Herzflimmern

Herzflimmern

Herzflimmern

Herzflimmern - Originaltitel: Le souffle au coeur - Regie: Louis Malle - Drehbuch: Louis Malle - Dialoge: Volker Schlöndorff - Kamera: Ricardo Aronovitch - Schnitt: Suzanne Baron und Anneliese Dunkel - Musik: Gaston Freche - Darsteller: Benoît Ferreux, Lea Massari, Daniel Gélin, Fabien Ferreux, Marc Winocourt, Ave Ninchi, Gila von Weitershausen, u.a. - 1971; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Laurent wächst in den Fünfzigerjahren in Dijon auf. Seine beiden älteren Brüder hänseln ihn. Mit seinem Vater, einem erfolgreichen Gynäkologen, versteht er sich nicht. Wie seine junge, aus Italien stammende Mutter Clara will er frei sein und das Leben genießen. Sie begleitet den Fünfzehnjährigen, als er wegen Herzflimmerns zur Kur muss.
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Kritik

Obwohl "Herzflimmern" auch von Inzest und Ehebruch handelt, inszenierte Louis Malle keinen effekthascherischen, voyeuristischen Film, sondern eine unverkrampfte und ausgesprochen amüsante Geschichte über das Erwachsenwerden und den Freiheitsdrang junger Menschen.

Dijon 1954. Der fünfzehnjährige Gymnasiast Laurent Chevalier (Benoît Ferreux) wächst mit seinen beiden älteren Brüdern Thomas (Fabien Ferreux) und Marc (Marc Winocourt) in einer großbürgerlichen Villa in Dijon auf. Ihr Vater Charles (Daniel Gélin), ein angesehener Gynäkologe, gibt sich gegenüber den Söhnen streng und prinzipientreu, doch wenn er – etwa nach einer Abendgesellschaft leicht angetrunken – mit seiner jungen, attraktiven Frau Clara (Lea Massari) allein ist, zeigt sich, dass er in Wirklichkeit ganz anders ist.

Clara stammt aus Italien. Da ihre Mutter starb, als sie drei Jahre alt war, wurde sie von einem Kindermädchen namens Augusta (Ave Ninchi) aufgezogen. Wenn ihr Vater mal nach ihr sah, begleitete ihn jedes Mal eine andere Frau. Außer für Frauen interessierte er sich für Politik und opponierte gegen die Faschisten. Als diese ihn verhaften wollten, floh er mit Clara und Augusta nach Frankreich. Später zog es ihn wieder nach Italien zurück, und er wurde festgenommen.

In Paris begegneten sich Clara und Charles durch Zufall auf der Straße und verliebten sich auf den ersten Blick ineinander. Nach der Hochzeit zog auch Augusta in ihr Haus mit ein und kümmerte sich schließlich um die drei Söhne.

Die führen sie inzwischen längst an der Nase herum, und wenn die Eltern nicht zu Hause sind, lassen sie sich von ihr flaschenweise Wein bringen und spielen beim Essen „Spinat-Tennis“. Die gutmütige alte Frau kommt dagegen nicht an. Vor allem Laurent, der jüngste, ist ihr ans Herz gewachsen; liebevoll verhätschelt sie den „bambino“, auch wenn der Junge sich dagegen sträubt, als Kind behandelt zu werden. Ebenso wie Augusta gibt Clara ihren Söhnen immer wieder nach und verzeiht ihnen alles; die lebensfrohe Italienerin liebt selbst die Freiheit über alles und hat daher viel Verständnis für die Eigenwilligkeiten der Jugendlichen. Laurent entgeht nicht, dass seine Mutter sich regelmäßig mit einem anderen Mann trifft, doch er nimmt ihr das nicht übel. Überhaupt versteht er sich sehr viel besser mit ihr als mit seinem Vater. Von seinen beiden Brüdern wird er als Jüngster natürlich gehänselt. Einmal nehmen sie ihn mit in ein Bordell und schicken ihn mit der verständnisvollen Prostituierten Freda (Gila von Weitershausen) aufs Zimmer, doch als Freda ihrem unerfahrenen Freier gerade zeigt, wie er es machen soll, schleichen sich Thomas und Marc herein, packen ihren nackten Bruder an den Füßen und ziehen ihn lachend von Freda herunter. Das Geld für die Bordellbesuche und andere Ausgaben beschaffen sich die Brüder beispielsweise, indem sie ein Gemälde von Camille Corot durch eine von einem Mitschüler angefertigte Kopie ersetzen und das Original verkaufen. Obendrein haben sie ihren Spaß, wenn ihr Onkel Leonce (Henri Poirier) von der unnachahmlichen Pinselführung Corots schwärmt oder wenn sie ihren Vater fragen, ob ihm das Bild gefalle und er betont, wie wertvoll es sei. Schließlich nimmt Thomas ein Messer in die Hand, und mit den Worten „Ein Gemälde ist nicht mehr wert als Farbe und Leinwand. Alles andere ist kapitalistische Spekulation!“ zerschneidet er den gefälschten Corot, bis Vater und Onkel ihm entsetzt in den Arm fallen.

