Die weiße Massai

Die weiße Massai

Die weiße Massai

Originaltitel: Die weiße Massai - Regie: Hermine Huntgeburth - Drehbuch: Johannes W. Betz, Hermine Huntgeburth und Günther Rohrbach, nach dem Buch "Die weiße Massai" von Corinne Hofmann - Kamera: Martin Langer - Schnitt: Eva Schnare - Musik: Niki Reiser - Darsteller: Nina Hoss, Jacky Ido, Katja Flint, Nino Prester, Janek Rieke u.a. - 2005; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Die blonde 26-jährige Schweizer Geschäftsfrau Carola kommt 1986 erstmals als Touristin mit ihrem Freund Stefan nach Kenia. Dort verliebt sie sich auf den ersten Blick in einen schönen Afrikaner, und statt nach dem Urlaub mit Stefan zurückzufliegen, bleibt sie in Kenia. Sie sucht den Massai, findet ihn, folgt ihm in sein Dorf und wird seine Frau. Er heißt Lemalian. Vier Jahre lang hält sie das Leben in einer Lehmhütte aus, dann flieht sie mit ihrer kleinen Tochter in die Schweiz.
mehr erfahren

Kritik

"Die weiße Massai" ist alles andere als eine ethnologische Studie; Corinne Hofmann und Hermine Huntgeburth folgen lediglich dem subjektiven Blick der naiven Protagonistin auf das ihr unverständliche Leben der Samburu.

Dem Film „Die weiße Massai“ von Hermine Huntgeburth liegt eine authentische Geschichte zugrunde. Die Namen wurden allerdings verändert: Die Frau, die über ihre außergewöhnlichen Erlebnisse in einem Buch berichtete, heißt zum Beispiel in Wirklichkeit nicht Carola Lehmann, sondern Corinne Hofmann.

Corinne Hofmann wurde am 4. Juni 1960 in der Schweiz geboren. Ihre Mutter war Französin, ihr Vater Deutscher. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einer Außendiensttätigkeit für eine Versicherungsgesellschaft eröffnete sie im Alter von einundzwanzig Jahren ein eigenes Geschäft für Brautmode und Second-Hand-Kleidung.

Als Touristin kam Corinne Hofmann 1986 erstmals für zwei Wochen mit einem Freund nach Kenia. In ihrem Buch „Die weiße Massai“ schildert sie, was dort geschah:

Herrliche Tropenluft empfängt uns bei der Ankunft auf dem Flughafen Mombasa […]
Nach der Zollabfertigung geht es mit dem Safaribus zu unserem Hotel. Auf dem Weg dorthin müssen wir mit der Fähre einen Fluss überqueren, der die Südküste von Mombasa trennt […]
Nach zwei Tagen haben wir uns gut eingelebt und wollen auf eigene Faust mit dem öffentlichen Bus nach Mombasa und mit der Likoni-Fähre hinüber zu einer Stadtbesichtigung […] Endlich sind auch wir an Bord und das Unfassbare geschieht. Marco sagt: „Corinne, schau, da drüben, das ist ein Massai!“ „Wo?“ frage ich und schaue in die gezeigte Richtung. Es trifft mich wie ein Blitzschlag. Da sitzt ein langer, tiefbrauner, sehr schöner, exotischer Mann lässig auf dem Fährengeländer und schaut uns, die einzigen Weißen in diesem Gewühl, mit dunklen Augen an. Mein Gott, denke ich, ist der schön, so etwas habe ich noch nie gesehen.
Er ist nur mit einem kurzen, roten Hüfttuch bekleidet, dafür aber reich geschmückt […] Sein Gesicht ist so ebenmäßig schön, dass man fast meinen könnte, es sei das einer Frau. Aber die Haltung, der stolze Blick und der sehnige Muskelbau verraten, dass er ein Mann ist. Ich kann den Blick nicht mehr abwenden. So, wie er dasitzt in der untergehenden Sonne, sieht er wie ein junger Gott aus.

Nachdem Corinne Hofmann den Afrikaner aus den Augen verloren hatte, beschloss sie, nach ihm zu suchen und blieb in Kenia, als der Urlaub endete und ihr Freund nach Europa zurückflog. Sie fand den Mann – er hieß Lketinga (im Film: Lemalian Mamutelil) – in Maralal und folgte ihm in sein mehrere Stunden Fahrt von der Stadt entferntes Hüttendorf Barsaloi im kenianischen Hochland. Er gehörte zu den Samburu, die wie die Massai als Halbnomaden in Kenia leben.

Der italienische Pater Giuliano (im Film: Bernardo), der in der Nähe eine Missionsstation unterhält, traute der blonden Schweizerin nicht zu, das primitive Leben im Busch länger als ein paar Wochen durchzuhalten. Aber er täuschte sich: 1987 verkaufte Corinne Hofmann ihr Geschäft in der Schweiz und wanderte nach Kenia aus. Sie wurde die Ehefrau des Afrikaners, obwohl es ihr schwerfiel, sich an das Leben mit ihm zu gewöhnen. Beispielsweise gab es in seiner Sprache kein Wort für „Erotik“; er kannte beim Koitus weder Vorspiel noch Zärtlichkeit und schaute sie bei dem lieblosen Akt nicht einmal an.

