Der lange Weg nach Hause

Der lange Weg nach Hause

Der lange Weg nach Hause

Der lange Weg nach Hause – Originaltitel: Rabbit-Proof Fence / Long Walk Home – Regie: Phillip Noyce – Drehbuch: Christine Olsen, nach dem Roman "Rabbit-Proof Fence" von Doris Pilkington – Kamera: Christopher Doyle, Brad Shield – Schnitt: Veronika Jenet, John Scott – Musik: Peter Gabriel – Darsteller: Kenneth Branagh, Everlyn Sampi, Laura Monaghan, Tianna Sansbury, David Gulpilil, Jason Clarke, Ningali Lawford, Myran Lawford, Deborah Mailman, Natasha Wanganeen, Roy Billing, Garry McDonald, Lorna Leslie, Celine O'Leary u.a. - 2002; 90 Minuten

Inhaltsangabe

A. O. Neville, der Chief Protector of Aborigines in Western Australia, lässt Mischlingsmädchen den Müttern entreißen und in Umerziehungslager deportieren. Dieses Schicksal erleiden 1930 auch die 14-jährige Molly, ihre Cousine Gracie und ihre jüngere Schwester Daisy. Molly flieht jedoch mit ihnen, entkommt ihren Verfolgern und schlägt sich zu Fuß in neun Wochen auf einem 2400 km langen Weg nach Hause durch.
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Kritik

Der Film "Der lange Weg nach Hause" basiert auf dem Roman "Rabbit-Proof Fence", den Doris Pilkington über die Erlebnisse ihrer Mutter Molly Craig schrieb. Deren wochenlangen Fußmarsch durch das Outback hat Philipp Noyce allerdings in zu schönen Bildern inszeniert.
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A. O. Neville (Kenneth Branagh) fungiert von 1915 bis 1940 als Chief Protector of Aborigines in Western Australia, Vormund aller Mischlingskinder. Der weiße Australier ist überzeugt, dass die Merkmale der Aborigines in der dritten Generation verschwinden, wenn er darauf achtet, dass sich die Mischlinge nur mit Weißen paaren. Aus diesem Grund lässt er die Mischlingskinder in eigens angelegte Heime bringen, wo sie von Nonnen zu folgsamen Haushaltshilfen bzw. fleißigen Hilfsarbeitern für weiße Farmer umerzogen werden. Die „armen Bastarde“ werden mit drakonischen Strafen dazu gezwungen, statt ihrer Muttersprache Englisch zu sprechen, zu beten und in die Kirche zu gehen. Kinder mit hellerer Hautfarbe haben die Chance, von A. O. Neville persönlich für den Schulbesuch ausgewählt zu werden.

1930 erhält Constable Riggs (Jason Clarke) von A. O. Neville den schriftlichen Befehl, in dem Eingeborenen-Camp Jigalong das vierzehn Jahre alte Mischlingsmädchen Molly Craig (Everlyn Sampi) zusammen mit ihrer achtjährigen Schwester Daisy (Tianna Sansbury) und ihrer zehnjährigen Cousine Gracie Fields (Laura Monaghan) festzunehmen. Die Kinder wurden von Gracies Mutter Lily (Sheryl Carter) sowie Maude (Ningali Lawford) und Frinda (Myarn Lawford), der Mutter bzw. Großmutter der anderen beiden Mädchen, nach den Traditionen der Aborigines aufgezogen. Von den Vätern, weißen Wanderarbeitern, fehlt jede Spur. Verzweifelt klammert Maude sich an die Kinder, die ihr Constable Riggs gewaltsam entreißt.

Er bringt sie zu einem Zug, wo sie während einer 2400 km langen Fahrt in einen Käfig gesperrt werden. Bei ihrer Ankunft im Moore River Native Settlement nördlich von Perth halten die Kinder die weiß gekleidete Nonne, die sie in Empfang nimmt und in den Schlafsaal führt, zunächst für ein Gespenst.

