Der Bau der Berliner Mauer

Zahlreiche DDR-Bürger verdienten in Westberlin ihr Geld und wollten sich auch von einer am 10. Juni 1961 in den DDR-Medien begonnenen Kampagne nicht davon abhalten lassen. Zweieinhalb Millionen DDR-Bürger waren bis 1961 gleich ganz nach Westberlin oder in die Bundesrepublik gezogen. Im Juli 1961 setzten sich 30 000 DDR-Bewohner in den Westen ab, und in den ersten August-Tagen schwoll der Flüchtlingsstrom weiter an: 1926 Umsiedler wurden allein am 9. August gezählt. Im Westen, wo die DDR ohnehin als „Der Dämliche Rest“ diffamiert wurde, sprach man von einer „Abstimmung mit den Füßen“. Die Arbeitskraft der vielen – vorwiegend jungen, gesunden – Männer und Frauen fehlte dem „Arbeiter- und Bauernstaat“. Um die Auszehrung ihrer Gesellschaft zu verhindern, beabsichtigte die DDR-Führung, den Weg von Ost- nach Westberlin abzuriegeln.

Als US-Präsident John F. Kennedy bei seiner Unterredung mit dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow am 3. und 4. Juni 1961 in Wien erklärte, die USA seien entschlossen,

die Anwesenheit der Westmächte in Westberlin, ihren ungehinderten Zugang zu der Stadt und die Freiheit der Westberliner zu verteidigen („three essentials“), beachtete man in Moskau und Pankow sehr genau, was er nicht sagte und glaubte davon ausgehen zu können, dass sich die Westmächte einer Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin nicht ernsthaft widersetzen würden. Auf einer Konferenz, die vom 3. bis 5. August 1961 in Moskau stattfand, billigten die Parteiführer der Staaten des Warschauer Paktes Walter Ulbrichts Plan, quer durch Berlin einen „antifaschistischen Schutzwall“ zu bauen.

Der Mauerbau war keineswegs alternativlos. Vor die Wahl gestellt, entweder die Fluchtgründe oder die Fluchtmöglichkeiten zu beseitigen, wählten die Kommunisten in Moskau und Berlin den Weg des Zwangs. Nachdem sie bereits die Freiheit der Wahlen, die Freiheit und Unabhängigkeit der Justiz, die Freiheit der Meinungsbildung und Meinungsäußerung kassiert hatten, wurde mit dem Bau der Mauer auch die Freiheit, sein Land zu verlassen, verwehrt.
Einiges spricht dafür, dass die Mauer zunächst nur für eine Übergangszeit geplant war, weil sich bald die Überlegenheit des Sozialismus erweisen werde. Tatsächlich aber war die DDR ohne Mauer nicht existenzfähig.
(Richard Schröder: Die Republik der Sklavenhalter, Süddeutsche Zeitung, 12. August 2011)

In der Nacht zum 13. August 1961 rollten Polizisten und Soldaten entlang der Demarkationslinie zwischen dem sowjetisch besetzten Teil Berlins und den drei westlichen Sektoren Stacheldraht ab und machten 190 Berliner Straßen zu Sackgassen. 69 von 81 Übergangsstellen wurden geschlossen. Nur der Bahnhof Friedrichsstraße in Berlin (Ost) blieb für den Zugverkehr mit dem Westen geöffnet. Von bewaffneten Soldaten bewachte Bautrupps fingen damit an, quer durch Berlin eine 45 Kilometer lange Mauer zu errichten, die im Lauf der Zeit bis zu viereinhalb Meter hoch gezogen wurde.

Wie erst im Sommer 2011 bekannt wurde, hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits am 11. und 12. August Hinweise auf den unmittelbar bevorstehenden Bau der Mauer in Berlin bekommen. Am 17. August protestierten die Westmächte in Moskau gegen den Mauerbau. Zwei Tage später besichtigte US-Vizepräsident Lyndon B. Johnson die Absperrung und beteuerte, „den Schmerz und die Erbitterung“ der Deutschen zu verstehen.

Westberlinern wurde es am 23. August grundsätzlich untersagt, den Ostteil der Stadt oder die DDR zu besuchen. Am 20. September mussten die unmittelbar an der Grenze stehenden Häuser in Ostberlin geräumt werden. Zwei Monate später wurde auch vor dem Brandenburger Tor die Mauer gebaut.

Am 17. August 1962 starb der erste Mensch beim Versuch, die Mauer zu überklettern: DDR-Grenzsoldaten schossen den achtzehnjährigen Ostberliner Bauarbeiter Peter Fechter nieder und ließen ihn verbluten. Bis zur Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 starben mindestens 125 Personen beim Versuch, sie zu überwinden. (Die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ hatte 227 „Mauertote“ gezählt, doch wissenschaftliche Untersuchungen des Zentrums für Zeithistorische Forschung kamen zu dem Ergebnis, dass diese Zahl zu hoch sei.)

© Dieter Wunderlich 2006 / 2011

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.