Helge Thielking : King of Pain

King of Pain
King of Pain Originalausgabe: Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2002 358 Seiten, ISBN 3-7466-1803-7
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der als Adoptivkind in Hamburg aufgewachsene 23-jährige Medizinstudent Nick Michaelsen sucht seine leibliche Mutter in Kalifornien. Kurz bevor er dort eintrifft, beginnt eine Serie bestialischer Frauenmorde. Kaum hat Nick seine Mutter gefunden, gerät sie unter Mordverdacht ...
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Kritik

Elegant führt Helge Thielking in "King of Pain" zwei an verschiedenen Orten beginnende Erzählstränge zusammen. Von Szene zu Szene beschleunigt er das Tempo und baut Suspense auf.
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Am Morgen des 27. Oktober 2000 findet das Hausmädchen Maria Carmen Fuentes in einer Villa am Ocean Drive auf den Klippen von Cypress Cove, einer Kleinstadt zwischen Los Angeles und San Francisco, die Leiche der 44-jährigen Besitzerin. Rachel Valenzuela stammte aus einfachen Verhältnissen, hatte jedoch vor 15 Jahren Prof. Dr. Carlos Valenzuela geheiratet, den Leiter der gynäkologischen Abteilung im Golden Gate Medical Center in San Francisco. Vor drei Monaten ließen sie sich scheiden, und Rachel verstand es, ein Drittel seines Vermögens einzuklagen. Ihr 13-jähriger Sohn Joshua wurde allerdings dem Vater zugesprochen.

Die Untersuchungen im Mordfall Rachel Valenzuela leitet die 35-jährige Schwarze Tyra Pearson. Sie arbeitet bei der Mordkommisson, weil sie glaubt, es ihrem Verlobten Montell Combs schuldig zu sein, der als Detective beim Drogendezernat gearbeitet hatte und vor 12 Jahren – zwei Monate vor der geplanten Hochzeit – hinterrücks erschossen wurde, als er versuchte, einen Drogendealer zu stellen.

Rachel Valenzuelas Leiche liegt nackt auf dem Bett. Im auf „Wiederholung“ geschalteten Kassettendeck der Stereoanlage läuft unaufhörlich die erste Strophe des Popmusikstücks „King of Pain“. Der Körper ist von zahlreichen Hämatomen entstellt, das Gesicht von Schlägen geschwollen. Hinweise auf ein Sexualdelikt gibt es nicht. Die Spuren vor dem Haus lassen auf einen Einzeltäter schließen.

Zur gleichen Zeit gerät in Hamburg der Medizinstudent Nickolas („Nick“) Michaelsen mit seinen Adoptiveltern in Streit. Nick wusste zwar von Anfang an, dass er adoptiert worden war, aber weitere Einzelheiten über seine Herkunft hat er nicht erfahren. Erst nach der Auseinandersetzung überlässt ihm seine Adoptivmutter eine Mappe mit Unterlagen, darunter eine amtliche Erlaubnis für das Ehepaar Michaelsen, das am 24. November 1977 in Hamburg geborene Kind Nickolas Bartels in Pflege zu nehmen. Zum ersten Mal erfährt Nick den Namen seiner Mutter: Angela Bartels.

Obwohl ihn seine Adoptiveltern stets liebevoll umsorgten, verzeiht er ihnen nicht, dass sie ihr Wissen über seine Mutter so lange vor ihm verbargen.

Heimlich fährt er zur Adoptionsstelle und spricht dort mit der zuständigen Sachbearbeiterin Hedwig Ketenburg, aber sie kann ihm auch nicht sagen, wo seine Mutter jetzt zu finden sein könnte. Immerhin liegt der Vorgang mehr als 20 Jahre zurück.

Als Nick den Namen „Angela Bartels“ in eine Internet-Suchmaschine eingibt, stößt er auf eine anlässlich eines Klassentreffens ehemaliger Berliner Schülerinnen und Schüler 25 Jahre nach dem Abitur angelegte Website. Von Angela Bartels, die offensichtlich nicht daran teilnahm, fehlen Adresse und Telefonnummer. Nick ruft die Nächste in der Liste an. Regine Brandt verweist ihn an Iris Weber, die damals die engste Schulfreundin von Angela Bartels gewesen sei. Iris Weber erinnert sich, dass Angela nach dem Abitur von Berlin nach Hamburg zog und während ihres Studiums der Soziologie und der politischen Wissenschaften schwanger wurde, aber mehr weiß sie nicht, weil sie ihre Freundin damals aus den Augen verlor.

