Evelyn Waugh : Eine Handvoll Staub

Eine Handvoll Staub
Originalausgabe: A Handful of Dust Chapman and Hall, London 1934 Eine Handvoll Staub Übersetzung: Lucy von Wangenheim Bondi-Verlag, Berlin 1936 Neuübersetzung: Matthias Fienbork Diogenes-Verlag, Zürich 1986 Neuübersetzung: pociao Diogenes Verlag, Zürich 2014 ISBN: 978-3-257-06913-6, 288 Seiten eBook: 978-3-257-60443-6
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als Brenda, die 26 Jahre alte Ehefrau des aus einer traditionsreichen englischen Familie stammenden Großbürgers Tony Last, den ein Jahr jüngeren Sohn einer Londoner Geschäftsfrau kennenlernt, wird ihr bewusst, wie sehr sie sich auf dem Landsitz ihres Mannes langweilt. Obwohl es sich bei John Beaver um einen mittellosen Schmarotzer handelt, der nur an ihr interessiert ist, solange sie ihm beim gesellschaftlichen Aufstieg von Nutzen ist, verliebt sie sich in ihn, zieht nach London und will sich scheiden lassen ...
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Kritik

"Eine Handvoll Staub" ist eine amü­sante, tragikomische Gesell­schafts­satire des englischen Schrift­stellers Evelyn Waugh. Ein honoriger Großbürger wird mit einer städtischen Gesellschaft kon­fron­tiert, in der es nicht mehr auf Ehre und Tradition ankommt.
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Tony Last und seine 26 Jahre alte Ehefrau Brenda Rex Last, eine Tochter von Lord und Lady St. Cloud, sind seit sieben Jahren verheiratet. Sie leben mit ihrem kleinen Sohn John Andrew und zahlreichen Dienstboten in Hetton, auf dem Landsitz der Familie Last, mit dem Tony sehr verbunden ist, während sich Brenda dort langweilt.

„Mögen Sie das Haus denn nicht?“
„Ich? Nein, ich finde es abscheulich … nun ja, nicht wirklich, aber ich wünschte, es wäre nicht alles von oben bis unten so entsetzlich hässlich. Allerdings würde ich eher sterben, als Tony das zu sagen. Wir könnten natürlich niemals woanders leben. Er ist ganz vernarrt in das Haus … Es ist komisch. Bei uns hatte keiner etwas dagegen, als mein Bruder Reggie unser Haus verkaufte – und das war von Vanbrugh.

Eines Tages wundert Brenda sich über ein Telegramm: „Ankomme 15:18 Uhr freue mich auf Besuch. Beaver“. Sie fragt ihren Mann, wer das sei.

„Ein junger Mann.“
„Klingt doch nicht übel.“
„Oh, warte nur, bis du ihn siehst.“
„Warum kommt er her? Hast du ihn eingeladen?“
„Vermutlich, wenn auch nicht direkt. Eines Abends war ich im Bratt’s, und er war der Einzige, der außer mir da war. Wir haben zusammen etwas getrunken, und er erwähnte, dass er das Haus gern einmal sehen würde …“
„Bestimmt warst du beschwipst.“
„Nicht wirklich, aber ich hätte nie gedacht, dass er mich beim Wort nehmen würde.“

John Beaver wohnt bei seiner verwitweten Mutter in London. Er ist 25 Jahre alt. Nach seinem Studium in Oxford arbeitete er bis zum Beginn der Wirtschaftskrise in einer Werbeagentur; seither ist er ohne Beschäftigung, und seine finanziellen Mittel sind entsprechend beschränkt. Deshalb hofft er jeden Tag auf Einladungen zum Essen, zumeist mit Erfolg. Der Barmann in Bratt’s Club erinnert ihn an die aufgelaufene Rechnung, und die meisten Clubmitglieder wundern sich darüber, dass Beaver überhaupt aufgenommen wurde.

Brenda nutzt jede Gelegenheit, um nach London zu fahren. Dort wohnt sie bei ihrer jüngeren Schwester Marjorie, die mit einem konservativen Politiker verheiratet ist. Als sie einige Tage nach Beavers Besuch in Hetton in einem Londoner Restaurant isst, wird sie von seiner Mutter angesprochen. Mrs Beaver betreibt einen Antiquitätenladen in London, richtet Wohnungen ein und vermittelt sie.

