Adams Äpfel
Adams Äpfel
Inhaltsangabe
Kritik
Ivan (Mads Mikkelsen), der Pastor einer abgelegenen Kirche in Dänemark, hat es sich in den Kopf gesetzt, auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassene Strafgefangene bei sich aufzunehmen und sie auf den rechten Weg zurückzuführen.
Er holt den Neonazi Adam Pedersen (Ulrich Thomsen) von der Bushaltestelle ab und begrüßt ihn freundlich, obwohl der Skinhead ihm den Handschlag verweigert und kein Wort mit ihm redet. Unbeeindruckt von Adams abweisender Haltung lässt Ivan im Auto den BeeGees-Song „How deep is your love“ laufen und erzählt stolz von seinen angeblichen Resozialisierungserfolgen.
Im Pfarrhaus stellt er Adam seine beiden anderen Schützlinge vor: den arabischen Tankstellenräuber Khalid (Ali Kazim) und den alkoholkranken, fettleibigen Kleptomanen Gunnar (Nicolas Bro), dessen Besitzgier sich auch auf Frauen bezieht. Adam, dem das alles nicht geheuer vorkommt, will endlich wissen, was er hier tun soll. Das müsse er selbst herausfinden, antwortet Ivan und fordert ihn auf, sich ein Ziel zu setzen. Adam schaut sich ratlos um, bis sein Blick auf einen halb aufgegessenen Apfel fällt. Da meint er sarkastisch, sein Ziel sei es, einen Apfelkuchen zu backen. Ivan lässt sich nicht aus der Ruhe bringen; die Ironie perlt an ihm ab, und er nimmt Adam beim Wort: Er vertraut ihm den Apfelbaum vor der Kirche an. Das seien jetzt Adams Äpfel, erklärt er Khalid und Gunnar. Adam werde sie reifen lassen, dann pflücken und einen Apfelkuchen backen.
In seiner Kammer ersetzt Adam erst einmal das Kreuz an der Wand durch ein Hitler-Bild. Das fällt allerdings jeden Morgen herunter, wenn die Glocken geläutet werden. Er ertappt Gunnar, als dieser ihm sein Handy und seine Brieftasche stehlen will und findet in Khalids Wollmütze ein Banknotenbündel im Wert von 17 000 Euro. Das berichtet er Ivan, aber der Pfarrer hat für alles eine Entschuldigung, zeigt grenzenloses Verständnis für alle Schandtaten seiner Schützlinge und will nicht wahrhaben, dass seine Bemühungen, sie zu bessern, gescheitert sind. Dass sich ein Schwarm Krähen über die Äpfel hermacht und die wenigen danach noch am Baum hängenden Äpfel von Maden befallen werden, ist für Ivan ein Beweis dafür, dass der Satan Adams Läuterung durch das Backen eines Apfelkuchens verhindern will.
Eines Tages kommt die Entwicklungshelferin Sarah Svendsen (Paprika Stehen) verzweifelt zur Kirche und sucht den Rat des Pfarrers. Sie wurde in Indonesien schwanger, und die Ärzte haben ihr gesagt, dass das Kind aufgrund ihrer Alkoholkrankheit missgebildet sein könnte. Nun überlegt sie, ob sie es wegmachen lassen soll oder nicht. Ivan erzählt ihr, seine Frau und er seien vor einigen Jahren mit dem gleichen Problem konfrontiert gewesen und hätten sich trotz des Risikos für das Kind entschieden. Darüber seien sie nun glücklich, denn der gesunde und fröhliche Junge entwickle sich prächtig. Durch das leuchtende Vorbild seiner eigenen Familie überzeugt der Pfarrer Sarah davon, dass eine Abtreibung falsch wäre.
Die grenzenlose Güte Ivans fordert Adam heraus: Während Khalid und Gunnar jeden Streit mit Ivan vermeiden, will Adam ihn auf die Probe stellen. Doch auch nachdem der Skinhead ihn krankenhausreif geschlagen hat, bleibt der Pastor bei seiner Einstellung.
Weil Gunnar am Abend vergessen hat, den Herd in der Küche auszuschalten, verbrennt Adam sich am nächsten Morgen die Hand und muss ins Krankenhaus. Dort erfährt er von dem schrulligen Arzt Dr. Kolberg (Ole Thestrup), dass Ivan eine schwere Kindheit hatte. Die Mutter starb bei der Geburt, und der Vater vergewaltigte ihn und seine Schwester Katinka [Inzest], bis er schließlich eingesperrt wurde. Katinka, die sich wahllos mit Männern herumtrieb, kam bei einem Unfall ums Leben. Ivans Ehefrau Linda brachte sich vor sieben Jahren mit einer Überdosis Kopfschmerztabletten um, weil sie es nicht ertrug, ein spastisch gelähmtes Kind zu haben. – Dr. Kolberg hält Ivan für ein medizinisches Wunder, den er lebt schon seit längerer Zeit mit einem tennisballgroßen bösartigen Tumor im Kopf. Das seien für den Pfarrer alles Herausforderungen durch den Teufel, erklärt der Arzt, denen Ivan mit Gottes Hilfe standzuhalten versuche.
Adam weiß nun, dass Ivans unerschütterlicher Glaube an das Gute auf einer psychischen Störung basiert. Wenn Ivan gezwungen wird, die Realität anzuerkennen, könnte er daran zugrunde gehen. Als Adam dem Pfarrer erklärt, er wisse, dass seine Frau Selbstmord begangen habe, behauptet dieser, es sei kein Suizid, sondern ein Unglück gewesen: Der kleine Sohn habe die Tabletten mit ähnlich aussehenden Bonbons vertauscht. Am nächsten Tag wird Ivans Sohn Cristoffer (Emil Kevin Olsen) gebracht. Das Kind sitzt gelähmt und autistisch in einem Rollstuhl, doch als Adam diese Tatsache konstatiert, widerspricht Ivan: Cristoffer habe sich noch nicht ganz von einer Grippe erholt. Zornig schlägt Ivan dem Pastor mit der Faust ins Gesicht und fährt ihn danach wieder ins Krankenhaus.