Obwohl Molly erlebt, wie entlaufene Kinder zurückgeholt und zur Strafe allein in einem Verschlag gesperrt werden, beschließt sie, zu fliehen. Gracie und Daisy haben Angst, lassen sich aber überreden, dem älteren Mädchen, das stillschweigend die Verantwortung übernimmt, zu folgen.

Sobald ihr Fehlen im Lager bemerkt wird, erhält der Fährtenleser Moodoo (David Gulpilil), der selbst zu den Aborigines gehört, den Befehl, sie zurückzubringen. Außerdem schaltet A. O. Neville die Polizei ein. Die Mädchen müssen unter allen Umständen gefunden werden, nicht zuletzt, weil das Ansehen des Chief Protector auf dem Spiel steht.

Molly orientiert sich an einem Maschendrahtzaun, der 1907 wegen der Kaninchenplage quer durchs Outback gezogen wurde und die Schädlinge von den Anbaugebieten fernhalten soll. Sie weiß, dass Jigalong in der Nähe dieses Zaunes liegt. Woche um Woche führt sie Gracie und Daisy am Zaun entlang, und es gelingt ihr nicht nur, Moodoo zu überlisten, sondern sich auch vor den Polizisten zu verstecken. Hin und wieder bekommen die Kinder etwas zu essen, aber sie werden auch verraten und müssen dann hastig weiter. Es dauert nicht lang, bis A. O. Neville begreift, was die Ausreißerinnen vorhaben. Aber Molly ist vorsichtig und entkommt auch den am Zaun aufgestellten Posten. Sie hört nicht auf einen Jäger, dem sie unterwegs begegnen und der erfahren haben will, dass Gracies Mutter nach Wiluna gezogen ist. Nur Gracie fällt auf das von A. O. Neville bewusst gestreute Gerücht herein – und wird erneut festgenommen.

Nach neun Wochen erreicht Molly mit ihrer kleinen Schwester Jigalong. Auf Nevilles Befehl sucht Constable Riggs dort nach ihnen, aber er weicht vor den Aborigines-Frauen zurück, die sich versammelt haben, gemeinsam singen – und Molly und Daisy beschützen.

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„Der lange Weg nach Hause“, ein Film des australischen Regisseurs Phillip Noyce, basiert auf dem 1996 veröffentlichten Roman „Rabbit-Proof Fence. The True Story of One of the Greatest Escapes of All Time“ (deutsch: Long Walk Home, Rowohlt Verlag, Reinbek 2003). Die Autorin Doris Pilkington Garimara, die selbst in einem Umerziehungslager lebte, schildert in dem Buch Erlebnisse ihrer Mutter Molly Craig und ihrer Tante Daisy Craig Kadibil sowie deren Cousine Gracie Fields in den Dreißigerjahren.

Molly, Daisy und Gracie wurden 1930 gewaltsam ihren Müttern weggenommen und in das Moore River Native Settlement gebracht. Dieses Schicksal erlitten von 1905 bis 1971 schätzungsweise 100 000 Mischlingskinder von Aborigines. Man spricht von den „stolen generations“. A. O. Neville, der von 1915 bis 1940 als „Chief Protector of Aborigines in Western Australia“ fungierte, erhielt durch den „Aborigines-Act“ von 1931 weitreichende Vollmachten. Er wollte die Mischlingskinder von den reinrassigen Aborigines separieren. In eigens eingerichteten Lagern sollten sie zu folgsamen Haushaltshilfen und fleißigen Hilfsarbeitern für weiße Farmer erzogen werden. Ziel war es, die körperlichen Merkmale und die Lebensweise der Aborigines wegzuzüchten.

Ein Teil der Kinder in den Umerziehungslagern lebte dort allerdings nicht gegen den Willen der Mütter, sondern mit deren Einverständnis, weil sich diese davon bessere Zukunftschancen für ihre Kinder versprachen.

Lange Zeit galt das Thema in Australien als Tabu.

