Max von Pettenkofer

Max Josef Pettenkofer wurde am 3. Dezember 1818 als fünftes Kind einer Bauernfamilie auf dem Einödhof Lichtenheim bei Lichtenau im Donaumoos geboren. Sein Patenonkel, der Königlich Bayerische Hof- und Leibapotheker Dr. Franz Xaver Pettenkofer – bei dem übrigens der spätere Maler Carl Spitzweg von 1825 bis 1828 eine Lehre gemacht hatte – holte ihn nach München in seine Wohnung in der Residenz und ließ ihn auf seine Kosten ein Gymnasium besuchen.

Eigentlich wollte Max Pettenkofer Philologie studieren und Lehrer werden, aber sein Onkel, der in ihm seinen Erben sah, drängte ihn, stattdessen Pharmazie zu belegen. Während des Studiums verließ Max nach einer Auseinandersetzung mit dem Hofapotheker dessen Wohnung und versuchte sich in Regensburg und Augsburg unter dem Künstlernamen »Tenkof« als Schauspieler, bis er sich mit seinem Onkel versöhnte, der allerdings bei seiner Meinung blieb, wer einmal Komödiant gewesen sei, könne kein Apotheker mehr werden, sondern allenfalls Arzt. Deshalb sah sich Max Pettenkofer gezwungen, nun auch noch Medizin zu studieren. Nach der Promotion zum Dr. med. und der Approbation als Apotheker – beides im Jahr 1843 – ging er nach Würzburg, um sich näher mit Chemie zu beschäftigen.

Im Alter von 26 Jahren wurde er Assistent von Justus von Liebig (1803 – 1873) in Gießen, der gerade die Grundlagen der organischen Chemie gelegt hatte. Parallel dazu arbeitete Max Pettenkofer am Königlichen Hauptmünzamt in München und beschäftigte sich mit metallurgischen Fragen. Das schmale aber gesicherte Einkommen ermöglichte es ihm, im Juni 1845 endlich seine Cousine Helene zu heiraten, »das Zauberlicht, das mich schon als Knabe geblendet hatte«.

Auf Empfehlung König Ludwigs I. wurde Max Pettenkofer 1847 von der Ludwig-Maximilians-Universität München als außerordentlicher Professor für medizinische Chemie berufen. Daneben erhielt er 1850 – nach dem Tod seines Onkels Franz Xaver Pettenkofer – die Ernennung zum Vorsteher der Königlich Bayerischen Hof- und Leibapotheke in München. Zwei Jahre später avancierte Max Pettenkofer zum ordentlichen Professor.

Für König Ludwig I. hatte er eine Methode zur Herstellung antiken Purpurglases (Porporino antico) entwickelt. Dem Hofbaumeister Leo von Klenze ersparte Max Pettenkofer die Einfuhr teuren Zements aus England, indem er herausfand, worin der Qualitätsunterschied bestand und damit deutsche Hersteller in die Lage versetzte, besseren Zement zu produzieren. 1850 umriss er in einem Vortrag die Grundidee eines Periodensystems der Elemente, wie es 19 Jahre später von Dmitrij I. Mendelejew aufgestellt wurde. Sein Verfahren zur Gewinnung von Leuchtgas aus Holz wurde 1851 bei der Beleuchtung des neuen Münchner Bahnhofs angewandt. »Wenn wir gegenüber irgendeinem Problem nicht mehr weiter wissen«, meinte der Chirurg Johann Nußbaum, »brauchen wir nur den Professor Pettenkofer zu rufen; der weiß bei allen Schwierigkeiten Rat.«

In der Münchner Residenz – in der er selbst wohnte – untersuchte Max Pettenkofer die Auswirkungen einer neu eingebauten Zentralheizung und empfahl König Max II. dann, Wassergefäße mit großen Oberflächen aufzustellen, um die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen. Er befasste sich mit Fragen der Ernährung sowie des menschlichen Stoffwechsels und konstruierte mit seinem Schüler Carl Voit (1831 – 1908) einen so genannten Respirationskäfig, mit dem sich der Energiehaushalt eines menschlichen oder tierischen Organismus messen ließ.

1854 wurde in dem eigens für diesen Zweck errichteten Glaspalast in München die »Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung« veranstaltet. Zahlreiche in- und ausländische Interessenten reisten an. Am 18. Juli, drei Tage nach der Eröffnung der Ausstellung, brach während einer »Faust«-Aufführung im Hoftheater ein Schweizer im Publikum zusammen: Er war das erste Opfer einer neuen Cholera-Epidemie, die bis zu einem Temperatursturz am 31. August dauerte. 2974 von etwa 6000 Erkrankten starben.

Auch Max Pettenkofer infizierte sich. Nach seiner Genesung begann er als Mitglied der »Commission für wissenschaftliche Erforschung der indischen Cholera«

nach den Ursachen der Seuche zu suchen. Systematisch schaute er sich einzelne Stadtgebiete an. Die ersten Ergebnisse veröffentlichte er 1855 in dem Buch »Untersuchungen und Beobachtungen über das Verbreitungsgebiet der Cholera nebst Betrachtungen über Maßregeln, derselben Einhalt zu thun«. Bei britischen Ärzten, die in Indien gewesen waren, erkundigte er sich nach deren Erfahrungen mit Seuchen, und er sah sich in Lyon, Marseille, auf Gibraltar und Malta um. Aufgrund des Meinungsaustausches mit Kollegen sowie seiner Besichtigungen und Statistiken kam Max Pettenkofer zu dem Schluss, dass Ernährung und Trinkwasser, Kleidung und Körperpflege, Luft und Boden für die Gesundheit des Menschen von entscheidender Bedeutung sind.