Als Sarah den gelähmten Jungen sieht und begreift, dass es sich um Ivans Sohn handelt, schreit sie entsetzt auf, denn das bedeutet, dass ihre Entscheidung gegen die Abtreibung auf einer Lüge basierte. Aus Verzweiflung betrinkt sie sich ungeachtet ihrer Schwangerschaft zusammen mit Gunnar und geht mit ihm ins Bett.
So oft die Bibel in Adams Zimmer zu Boden fällt, wird das Buch Hiob aufgeschlagen. Adam beginnt, an dieser Stelle im Alten Testament zu lesen. Es ist die Geschichte eines gerechten Mannes – Hiob –, den der Teufel mit schrecklichen Schicksalsschlägen überhäuft, ohne dass Gott es verhindert. Adam fragt Ivan, ob er das Buch Hiob gelesen habe. Der Geistliche antwortet, er sei nie dazugekommen. Adam konfrontiert ihn mit der Frage, ob es nicht sein könne, dass Ivans Schicksalsschläge von Gott gewollt sind, weil Gott ihn prüfen will oder weil er ihn hasst. Ivan beginnt, aus einem Ohr zu bluten und bricht zusammen. Dr. Kolberg befürchtet, dass Ivan nur noch vier bis fünf Wochen zu leben hat.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Während eines Gewitters schlägt ein Blitz in den Apfelbaum ein, spaltet ihn und setzt ihn in Brand.
Als Adam und Khalid die letzten Äpfel von dem zerstörten Baum pflücken, tauchen drei von Adams früheren Kumpanen auf und wundern sich darüber, dass der Neonazi mit einem „schwarzen Schwein“ Äpfel pflückt. Khalid schießt einem von ihnen ins Knie. Der Anführer droht Khalid. Der fragt ihn, ob er verrückt sei und macht ihn darauf aufmerksam, dass er die Pistole in der Hand habe. Zur Bekräftigung schießt er dem Neonazi in die Schulter. Da ziehen sich die drei Männer zurück.
Kurz darauf bricht Khalid zu einem weiteren Tankstellenraub auf. Adam schiebt Gunnar zu ihm ins Auto und steigt selbst mit ein. Er stürmt als erster in die Tankstelle und fordert die Angestellten auf, durch den Hinterausgang zu fliehen, denn er will verhindern, dass Khalid sie erschießt. Der raubt die Kasse aus; Gunnar packt sich die Arme mit Bier und Knabberzeug voll, und Adam nimmt das Mikrowellengerät als Ersatz für den kaputten Herd im Pfarrhaus mit.
Die Neonazis kommen mit Verstärkung zurück. Adam geht ihnen entgegen und wird zu Boden geschlagen. Da schreitet Ivan ein. Er habe nur noch eine Woche zu leben und ertrage keinen Lärm mehr, sagt er, während er damit anfängt, den Skinheads die Pistolen abzunehmen. Einer schießt ihm aus nächster Nähe ins linke Auge. Als er am Boden liegt, laufen die Neonazis weg.
Den Kopfschuss werde Ivan nicht überleben, meint Dr. Kolberg.
Khalid verabschiedet sich von Adam, Sarah und Gunnar und verlässt die Pfarrei.
Sarah hat alle Äpfel bis auf einen aufgegessen. Mit dem letzten Apfel backt Adam in der Mikrowelle einen kleinen Apfelkuchen, und den nimmt er mit ins Krankenhaus. Ivans Bett ist leer. Adam denkt das Schlimmste, aber der Patient sitzt im Park. Die Kugel habe den Tumor zerstört, erklärt Dr. Kolberg. Es sei ein Wunder, meint er deprimiert. Adam geht zu Ivan und fragt ihn, ob er den Apfelkuchen kosten wolle. Ivan nickt, und sie essen ihn miteinander auf.
Sarah bringt ein mongoloides Kind zur Welt, aber sie ist glücklich und reist nach der von Ivan zelebrierten Taufe mit ihrem neuen Lebensgefährten Gunnar und dem Säugling nach Indonesien.
Ivan und Adam, der inzwischen sein Haar wieder wachsen lässt, fahren zur Bushaltestelle, um zwei auf Bewährung entlassene Häftlinge abzuholen …
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Adams Äpfel“ ist eine schwarze Tragikomödie, eine aberwitzige Groteske, in der ausgerechnet ein skurriler Geistlicher und ein Neonazi sich gegenseitig erlösen. Am Ende eines absurden Kampfes zwischen Gut und Böse stellt der Pastor Ivan sich der Realität, und der Skinhead Adam lässt sein Haar wieder wachsen: Es ist eben nicht alles entweder schwarz oder weiß; das meiste befindet sich irgendwo im Graubereich.
Es ist verblüffend, wie gut diese originelle Mischung aus Spaß und Tiefsinn funktioniert. Die Handlung ist zwar schräg und grotesk, aber in sich stimmig. Dass die Inszenierung so überzeugend wirkt, ist nicht zuletzt den außergewöhnlichen Schauspielern zu verdanken, allen voran Ulrich Thomsen, der mit minimalistischer Gestik und Mimik enorme Wirkungen erzielt.
Die in „Adams Äpfel“ zu sehende Kirche steht in Horne bei Fåborg in Dänemark.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008
Anders Thomas Jensen: Flickering Lights. Blinkende Lichter