Joyce Carol Oates : Mit offenen Augen

Mit offenen Augen
Freaky Green Eyes HarperCollins, New York 2003 Mit offenen Augen Die Geschichte von Freaky Green Eyes Übersetzung: Birgitt Kollmann Carl Hanser Verlag, München/Wien 2005 ISBN 978-3-446-20605-2, 235 Seiten ISBN 978-3-446-26968-2 (eBook) Deutscher Taschenbuch-Verlag (dtv), München 2007 ISBN 978-3-423-62297-4, 264 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Während sich die von der Gewaltbereitschaft ihres dominanten Mannes eingeschüchterte Mutter Krista ein Refugium sucht, wehrt sich ihre 14-jährige Tochter Franky erfolgreich gegen den Vergewaltigungsversuch eines Studenten, erkennt dadurch ihre Stärke und stellt sich einige Monate später auch gegen den Vater, der alles zu kontrollieren versucht und rücksichtslos die für seine Karriere wichtige Fassade einer intakten Familie aufrecht erhalten will.
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Kritik

Unter dem Titel "Mit offenen Augen. Die Geschichte von Freaky Green Eyes" hat Joyce Carol Oates einen Jugendroman geschrieben. Es ist ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben. Das geht nicht ohne Charakterstärke und Durchsetzungskraft. Joyce Carol Oates entwickelt die Handlung ruhig, nachvollziehbar und ohne Effekthascherei aus der Perspektive der Ich-Erzählerin. Spannung erzeugt sie nicht zuletzt durch Thriller-Elemente.
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Freaky Green Eyes

Kurz nach ihrem 14. Geburtstag lässt sich die Schülerin Francesca („Franky“) Pierson bei einer Party küssen, aber Cameron, der bereits an der University of Southern California in Los Angeles studiert, will mehr. Franky gerät in Panik und ist zugleich erregt.

Ich versuche, ihn wegzustoßen […]. Es geht alles viel zu schnell; es ist, als ob man unter Wasser gerät, nach Luft schnappt, Wasser schluckt […].

Sie rammt ihm ein Knie zwischen die Beine.

Er stöhnt und flucht […]. Er starrt mich an und sagt: „Du F-Freak! Du solltest deine Augen sehen! Echt freaky ‒ freaky green eyes!“

Sie springt auf und rennt los. Franky weiß jetzt, dass sie stark ist und sich wehren kann. Sie hat ihre kämpferische Seite entdeckt: Freaky Green Eyes.

Franky lebt mit ihrer zehnjährigen Schwester Samantha, ihrem 20 Jahre alten Halbbruder Todd und den Eltern in Yarrow Heights westlich von Seattle. Von der Villa blickt man über den Lake Washington und die Evergreen Floating Bridge. Ihr Vater ist Reid Pierson, ein ehemaliger Football-Star, der sich inzwischen als Sportreporter im Fernsehen eine Fangemeinde aufgebaut hat. Todd stammt aus Reid Piersons erster Ehe. Seine Mutter Bonnie Lynn Byers kam 1985 im Alter von 26 Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben. Zwei Jahre später heiratete der Witwer Krista Connor, die damals 22 war. Jetzt ist sie Ende 30.

Befreiung

Aufgrund seiner Prominenz müsse er auf seinen Ruf achten, erklärt Reid Pierson und versucht, die Familie zu „disziplinieren“, wie er es ausdrückt. Tatsächlich versucht er, alles wie ein Tyrann zu kontrollieren. Seine Frau hat sich zwar von ihm einschüchtern lassen, aber sie rückt nun von ihm ab, weigert sich, ihn zu offiziellen Empfängen zu begleiten und zieht sich immer häufiger in das Strandhaus zurück, das ihr Großvater im Fischerdorf Skagit Harbor im Norden von Yarrow Heights errichtet hatte. Dort richtet sie ein Atelier ein und malt.

Am Nationalfeiertag fährt Reid mit den Kindern nach Cape Flattery, wo sie für ein paar Tage zu Gast in Bud Blounts „Lodge“ sind. Sean, einer der beiden Söhne, zeigt Franky seinen „Privatzoo“: In engen Käfigen hält er eine Eule, einen Fuchs, einen Hasen und zwei Waschbären, die er in Lebendfallen fing. Franky ist entsetzt. Nachts lässt sie die Tiere frei. Erst am Morgen entdeckt Sean die offenen und leeren Käfige. Der Verdacht fällt sofort auf Franky, und sie leugnet die Tat auch nicht. Am heftigsten regt sich Reid darüber auf. In seinem Zorn schüttelt er seine Tochter so brutal, dass sie tagelang unter Schmerzen leidet.

Wende

Im Einverständnis mit ihrem Mann holt Krista ihre beiden Töchter zu sich nach Skagit Harbor.

Plötzlich kommt Reid angefahren und fordert die Mädchen auf, ins Auto zu steigen. Er geht mit Krista ins Haus. Als sie wieder herauskommt, hat sie bereits Frankys und Samanthas Sachen gepackt.