„Lady Brenda, ist es wahr, dass Sie auf der Suche nach einer Wohnung sind? Ich glaube nämlich, dass ich genau das Richtige für Sie habe.“

Ein kleines Haus im Stadtteil Belgravia soll in sechs Apartments unterteilt und vermietet werden. Brenda verspricht, es sich zu überlegen. Sie lädt John Beaver zum Essen ein und besteht darauf, die Rechnung zu übernehmen. Bald schon wird in London über sie beide getuschelt. John Beaver wird erstmals in seinem Leben beachtet.

Frauen unterzogen ihn einer erneuten Überprüfung und fragten sich, was sie bloß übersehen hatten; Männer behandelten ihn als ebenbürtig, ja sogar als erfolgreichen Mitstreiter um die Gunst der Frauen.

In Hetton überrascht Brenda ihren Mann mit der Nachricht, ein Apartment in London gefunden zu haben. Tony vergewissert sich zunächst nur, dass sie nichts unterschrieben hat und interessiert sich nicht weiter dafür, aber Brenda erklärt ihm, sie könne nicht immer nur Marjorie zur Last fallen und rechnet ihm vor, dass die Miete günstiger sei als seine Übernachtungen im Club. Schließlich stimmt er zu, und nach nur drei Tagen in Hetton nimmt Brenda erneut den Zug nach London. Sie müsse sich um das Apartment kümmern, erklärt sie. Außerdem will sie von nun an Vorlesungen über Wirtschaftswissenschaften besuchen, bei denen Frauen zugelassen sind.

„Im Augenblick habe ich eigentlich gar nichts zu tun. Es wäre absurd zu meinen, John brauchte mich noch. Das Haus läuft von selbst. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich eine Beschäftigung finde.“

Nach einiger Zeit will Tony seine Frau in London mit einem Besuch in dem neuen Apartment überraschen. Er sitzt mit dem langjährigen Familienfreund Jock Grant-Menzies in Bratt’s Club an der Bar, als Beaver aus dem Apartment anruft, sich aber nicht vorstellt und so tut, als habe er den Auftrag erhalten, Tony Last auszurichten, dass Lady Brenda müde sei und ihn an diesem Abend nicht empfangen könne. Brenda hört zu und meint, Tony müsse lernen, auf unabgesprochene Besuche zu verzichten.

Die beiden Freunde betrinken sich, suchen auch noch den Nachtklub Old Hundredth auf und rufen zwischendurch immer wieder Brenda an, mal um ihr anzukündigen, dass sie doch noch vorbeikommen würden, dann, um abzusagen.

Als Tony wieder nach Hetton kommt, fragt John Andrew nach seiner Mutter und wundert sich, dass der Vater eigens nach London gefahren ist, aber nur mit ihr telefonierte.

„Telefonieren kannst du doch auch von hier, oder, Daddy? Warum bist du denn bis nach London gefahren, um mit ihr zu telefonieren?“

Brenda und ihre in die Affäre mit John Beavers eingeweihten Freundinnen nehmen sich vor, Tony zu verkuppeln, und zwar mit Brendas Wohnungsnachbarin Jenny Abdul Akbar, der Ehefrau eines marokkanischen Moulay, die sich in Europa als Prinzessin titulieren lässt und darauf hinweist, dass ein Moulay mehr sei als ein Prinz. Sie spricht Tony Last kurzerhand mit dem Vornamen an, und weil sie nicht aufgepasst hat, nennt sie ihn Teddy. Während Tony von ihr genervt ist, begeistert John Andrew sich für die Prinzessin.

[Brenda:] „Tony, was machst du denn hier ganz allein? Wir dachten, du wärst mit Jenny unterwegs. Was ist denn mit ihr?“
„John hat sie mitgeschleppt … gerade noch rechtzeitig, bevor ich unhöflich geworden wäre.“

Besser als Jenny Abdul Akbar gefällt dem Hausherrn Jock Grant-Menzies‘ Freundin Mrs Rattery, eine geborene Amerikanerin Anfang 30, die mit dem eigenen Flugzeug landet und hin und wieder Morphium nimmt.