Er hatte mit ihrer ehemals besten Freundin telefoniert, und jetzt wusste er immerhin, dass sie in Berlin Abitur gemacht hatte. Seine leibliche Mutter war nicht mehr nur ein Name auf einem Adoptionsvertrag. Sie war greifbar geworden.

Bei seinem Besuch in Berlin erfährt Nick von Iris Weber, dass Angelas Vater die Familie verließ, als das Mädchen zehn oder elf Jahre alt war. Die Mutter starb vor einigen Jahren in Berlin. Iris Weber sucht Nick das einzige Foto heraus, auf dem Angela Bartels Gesicht zu sehen ist und überlässt ihm auch das letzte Lebenszeichen, das sie von ihrer ehemaligen Schulfreundin besitzt: eine Ansichtskarte, die sie im Februar 1978 aus San Francisco schrieb. Sie war damals Zimmermädchen im The Grand Victorian.

Hedwig Ketenburg findet in den Akten über Nicks Adoption drei Briefe, die wohl von seiner leiblichen Mutter stammen. „Lieber Sohn“, heißt es da, „ich würde mich freuen, von dir zu hören.“ Der erste Brief ist zwei Jahre alt, die beiden anderen folgten jeweils im Abstand eines halben Jahres. Als Adresse ist ein Postfach in Cypress Cove, Kalifornien, angegeben. Heimlich nimmt sie die drei Briefe mit nach Hause und lässt sie Nick auf dem Umweg über das National Adoption Information Clearinghouse in Washington zukommen. Nach deutschem Recht sind zwar Nachforschungen der leiblichen Mutter über das Schicksal ihres fortgegebenen Kindes illegal, aber Hedwig Ketenburg nimmt an, dass sie auf diese Weise Nicks Nachforschungen anonym unterstützen kann.

Sobald Nick die Briefe erhält, schreibt er an die angegebene Postfachadresse. Es dauert nicht lange, bis er per E-Mail Antwort erhält. Kurz entschlossen verabredet er sich mit Angela Bartels vor dem Eingang des Hotels The Grand Victorian in San Francisco. Seinen Adoptiveltern lügt er vor, er fliege für zwei Wochen nach Kalifornien, um auszuspannen und über seine weiteren Pläne nachzudenken. Sein Adoptivvater, ein erfolgreicher Hamburger Rechtsanwalt, bringt für den vermeintlichen Müßiggang zwar kein Verständnis auf, aber Nick setzt seinen Willen durch, zumal er die Reise mit einem Teil des Geldes finanziert, das er von seiner Großmutter geerbt hat.

Am 22. November wartet Nick zur vereinbarten Zeit vergeblich auf seine Mutter. Nach ein paar Stunden fragt er im Hotel, ob sich jemand an Angela Bartels erinnern könne, sie habe vor gut 20 Jahren hier als Zimmermädchen gearbeitet. Mrs Gilbert, die Hotelbesitzerin, findet anhand des von Nick mitgebrachten Fotos heraus, dass sie die Gesuchte vom 2. Januar 1978 bis 24. Mai 1979 beschäftigte und sie dann wegen einer „Unregelmäßigkeit“ hinauswarf. Die Frau nannte sich allerdings nicht Angela Bartels, sondern Barbara Freeman. In den Unterlagen steht, dass sie vorhatte, nach Cypress Cove zu ziehen.

Mit einem Leihwagen macht Nick sich auf den Weg. An einer Tankstelle erklärt ihm eine etwa gleichaltrige Kundin, die gerade ihr knallrotes VW-Käfer-Cabriolet betankt, dass es an amerikanischen Tankstellen ohne vorherige Bezahlung kein Benzin gibt und zeigt ihm den Hebel an der Zapfsäule, den er dann noch umlegen muss, bevor der Sprit fließt. Sie heißt Yva Tamblyn, studiert Journalistik und Politik an der University of California in Santa Cruz, arbeitet als Volontärin beim Santa Cruz Sentinel und wohnt ihn Cypress Cove. Nick und Yva kommen ins Gespräch, und schließlich lädt sie ihn ein, bei ihr zu übernachten. Er könne im Bett ihrer verreisten Eltern schlafen.