Bald darauf wundert sich die mit Krista befreundete Nachbarin Melanie Blanchard, dass zwar das Auto vor der Tür des Strandhauses steht, aber niemand auf ihr Rufen reagiert. Als sie nachsieht, findet sie die Einrichtung verwüstet vor und entdeckt Blutspuren. Sie meldet Krista Connor – die in Skagit Harbor nur ihren Mädchennamen gebrauchte – als vermisst. Der Künstler und Galeriebesitzer Mero Okawa ist ebenfalls verschwunden, seit er mit Krista eine Vernissage besuchte und sie anschließend nach Hause brachte.

Um der Pressemeute zu entgehen, quartiert sich Reid mit den Kindern bei seinem Rechtsanwalt Michael Sheehan auf Vashon Island ein.

Der Jurist instruiert Franky und Samantha, was sie bei der Polizei aussagen sollen. Ihr Vater sei am Abend des Tages, an dem seine Frau und Mero Okawa zuletzt gesehen wurden, erschöpft nach Hause gekommen, habe ein starkes Kopfschmerzmittel mit Kodein eingenommen und sich schlafen gelegt. Zwölf Stunden habe er durchgeschlafen. Franky sah zwar durchs Fenster, wie ihr Vater gegen 4 Uhr morgens nach Hause kam und wunderte sich, warum er das Auto ohne Motor und mit ausgeschalteten Scheinwerfern in die Garage rollen ließ, aber sie hält sich an die Anweisungen des Rechtsanwalts.

Wenn Mom tot ist und nicht zurückkommt, dann ist da nur noch Dad. Daddy, der dich liebt. Nur noch Daddy, der dich liebt.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Tagebuch

Franky erinnert sich daran, wie ihr die Mutter während des Besuchs in Skagit Harbor ein Versteck zeigte. Sie schwänzt die Schule und fährt mit Bussen über Seattle nach Skagit Harbor. Wie erwartet, findet sie in dem Versteck ein im Frühjahr begonnenes Tagebuch ihrer Mutter.

Krista schreibt, Reid habe ihr gedroht, sie umzubringen, falls sie ihn verlassen wolle. Vermutlich setzte er einen Privatdetektiv auf sie an, und der stilisierte den mit Krista befreundeten schwulen Künstler Mero Okawa zum Liebhaber. Deshalb kam Reid nach Skagit Harvor, um die Töchter zurückzuholen. Als er mit Krista im Haus war, würgte er sie, ließ dann aber von ihr ab und drohte, ihre Leiche bei der Deception Pass Bridge zwischen Whidbey Island und Fidalgo Island verschwinden zu lassen.

Franky ruft ihre Tante Vicky an. Die ältere Schwester ihrer Mutter holt sie in Seattle vom Bus ab und bringt sie sicherheitshalber in einem Hotel unter, denn Reid und Todd fragten bereits nach Franky.

Die Polizei findet die Leichen der beiden Vermissten unterhalb der Deception Pass Bridge. Krista Connor und Mero Okawa wurden erschossen.

Das Gericht verurteilt Reid Pierson zu 50 Jahren Haft. Vicky erhält das Sorgerecht für Franky und Samantha. Weil sie Todds Rache fürchtet, zieht sie mit den Nichten ins Moreno Valley in den Sangre-de-Cristo-Bergen östlich von Taos im Nordwesten von Neu-Mexiko.

Die Staatsanwaltschaft ordnet neue Ermittlungen zum Tod von Bonnie Lynn Byers im Jahr 1985 an.

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Unter dem Titel „Mit offenen Augen. Die Geschichte von Freaky Green Eyes“ hat Joyce Carol Oates einen Jugendroman geschrieben. Es ist ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben. Das geht nicht ohne Charakterstärke und Durchsetzungskraft. Während sich die von der Gewaltbereitschaft ihres dominanten Mannes eingeschüchterte Mutter Krista ein Refugium sucht, wehrt sich ihre 14-jährige Tochter Franky erfolgreich gegen den Vergewaltigungsversuch eines Studenten, erkennt dadurch ihre Stärke und stellt sich einige Monate später auch gegen den Vater, der alles zu kontrollieren versucht und rücksichtslos die für seine Karriere wichtige Fassade einer intakten Familie aufrecht erhalten will.

Joyce Carol Oates entwickelt die Handlung ruhig, nachvollziehbar und ohne Effekthascherei aus der Perspektive der Ich-Erzählerin. Spannung erzeugt sie in „Mit offenen Augen“ nicht zuletzt durch Thriller-Elemente.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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Javier Marías ist ein Klangvirtuose. "Dein Gesicht morgen" besteht wie ein Musikstück aus Themen, Wiederholungen, Variationen, Drehungen und Verschiebungen, weit ausgreifenden Figuren und Miniaturen.
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