Liebeswahn

Liebeswahn

Liebeswahn

Liebeswahn. Enduring Love – Originaltitel: Enduring Love – Regie: Roger Michell – Drehbuch: Joe Penhall, nach dem Roman "Liebeswahn" von Ian McEwan – Kamera: Haris Zambarloukos – Schnitt: Nicolas Gaster – Musik: Jeremy Sams – Darsteller: Daniel Craig, Rhys Ifans, Samantha Morton u.a. – 2004; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Als Joe seiner Lebensgefährtin Claire bei einem Picknick einen Heiratsantrag machen möchte, stürzt in der Nähe ein Heißluftballon ab. Um den Jungen aus dem Korb zu retten, versuchen Joe und andere Männer vergeblich, den Ballon am Boden zu halten. Einer der Helfer wird mit hochgerissen und kommt ums Leben. Durch das tragische Erlebnis wird Joe aus der Bahn geworfen, und die Beziehung mit Claire gerät in die Krise. Einer der anderen Helfer glaubt, Gott habe sie durch das Unglück zusammen­geführt und verfolgt Joe mit seinem Liebeswahn ...
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Kritik

"Liebeswahn", die Verfilmung eines Romans von Ian McEwan durch Roger Michell, beginnt wie ein Selbstfindungsdrama, entwickelt sich dann aber zu einem Stalker-Psychothriller. Die ruhige Inszenierung kontrastiert mit der Aufgewühltheit der Figuren.
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Der Philosophieprofessor Joe (Daniel Craig) und die Künstlerin Claire (Samantha Morton) leben seit Jahren zusammen in Oxford. Bei einem Picknick auf einer ausgedehnten Wiese öffnet Joe eine Champagnerflasche: Er möchte Claire einen Heiratsantrag machen.

Aber bevor er dazu kommt, stürzt in ihrer Nähe ein Heißluftballon ab. Im Korb befindet sich noch ein kleiner Junge namens Harry (Jeremy McCurdie). Dessen Großvater (Bill Weston) sprang heraus und versucht verzweifelt, den immer noch aufgeblähten Ballon am Boden zu halten. Immer wieder ruft er dem Jungen zu, er solle heraus­springen, aber das Kind wagt es nicht. Joe rennt hin. Auf der Straße halten Autos. Mehrere Männer helfen dem Großvater. Aber sie können nicht verhindern, dass eine Windbö den Ballon in die Höhe reißt. Joe lässt als erster los. Auch die anderen lassen sich fallen – bis auf den Landarzt John Logan (Lee Sheward). Der klammert sich an den Ballon, der immer höher steigt, bis seine Kräfte nachlassen und er in die Tiefe stürzt. Zehn Kilometer weiter gelingt es dem Jungen, den Ballon zu landen.

Joe und ein anderer Helfer namens Jed (Rhys Ifans) gehen zu der Absturzstelle. John Logan ist tot. Jed fordert Joe auf, mit ihm zu beten. Der Philosophieprofessor erklärt ihm, dass er nicht an Gott glaube, kniet sich dann aber widerwillig hin, bis Jed mit dem Vaterunser fertig ist.

Hätten die Männer nicht losgelassen, wäre der Ballon durch den Ballast möglicherweise nicht weiter aufgestiegen und John Logan noch am Leben. Joe fühlt sich schuldig, weil er als Erster losließ und die drei anderen seinem Beispiel folgten.

Unvermittelt ruft Jed ihn an. Er steht im Park in Sichtweite von Joes Wohnung und hält es für erforderlich, über das Erlebnis zu reden. Joe lässt ihn nicht ins Haus. Stattdessen geht er zu ihm hinüber. Jed meint, sie hätten beide bei dem Unglück die Liebe Gottes erfahren. Gott habe den Ballon abstürzen lassen, um sie zusammenzuführen. Joe hält das für eine verrückte Ansicht, und unter dem Vorwand, viel Arbeit zu haben, verabschiedet er sich rasch wieder.

Aber die Tragödie und die Schuldgefühle lassen ihn nicht los. Er sucht die Witwe des Abgestürzten auf. Mrs Logan (Helen McCrory) fragt ihn, ob ihr Mann in Begleitung einer Frau gewesen sei. Joe antwortet, er könne sich nicht erinnern. Im Auto ihres Mannes fand die Witwe Sachen für ein Picknick und ein nach Rosenwasser riechendes Tuch. Deshalb argwöhnt sie, dass ihr Mann sie betrogen hatte. Möglicherweise starb er, weil er sich der Geliebten als heldenhafter Retter präsentieren wollte.

Jed lässt Joe nicht in Ruhe. Immer wieder taucht er in dessen Nähe auf. Einmal sitzt er sogar im Seminar des Philosophieprofessors. Er erklärt Joe, er verstehe die Zeichen, die er ihm durch das Aufziehen der Vorhänge gebe.