An diesem Abend wird außerhalb von Cypress Cove die 26-jährige, im achten Monat schwangere Wendy Adkins umgebracht, als sie von einem Besuch bei ihren Eltern in Big Sur nach San Francisco zurückfährt. Als ihre übel zugerichtete nackte Leiche am nächsten Morgen auf der Motorhaube ihres Autos auf einem Schrottplatz gefunden wird, läuft im Inneren des Wagens die zweite Strophe des Songs „King of Pain“. Offenbar handelt es sich um einen Serienmörder! Die einzige Verbindung zwischen den beiden Opfern, auf die Tyra Pearson rasch aufmerksam wird, ist Carlos Valenzuela: Er war der Ex-Mann der ersten und der Gynäkologe der zweiten ermordeten Frau.

Am diesem Tag, also am 23. November 2000, sieht Nick auf Anraten Yvas im County Recorder alte Namenslisten von Gerichtsverhandlungen und Wählerverzeichnisse durch. Auf einem Mikrofilm aus dem Jahr 1988 stößt er auf die Adresse einer Barbara Freeman in Cypress Cove.

Zur gleichen Zeit betritt eine große, kräftige Frau den kleinen Laden „Jolly Sea Lion“. Marge McDermont, deren Schwester Carol das Geschäft gehört, bedient gerade Dorothy Carlisle, die Frau des Feuerwehrchefs. Als Dorothy die Fremde tadelt, weil sie eine Seifenschachtel öffnet und daran schnuppert, schreit diese: „Wieso folgt ihr mir? Warum lasst ihr mich nicht in Ruhe?“, holt eine Eisenstange unter ihrem Mantel hervor, schlägt auf Dorothy ein und zertrümmert die Einrichtung, bis die von Marge alarmierte Polizei eintrifft und die Frau in eine Nervenheilanstalt bringt.

Als Nick zu der Adresse fährt, die er im County Recorder fand, öffnet niemand. Die Vermieterin klärt ihn darüber auf, dass Barbara Freeman in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde.

Tyra Pearsons Schwester Gladys liest laut aus der Zeitung vor, dass eine Geistesgestörte mit einer Eisenstange in einem Laden tobte. Das bringt die Kriminalbeamtin auf den Gedanken, dass es sich möglicherweise nicht um einen Mörder, sondern um eine Mörderin handelt. Detective Kyle Eastcott, der mit Tyra um die Beförderung zum Lieutenant konkurriert, sitzt schon im Wartezimmer der Nervenheilanstalt, als sie dort eintrifft. Sie erkundigen sich bei Dr. Rosenblatt über Barbara Freeman und hören, dass die Frau erstmals im Juli 1980 auf richterliche Anweisung in die Klinik gekommen sei, weil sie William C. Gaffey, einen Abgeordneten des Stadtparlaments, mit Faustschlägen attackiert hatte. Dr. Rosenblatt diagnostizierte akute Schizophrenie, ausgelöst durch übermäßigen Drogenkonsum. Barbara erholte sich rasch und konnte nach wenigen Wochen entlassen werden. Seit damals hielt sie ständig Kontakt mit ihrem Psychiater und kam von sich aus, wenn sie eine Verschlechterung ihres Zustands spürte. Die Einzelgängerin verdiente ihr Geld in verschiedenen Jobs, mal als Kellnerin, dann wieder an der Kasse eines Supermarkts, und seit zwei Jahren arbeitet sie in einem New-Age-Laden am Strand.

Bei einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung in Barbara Freemans Wohnung findet Tyra in einem Papierkorb je drei zerrissene Fotos der malträtierten Leichen von Rachel Valenzuela und Wendy Adkins. Damit scheint festzustehen, dass sie für die Morde verantwortlich ist.

Yva Tamblyn fährt mit Nick zu den Klippen hinaus, zaubert einen Kuchen und eine Flasche Sekt aus ihrem Rucksack und gratuliert ihm zu seinem 23. Geburtstag. (Sie hat sein Geburtsdatum in seinem Pass gefunden.)