Der kleine John Andrew, der gerade erst gelernt hat, wie man mit einem Pony über Hindernisse springt, darf erstmals bei einer Fuchsjagd dabei sein, allerdings nur bis zum Dickicht. Da wird es für ihn zu gefährlich, und er muss mit dem Stallmeister Ben Hacket umkehren. Aber gerade das erweist sich als verhängnisvoll, denn ein scheuendes Pferd rammt das Pony und trifft John gleich darauf mit einem Huf im Genick. Der Junge ist sofort tot.

Mrs Rattery bleibt bei Tony, während Jock Grant-Menzies mit dem Auto nach London fährt, um Brenda die Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu überbringen. Er findet sie in einer Gesellschaft bei ihrer Freundin Polly Cockpurse.

Brenda kehrt nach Hetton zurück. Tony holt sie vom Bahnhof ab, aber sie sprechen kaum ein Wort miteinander. Am nächsten Morgen sagt sie zu ihrem Mann.

„Ich kann hier nicht bleiben. Es ist vorbei, verstehst du das nicht, unser Leben hier draußen.“

Sie fährt zu einer Gesellschaft bei ihrer Freundin Veronica, zu der auch John Beaver eingeladen ist. Brenda macht ihm eine Liebeserklärung und schreibt dann ihrem Mann, dass sie nicht mehr nach Hetton kommen werde. Ihre Sachen sollen in das Apartment in London gebracht werden.

„Ich liebe John Beaver und möchte mich scheiden lassen, um ihn zu heiraten. Wäre John Andrew nicht gestorben, wäre vielleicht alles anders gekommen.“

Niemand außer Brenda glaubt, dass ihre Beziehung mit John Beaver von Dauer sein könnte. Tony ist zwar tief verletzt, willigt jedoch nicht nur in die Scheidung ein, sondern ist auch gegen den Rat seiner Anwälte bereit, die Schuld auf sich zu nehmen und Brenda die Zahlung eines großzügigen jährlichen Geldbetrags zuzusichern.

Tonys angeblicher Ehebruch wird vier Wochen nach der Trennung vorbereitet. Milly, eine 24-jährige Prostituierte, die er zusammen mit Jock Grant-Menzies im Nachtklub Old Hundredth kennenlernte, ist bereit, gegen angemessene Bezahlung mitzuspielen, besteht aber darauf, ihre achtjährige Tochter Winnie mitzunehmen. Tony reserviert eine Suite in einem Strandhotel in Brighton. Die Aussagen des Hotelpersonals würden vermutlich genügen, aber sicherheitshalber engagieren Tonys Anwälte auch noch zwei Privatdetektive: Mr Blenkinsop und Mr James. In der Hotelbar lädt Tony die beiden auf ein paar Drinks ein. Das ist doppelt unvernünftig, zum einen, weil er ohnehin für die Spesen aufkommt und vor allem, weil das vor Gericht Fragen aufwerfen könnte. Dann trifft Milly auch noch einen Bekannten, der sie und ihren Begleiter am Abend mit zu einer Party bei einem Freund nimmt, und die Privatdetektive können ihnen nicht folgen.

Am nächsten Morgen kommt Winnie zu Tony ins andere Zimmer. Ihre Mutter schläft noch, aber sie will endlich frühstücken. Nach einem Strandspaziergang sprechen ihn die Privatdetektive an:

„Haben Sie schon gefrühstückt?“
„Ja, im Speisesaal, mit Winnie.“
„Aber was denken Sie sich, Mr Last? Sie brauchen doch Zeugenaussagen vom Personal.“
„Nun, ich wollte Milly nicht wecken.“
„Sie wird schließlich dafür bezahlt, oder? Hören Sie, Mr Last, so geht es einfach nicht. Sie werden die Scheidung nie bekommen, wenn Sie sich nicht ein bisschen mehr Mühe geben.“
„Na schön«, sagte Tony. „Dann frühstücke ich noch einmal.“

Tony weckt Milly, bestellt Frühstück aufs Zimmer, schlüpft in seinen Morgenmantel und legt sich zu ihr ins Bett. Sobald der Kellner das Frühstück gebracht hat, steht er auf und zieht sich wieder an. Während Milly weiterschläft, gibt Winnie keine Ruhe, bis Tony mit ihr zum Strand geht. Sie will schwimmen, weil aber die Wellen zu hoch sind, achtet der Strandwächter darauf, dass keine Kinder ins Wasser gehen. Vergeblich weist Tony ihn auf den Wunsch des Kindes hin.