Zur Feier von Joes Geburtstag bereitet Claire ein besonderes Abendessen zu, aber als sie merkt, dass er geistig abwesend ist, reißt sie die Teller verärgert vom Tisch und kippt das Essen in den Müll.

Nach einem heftigen Streit in Claires Atelier erkundigt Joe sich nach Jeds Adresse. Dort dringt er ein. An der Wand hängen Fotos von ihm und Zeitungsartikel über ihn. Joe reißt sie herunter und bedroht Jed mit einem Baseballschläger. Nachdem er sich in einem Pub betrunken hat, sucht er Zuflucht bei dem befreundeten Paar Robin und Rachel (Bill Nighy, Susan Lynch). Robin ruft Claire an, um ihr mitzuteilen, wo Joe ist, aber sie lässt ausrichten, dass Joe sich am nächsten Tag seine Sachen bei ihr abholen soll.

Joe übernachtet bei Robin und Rachel.


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Am nächsten Morgen ruft Claire an: Jed ist bei ihr aufgetaucht. Joe eilt zu ihr. Jed sitzt mit Claire auf der Couch. Weil er glaubt, die Beziehung mit Claire halte Joe davon ab, sich mit ihm einzulassen, versucht er Claire einzureden, er habe mit Joe bereits ein Liebesverhältnis. Joe habe ihm durch die Art, wie er die Vorhänge auf- und zuzog Claires Abwesenheit signalisiert. Joe widerspricht. Claire ist verunsichert. Plötzlich packt Jed ein Küchenmesser und sticht Claire damit in den Bauch. Sie bricht zusammen, wimmert und fleht um Hilfe. Äußerlich ruhig bleibt Joe stehen. Er versichert Jed, dass er dessen Liebe erwidere und lässt sich von ihm küssen. Dabei entwindet er ihm das Messer und rammt es ihm in den Körper. Dann beugt er sich über Claire und ruft den Notarzt.

Einige Zeit später verabredet sich Joe mit Mrs Logan und ihrer Tochter Katie (Rosie Michell) auf der Wiese, auf der ihr Mann tödlich verunglückte. Wie mit Joe vereinbart, kommt ein Professor mit einer Studentin angefahren. Die beiden sind heimlich ein Paar. Am Unglückstag wollten sie auf der Wiese ein Picknick machen, und weil ihr Auto unterwegs liegen geblieben war, saßen sie bei John Logan, der sie mitgenommen hatte, im Wagen. Die Sachen, die Mrs Logan an der Treue ihres Ehemanns zweifeln ließen, waren von ihnen.

Danach setzen sich Joe und Claire – die sich zwar noch auf einen Stock stützt, aber allmählich von dem Messerstich erholt – wie damals auf die Wiese. Joe öffnet eine Flasche Champagner und setzt erneut zu einem Heiratsantrag an, aber Claire unterbricht ihn und fordert ihn zum Schweigen auf.

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Joe Penhall (Drehbuch) und Roger Michell (Regie) adaptierten den Roman „Enduring Love“ von Ian McEwan („Liebeswahn“, Übersetzung: Hans-Christian Oeser, Diogenes Verlag, Zürich 1998, ISBN 3-257-06183-8) fürs Kino. Dabei hielten sie sich weitgehend an die literarische Vorlage, auch wenn sie aus dem Wissenschaftsjournalisten Joe einen Philosophieprofessor und aus seiner Lebensgefährtin, der Literaturdozentin Clarissa, eine Künstlerin namens Claire machten.

In „Liebeswahn. Enduring Love“ geht es um einen durch ein tragisches Erlebnis aus der Bahn geworfenen Intellektuellen, der von einem Stalker verfolgt wird, der unter einer wahnhaften, fehlgeleiteten und abgelehnten Liebe leidet (De-Clérambault-Syndrom – nach Gaëtan Gatian de Clérambault). Zugleich handelt der Film von der Gefährdung einer anderen Liebesbeziehung: der zwischen Joe und Claire.

Nach der bildgewaltigen Anfangsszene mutet „Liebeswahn“ zunächst wie ein Selbstfindungsdrama an, aber dann entwickelt sich der Film zu einem Stalker-Psychothriller. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Philosophieprofessors. Dessen Nervosität und Verunsicherung kontrastieren mit der spröden, unaufgeregten Inszenierung.

Die Filmmusik von „Liebeswahn. Enduring Love“ wurde von Jeremy Sams komponiert und vom Royal Philharmonic Orchestra eingespielt.

In Deutschland kam „Liebeswahn“ nicht in die Kinos, aber seit 15. Juni 2006 gibt es eine synchronisierte Fassung auf DVD (mit Marcus Off als Joe und Ole Pfennig als Jed).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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