Wenn Sie die Vorgeschichte noch nicht erfahren möchten,
Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Am selben Tag finden Tyra Pearson und Kyle Eastcott unabhängig voneinander mehr über Barbara Freeman heraus. Sie wurde vor 42 Jahren in Hamburg geboren und heißt eigentlich Angela Bartels. Ende der 70er-Jahre arbeitete die Studentin bei einem seriösen Hostessenservice. Einer der Kunden war Georg Talerbach, der Erbe eines Frankfurter Mischkonzerns, der auch politische Ambitionen verfolgte. Nach einem Abendessen und Besuchen in exklusiven Nachtclubs wollte er sich mit einem Glas Champagner in seiner Suite von ihr verabschieden. Doch er hinderte sie mit Gewalt daran, das Zimmer zu verlassen und vergewaltigte sie dreimal. Aus Scham und Angst um den Job schwieg sie – bis sie feststellte, dass sie schwanger war. Georg Talerbach stritt alles ab, doch sie drohte ihm mit einem Vaterschaftstest, bis er aus Sorge um seine Karriere eine Abmachung vorschlug: Angela verpflichtete sich, das Kind zur Adoption frei zu geben und in die USA auszuwandern. Er versprach ihr dafür nicht nur einen großen Geldbetrag, sondern auch eine Arbeitserlaubnis und eine Option für die Einbürgerung in den Staaten. Tatsächlich reiste sie im Dezember 1977 nach San Francisco und erhielt eine Green Card. Ein Jahr später wurde sie wegen eines tätlichen Angriffs auf ihren Geliebten festgenommen. Im Mai 1979 verlor sie ihre Stelle als Zimmermädchen im The Grand Victorian, weil sie einen Gast, von dem sie angeblich sexuell belästigt worden war, krankenhausreif geschlagen hatte. Danach zog sie von San Francisco nach Cypress Cove.

Nick ist entsetzt, als er von Yva erfährt, dass seine Mutter mit den beiden Mordfällen in Verbindung gebracht wird. Ist er nicht nur der Sohn einer Psychopathin, sondern auch einer Serienmörderin?

Am Abend des 24. November steigt die illegal aus Lateinamerika eingewanderte 17-jährige schwangere Prostituierte Marisa Menchu zu einem Fremden ins Auto. Der Mann, der weder seine Sonnenbrille noch seine Baseballkappe abnimmt, bietet ihr 500 Dollar, verlangt aber, dass sie mit ihm ein Stück weit fährt. Auf einer Forststraße hält ihr plötzlich ein mit Chloroform getränktes Tuch vor Mund und Nase. Sie entkommt aus dem Auto, aber er holt sie ein und zerrt sie in eine Hütte. Dort erwacht sie auf einer Pritsche, auf der er sie festgeschnallt hat. Sie ist nackt. Überall hat sie Schmerzen. Er drückt ihr die Glut einer Zigarre auf die Brustwarzen, und als sie schreit, beginnt er zu reden:

„Ja, schrei! Lass den Schmerz heraus. Ich kenne das Gefühl. Dieser überraschende Moment, diese Tortur, diese …“, er fuchtelte wild gestikulierend mit der freien Hand, „… Sinnlosigkeit. Diese verzweifelte Frage: Warum? Spürst du es? Glaub mir, bonita, ich kenne das nur allzu gut.“

Dann legt er die dritte Strophe von „King of Pain“ auf, löst ihre Fuß- und Handfesseln, wirft sie von der Pritsche, schleift sie über den Boden. Als er sich bückt, gelingt es ihr, einen Baseballschläger zu ergreifen und ihn damit am Knie und im Gesicht zu erwischen. Während er sich krümmt, rennt sie aus der Hütte.

Ein Taxifahrer findet die Bewusstlose um 0.30 Uhr zwischen Mülleimern in einer Nebenstraße, und man bringt sie ins Zentralkrankenhaus von Cypress Cove.

Wenn das Mädchen nicht Opfer eines Nachahmungstäters geworden ist, kann Barbara Freeman nicht die gesuchte Serienmörderin sein!

Vergeblich versucht Nick, seine Mutter in der Nervenheilanstalt zu besuchen. Aufgrund eines vorgetäuschten Migräneanfalls lässt ihn die Empfangsdame wenigstens zu Dr. Rosenblatt. Der zeigt Nick vom Fenster aus Barbara Freeman im Garten der Klinik, aber eine persönliche Begegnung hält er für zu riskant. Immerhin notiert er sich Nicks – bzw. Yva Tamblyns – Telefonnummer.

