Kurt Gerron
Kurt Gerron – bürgerlich: Kurt Gerson – wurde am 11. Mai 1897 in Berlin als einziges Kind des Kaufmanns Max Gerson und dessen Ehefrau Mally geboren. Wegen des Ersten Weltkriegs konnte Kurt im Alter von 17 Jahren nur ein Notabitur ablegen. Danach kam er zum Militär und an der Westfront zum Einsatz. Nachdem ihn ein Granatsplitter schwer verletzt hatte, war er für die Front nicht mehr tauglich. Vom Lazarett kehrte er nach Berlin zurück und studierte vier Semester Medizin, bis er als „Arztanwärter“ in ein Lazarett in Kolmar abkommandiert wurde.
Während er bis dahin einen leptosomen Körperbau hatte, bewirkte eine von der Verletzung verursachte endokrine Störung, dass er fettleibig wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte Kurt Gerson das Medizinstudium nicht fort, sondern sang Chansons. Trude Hesterberg holte ihn 1921 auf die von ihr im Keller des Theaters des Westens gegründete „Wilde Bühne“ und gab ihm den Künstlernamen Kurt Gerron. Einen Namen machte sich Kurt Gerron ab 1928 als
Moritatensänger in der „Dreigroschenoper“ von Bert Brecht und Kurt Weill. In „Der blaue Engel“ verkörperte er den Zauberkünstler Kiepert. Zwischen 1920 und 1932 spielte er in 74 Filmen mit. 1926 hatte er begonnen, selbst bei Film und Theater Regie zu führen („Der Liebe Lust und Leid“). Beispielsweise drehte er 1932 mit Heinz Rühmann „Es wird schon wieder besser“ und mit Hans Albers „Der weiße Dämon“. Die Inszenierung des UFA-Films „Kind, ich freu‘ mich auf dein Kommen“ musste er nach Hitlers Machtergreifung 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft dem gesinnungstreuen Regisseur Hans Steinhoff (1882 – 1945) überlassen.
Daraufhin setzte sich Kurt Gerron mit seiner Ehefrau Olga Gerson (geb. Meyer) und seinen Eltern nach Paris ab. Später flohen sie von dort über Österreich und Italien nach Amsterdam. Aber auch die Niederlande wurden von den Deutschen besetzt. Peter Lorre und Marlene Dietrich boten Kurt Gerron an, ihm bei der Emigration nach Hollywood behilflich zu sein, aber er ließ sich nicht darauf ein. Wie viele andere Juden auch, trat Kurt Gerron in der Hollandse Schouwburg in Amsterdam auf (von den Nationalsozialisten „Joodsche Schouwburg“ genannt). 1943 wurden Kurt Gerron und seine Frau ebenso wie Max und Mally Gerson ins niederländische Durchgangslager Westerbork verschleppt.
Während die Eltern in Sobibor ums Leben kamen, wurden Kurt Gerron und Olga Gerson Ende Februar 1944 nach Theresienstadt deportiert. Dort gründete der Künstler das Ghetto-Kabarett „Karussell“.
Für den Besuch von Vertretern des Roten Kreuzes und der dänischen Regierung am 23. Juni 1944 in Theresienstadt bereitete man das Ghetto monatelang vor. Beispielsweise wurden wegen der Überfüllung 7500 Menschen im Mai ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Bald darauf regte vermutlich SS-Sturmbannführer Hans Günther, der Leiter des Prager „Zentralamts zur Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren“, einen Propagandafilm über Theresienstadt an. Der Lagerkommandant Karl Rahm brachte Kurt Gerron dazu, im August/September 1944 das Drehbuch zu schreiben und das Filmprojekt dann auch als „Spielleiter“ mit prominenten Mitgefangenen zu realisieren. Für die Kameraführung zeichneten Karel Pečený und Ivan Frič von der Prager Wochenschau-Gesellschaft Aktualita verantwortlich. Fertiggestellt wurde „Theresienstadt. Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“ am 28. März 1945. Später prägte man dafür den sarkastischen Titel „Theresienstadt. Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“.
Kurt Gerron mag gehofft haben, durch die Kollaboration sein Leben und das seiner Frau retten zu können. Aber sie wurden beide noch vor Abschluss der Arbeit an dem Film nach Auschwitz gebracht und am 30. Oktober 1944 vergast. Auch die meisten im Film zu sehenden Personen und praktisch alle Kinder fielen dem Holocaust zum Opfer.
Am 4. September 2014 wurde Kurt Gerron mit einem Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin geehrt.
Charles Lewinsky schrieb über Kurt Gerron den Roman „Gerron“.
© Dieter Wunderlich 2014
Charles Lewinsky: Gerron