„Was für eine verrückte Idee“, bemerkten ein paar Umstehende. „Ob er das Kind umbringen will?“ […]
„Ich will aber schwimmen“, quengelte Winnie. „Du hast gesagt, dass ich darf, wenn du zum zweiten Mal gefrühstückt hast.“
Die Leute, die sich um sie geschart hatten, um Tonys Verlegenheit zu beobachten, warfen sich vielsagende Blicke zu. „Zweimal gefrühstückt?“ Und er will das Kind ins Wasser lassen? Der Mann hat sie doch nicht alle.“

Wegen der Trennung ihrer Tochter von Tony Last beruft Lady St. Cloud den Familienrat ein. Brendas acht Jahre älterer Bruder Reggie, der in Tunesien Hobby-Ausgrabungen durchführt, muss eigens anreisen, denn seit dem Tod seines Vaters ist er das Familienoberhaupt. Nachdem er sich mit seinen Angehörigen beraten hat, spricht er mit Tony unter vier Augen.

„Natürlich hat Brenda im Moment die fixe Idee, in ihn verliebt zu sein. Aber das wird nicht lange dauern. Mit einem Burschen wie Beaver ist das unmöglich. In einem Jahr wird sie zu dir zurückkommen wollen, wart’s nur ab.“ […]
„Ich will sie gar nicht wiederhaben.“
„Nun, das ist nachtragend.“ […]
„Vermutlich gab es schon länger Probleme. Du zum Beispiel hast dir das Trinken angewöhnt – ach, übrigens, nimm doch noch ein Glas Burgunder.“
„Hat Brenda das gesagt?“
„Ja. Und dass du selbst hin und wieder mit anderen Frauen anbändelst. Es gab eine mit einem maurischen Namen, die du in Hetton zu Besuch hattest, obwohl Brenda noch dort lebte. […]
Es geht um Geld. Soweit ich weiß, war Brenda ziemlich aufgewühlt über den Tod ihres Kindes, als sie einer mündlichen Unterhaltsvereinbarung zustimmte.“
„Ja. Ich werde ihr fünfhundert im Jahr zahlen.“
„Nun, meiner Ansicht nach hast du kein Recht, ihre Großzügigkeit auf diese Art auszunutzen, weißt du. Es war sehr unbesonnen von ihr, deinen Vorschlag anzunehmen – heute gibt sie zu, dass sie in diesem Augenblick wirklich nicht ganz bei Sinnen war.“

Reggie St. Cloud verlangt die vierfache Summe. Tony stöhnt und erklärt, so viel könne er nicht erübrigen, ohne Hetton zu verkaufen. Als Reggie merkt, dass er Tony nicht umstimmen kann, droht er damit, dass Brenda die Forderung von ihm als Ehebrecher einklagen werde. Tony reißt der Geduldsfaden:

„Brenda wird ihre Scheidung nicht bekommen. Die Beweise, die ich in Brighton erbracht habe, sind wertlos. Zufälligerweise war die ganze Zeit ein Kind dabei. Es hat in beiden Nächten in dem Zimmer geschlafen, in dem eigentlich ich hätte sein sollen. Wenn ihr euch wirklich die Mühe machen wollt, mich zu verklagen, werde ich mich verteidigen und den Prozess gewinnen; doch ich glaube, dass ihr euren Plan aufgeben werdet, sobald ihr mein Beweismaterial seht. Ich werde für etwa sechs Monate verreisen. Wenn ich zurückkomme und Brenda es dann immer noch will, werde ich in eine Scheidung einwilligen, allerdings ohne irgendwelche Zahlungsverpflichtungen.“

Als Jenny Abdul Akbar hört, dass Tony Last seiner Frau die Scheidung verweigert, meint sie: „Typisch Brenda, sie ist viel zu vertrauensselig.“ Und die anderen Freundinnen pflichten ihr bei.

