Oskar Schindler
Oskar Schindler wurde am 28. April 1908 in Zwittau als Sohn des Landmaschinenfabrikanten Hans Schindler und dessen Ehefrau Franziska geboren. Am 6. März 1928 heiratete er Emilie Pelzl, die ein Jahr ältere Tochter eines wohlhabenden Landwirts. Kurz darauf wurde er zum Militärdienst eingezogen.
1935 begann Oskar Schindler, als Agent für das von Admiral Wilhelm Canaris (1887 – 1945) geleitete „Amt Ausland/Abwehr“ in Mährisch-Ostrau (heute: Ostrava) zu arbeiten und übernahm zur Tarnung die Verkaufsabteilung der Mährischen Elektrotechnischen AG in Brünn. Am 10. Februar 1939 trat Oskar Schindler in die NSDAP ein. Wenige Wochen später wurde er als Geheimagent enttarnt, verhaftet und zum Tod verurteilt – aber die Zerschlagung des tschechoslowakischen Reststaates durch die Deutschen im Frühjahr 1939 rettete ihn vor der Hinrichtung.
Angeblich beschaffte Oskar Schindler die Uniformen, mit denen Hitler einen polnischen Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz vortäuschen ließ. Jedenfalls zog er im Oktober 1939 in die inzwischen von den Deutschen besetzte Stadt Krakau und übernahm im Vorort Zablowic – zunächst als Pächter, ab 1942 als Eigner – eine aus jüdischem Besitz beschlagnahmte Emaillierfabrik. Mit Hilfe seines jüdischen Buchhalters Itzhak Stern betrieb Oskar Schindler einen florierenden Schwarzhandel und erwirtschaftete ein beträchtliches Vermögen. Ende 1942 beschäftigte die „Deutsche Emailwarenfabrik“ fast 800 Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen 370 Juden aus dem Krakauer Ghetto waren.
Oskar Schindler gab sein Geld mit vollen Händen aus, feierte gern, trank nächtelang mit SS-Offizieren und betrog seine Ehefrau.
Im März 1943 erlebte Oskar Schindler, wie die SS Überlebende aus dem Krakauer Ghetto in das Arbeitslager Krakau-Plaszów brachte, wo sie von Hauptsturmbannführer Amon Göth (1908 – 1946) tyrannisiert wurden. (Amon Göth wurde am 13. September 1946 hingerichtet. Über die Erinnerungen seiner Tochter Monika Hertwig veröffentlichte Matthias Kessler 2002 ein Buch mit dem Titel „Ich muss doch meinen Vater lieben, oder?“) Die unmenschliche Behandlung der jüdischen Gefangenen stieß Oskar Schindler ab, und der prinzipienlose Opportunist begann zu überlegen, wie er den Juden helfen konnte.
Weil die „Deutsche Emailwarenfabrik“ Geschirr und Kochgeräte für die Wehrmacht herstellte, ließ Oskar Schindler sein Unternehmen von der deutschen Militärverwaltung als kriegswichtig einstufen. Dadurch konnte er hundert Juden aus dem KZ als billige Arbeitskräfte anfordern. Wenn einer der jüdischen Arbeiter in ein Vernichtungslager geschickt werden sollte, fälschte Oskar Schindler Unterlagen, um beispielsweise einen Akademiker als qualifizierten Metallarbeiter darstellen zu können, den er unbedingt für die kriegswichtige Produktion benötigte.
Obwohl ihn die Gestapo zweimal verhörte, machte Oskar Schindler weiter.
Aufgrund des Vormarsches der Roten Armee gaben die Deutschen das KZ Plaszów Ende 1944 auf und deportierten die meisten der über 20 000 jüdischen Gefangenen in die Vernichtungslager. Oskar Schindler erschlich sich die Genehmigung, seinen Betrieb nach Brünnlitz bei Zwittau zu verlegen und verwendete sein gesamtes Geld, um so viele Juden wie möglich als Arbeitskräfte zu kaufen. Die Namen von 800 Männern und 300 Frauen standen auf Schindlers Liste.
Versehentlich wurden die Männer jedoch in das KZ Groß-Rosen und die Frauen nach Auschwitz gebracht. Während Oskar Schindler die Männer in Groß-Rosen rettete, ließ er in Auschwitz SS-Männer bestechen, damit sie die Frauen nach einer Woche zurückschickten. Dass ein Zug mit Jüdinnen Auschwitz verließ und nach Westen fuhr, kam vermutlich nur dieses einzige Mal vor.
Im Januar 1945 erfuhr Oskar Schindler, dass zwei Viehwaggons mit Juden aus Golleschau, einem Nebenlager von Auschwitz, in Zwittau standen. Seine Ehefrau Emilie versorgte die noch lebenden 107 Männer und fuhr 300 km weit, um zwei Koffer Wodka gegen Medikamente für die Juden zu tauschen. Obwohl Oskar Schindler wusste, dass er die ausgemergelten Juden nicht zur Arbeit einsetzen konnte, zahlte er auch für sie fünf Mark pro Person, damit sie am Leben blieben.
