Kasimir und Karoline

Kasimir und Karoline

Kasimir und Karoline

Originaltitel: Kasimir und Karoline – Regie: Ben von Grafenstein – Drehbuch: Michael Klette, nach dem Volksstück "Kasimir und Karoline" von Ödön von Horvath – Kamera: Ralf Noack – Schnitt: Till Ufer – Musik: Rainer Oleak – Darsteller: Christina Hecke, Golo Euler, Robert Gwisdek, Esther Kuhn, Max Tidof, Florian Bartholomäi, Klaus-Peter Bülz, Adrian Can, Moritz Katzmair, Manni Laudenbach, Arnfried Lerche, Senem Soykök, Alina Stiegler u.a. – 2011; 90 Minuten

Inhaltsangabe

München 2010. Der arbeitslose Fabrikarbeiter Kasimir und die Sprechstundenhilfe Karoline sind seit zwei Jahren ein Paar. Ungeachtet der Geldnot möchte Karoline aufs Oktoberfest. Widerstrebend geht Kasimir mit. Als Karoline in der Achterbahn den Sohn eines Juweliers kennenlernt und sich gleich darauf von einem Musikproduzenten auf ein Glas Sekt einladen lässt, wird Kasimir eifersüchtig. Er lässt sich von einem Bekannten dazu anstiften, am Rand der Wiesn geparkte Autos auszurauben ...
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Kritik

"Kasimir und Karoline" ist ein sozialkritisches Volksstück von Ödön von Horváth. Michael Klette und Ben von Grafenstein adaptierten es fürs Fernsehen und verlegten die episodenhafte Handlung in die heutige Zeit.
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Kasimir (Golo Euler) und Karoline (Christina Hecke) sind seit zwei Jahren ein Paar. Unlängst verlor Kasimir seinen Job als Fließbandarbeiter in einer Autofabrik. Seit er arbeitslos ist, hat er Erektionsprobleme, auch an diesem Morgen, als die beiden in ihrer Wohnung in einem Münchner Mietskasernen-Viertel aufwachen.

Karoline möchte zum Oktoberfest, aber Kasimir hat dazu keine Lust, weil das Gehalt, das Karoline als Sprechstundenhilfe bei einem Urologen verdient, kaum für den Lebensunterhalt reicht. Außerdem setzte sie gerade erst ihren Wunsch durch, ein 3D-Fernsehgerät zu kaufen. Karoline lässt sich allerdings nicht von ihrem Vorhaben abbringen, zieht ein Dirndl an und geht zum Aufzug. Im letzten Augenblick schließt Kasimir sich ihr an.

Auf der Wiesn treffen sie Kasimirs Bekannten Merkel (Robert Gwisdek) und dessen Freundin Erna (Esther Kuhn), die sich ihre Harz-IV-Nummer ans Handgelenk tätowieren ließ. Merkel zieht Kasimir mit sich fort. Karoline würde sich lieber nur mit ihrem Lebensgefährten amüsieren, aber es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich anzuschließen.

Nachdem Merkel eine Prügelei mit einem Crêpes-Verkäufer (Moritz Katzmair) provoziert hat, trennen sie sich. Karoline steigt allein in einen Wagen der Achterbahn. Ein Fremder setzt sich neben sie und gesteht ihr, panische Angst zu haben, diese jedoch überwinden zu wollen.

Die drei anderen sehen Karoline in der Achterbahn. Kasimir wird eifersüchtig. Merkel kennt den Mann neben Karoline. Er ging mit ihm zur Schule. Es handelt sich um Eugen Schürzinger (Florian Bartholomäi), den Politikwissenschaften studierenden Sohn eines reichen Münchner Juweliers. Als er weggeht, folgen Kasimir und Merkel ihm und drohen ihm Prügel an. Karoline geht dazwischen. Danach geht sie mit Schürzinger zu einer Schießbude, aber nach einiger Zeit verabschiedet sie sich von ihm und versucht Kasimir mit dem Handy zu erreichen.

Er meldet sich allerdings nicht. Während Karoline herumsteht und nicht weiß, wo sie Kasimir suchen soll, kommt Schürzinger zurück und macht sie mit dem vor einigen Jahren erfolgreichen Musikproduzenten Mark Rauch (Max Tidof) bekannt, der mit einem Geschäftspartner aus Norddeutschland (Klaus-Peter Bülz) auf der Wiesn ist. Der großspurige Produzent lädt sie zu einer Flasche Sekt ein.

Kasimir sieht Karoline mit den drei Männern. Sie kommt zu ihm und fordert ihn auf, sich anzuschließen, aber das will er nicht. Stattdessen geht er weiter.

Rauch nimmt seinen Geschäftspartner, Karoline und Schürzinger mit in eines der Bierzelte, wo er eine Box reserviert hat. Kasimir sieht das und will ihnen folgen, aber der Türsteher lässt ihn nicht durch. Daraufhin setzen sich Kasimir, Merkel und Erna an einen der Tische im Freien. Übers Handy verlangt Kasimir von Karoline, dass sie das Bierzelt sofort verlässt. Sie bleibt jedoch und tanzt mit Schürzinger.

Merkel meint, Frauen seien es nicht wert sind, dass man ihnen nachläuft. Aber Kasimir will sich nicht von Karoline trennen. Außerdem bekommt er ein Problem, wenn sie ihn verlässt, denn sie bezahlt die Hälfte der Wohnungsmiete, und zur Zeit ist er auch sonst auf ihr Gehalt angewiesen.

Nachdem Karoline und Schürzinger sich geküsst haben, greift sie versehentlich in einen Glassplitter und verletzt sich an der Hand. Rauch bietet ihr an, sie nach Hause zu fahren und geht mit ihr zu seinem Cabriolet. Kasimir sieht die beiden und nimmt an, dass Karoline mit dem Fremden Sex haben will. Aber er unternimmt nichts dagegen.