Tony besorgt sich Reiseprospekte. Als er sie im Club Greville durchblättert, spricht ihn jemand an, stellt sich als „Dr. Messinger“ vor und erzählt ihm, er habe eine Expedition nach Brasilien vorbereitet, aber die Abreise verschieben müssen, weil er bestohlen worden sei. Da zerreißt Tony die Prospekte, übernimmt die Reisekosten, und sie stechen in See.

Während der Überfahrt freundet Tony sich mit der 18-jährigen Thérèse de Vitré an, die zwei Jahre lang in Paris zur Schule ging und nun zu ihren Eltern nach Trinidad zurückkehrt, um den Mann zu heiraten, den ihr Vater für sie ausgesucht hat.

Auf der Suche nach einer verschollenen Stadt lassen sich Tony und Dr. Messinger zehn Tage lang mit einem flachen Boot auf dem Demerara stromaufwärts fahren. Nachdem sie in einem Dorf zwölf Macushi als Träger angeheuert haben, marschieren sie mit ihnen und deren Frauen weiter, aber als sie die Grenze des von Pie-Wie besiedelten Gebietes erreichen, weigern sich die Macushi, weiterzugehen. Dr. Messinger bietet ihnen zusätzliche Tauschartikel an. Nach ergebnislosen Verhandlungen greift er zum letzten Mittel:

„Wir müssen es mit den Mäusen versuchen. Eigentlich wollte ich sie behalten, bis wir bei den Pie-Wie sind. Schade. Aber bei den Mäusen werden sie schwach, warten sie nur. Ich weiß, wie Indios denken.“

Dr. Messinger zieht eine der aus Deutschland stammenden Spielzeugmäuse auf und setzt sie auf den harten Lehmboden. Die Wirkung ist unglaublich: Die Macushi fliehen Hals über Kopf und tauchen auch nicht mehr auf. Erst nachts, als die beiden Weißen schlafen, schleichen sie sich ins Lager, holen unbemerkt ihre Sachen und kehren dann in ihr Dorf zurück.

Tony und Dr. Messinger bleibt nichts anderes übrig, als ohne Hilfe weiter vorzudringen. Aber sie kommen nicht weit, bis Tony zu fiebern anfängt. Nach tagelangem Fieberwahn lässt Dr. Messinger seinen Begleiter in einer Hängematte unter einem notdürftigen Sonnendach liegen, während er ein Stück stromabwärts nach Anzeichen von Siedlungen suchen und dann zurückkehren will. Er gerät jedoch in Stromschnellen, wird über einen drei Meter hohen Wasserfall geschleudert und kommt dabei ums Leben.

Etwa zur gleichen Zeit sucht Brenda den Familienanwalt Mr Graceful auf und versucht, mehr Geld von ihm zu bekommen.

„Mr Last hat Ihnen doch umfassende Vollmachten übertragen, nicht wahr?“
„Innerhalb strenger Grenzen, Lady Brenda. Ich wurde beauftragt, die Gehälter für Hetton auszuzahlen und alle Kosten für die Aufrechterhaltung des Betriebs zu begleichen – er lässt neue Badezimmer einbauen und einige Dekorationen im Salon instand setzen, die zerstört worden waren. Darüber hinaus habe ich keine Befugnis, Zahlungen von Mr Lasts Konto zu tätigen.“

Brenda fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an Gesellschaft. John Beaver ist mit seiner Mutter nach Amerika gereist.

Und Jock Grant-Menzies war wie jedes Jahr zu seinem älteren Bruder nach Schottland gefahren. Marjorie und Allan hatten es in letzter Sekunde auf die Jacht von Lord Monomark geschafft, segelten entspannt die spanische Küste entlang und besuchten Stierkämpfe (sie hatten sie sogar gebeten, auf Djinn aufzupassen). Ihre Mutter war in dem Chalet, das Lady Anchorage ihr wie immer am Genfersee überlassen hatte. Polly war überall und nirgends. Selbst Jenny Abdul Akbar machte eine Kreuzfahrt auf der Ostsee.

Tony schleppt sich weiter und wird von Pie-Wie entdeckt, die Mr Todd verständigen, den hier vor fast 60 Jahren geborenen Sohn einer Pie-Wie und eines weißen Missionars aus Barbados.