Im Nachspann des Filmes „Der lange Weg nach Hause“ sind Molly Craig und Daisy Craig Kadibil im Alter von 85 bzw. 79 Jahren zu sehen. Was der Film nicht zeigt: Gracie Fields wurde von Wiluna zurück nach Moore River gebracht. Später arbeitete sie als Haushaltshilfe. Im Shark Bay District lernte sie den Lagerhelfer Harry Cross kennen, wurde seine Frau und bekam mit ihm sechs Kinder. Nach der Trennung von ihrem Ehemann ließ sie sich in Geraldton nieder, wo sie im Juli 1983 starb. – Daisy zog von Jigalong zunächst nach Jimalbar und später weiter in eine Aborigines-Kommune bei Lake Naberu. Wie ihre Cousine Gracie arbeitete sie als Haushaltshilfe und wurde die Ehefrau eines Lagerhelfers. Er hieß Kadibil. Sie brachte vier Kinder zur Welt. Nach dem Tod ihres Mannes wurde Daisy Köchin und Haushälterin für die Kalundi Seventh Day Adventist Mission. Dort blieb sie, bis die Mission 1970 geschlossen wurde. Dann kehrte sie nach Jigalong zurück. – Molly Craig wurde 1940, als sie bereits selbst zwei Kinder hatte, erneut festgenommen und nach Moore River gebracht. Bei ihrer zweiten Flucht von dort am 1. Januar 1941 konnte sie nur die 18 Monate alte Tochter Annabelle mitnehmen und musste die vierjährige Doris im Lager zurücklassen. Drei Jahre später nahmen ihr die Behörden jedoch Annabelle fort und brachten sie in das Sister Kate’s Children’s Home in Queens Park. Molly Craig hörte nie mehr von ihr. Nur ihre ältere Tochter – Doris Pilkington Garimara, die Autorin des Buches „Rabbit-Proof Fence“ – traf sie 1971 nach dreißig Jahren Trennung wieder.

A. O. Neville, der Chief Protector of Aborigines in Western Australia, wird von Kenneth Branagh dargestellt. Es handelt sich zwar um eine Nebenrolle, aber der Charakter ist durchaus komplex angelegt: als weißer Rassist, der unter brutalem Zwang Maßnahmen durchsetzt, von denen er glaubt, sie seien im Interesse der Aborigines und der damit zugleich auch an der Ausmerzung ihrer kulturellen und ethnischen Identität arbeitet.

Weder die Hauptdarstellerin Everlyn Sampi noch Tianna Sansbury, Laura Monaghan, Ningali Lawford, Myarn Lawford oder Sheryl Carter standen vorher schon einmal vor einer Filmkamera.

Das Drehbuch für „Der lange Weg nach Hause“ stammt von der Dokumentarfilmerin Christine Olsen. Es ist ihr erstes. In dem ruhig erzählten Film geht es um ein lange Zeit in Australien tabuisiertes und außerhalb unbekanntes Thema, aber auch um Mut, Entschlossenheit, den Willen zur Freiheit, Verantwortung und Solidarität. In einem Interview erklärte Doris Pilkington: „Ich war darauf konzentriert, die Unverwüstlichkeit und den Überlebensmut meiner Mutter darzustellen. Der Schmerz der Menschen, die von ihren Familien getrennt wurden, sollte gezeigt werden, aber natürlich auch Mollys Bestimmtheit, wieder nach Hause zu finden.“ Das Abenteuer der Flucht der drei Mädchen steht so sehr im Mittelpunkt der Handlung, dass das Hauptthema dadurch in den Hintergrund gedrängt wird. Dazu kommt, dass Phillip Noyce den neun Wochen bzw. 2400 km langen Fußmarsch der drei von A. O. Neville und der Polizei verfolgten Kinder durch das Outback wie eine Schnitzeljagd inszeniert: Wenn die Kinder im Sonnenauf- oder –untergang durch die Wüste laufen, sieht das wie ein Postkartenmotiv aus. Da verfilzen keine Haare; Durst, Hunger und Erschöpfung sind den Mädchen nicht anzumerken. Einmal brechen Molly und Daisy in der Wüste zusammen, aber nach einer Weile hebt die Vierzehnjährige die Achtjährige auf und trägt sie mit federnden Schritten weiter.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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