Unterwegs fragt Rauch, ob Karoline sein Tonstudio sehen wolle. Dort versucht er, sie zu vergewaltigen. Sie wehrt ihn ab und verlässt das Gebäude. Er folgt ihr mit dem Wagen, und weil sie inzwischen gemerkt hat, dass sie den Schlüsselbund verloren hat, kehren sie zum Oktoberfest zurück.

Während Rauch sich wieder ins Gedränge stürzt, bleibt Karoline zurück und versucht, mit Kasimir zu telefonieren, erreicht aber nur die Mailbox.

Merkel behauptet, er könne Kasimir Geld verschaffen. Da Kasimir in der Autofabrik Navigationsgeräte eingebaut habe, wisse er wohl auch, wie man sie wieder ausbaut. Ein Wachmann, den Merkel Ali Baba (Adrian Can) nennt, bietet Kasimir 1000 Euro für vier hochwertige Navigationsgeräte und gibt ihm 100 Euro Vorschuss. Merkel zieht mit Kasimir und Erna los. Sie schauen sich bei den geparkten Fahrzeugen um. Als sie einen geeigneten Wagen gefunden haben, schlägt Merkel eine Seitenscheibe ein, öffnet die Türe und fordert Kasimir auf, das Navigationsgerät auszubauen.

Dann kehren sie aufs Oktoberfest zurück. Dort treffen sie auf die unternehmungslustige Elli (Alina Stiegler) und ihre schüchterne Freundin Gyla (Senem Soykök). Die beiden hatten sich vor ein paar Stunden von Rauch und seinem Begleiter zum Biertrinken einladen lassen. Um selbst Geld ausgeben zu können, vertickte Elli eine Handvoll Partydrogen an andere Wiesnbesucher. Merkel will mit den Diebstählen weitermachen, aber Kasimir zieht mit Elli los. Er küsst sie, fotografiert sich dabei und schickt Karoline das Bild aufs Handy. Elli behauptet, die Tochter eines Brauereibesitzers zu sein. Um sie zu beeindrucken, gibt Kasimir vor, ein Cabrio zu besitzen und lädt sie ein, am nächsten Tag mit ihm nach Italien zu fahren.

Nachdem Elli ihn stehen gelassen hat, geht Kasimir zu einem Porno-Casting am Rand der Festwiese. Dort findet Merkel ihn wieder und fordert ihn auf, mit den Diebstählen weiterzumachen.

Währenddessen laufen sich Gyla und Rauchs Geschäftsfreund wieder über den Weg. Im Riesenrad erzählt der Norddeutsche, dass er verheiratet ist und drei Kinder hat. Danach gehen sie zu seinem Wagen und setzen sich hinein. Er zeigt ihr Fotos von seiner Familie und hört nicht mehr zu reden auf.

Plötzlich klopft Merkel an die Seitenscheibe und zerkratzt den Lack. Der Geschäftsmann springt aus dem Auto. Merkel prügelt sich mit ihm. Der Norddeutsche erweist sich als der Stärkere. Er würgt Merkel, bis Kasimir ihm einen schweren Gegenstand auf den Kopf schlägt und er leblos liegenbleibt. Merkel läuft weg. Kasimir und Erna werden von der Besatzung eines Streifenwagens festgenommen.

Schürzinger trifft auf der Wiesn noch einmal mit Rauch zusammen. Der Produzent beschimpft ihn und prahlt, er hätte Karoline ficken können, wenn er nur gewollt hätte. Daraufhin besorgt Schürzinger sich einen Kanister Benzin, geht zu Rauchs Cabrio und zündet es an. Karoline kommt dazu, und er tut so, als handele es sich um eine politische Tat. Danach begleitet sie ihn zur U-Bahn-Haltestelle und verabschiedet sich dort von ihm.

Im Morgengrauen überquert sie die Hackerbrücke und sagt zu sich selbst: „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich. Aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln, und das Leben geht weiter, als wär‘ man nie dabei gewesen.“

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Michael Klette (Drehbuch) und Ben von Grafenstein (Regie) adaptierten das am 18. November 1932 im Schauspielhaus Leipzig uraufgeführte Volksstück „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth (1901 – 1938) fürs Fernsehen. Dabei verlegten sie die Handlung von 1929 (Weltwirtschaftskrise) nach 2010 (Weltfinanzkrise). Dementsprechend veränderten sie auch die Figuren. So wurden beispielsweise aus dem Chauffeur Kasimir ein Fabrikarbeiter und aus dem Kommerzialrat Rauch ein Musikproduzent.

„Kasimir und Karoline“ ist ein sozialkritisches Volksstück über ein Paar, dessen Beziehung durch Arbeitslosigkeit und den Gegensatz zwischen Arm und Reich zerbricht. Die episodenhafte Handlung spielt vor dem Hintergrund der Volksfestatmosphäre bzw. der Amüsiergemeinschaft auf dem Münchner Oktoberfest.

Die meisten Szenen wurden auf der Jubiläums-Wiesn 2010 gedreht. Um möglichst wenig aufzufallen, verzichtete das Team auf künstliche Ausleuchtung und aufwändige Tontechnik. Ralf Noack filmte mit einer kleinen Handkamera, und das Equipment wurde in einem Einkaufswagen geschoben.

Der Fernsehfilm „Kasimir und Karoline“ steht in der Tradition einer Reihe von Theateradaptionen im Auftrag des ZDF: „Baal“ (2003), „Kabale und Liebe“ (2005), „Lulu“ (2006), „Peer Gynt (2006), „Werther“ (2008).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

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