Er besaß ein rundes Dutzend schwächlicher Rinder, die in der Savanne grasten, eine Maniok-Plantage, ein paar Bananen- und Mangobäume, einen Hund und – einzigartig in der Umgebung – einen einläufigen Hinterlader.

Mr Todd flößt dem Schwerkranken, der im Fieberwahn Brenda zu sehen glaubt, einen Kräutersud aus einer Kalebasse ein. Allmählich erholt Tony sich. Sein Lebensretter erklärt ihm, dass die meisten Männer und Frauen, die in dieser Savanne leben, seine Kinder seien. Deshalb habe er hier auch das Sagen. Obwohl er nicht lesen kann, besitzt er alle Werke von Charles Dickens bis auf zwei, die von Ameisen vernichtet wurden. Tony soll ihm daraus vorlesen.

„Es dauert lange, bis man sie alle gelesen hat – mehr als zwei Jahre.“

Mr Todd weiß das, weil er sich die Bücher früher von einem Schwarzen namens Barnabas Washington vorlesen ließ, der inzwischen längst tot ist. Tony hat nicht vor, zwei Jahre lang in der Wildnis zu bleiben. Aber er sieht auch keine Chance, wegzukommen.

Nach einem Jahr taucht ein einsamer Goldschürfer auf, sehr zum Missfallen Mr Todds, der dann auch dafür sorgt, dass der Fremde nach kaum einer Stunde weiterzieht. Tony gelingt es jedoch, ihm unbemerkt ein Stück Papier mit seinem Namen zuzustecken. Nun hofft er zuversichtlich, dass man nach ihm suchen und ihn finden wird.

Monate vergehen. Mr Todd nimmt Tony mit zu einem Fest. Als Tony wieder zu sich kommt, ist er schwer verkatert. Offenbar war er sturzbetrunken. Seine Armbanduhr fehlt. Zu seiner Überraschung erfährt er von Mr Todd, dass er zwei Tage lang schlief.

„Unsinn! Das kann nicht sein.“
„Ja, doch! Sehr, sehr lange. Wirklich schade, denn so haben Sie unsere Gäste verpasst.“
„Gäste?“
„Aber ja! Es war sehr lustig, während Sie schliefen. Drei Männer von weither. Engländer. Schade, dass Sie sie verpasst haben. Auch für sie schade, denn sie fragten ausdrücklich nach Ihnen. Aber was sollte ich machen? Sie haben tief und fest geschlafen. Die Männer hatten nur Ihretwegen die weite Reise gemacht, und da Sie sie nicht persönlich begrüßen konnten, habe ich ihnen ein kleines Souvenir mitgegeben, Ihre Uhr. Ich dachte, Sie hätten sicher nichts dagegen. Sie wollten unbedingt etwas nach England mitnehmen, denn dort winkte eine Belohnung, wenn sie Neuigkeiten über Sie brächten. Sie haben sich sehr darüber gefreut. Und sie haben auch ein paar Fotos von dem kleinen Kreuz gemacht, das ich aufgestellt habe, damals, zum Gedenken an Ihre Ankunft. Auch darüber waren sie sehr erfreut. Es war nicht schwer, ihnen eine Freude zu bereiten.

Richard Last aus Princes Risborough, ein entfernter Verwandter, erbt Hetton und zieht mit seiner Frau und den Kindern Teddy, Molly und Agnes auf den Landsitz. Peter, der andere Sohn, studiert in Oxford. Sie stellen ein Denkmal auf. Die Inschrift lautet:

ANTHONY LAST AUS HETTON
FORSCHUNGSREISENDER
GEBOREN ZU HETTON 1902 GESTORBEN IN BRASILIEN 1934

Brenda ist zur Enthüllung eingeladen, sagt jedoch ab, weil Jock Grant-Menzies, ihr zweiter Ehemann, in London unabkömmlich ist.

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Thema und Handlung des 1934 von dem englischen Schriftsteller Evelyn Waugh veröffentlichen Romans „Eine Handvoll Staub“ betreffen eine Gesellschaft, wie wir sie heute nicht mehr kennen, aber die Lektüre amüsiert dennoch.