Ihm war klar, dass er den Russen nicht in die Hände fallen durfte, denn für sie wäre er nichts weiter gewesen als ein deutscher Kriegsgewinnler mit dubiosen Verbindungen zu führenden Nationalsozialisten. Als die SS abrückte, ließ er sich von einem Juden in einem Lastwagen nach Westen fahren und lebte von November 1945 bis Mai 1950 mit seiner Frau Emilie in Regensburg. Dann wanderten die beiden nach Argentinien aus. 1957 kehrte Oskar Schindler allein nach Deutschland zurück, aber er bekam keinen Boden mehr unter die Füße.
1961 reiste Oskar Schindler erstmals nach Israel und wurde von 220 Überlebenden begrüßt, die auf seiner Liste gestanden hatten. Von da an lebte Oskar Schindler abwechselnd in Frankfurt am Main und in Jerusalem.
1962 wurde ihm die seltene Ehrung zu teil, einen Johannisbrotbaum mit seinem Namen in der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ von Yad Vashem in Jerusalem pflanzen zu dürfen, und am 5. November 1965 erhielt Oskar Schindler das Bundesverdienstkreuz.
Oskar Schindler war gewiss kein unschuldiger Mann, sondern ein Geschäftemacher und treuloser Ehemann, aber er hatte 1200 Menschen das Leben gerettet und damit Zivilcourage bewiesen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Moral, Anstand und Würde nicht im Vakuum gedeihen und die Unterscheidung zwischen guten und bösen Menschen zu einfach ist. Als Schindler in den Sechzigerjahren gefragt wurde, warum er sich so für die Juden engagiert hatte, antwortete er: „Ich kannte die Leute, die für mich arbeiteten. Wenn man die Leute kennt, muss man sie wie Menschen behandeln.“
Oskar Schindler, der seit einem Schlaganfall im Jahr 1972 halbseitig gelähmt war, starb am 9. Oktober 1974 – zwei Wochen nach der Implantation eines Herzschrittmachers – im Bernwardkrankenhaus in Hildesheim und wurde in Jerusalem beigesetzt.
1999 entdeckte man auf dem Dachboden von Ami Spaeth, seiner letzten Geliebten, einen Koffer mit einer kompletten Liste dessen, womit Oskar Schindler SS-Offiziere bestochen hatte. Der Wert betrug rund 1 Million Euro.
Als ihr Mann sie verlassen hatte, war Emilie Schindler in ihrem Haus in der Nähe von Buenes Aires zurückgeblieben. 2001 reiste sie nach Berlin. Dort erlitt sie im Juli einen Schlaganfall, an dessen Folgen sie drei Monate später starb.
Mimi Reichardt, die 1944/45 für Oskar Schindler als Sekretärin gearbeitet und die später berühmt gewordene Liste getippt hatte, äußerte sich erst im Winter 2007/08 erstmals in der Öffentlichkeit.
Sie hatte in ihrer Geburtsstadt Wien Literatur studiert und war von Oskar Schindler im Oktober 1944 im KZ Plaszów eingestellt worden. Sie befand sich auch unter den Jüdinnen, die nach Auschwitz transportiert und von Schindler zurückgeholt wurden. Ihr erster Ehemann war beim Fluchtversuch aus dem Ghetto von Krakau erschossen worden. Ihren Sohn Sascha Weitman hatte sie mit gefälschten Papieren zu seiner Großmutter nach Ungarn geschickt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog sie mit ihm nach Tanger. 1957 emigrierte die Familie – Mimi war inzwischen mit einem Hoteldirektor verheiratet – nach New York. Fünf Jahre nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns zog die Zweiundneunzigjährige im Dezember 2007 zu ihrem Sohn, der als Soziologieprofessor an der Universität in Tel Aviv tätig ist.
Steven Spielberg drehte über Oskar Schindler den Film „Schindlers Liste“.
Literatur über Oskar Schindler
- David M. Crowe: Oskar Schindler. Die Biografie (Frankfurt/M 2005, 855 Seiten)
- Thomas Keneally: Schindlers Liste (München 1996, 351 Seiten)
- Stella Müller-Madej: Das Mädchen von der Schindler-Liste. Aufzeichnungen einer KZ-Überlebenden (München 1998, 278 Seiten)
- Mietek Pemper: Der rettende Weg. Schindlers Liste. Die wahre Geschichte (Hamburg 2005, 287 Seiten)
- Erika Rosenberg (Hg.): Ich, Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente (München 2000, 448 Seiten)
© Dieter Wunderlich 2008
Steven Spielberg: Schindlers Liste