Von Dr. Rosenblatt über den Besucher aus Deutschland informiert, taucht Kyle Eastcott mit Tyra Pearsons Assistenten Alec Vaughn in der Wohnung der Familie Tamblyn auf. Yva ist seit dem Morgen unterwegs. Nick findet seinen Pass nicht, und als die Polizeibeamten ihm beim Suchen helfen, stoßen sie auf eine Kassette mit einer Aufnahme von „King of Pain“. Handelt es sich bei diesem Deutschen um den gesuchten Serienmörder? Unverzüglich nehmen Eastcott und Vaughn ihn fest.

Bei einer polizeilichen Gegenüberstellung am 26. November glaubt Marisa Menchu, unter einem halben Dutzend ähnlich gekleideter Männer Nick als den Mann zu erkennen, der sie ermorden wollte.

Tyra erhält ein anonymes, in einem Copy Shop aufgegebenes Fax mit einem Zeitungsartikel von Robert („Bob“) Verdell, der am 21. Juli 1996 im Boston Globe erschienen war. Es geht um die Ermordung des Harvard-Professoren-Ehepaars William und Rose McCarthy. Wegen Raubmordes wurde damals ein gewisser Shawn Walden verurteilt. Während Tyra noch darüber nachdenkt, was das Fax bedeutet, erhält sie die Nachricht, dass Nicks Angaben richtig sind: Er stand auf der Passagierliste der angegebenen British-Airways-Maschine, und die Einreisebehörde hat seine Ankunft am 22. November in San Francisco registriert. Nick kann also zumindest den ersten Mord nicht begangen haben, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Land war. Tyra ordnet seine sofortige Freilassung an.

Nick kehrt in das Haus seiner amerikanischen Freundin zurück, doch Yva ist offenbar noch nicht wieder zurückgekehrt. Bald darauf ruft sie an. Sie klingt ungewohnt und bestellt Nick zu einer Stelle auf den Klippen.

Die Polizei ermittelt den Besitzer des Postfachs und der E-Mail-Adresse, der sich Nick gegenüber als Barbara Freeman ausgegeben hatte: Gordon Sumner. Das ist der bürgerliche Name des Popsängers Sting. Auch die Adresse ist fingiert. Und doch bringen die Nachforschungen die Polizei auf eine Spur: Der Rechner, von dem die E-Mails an Nick verschickt wurden, steht im Golden Gate Medical Center in San Francisco.

Obwohl Sonntag ist, fährt Tyra zu Prof. Dr. Valenzuela. Sie versucht es mit dem Namen McCarthy, auf den sie offenbar jemand mit dem Fax hinweisen wollte. In den Personalakten des Krankenhauses findet sie einen Christopher McCarthy, der hier seit zwei Jahren beschäftigt ist und in Boston zum Krankenpfleger ausgebildet worden war.

Dr. Rosenblatt alarmiert die Polizei: Seine Patientin Barbara Freeman ist aus der Nervenheilanstalt verschwunden!

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Nick fährt zu der angegebenen Stelle und steigt durch eine Luke in eine Hütte ein. Da findet er Yva und Barbara, beide gefesselt und geknebelt, Yva außerdem schwer misshandelt. Gleich darauf taucht ein Mann mit einem Revolver auf, in dem Nick sein eigenes Spiegelbild zu sehen glaubt. Es handelt sich um seinen Zwillingsbruder Christopher („Chris“) McCarthy.

