Ulrike Meinhof

Die kontakt- und diskutierfreudige Gymnasiastin Ulrike Meinhof war sowohl bei den Lehrern als auch unter den Mitschülerinnen beliebt. Ulrike hielt es für wichtig, Werte zu haben und diese glaubhaft zu vertreten. Als Journalistin setzte sie sich in erfolgreichen Kolumnen und in Hörfunkfeatures, die zur besten Sendezeit im Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurden, gegen soziale Ungerechtigkeiten ein und protestierte gegen den Vietnamkrieg. 1970 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der RAF, der „Baader-Meinhof-Bande“. 1972 wurde sie verhaftet. Der Prozess gegen sie, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, und Jan-Carl Raspe begann im Mai 1975 in Stuttgart-Stammheim. Ein Jahr später erhängte sich Ulrike Meinhof in ihrer Gefängniszelle.


Ulrike Meinhof:
Der Sprung in den Untergrund

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen. 10 Porträts
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1999 / Piper Taschenbuch, München 2004 (12. Auflage: 2011)

Andreas Baader versucht Waffen zu beschaffen, aber ein Spitzel des Verfassungsschutzes lockt ihn
dabei am 3. April 1970 in eine als Verkehrskontrolle getarnte Falle der Polizei.

Gudrun Ensslin will ihn aus dem Gefängnis in Berlin befreien und drängt Ulrike Meinhof, mitzumachen: Sie wirft ihr vor, Schreiben genüge nicht – und die Journalistin, die ohnehin am Sinn ihrer Arbeit zweifelt, glaubt ihr. Gemeinsam arbeiten sie einen Plan aus: Der Verleger Klaus Wagenbach behauptet in einem Brief an die Haftanstalt, dass Andreas Baader an einem Buch Ulrike Meinhofs über „randständige“ Jugendliche mitarbeitet, und diese ersucht die Gefängnisleitung, dem Häftling zu gestatten, mit ihr zusammen im Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen wissenschaftliches Material durchzuarbeiten.

Tatsächlich begleiten zwei Beamte den Strafgefangenen am 14. Mai 1970 zu der Villa, in der das Institut untergebracht ist.

Als sie eintreffen, sitzt Ulrike Meinhof bereits im Lesesaal. Sie fragt die Beamten, ob sie verheiratet sind, Kinder haben – und scheint über die bejahende Antwort irritiert zu sein.

Kurze Zeit später klingeln zwei junge Frauen, die ebenfalls in den Lesesaal möchten, aber von dem 62 Jahre alten Institutsangestellten Georg Linke zurückgehalten werden und daraufhin in der Eingangshalle Platz nehmen – angeblich um dort zu arbeiten.

Nachdem Georg Linke in sein Büro zurückgekehrt ist, öffnen die beiden Frauen die Außentüre; Gudrun Ensslin stürmt mit einem Begleiter herein – beide vermummt. Plötzlich steht Georg Linke vor ihnen. Der Vermummte schießt: Die Kugel durchschlägt den Oberarm des Institutsmitarbeiters und bleibt in seiner Leber stecken.

Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen © Piper Verlag

Während der Getroffene zusammensackt, stürmen der Schütze und die drei Frauen in den Lesesaal, feuern Gaspistolen ab. Die Beamten stellen sich in den Weg, schießen, können aber nicht verhindern, dass Andreas Baader und seine Befreier durch das geöffnete Parterrefenster entkommen.

Ulrike Meinhof sollte im Institut zurückbleiben und sich vor den Kriminalbeamten überrascht zeigen. Es wäre kaum möglich gewesen, ihr eine Komplizenschaft nachzuweisen – und die 35-Jährige hätte ihren publizistischen Kampf weiterführen können.
Doch sie flieht mit den anderen. „Mit ihrem Satz aus dem Fenster an diesem 14. Mai sprang Ulrike Meinhof nicht nur 1,50 Meter tief auf den Rasen, sondern zugleich auch von ihrem sicheren Tribünenplatz als Journalistin in die Arena. Es ist die Geburtsstunde der RAF.“ Die Rote Armee Fraktion entsteht nicht aufgrund eines durchdachten Plans, sondern als Zufallsergebnis eines missglückten Verbrechens …

Quelle: Dieter Wunderlich, EigenSinnige Frauen. 10 Porträts
© Pustet Verlag, Regensburg 1999
Als Piper-Taschenbuch überall im Buchhandel

Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen. Zitat:
Butz Peters: RAF. Terrorismus in Deutschland, 1991, S. 81

Ulrike Meinhof (Kurzbiografie)

Pierre Bost - Ein Sonntag auf dem Lande
Die kleine melancholische Geschichte spielt auf engstem Raum an einem "Sonntag auf dem Lande". Pierre Bost erzählt aufmerksam, sensibel und mit feinem Humor, unaufgeregt und ohne Effekthascherei.
Ein Sonntag auf dem Lande

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.