Oktoberfest München


Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I. von Bayern, heiratete am 12. Oktober 1810 im Alter von vierundzwanzig Jahren die sechs Jahre jüngere Prinzessin Therese Charlotte Luise Friederike Amalie von Sachsen-Hildburghausen. Den Abschluss der Feierlichkeiten in München bildete am 17. Oktober ein vom Bankier Andreas Dall’Armi organisiertes Pferderennen auf einer Wiese, die damals noch außerhalb der Stadt lag und später zu Ehren der Königin den Namen „Theresienwiese“ erhielt. (Der Kutscher Franz Baumgartner ging als Sieger aus dem Pferderennen hervor.)

So entstand 1810 das Münchner Oktoberfest.

Im Oktober des folgenden Jahres wurde erneut ein Pferderennen auf der Theresienwiese veranstaltet, diesmal zusammen mit einem Landwirtschaftsfest und einer Fachausstellung zur Förderung der bayrischen Agrarwirtschaft. (Das Zentrallandwirtschaftsfest findet auch heute noch alle vier Jahre parallel zum Oktoberfest statt.)

1813 fiel das Oktoberfest wegen der Napoleonischen Kriege erstmals aus.

Beim Oktoberfest 1818 wurde das erste Karussell aufgestellt. Im Jahr darauf, als in Bayern wieder die kommunale Selbstverwaltung eingeführt wurde, übernahm die Münchner Stadtverwaltung die Festleitung. 1824 beschloss der Magistrat der Stadt München, neben achtzehn einheimischen Brauern und Wirten nur noch vier weitere aus der Umgebung auf dem Oktoberfest Bier ausschenken zu lassen (Wiesnwirte). Anlässlich der Silberhochzeit des bayrischen Königspaares fand 1835 parallel zum Oktoberfest ein Trachtenzug statt. Am 9. Oktober 1850 wurde während des Oktoberfestes die von König Ludwig I. in Auftrag gegebene, von Leo von Klenze und Ludwig Schanthaler entworfene und von Johann Baptist Stiglmaier und Ferdinand von Miller in Bronze gegossene Statue der Bavaria enthüllt. (König Ludwig I. hatte allerdings 1848 wegen Lola Montez zurücktreten müssen.) 1869 war Michael August Schichtl (1851 – 1911) erstmals mit seiner Zauberbude auf dem Oktoberfest. (Heute gilt „der Schichtl“ als älteste Attraktion auf dem Oktoberfest.) Weil sich das Münchner Oktoberfest zu einem riesigen Volksfest vergrößerte, wurde 1872 die Dauer verlängert. Seither beginnt das Oktoberfest jeweils am ersten Samstag nach dem 15. September und endet am ersten Sonntag im Oktober. 1886 gab es erstmals elektrisches Licht auf dem Oktoberfest. 1896 verdrängten große Festzelte die kleinen Bierbuden. (Heute finden in so einem Bierzelt bis zu 8450 Besucherinnen und Besucher einen Sitzplatz, und im „Garten“ weitere 2450. Der Aufbau beginnt ein Vierteljahr vor der Eröffnung des Oktoberfestes.)

Bis 1945 fiel das Münchner Oktoberfest zwei Dutzend Mal aus, zumeist wegen Kriegen, aber auch wegen Inflation (1923, 1924) und Cholera-Epidemien (1854, 1873). Deshalb fand vom 18. September bis 3. Oktober 2010, zweihundert Jahre nach der Gründung, erst das 177. Oktoberfest in München statt.

Den offiziellen Beginn des Oktoberfestes auf der Theresienwiese bildet der Einzug der Wiesnwirte. Sie kommen in Kutschen aus der Innenstadt. Der Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer eröffnete die „Wiesn“ – so heißt das Fest bei den Einheimischen – 1950 erstmals mit einem Fassanstich. Er benötigte allerdings neunzehn Schläge, bis das Bier floss. (Oberbürgermeister Christian Ude schaffte es 2009 mit zwei Schlägen.) Seither sticht der Münchner Oberbürgermeister um 12 Uhr im Schottenhamel-Festzelt das erste Bierfass an und ruft „O’zapft is!“. Als Zeichen für die anderen Wiesnwirte werden dann vor der Bavaria zwölf Böllerschüsse abgegeben.

In Anknüpfung an entsprechende Umzüge in den Jahren 1835 und 1895 wurde 1950 die Tradition des Trachten- und Schützenzugs eingeführt: Am ersten Wiesn-Sonntag ziehen Tausende von Teilnehmern in ihren Trachten vom Maximilianeum zur Theresienwiese.

Dass inzwischen knapp die Hälfte der Wiesn-Besucher Tracht (oder das was sie dafür halten) tragen, hat mit Tradition nichts zu tun. Erst durch die Bewerbung Münchens um die Olympischen Spiele 1972 und die Olympia-Hostessen wurde eine Verbindung von München, Oktoberfest und Dirndl hergestellt. In den Neunzigerjahren kam die sogenannte Landhausmode auf, und seit der Jahrtausendwende werden billige „Dirndl“ in großen Mengen gekauft.