Nachdem Angela Bartels 1977 in Hamburg von Georg Talerbach vergewaltigt worden war, gebar sie Zwillinge. Wie vereinbart, gab sie den älteren der beiden zur Adoption frei. Mit ihrem jüngeren Sohn flog sie nach San Francisco, wo sie sich unter dem neuen Namen Barbara Freeman einer Hippie-Kommune anschloss und einen Job als Zimmermädchen im The Grand Victorian fand. Nach einem LSD-Trip manifestierte sich erstmals ihre Schizophrenie. An der Drogensucht zerbrach nach eineinhalb Jahren auch ihre Beziehung zu einem Musiker. Ihr vernachlässigter Sohn Chris wurde schließlich in ein Kinderheim in Oakland gebracht und ein dreiviertel Jahr später von William und Rose McCarthy in Boston adoptiert. Die Adoptiveltern hatten zwar reichlich Geld, doch ihre Liebe konnten sie Chris nur durch teure Geschenke und opulente Geburtstagsparties zeigen. Schon bevor er zur Schule kam, begannen sie, ihn auf eine erfolgreiche Karriere zu trimmen. Aber er genügte ihren hohen Ansprüchen nicht. Sobald er bei einer Aufgabe versagte, wurde er in den Keller gesperrt, geschlagen, verprügelt, oder der Adoptivvater drückte ihm die Glut einer Zigarre auf die Haut. Zehn Tage nach seinem 18. Geburtstag tötete er das Ehepaar. Dann ließ er sich in Boston zum Krankenpfleger ausbilden und suchte nach der Frau, die er für all sein Leiden verantwortlich machte: seine Mutter. Nachdem er in dem Kinderheim in Oakland herausgefunden hatte, wo sie zu finden war, fing er als Krankenpfleger im Golden Gate Medical Center an, um sie erst einmal zu beobachten. Als er ihre Wohnung durchsuchte, stieß er auf die Adoptionsverträge und erfuhr auf diese Weise von seinem Bruder in Deutschland.

„Geboren an meinem Geburtstag und doch nicht ich.“

Durch die drei Briefe, die ihm eine Deutschprofessorin übersetzte und in denen er sich als Angela Bartels ausgab, versuchte er seinen Bruder nach Amerika zu locken, um sich mit ihm gemeinsam an der Mutter zu rächen.

„Alleine konnte ich sie nicht töten. Immerhin ist sie unsere Mutter, verstehst du? Und da du ja genau wie ich verstoßen und betrogen wurdest und sie genauso hassen musstest …“

Nick beginnt zu verstehen:

„Du bist der König der Schmerzen, Chris. Du musstest diese Schmerzen erleiden, und nun willst du Herr sein über die Schmerzen anderer. Bestialische Schmerzen. Es stimmt, oder? Du willst denen mitteilen, wie sehr du leiden musstest. Aber du kannst mit niemandem über deine Qualen sprechen. […] Aber eine gemarterte Seele braucht ein Ventil, Chris, damit sie wieder atmen kann. Deswegen inszenierst du diesen ganzen Firlefanz, nicht? Du willst doch, dass sie dich finden. So ist es doch, Chris!“

Vor einigen Monaten verfolgte Chris den Scheidungskrieg des Ehepaares Valenzuela. Er hielt Rachel Valenzuela für ichbezogen, vergnügungssüchtig, alkoholabhängig, eine schlechte Mutter – kurz: eine Replik der eigenen Mutter. Deshalb brachte er sie um, und um das eigentliche Ziel seiner Rache zu quälen, schickte er Barbara Freeman drei Fotos von der Leiche.

Der neue Mord ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen: Als nächste prügelte er Valenzuelas schwangere Patientin Wendy Adkins tot, von der er annahm, dass sie für ihr Kind nicht hätte sorgen können. Die schwangere Hure Marisa Menchu entkam ihm.

In Chris McCarthys Apartment findet Tyra unter anderem Zeitungsartikel über die Ehescheidung der Valenzuelas, Notizen über die Gewohnheiten der beiden anderen Opfer, einen Kaufvertrag über ein Grundstück auf den Klippen und die Bauzeichnung einer Hütte.

Chris hat seine Erklärungen beendet. Er schnallt Yva auf die Pritsche, auf der er sie später zu Tode quälen will, denn die Journalistin war ihm auf die Spur gekommen. Dann zwingt er Nick und Barbara mit vorgehaltener Waffe, vor ihm her zu den Klippen zu gehen. Nachdem er Barbara vor dem Abgrund einen Bekennerbrief diktierte, in dem sie die Morde und den Mordversuch Nick und sich selbst anlastet, drückt ihr Chris einen zweiten Revolver in die Hand und fordert sie auf, Nick zu erschießen. „Lassen Sie die Waffe fallen, McCarthy!“, schreit Tyra, die sich inzwischen angeschlichen hat. Chris schießt. Ein gurgelndes Geräusch verrät, dass er Tyra traf. (Später erfahren wir, dass sie zwar schwer verletzt wurde, jedoch überlebt.) Barbara rennt los, wird aber von Chris in den Oberschenkel geschossen und stürzt zu Boden. Nick stößt den von Barbara weggeworfenen Revolver in die Tiefe, stürzt sich auf seinen Zwillingsbruder und schlägt ihm die Waffe aus der Hand. Bei der Schlägerei verliert den Halt, kann sich aber an den Zweigen eines Strauches festklammern. Chris tritt gegen den Busch. Da knallt ein Schuss, und er kippt vornüber in die Tiefe. Barbara hat den Revolver aufgehoben und einen ihrer beiden Söhne erschossen, um den anderen zu retten.