Von einem Pfadfinderlager kommt Laurent krank zurück. Der Arzt, der Scharlach und Herzflimmern diagnostiziert, verordnet vier Wochen Bettruhe und eine anschließende Kur. Laurent genießt es, von Augusta und seiner Mutter im Bett umsorgt zu werden. Anschließend begleitet Clara ihn zur Kur. Irrtümlich wurden in dem vornehmen Kurhotel nicht zwei getrennte Zimmer reserviert, sondern eine Suite, und alle anderen Zimmer sind belegt.

Während Clara von jungen Hotelgästen umschwärmt wird, interessiert Laurent sich für ein gleichaltriges Mädchen. Elaine folgt ihm zwar einmal auf sein Zimmer, aber sie fürchtet sich vor dem ersten Mal und lässt nicht zu, dass er sie anfasst.

Einmal soll Laurent einen Tag allein verbringen, doch nach einem opulenten Mittagessen mit einer Flasche Wein kehrt er benommen in die Suite zurück – und hört seine Mutter im Nebenraum mit ihrem offenbar zu Besuch angereisten Liebhaber Jacques. Schließlich findet er einen Zettel, auf dem Clara ihm mitteilt: „Ich musste plötzlich weg. Bin in zwei Tagen zurück und erkläre dir alles.“ In seiner Einsamkeit schlüpft Laurent in den Morgenmantel seiner Mutter, spielt mit ihrer Schminke und legt ihre Büstenhalter, Höschen und Strumpfgürtel auf dem Bett aus.

Clara kehrt vorzeitig zurück, verweint und mit Kopfschmerzen. Jacques habe ihr gedroht, sich von ihr zu trennen, wenn sie sich nicht von Charles scheiden lasse und mit ihm nach Paris komme. Aber Clara kann so ein „Entweder-oder“ nicht vertragen, denn sie will frei entscheiden können. Deshalb überwarf sie sich mit ihrem Liebhaber.

Der 14. Juli wird im Hotel groß gefeiert. Clara genießt das Fest, trinkt und tanzt mit zwei Männern, die sich um sie bemühen, aber als sie mit ihr aufs Zimmer gehen wollen, verabschiedet sie sich und zieht sich mit ihrem Sohn zurück. Sie ist so müde und betrunken, dass sie aufs Bett fällt und nicht mehr in der Lage ist, sich allein auszuziehen. Laurent, der ihr auch früher schon mal bei einem klemmenden Reißverschluss half, beugt sich über sie, knöpft ihr das Kleid auf und öffnet den Verschluss ihres BHs. Er schmust mit ihr, und sie lässt es geschehen. Plötzlich stößt sie einen kleinen Schrei aus und macht verblüfft die Augen auf. Am anderen Morgen sagt sie: „So etwas wie heute Nacht wird nie wieder vorkommen. Es wird unser Geheimnis bleiben. Aber Schuldgefühle brauchst du deshalb nicht zu haben, nein, wir werden uns immer daran erinnern, an etwas sehr Schönes.“

In der nächsten Nacht steht Laurent heimlich auf und klopft bei Elaine an der Zimmertür, aber sie lässt ihn nicht ein. Da fragt er sie nach der Zimmernummer ihrer Freundin Daphne (Corinne Kersten) und kümmert sich nicht darum, dass sie ihm nachruft: „Da wirst du auch kein Glück haben. Die macht dir auch nicht auf!“ Als er spät am Morgen mit den Schuhen in der Hand über den Korridor in sein eigenes Zimmer zurückschleicht, sitzen sein Vater und seine beiden Brüder da. Sie sind zu Besuch gekommen, haben schon erfahren, dass er die Nacht über weg war und lachen herzhaft über den Jüngsten, der zusammen mit seiner Mutter in das frohe Gelächter einstimmt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2003

Inzest

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