Stockholm-Syndrom

Am 23. August 1973 überfiel Jan Erik („Janne“) Olsson, ein Häftling auf Freigang, die Schwedische Kreditbank am Norrmalmstorg im Zentrum von Stockholm. 131 Stunden lang hielt er vier Angestellte – drei Frauen und einen Mann: Birgitta Lundblad, Elisabeth Oldgren, Kristin Enmark und Sven Säfström – als Geiseln. Diese fürchteten sich schließlich mehr vor der Polizei als vor den Verbrechern.

Als die Geisel Birgitta Lundblad den ins Gebäude eingedrungenen Polizisten Ingemar Warpefeldt mit gezückter Dienstwaffe bemerkte, nutzt esie die Gelegenheit nicht, um sich in Sicherheit zu bringen, sondern warnte den Geiselnehmer Jan Erik Olsson. Der fuhr herum, schoss auf den Polizisten und verletzte ihn schwer an der Hand.

Am 28. August gelang es der Polizei, Gas ins Gebäudeinnere zu leiten und die Geiselnahme unblutig zu beenden. Die Opfer baten nach ihrer Befreiung um Gnade für den Verbrecher und besuchten ihn später im Gefängnis.

Jan Erik Olsson wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, kam aber nach acht Jahren frei.

Für das Phänomen der Solidarisierung von Geiseln und Geiselnehmern wurde der Begriff „Stockholm-Syndrom“ geprägt. (Dabei handelt es sich allerdings weder um ein pathologisches Phänomen noch um ein Syndrom im medizinischen Sinn.)

Dass Opfer von Entführungen oder Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu den Tätern entwickeln, mit ihnen vertrauensvoll zusammenarbeiten und sich unter Umständen sogar in sie verlieben, ist durchaus psychologisch erklärbar: Zunächst verhalten sich die Opfer so, wie die Täter es wünschen, weil sie andernfalls negative Konsequenzen befürchten. Wenn sich die hilflosen Opfer von der Außenwelt im Stich gelassen fühlen, etwa weil die Polizei zunächst nur Zeit zu gewinnen versucht, wenden sie sich in dieser Situation der Isolation und des Kontrollverlusts den Geiselnehmern zu. Sobald diese ihnen Erleichterungen zugestehen, empfinden sie Dankbarkeit gegenüber den Verbrechern, ungeachtet der Tatsache, dass diese sie erst in die schlimme Situation gebracht haben. Für Kidnapper bzw. Geiselnehmer wiederum stellen die Opfer ein wertvolles Unterpfand dar, und sie versuchen zumeist auch, sie zu beschwichtigen. Geiselnehmer und Geiseln haben außerdem in den meisten Fällen ein gemeinsames Ziel: Sie wollen unverletzt überleben. Und sie grenzen sich von „denen da draußen“ ab, entwickeln also ein Wir-Gefühl.

Das Stockholm-Syndrom weist auch Parallelen zu einem Phänomen auf, das als „Identifizierung mit dem Aggressor“ beschrieben wurde. In diesem Fall entsteht aus einem Gefühl der Machtlosigkeit und Abhängigkeit eine unbewusste Übernahme von Verhaltensweisen des Aggressors; er wird zum Vorbild. Das kann bei Kindern geschehen, die von ihren Eltern repressiv erzogen werden, oder bei Opfern (Kinder, Erwachsene) einer Entführung oder Geiselnahme.

Romane und Filme über das Stockholm-Syndrom:

© Dieter Wunderlich 2008

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.