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„Ein adoptiertes Kind ist von Grund auf ein ungewolltes Kind“, heißt es in Helge Thielkings Roman „King of Pain“. Viele Menschen, die mit dem Thema Adoption konfrontiert werden, können sich nicht vorstellen, was eine Mutter dazu bringen kann, ihr Kind fortzugeben. Dabei geschieht es – so Helge Thielking – nicht selten aus Liebe und Verantwortungsbewusstsein, etwa, wenn eine Frau nicht in der Lage ist, das Kind aufzuziehen. Mit der Pubertät geraten Adoptionskinder häufig in eine Identitätskrise und versuchen daraufhin, die leiblichen Eltern aufzuspüren.

Dieses Thema greift Helge Thielking (*1975) in seinem Romandebüt „King of Pain“ auf.

Er beginnt an zwei verschiedenen Orten: in Kalifornien und Norddeutschland. Protagonisten sind eine schwarze Polizeikommissarin, die nach einem brutalen Frauenmörder fahndet, und ein Hamburger Medizinstudent auf der Suche nach seiner leiblichen Mutter. Elegant führt Helge Thielking die beiden Erzählstränge zusammen. Zwar schildert er das Geschehen durchgängig chronologisch und in der dritten Person Singular, aber abwechselnd aus der Perspektive von Tyra Pearson und Nickolas Michaelsen, Rachel Valenzuela, Wendy Adkins und Marisa Menchu, Marge McDermont, Hedwig Ketenburg und Yva Tamblyn. Wie in einem Kinofilm folgt Szene auf Szene, und dabei beschleunigt der geschickt zwischen den Schauplätzen hin- und herspringende Erzähler nicht nur das Tempo, sondern baut gleichzeitig Suspense auf.

„King of Pain“ ist ein spannender und smart konstruierter Kriminalroman. Da ist es besonders ärgerlich, dass sich das Lektorat nicht die Mühe machte, die vielen kleinen Denk- und Formulierungsfehler zu korrigieren.

Der WDR produziert bereits eine Hörspielversion des Romans „King of Pain“. Der Thriller würde sich auch sehr gut für eine Verfilmung eignen.

There’s a little black spot on the sun today
That’s my soul up there
It’s the same old thing as yesterday
That’s my soul up there
There’s a black hat caught in a high tree top
That’s my soul up there
There’s a flag-pole rag and the wind won’t stop
That’s my soul up there
I have stood here before inside the pouring rain
With the world turning circles running ‚round my brain
I guess I’m always hoping that you’ll end this reign
But it’s my destiny to be the king of pain

So lautet die erste Strophe des Songs „King of Pain“, den die 1977 von Gordon Matthew Sumner (*1951) und anderen gegründete Pop-Gruppe „The Police“ 1983 auf der Platte „Synchronicity“ veröffentlichte. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs löste sich die Gruppe auf, und Gordon Matthew Sumner alias Sting begann mit einer außergewöhnlichen Karriere als Solist. Anlässlich der Feier zum 77. Geburtstag von Königin Elisabeth II. wurde Sting im Juni 2003 mit dem Orden eines Commander of the British Empire ausgezeichnet.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Aufbau Taschenbuch Verlag

Helge Thielking: Destino. Tod in der Karibik
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Karsten Dusse - Das Kind in mir will achtsam morden
Naturgemäß fehlt der Fortsetzung der Reiz des Neuen, nämlich des originellen Einfalls, Weisheiten der Ratgeberliteratur mit Elementen eines Kriminalromans zu verknüpfen. In "Das Kind in mir will achtsam morden" überzieht Karsten Dusse diese Idee noch stärker als in "Achtsam morden", aber er bietet eine leichte, kurzweilige und amüsante Lektüre mit viel Komik und vor allem Wortwitz.
Das Kind in mir will achtsam morden