Seit 1984 gibt es am Rand der 42 Hektar großen Theresienwiese in München eine U-Bahn-Station (Architekt: Alexander Freiherr von Branca, Wandbilder von Ricarda Dietz).

Heute gilt das Oktoberfest in München als größtes Volksfest der Welt. Im Durchschnitt kommen jedes Jahr 6 Millionen Menschen auf die Wiesn (2013: 6,4 Millionen, 2014: 6,3 Millionen, 2015: 5,9 Millionen, 2016: 5,6 Millionen). Der Rekord liegt bisher bei 7,1 Millionen Besucherinnen und Besuchern. So viele wurden 1985 gezählt.

Beim Münchner Oktoberfest werden etwa 2,7 Millionen Kilowattstunden Strom, rund 200 000 Kubikmeter Gas und über 100 000 Kubikmeter Wasser verbraucht. Die Länge der Stromkabel beträgt 43 Kilometer. Weil bei einem Stromausfall eine Massenpanik zu befürchten wäre, ist die Versorgung doppelt ausgelegt. (Trotzdem kam es am Vormittag des 25. September 2007 zu einem mehrstündigen Stromausfall.)

Die Wiesnwirte dürfen nur Münchner Bier ausschenken, das nach dem Münchner Reinheitsgebot von 1487 und dem Deutschen Reinheitsgebot von 1906 gebraut ist. Allerdings stellen die Brauereien fürs Oktoberfest und auch für den Flaschenverkauf zur Wiesn-Zeit ein besonderes Festbier mit mehr Stammwürze und einem höherem Alkoholgehalt her (Wiesn Märzen). Das Bier wird literweise ausgeschenkt (1 Liter Bier = 1 Maß, die Maß, gesprochen: Mass). Mit Ausnahme von Souveniers bestehen die Maßkrüge inzwischen nicht mehr aus Ton (Keferloher), sondern nur noch aus Glas, nicht zuletzt, damit der Gast sieht, wie gut eingeschenkt wurde. (Manche Schenkkellner befüllen aus einem Hektoliter-Fass weit mehr als 100 Maßkrüge.) Auf dem Oktoberfest werden jährlich etwa 6 Millionen Maß Bier getrunken (Rekord im Jahr 2011: 7,5 Millionen Maß).

Auch Sekt wird auf dem Oktoberfest getrunken: im Jahr 2012 fast 40 000 Flaschen.

Die Wiesn-Besucher verzehren etwa eine halbe Million Brathendl (Rekord im Jahr 1990: 750 947). Außerdem werden auf dem Münchner Oktoberfest rund hundert ganze Ochsen am Spieß gebraten (2013: 114; 2014: 112; 2015: 122).

12 000 Menschen, davon 1600 Kellnerinnen und Kellner sowie über 500 Marktkaufleute und Schausteller, sind im Wiesn-Betrieb beschäftigt.

Im Behördenhof des Oktoberfestes wurde 2004 ein neues Servicezentrum eingerichtet, in dem die Wiesn-Einsatzzentrale des Bayerischen Roten Kreuzes, Polizei, Feuerwehr, Kinderfundstelle, Fundbüro, Fremdenverkehrsamt, Pressebüro u. a. stationiert sind. Zum Transport von Verletzten und Betrunkenen werden übrigens besondere Schiebetragen mit Sichtschutzplanen benutzt.

Am 26. September 1980 um 22.19 Uhr explodierte am Haupteingang des Festgeländes ein Sprengkörper. 13 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt, 68 von ihnen schwer. Das Oktoberfest-Attentat war der schlimmste Terroranschlag in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dass der 21 Jahre alte rechtsextreme Geologiestudent Gundolf Köhler aus Donaueschingen, der selbst bei der Explosion ums Leben kam, alleiniger Täter gewesen sei – so das offizielle Ermittlungsergebnis – wird vielfach bezweifelt.

Im Sommer 2014 meldete sich bei dem Münchner Rechtsanwalt Werner Dietrich, der mehrere Opfer des Anschlags vertritt, eine Zeugin, die auch bei einer mehrstündigen Befragung durch die Bundesanwaltschaft aussagte, sie habe am Morgen nach dem Oktoberfest-Attentat bei einem Mann Exemplare eines Nachrufs auf Gundolf Köhler gesehen, zu einem Zeitpunkt also, als der Name des Attentäters noch nicht öffentlich bekannt war. Im Dezember 2014 ordnete Generalbundesanwalt Harald Range ein neues Ermittlungsverfahren an, und das Bayerische Landeskriminalamt wurde mit der Ermittlungsarbeit beauftragt.

Am 30. September 1996 kam es auf dem Münchner Oktoberfest in der Euro-Star-Achterbahn zu einem Auffahrunfall, bei dem 26 Menschen verletzt wurden. Unfälle sind jedoch auf dem Oktoberfest selten, denn die Fahrgeschäfte werden vor der Eröffnung der Wiesn von der Abteilung Seilbahnen und fliegende Bauten des TÜV Süd gründlich überprüft.

