Philipp Auerbach
Philipp Auerbach wurde am 8. Dezember 1906 als Sohn eines Chemikaliengroßhändlers in Hamburg geboren. Nach einer Ausbildung zum Drogisten studierte er Chemie.
Wegen seiner jüdischen Herkunft floh er 1934 mit seiner Frau und seiner Tochter vor den Nationalsozialisten nach Belgien. In Antwerpen gründete er eine chemische Fabrik und ein Handelsunternehmen.
Im Mai 1940 drangen deutsche Panzerverbände nach Westen vor. Die Niederlande kapitulierten am 14. Mai, Belgien zwei Wochen später. Philipp Auerbach wurde von der belgischen Polizei verhaftet und nach Frankreich abgeschoben. Die Franzosen internierten ihn. Im November 1942 holte ihn die Gestapo. Die Nationalsozialisten sperrten ihn in Konzentrationslagern wie Auschwitz (1944) und Buchenwald (1945) ein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Philipp Auerbach in die SPD ein und übernahm als Oberregierungsrat die Fürsorge für politisch, religiös und rassisch Verfolgte, wurde jedoch bereits am 15. Januar 1946 wieder entlassen.
1946/47 gehörte Philipp Auerbach zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Und am 12. Januar 1947 gründete er den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.
Der bayrische Innenminister Josef Seifried holte Philipp Auerbach am 15. September 1946 als Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte nach München. Zu Auerbachs Aufgaben gehörten vor allem die Betreuung von
Displaced Persons, die berufliche Wiedereingliederung von Verfolgten, Fragen der Entschädigung, Rückerstattung und Wiedergutmachung. Er half Opfern des Nationalsozialismus auch mit juristischem Rat und unterstützte sie gegebenenfalls bei der Rehabilitierung. Dabei engagierte sich Philipp Auerbach nicht nur für Juden, sondern auch für Sinti und Roma. Mit Petitionen und Beschwerden wandte er sich an die Münchner Stadtverwaltung. Außerdem nahm er Einfluss auf die Ausgestaltung gesetzlicher Entschädigungs-Regelungen. Und er trug dazu bei, ehemalige Nationalsozialisten zu enttarnen.
Am 8. Mai 1949, dem vierten Jahrestag der deutschen Kapitulation, nahm Philipp Auerbach an einer Gedächtnisfeier der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Hamburg teil. Als dabei Kommunisten auftraten, verließ er demonstrativ die Veranstaltung. Fünf Tage später trat er aus der Organisation aus.
Am 20. November 1949 wurde Philipp Auerbach zum Präsidenten des bayerischen Landesentschädigungsamtes ernannt.
Wenn er sich von Vorschriften eingeengt fühlte, ignorierte er sie auch in seiner Amtstätigkeit. Dass er sich durch Regelverstöße und die Überschreitung seiner Befugnisse angreifbar machte, kümmerte ihn zunächst nicht.
Mit seiner selbstherrlichen Art machte er sich viele Feinde, so auch den bayerischen Justizminister Josef Müller („Ochsensepp“, 1898 – 1979), der einen Rechtsanwalt damit beauftragte, Material gegen Philipp Auerbach zusammenzutragen. Am 8. Februar 1951 berichtete Josef Müller im Landtag über gefälschte Wiedergutmachungsfälle, und das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ schrieb in der Ausgabe vom 14. Februar 1951 unter der Schlagzeile „Wiedergutmachung. Ermittlung gegen Unbekannt“:
Doktor Philipp Auerbach hat sich in seine Münchner Wohnung zurückgezogen, wo er unter seinem lebensgroßen Bild in Öl Diktate, Telefonate, Verhandlungen und Interviews erledigt, während in seinem Landes-Entschädigungsamt 58 Kriminalbeamte des Polizeipräsidiums München und 34 Kriminalbeamte der bayerischen Landpolizei 175 000 Wiedergutmachungsakten auf Fälschungen untersuchen.
Am 10. März 1951 wurde Philipp Auerbach verhaftet. Der Prozess gegen ihn begann am 17. April 1952. Sein Verteidiger Joseph Klibansky meinte, es wäre nicht so weit gekommen, wenn sich sein Mandant nicht mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der Jewish Restitution Successor Organisation überworfen hätte. (Letzteres geschah, weil er die pauschalen Wiedergutmachungs-Forderungen der IRSO für zu hoch hielt.) Das Gericht hob am 3. Juni den Haftbefehl gegen den Angeklagten zunächst auf und verurteilte ihn dann am 14. August wegen Vortäuschung eines Doktortitels, Meineid, Bestechung und Unterschlagung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2700 D-Mark und zweieinhalb Jahren Haft.
In der Münchner Privatklinik Josephinum nahm sich Philipp Auerbach mit einer Überdosis Luminal das Leben [Suizid]. „Ich habe mich niemals persönlich bereichert und kann dieses entehrende Urteil nicht ertragen“, heißt es in einem seiner beiden Abschiedsbriefe. Sein Tod wurde am 16. August 1952 festgestellt.
Am 20. Januar 1954 wurde Philipp Auerbach von einem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags rehabilitiert. Josef Müller trat daraufhin vom Amt des Justizministers zurück.
Literaturhinweis:
Hannes Ludyga: Philipp Auerbach (1906 – 1952). Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte (Berliner Wissenschafts-Verlag 2005, 161 Seiten, 29 €, ISBN 3-8305-1096-9)
© Dieter Wunderlich 2013
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