1865 übernahm Max Pettenkofer den weltweit ersten Lehrstuhl für Hygiene an der Universität München. Als dem renommierten Professor 1872 die Errichtung eines eigenen Hygiene-Instituts in Wien angeboten wurde, versprach ihm auch König Ludwig II. ein neues Gebäude in München, um ihn zu halten. Otto von Bismarck hätte Max Pettenkofer 1876 gern an der Spitze des neuen Reichsgesundheitsamtes in Berlin gesehen, aber der Professor zog es vor, in München zu bleiben, wo 1876 bis 1879 sein Hygiene-Institut gebaut wurde.

Max Pettenkofer drängte die Stadt München, Maßnahmen zur Seuchenprophylaxe durchzuführen. Auf seinen Vorschlag hin wurden die rund 800 an verschiedenen Stellen der Stadt das Grundwasser verunreinigenden Schlachtereien durch einen zentralen Schlachthof ersetzt. Trinkwasserquellen für München wurden 1867 bei Thalkirchen und 1881 im Mangfalltal erschlossen. Vor den hohen Kosten einer Kanalisation – die Max Pettenkofer ebenfalls für erforderlich hielt – schreckte die Stadtverwaltung allerdings zurück und griff deshalb Gegenargumente auf. Wenn das Abwasser nicht rasch genug abflösse, käme es aufgrund der sich bildenden Fäulnisstoffe nicht zu einer Verminderung, sondern zu einer Erhöhung der Seuchengefahr, lautete eine der Befürchtungen. Die Bauern, die den Inhalt der Abortgruben in der Stadt gegen Bezahlung abholten und als Dünger auf ihren Feldern verteilten, sorgten sich sowohl um die Einnahmequelle als auch um den Nachschub an Dünger. Max Pettenkofer hielt jedoch beharrlich an seinen Empfehlungen fest und erreichte nach einer weiteren Cholera-Epidemie 1873, der noch einmal 362 Personen zum Opfer fielen, dass im Jahr darauf mit dem Bau von Abwasserkanälen in München begonnen wurde. Keine Bedenken hatte der Hygiene-Professor, das Abwasser in die Isar zu leiten, denn er ging davon aus, dass die Verunreinigung des Flusses wegen der Verdünnung und der Strömung keine Gefahr darstellte.

Da die Erkrankungen an Cholera und Typhus in München daraufhin merklich zurückgingen und sich statistisch der Zusammenhang mit den von Max Pettenkofer durchgesetzten Maßnahmen nachweisen ließ, interessierten sich auch andere Stadtverwaltungen für seine Ideen.

Im Lauf seines Lebens erhielt Max Pettenkofer zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. 1883 wurde er in den erblichen Adelsstand erhoben und durfte sich fortan Max von Pettenkofer nennen. Anlässlich seines 70. Geburtstages gründete die Stadt München die Pettenkofer-Stiftung, die seither alle zwei Jahre den Pettenkofer-Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Hygiene verleiht. Von 1890 bis 1899 war Max von Pettenkofer Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Vom Boden aufsteigende infektiöse Gase hielt Max von Pettenkofer für die Ursache von Cholera- und Typhus-Epidemien und war nicht bereit, seine Ansichten aufgrund neuer Erkenntnisse zu korrigieren. Um die seiner Überzeugung widersprechende Lehre von krank machenden Mikroben zu widerlegen, trank der dreiundsiebzigjährige Direktor des Hygiene-Instituts in München am 7. Oktober 1892 vor Zeugen eine frische Kultur der Bakterien, die Robert Koch 1884 in Ägypten als Erreger der Cholera ausgemacht hatte (Vibrio cholerae). »Selbst wenn ich mich täuschte und der Versuch lebensgefährlich wäre, würde ich dem Tode ruhig ins Auge sehen, denn es wäre kein leichtsinniger oder feiger Selbstmord; ich stürbe im Dienste der Wissenschaft, wie ein Soldat auf dem Felde der Ehre.« – Max von Pettenkofer hatte Glück und überlebte, möglicherweise, weil er durch seine Erkrankung im Jahr 1854 noch immer resistent gegen den Erreger war.

Ende 1893 emeritierte Max von Pettenkofer und zog sich in sein Sommerhaus in Seeshaupt zurück. Seine Frau Helene war bereits 1890 – nach 48 Ehejahren – gestorben.

Im Alter von 82 Jahren erschoss sich Max von Pettenkofer in der Nacht auf den 10. Februar 1901 in seiner Hofapotheker-Wohnung in der Münchner Residenz. Vermutlich hatte er sehr unter dem Nachlassen seiner intellektuellen Fähigkeiten gelitten und sich vor geistiger Umnachtung gefürchtet. Außerdem war es ihm angesichts der Fortschritte in der Bakteriologie bzw. Mikrobiologie immer schwerer gefallen, die Augen davor zu verschließen, dass er sein Lebenswerk auf falschen Grundannahmen aufgebaut hatte.

Das von Max von Pettenkofer gegründete Hygiene-Institut in München gibt es noch immer. Es trägt inzwischen den Namen »Max-von-Pettenkofer-Institut«, befindet sich in der Pettenkofer-Straße und ist der Ludwig-Maximilians-Universität angegliedert.

© Dieter Wunderlich 2006

Friedrich Hartau - Wilhelm II.
Friedrich Hartau kritisiert Schwächen Wilhelms, bleibt dabei aber sachlich und ausgewogen. – Die Monografie ist leicht lesbar und durch zahlreiche Abbildungen aufgelockert.
Wilhelm II.

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.