Die Gesellschaftssatire dreht sich um den englischen Großbürger Tony Last, dem Ehre und Anstand wichtig sind, der am liebsten zurückgezogen auf dem traditionsreichen Landsitz seiner Familie lebt, dem es an Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen fehlt und der deshalb anderen zumindest anfangs naiv vertraut. Brenda, Jock Grant-Menzies, Dr. Messinger und Mr Todd danken es ihm nicht. Bei der Episode in Brighton erweist sich Tony Lasts Naivität allerdings als vorteilhaft, denn sie hilft ihm später, seine Ausbeutung durch die Familie seiner Frau zu verhindern. Im Gegensatz zu ihrem Mann macht Brenda sich nichts aus Tradition, und sie zieht das quirlige Leben in der Großstadt der Langeweile auf dem Land vor. Aber sie verliebt sich ausgerechnet in den Schmarotzer John Beaver, der nur so lange an ihr interessiert ist, wie er sich davon einen Nutzen beim gesellschaftlichen Aufstieg verspricht. John Beaver ist der Sohn einer Geschäftsfrau in London, also der Repräsentantin einer neuen städtischen Gesellschaft, in der Tradition und Herkunft ihre Wirkung verloren haben. Sie und ihr Sohn sind das Gegenteil des honorigen Großbürgers Tony Last – der zuletzt bei einem indigenen Stamm in Südamerika lebt, also noch einmal mit einer ganz anderen Gesellschaft konfrontiert wird.

„Eine Handvoll Staub“ ist eine tragikomische Gesellschaftsatire mit vielen ironischen Einlagen. Die Handlung entwickelt sich chronologisch und stringent im ständigen Wechsel der Handlungsstränge und -orte. Evelyn Waugh schreibt in der dritten Person, ohne sich als auktorialer Erzähler zu geben. Unterschiedliche Perspektiven ergeben sich aus den ausgefeilten Dialogen. Die Charaktere bleiben allerdings blass und eindimensional.

Es heißt, Evelyn Waugh habe in „Eine Handvoll Staub“ auch das Scheitern seiner eigenen Ehe verarbeitet. Der Verlegersohn Arthur Evelyn St. John Waugh (1903 – 1966) hatte 1928 Evelyn Gardner geheiratet, die jüngste Tochter des Lord Burghclere. (He-Evelyn and She-Evelyn.) Bereits 1930 ließen die beiden sich scheiden, und nachdem Arthur Evelyn St. John Waugh zum Katholizismus konvertiert war, wurde die Eheschließung auf seinen Antrag hin im Nachhinein für ungültig erklärt. In zweiter Ehe war Evelyn Waugh dann bis zum Tod mit Laura Herbert verheiratet.

Im grotesken letzten Teil des Romans „Eine Handvoll Staub“ griff Evelyn Waugh auf die zuvor bereits veröffentlichte Kurzgeschichte „The Man Who Liked Dickens“ zurück.

Lucy von Wangenheim übersetzte den Roman „Eine Handvoll Staub“ von Evelyn Waugh 1936 erstmals ins Deutsche (Bondi-Verlag, Berlin). Der Diogenes-Verlag in Zürich sorgte für zwei Neuübersetzungen: 1986 von Matthias Fienbork und 2014 von pociao (Sylvia de Hollanda).

Charles Sturridge verfilmte den Roman „Eine Handvoll Staub“ von Evelyn Waugh:

Eine Handvoll Staub – Originaltitel: A Handful of Dust – Regie: Charles Sturridge – Drehbuch: Tim Sullivan, Derek Granger, Charles Sturridge, nach dem Roman „Eine Handvoll Staub“ von Evelyn Waugh – Kamera: Peter Hannan – Schnitt: Peter Coulson – Musik: George Fenton – Darsteller: James Wilby, Kristin Scott Thomas, Rupert Graves, Anjelica Huston, Judi Dench, Alec Guinness, Christopher Godwin u.a. – 1988; 115 Minuten

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Diogenes Verlag

Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead (Verfilmung)

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"Aufbruch", der zweite Teil einer Trilogie von Ulla Hahn mit autobiografischen Zügen, ist nicht nur ein bewegender Entwicklungsroman, sondern auch eine detailreiche Milieustudie mit pointierten Szenen.
Aufbruch