen am Schornstein festzumachen. Plötzlich gleitet er aus. Der Frosty zerbirst auf dem Plaster. Luther rutscht hinterher, verheddert sich während des Sturzes mit einem Knöchel in den Seilen und dem Kabel der Beleuchtung und bleibt zweieinhalb Meter über dem Boden ruckartig mit dem Kopf nach unten hängen. Die Nachbarn laufen zusammen. Ein Kind meint: „Der arme Frosty!“ Der Feuerwehrmann Kistler und der Sanitäter Kendall bergen schließlich den zwar zitternden, aber unverletzten Mann. Nur den Knöchel hat er sich verrissen. Deshalb hinkt er.
Vic Frohmeyer stellt die Frage, die auch alle Umstehenden bewegt: „Was geht hier eigentlich vor?“ Da erzählt Luther kleinlaut, dass Blair unerwartet aus Peru kommt und ihren Verlobten mitbringt. Blair ist in der Hemlock Street aufgewachsen und sehr beliebt. Unverzüglich nimmt Vic Frohmeyer die Organisation des Weihnachtsfestes der Kranks in die Hand. Jude Becker stellt ihre beiden Truthähne, die bereits im Ofen sind, für die Weihnachtsparty zur Verfügung. Alle gehen nach Hause, um sich umzuziehen und mit Speisen und Geschenken in einer halben Stunde zu den Kranks zu kommen. Ralph Brixley baut seinen Frosty ab und klettert bei den Kranks aufs Dach, um ihn dort aufzustellen. Salino und Treen fahren mit dem Streifenwagen zum Flughafen, um Blair und Enrique abzuholen. Der Südamerikaner hat dann allerdings „einige Bedenken, freiwillig in ein Polizeiauto zu steigen“.
Als Blair und Enrique in der Hemlock Street eintreffen, werden sie von einem Chor mit dem Lied „Jingle Bells“ empfangen. Ralph Brixley hält den Frosty auf dem Dach fest, bis Judd Bellington den gerissenen Riemen geflickt hat. Zu der Party erscheinen alle Nachbarn bis auf die Tragdons, die beim Skifahren sind, und die Scheels. Bev Scheel hat Brustkrebs, und trotz einer Chemietherapie diagnostizierten die Ärzte kurz vor Weihnachten erneut Metastasen. Vermutlich wird sie nur noch ein halbes Jahr leben. Während der Party, als Enrique die von den Gästen mitgebrachten Weihnachtsgeschenke auspackt – es sind ihre eigenen, die sie nicht brauchen können – geht Luther zu Walt und Bev Scheel hinüber und schenkt ihnen die Reiseunterlagen für die Kreuzfahrt.
Weihnachten kostet Nerven, besonders in den USA. Alle leiden unter dem sinnlosen Stress, aber wer es wagt, eine Kreuzfahrt zu buchen statt Weihnachten zu feiern, gilt als Außenseiter und gerät gehörig unter Druck. An diesem Beispiel nimmt John Grisham gesellschaftliche Zwänge aufs Korn. „Das Fest“ ist eine schrille Groteske. Routiniert und mit handwerklichem Können hat John Grisham aus Klischees und originellen Ideen eine amüsante, temporeiche und leicht zu lesende Geschichte zusammengestellt.
Joe Roth verfilmte den Roman „Das Fest“ mit Tim Allen und Jamie Lee Curtis in den Hauptrollen.
„Verrückte Weihnachten“ („Christmas with the Kranks“, 2004) – Regie: Joe Roth – Drehbuch: Chris Columbus – Darsteller: Tim Allen (Luther Krank), Jamie Lee Curtis (Nora Krank), Julie Gonzalo (Blair Krank), Dan Aykroyd, Jordan Alec, Billy Asher, Raymond Braun, Jake Busey, Dillon Case u.a. – 100 Minuten
„Das Fest“ gibt es auch in gekürzter Fassung als Hörbuch, gesprochen von Charles Brauer (4 CDs, Ullstein Hörverlag).
John Grisham wurde 1955 in Arkansas geboren. Nach dem Studium arbeitete er als Rechtsanwalt und war als Politiker tätig. 1988 erschien sein Gerichtsthriller „Die Jury“, den internationalen Durchbruch schaffte er mit seinem zweiten Roman: „Die Firma“.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Wilhelm Heyne Verlag
John Grisham (kurze Biografie / Bibliografie)
John Grisham: Die Firma
John Grisham: Der Klient (Verfilmung)
John Grisham: Die Kammer
John Grisham: Der Verrat
John Grisham: Das Urteil (Verfilmung)
John Grisham: Die Schuld
John Grisham: Der Anwalt
John Grisham: Das Geständnis
John Grisham: Das Komplott
John Grisham: Die Erbin
John Grisham: Der Gerechte
John Grisham: Bestechung
John Grisham: Das Original
John Grisham: Das Bekenntnis
John Grisham: Die Wächter
John Grisham: Das Manuskript
John Grisham: Der Verdächtige