Man streichelt sich da nicht stundenlang. Ins Gesicht fasst man einen Mann schon gar nicht, und geküsst wird auch nicht. Das war schon ein Schock. Aber meine Gefühle standen über der Sexualität. Wegen dem Sex hätte ich nicht bleiben müssen.

Lketinga konnte weder lesen noch schreiben, und die Kommunikation mit ihm wäre auch ohne die diametral unterschiedlichen Erfahrungshintergründe schwierig genug gewesen. Corinne Hofmann lebte mit dem Samburu, dessen Mutter und schließlich auch ihrer kleinen Tochter Napirai (im Film: Sarai) in einer Lehmhütte und schlief auf dem Boden. Unterernährung und Krankheiten wie Malaria und Hepatitis machten ihr schwer zu schaffen. Schließlich kaufte sie einen Pick-up und eröffnete in Barsaloi einen kleinen Kolonialwarenladen – aber damit verletzte sie den Stolz ihres Mannes und setzte dessen Ansehen in den Augen der Afrikaner herab.

Nach vier Jahren musste Corinne Hofmann einsehen, dass ihre Erwartung, die kulturelle Kluft zwischen ihr und Lketinga überbrücken zu können, zu optimistisch gewesen war. Im Oktober 1990 kehrte sie mit ihrer Tochter in die Schweiz zurück.

1998 veröffentlichte Corinne Hofmann ihre Autobiografie „Die weiße Massai“. Es folgten ihre Bücher „Zurück aus Afrika“ (2003) und „Wiedersehen in Barsaloi“ (2005).

Hermine Huntgeburth verfilmte 2004 den millionenfach verkauften Bestseller „Die weiße Massai“ von Corinne Hofmann.

Das Buch und der Film handeln von einer Amour fou im Spannungsfeld eines cultural clash, die nach einiger Zeit an den Grenzen scheitert, die damit überschritten wurden. „Die weiße Massai“ ist alles andere als eine ethnologische Studie; Corinne Hofmann und Hermine Huntgeburth folgen lediglich dem

subjektiven Blick der naiven Protagonistin auf das ihr unverständliche Leben der Samburu. Dabei erfahren wir mehr über die zwar weltoffene, unerschrockene und abenteuerlustige, aber auch einfältige Schweizerin als über die afrikanische Kultur. Viele Beobachtungen kommen nicht über Klischees hinaus. Nirgendwo geht „Die weiße Massai“ in die Tiefe. So fehlt es beispielsweise auch im Film trotz einer kurz angedeuteten Beschneidungsszene an einer ernsthaften, kritischen Auseinandersetzung mit der Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung. Obwohl die Geschichte autobiografisch sein soll, wirkt sie in entscheidenden Zügen unglaubwürdig.

Im Film fehlt das halbe Jahr, das Corinna Hofmann mit Lketinga und ihrer Tochter in Mombasa verbracht hatte, bevor sie in die Schweiz zurückkehrte. Auf der anderen Seite haben Johannes W. Betz, Günther Rohrbach und Hermine Huntgeburth Episoden hinzugefügt, die es im Buch nicht gibt (z. B.: Genitalverstümmelung, Totgeburt).

Weil man weder unter den Massai noch unter den Samburu einen geeigneten Darsteller fand, spielt der 1977 in Burkina Faso geborene Franzose Jacky Ido den afrikanischen Ehemann, der im Film Lemalian heißt. Die Dreharbeiten für „Die weiße Massai“ fanden in Barsaloi in einem eigens für den Film aufgebauten Massai-Dorf in der Nähe von Wamba im Rift Tal in Kenia statt.

Darsteller und ihre Rollen in „Die weiße Massai“:
Nina Hoss (Carola), Jacky Ido (Lemalian Mamutelil), Katja Flint (Elisabeth), Antonio Prester (Pater Bernardo), Janek Rieke (Stefan), Helen Namaso Lenamarken (Lemalians Mutter), Nicolas Sironka (Mini-Chief), Barbara Magdalena Ahren (Carolas Mutter), Damaris Itenyo Agweyu (Asma), Robert Dölle (Frank), Barbara Herschbach (Jenny), Morgan Lematampash (Tom), Kiriniyaga Lenamatiyo (John), Christine Namkuny (Saguna), John Erick (Mike), Charles Magati Ongeri (Moses), Maya Akinyi Spybey (Sarai) u.a.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2010

Corinne Hofmann (Kurzbiografie)

Hermine Huntgeburth: Der Hahn ist tot
Hermine Huntgeburth: Bibi Blocksberg
Hermine Huntgeburth: Der Boxer und die Friseuse
Hermine Huntgeburth: Der Teufelsbraten
Hermine Huntgeburth: Neue Vahr Süd
Hermine Huntgeburth: Männertreu
Hermine Huntgeburth: Einmal Hallig und zurück

Antonio Scurati - M. Der Sohn des Jahrhunderts
Im Mittelpunkt des Romans "M. Der Sohn des Jahrhunderts" steht zwar Benito Mussolini, aber wir erleben das Geschehen auch aus anderen Perspektiven. Zwar hält sich Antonio Scurati an die eingehend recherchierten Fakten und führt weder fiktive Romanfiguren noch erfundene Episoden ein, aber er denkt sich in die Szenen hinein und ergänzt die Tatsachen im Detail durch seine Fantasie.
M. Der Sohn des Jahrhunderts

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.