Literatur über das Münchner Oktoberfest

  • Ulrich Chaussy: Oktoberfest. Ein Attentat (1985)
  • Anne Dreesbach, Michael Kamp: 195 Jahre Oktoberfest. Ein historischer Streifzug (2005)
  • Simone Egger: Phänomen Wiesntracht. Identitätspraxen einer urbanen Gesellschaft. Dirndl und Lederhosen, München und das Oktoberfest (2008)
  • Ernst Fischer, Dieter Hanitzsch, Wolfgang Görl: Wahnsinns-Wiesn. Letzte Wahrheiten über das Oktoberfest (2009)
  • Tobias von Heymann: Die Oktoberfest-Bombe. München, 26. September 1980. Die Tat eines Einzelnen oder ein Terror-Anschlag mit politischem Hintergrund? (2008)
  • Björn Hölle, Oliver Voss, Maria Altmann: Das Oktoberfest-Handbuch. Die Welt zu Gast in München (2006)
  • Sylvia Krauss-Meyl: Das Oktoberfest. Zwei Jahrhunderte im Spiegel des Zeitgeists (2015)
  • Landeshauptstadt München (Hg.): 175 Jahre Oktoberfest. 1810 – 1985. Zusammengestellt von Richard Bauer & Fritz Fenzl (1985)
  • Barbara Ludwig: Tatort Oktoberfest. Mörderisches Spiel (Kriminalroman, 2009)
  • Peter Maigler (Hg.): Oktoberfest! Ein literarischer Wiesnbummel (2008)
  • Hermann Memmel (Hg.): D‘ Wiesn. Geschichten rund ums Münchner Oktoberfest (2008)
  • Florian S. Nagy, Johann C. Bentele, Linda Märkl: Oktoberfest. Zwischen Tradition und Moderne (2007)
  • Cordula Pertler, Eva Reuys: Kinder feiern Oktoberfest (2006)
  • Ritsch Ermeier: Das Wiesn-ABC. Ein satirisch-literarisches Oktoberfest-Lexikon (2005)
  • Hanne Sedlmayer, Ingrid Weidner: Auf geht’s beim Schichtl. Kleine Geschichten rund ums Oktoberfest, nicht nur für Kinder (2007)
  • Reiner Stolte: Die Geschichte vom Münchner Oktoberfest. The History of the Munich Oktoberfest (2004)
  • Sobo Swobodnik: Oktoberfest (Kriminalroman, 2005)
  • Brigitte Veiz: Das Oktoberfest. Masse, Rausch und Ritual. Sozialpsychologische Betrachtungen eines Phänomens (2006)
  • Maria von Welser und Wolfgang Rattay: Münchner Oktoberfest (1982)

Johannes Brunner drehte den Film „Oktoberfest“.

Originaltitel: Oktoberfest – Regie: Johannes Brunner – Drehbuch: Johannes Brunner – Kamera: Thomas Riedelsheimer – Schnitt: Horst Reiter – Musik: Rainer Kühn, Raimund Ritz – Darsteller: Barbara Rudnik, Peter Lohmeyer, August Schmölzer, Gunnar Möller, Anna Brüggemann, Christoph Luser, Mina Tander, Branko Samarovski, Arndt Schwering-Sohnrey, Nahoko Fort-Nishigami, Gen Seto, Hildegard Kuhlenberg, Samira Bedewitz, Marco Basile, Philippine Pachl u.a. – 2005; 120 Minuten

Auf dem Münchner Oktoberfest spielt auch die Verfilmung des Theaterstücks „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horvath durch Ben von Grafenstein: „Kasimir und Karoline“.

Daniel Harrich beschäftigt sich in dem Politthriller „Der blinde Fleck“ mit dem Oktoberfest-Attentat am 26. September 1980 und greift dabei Erkenntnisse des (im Film von Benno Fürmann dargestellten) Journalisten Ulrich Chaussy auf.

Originaltitel: Der blinde Fleck – Regie: Daniel Harrich – Drehbuch: Daniel Harrich, Ulrich Chaussy – Kamera: Walter Harrich, Tobias Corts – Schnitt: – Musik: Ian Honeyman – Darsteller: Benno Fürmann, Nicolette Krebitz, Heiner Lauterbach, Jörg Hartmann, August Zirner, Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Isolde Barth, Anna Grisebach u.a. – 2013; 100 Minuten

© Dieter Wunderlich 2009 / 2015

Biergarten
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Katharina Mevissen erzählt in "Mutters Stimmbruch" eine märchenhafte, absurde und surreale Geschichte über eine skurrile Frauenfigur. Die Darstellung ist atmosphärisch dicht und bildhaft. In den poetischen Text von Katharina Mevissen sind Zeichnungen von Katharina Greeven eingestreut.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.