Margaret Thatcher


Mit Meinungsfestigkeit, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsfähigkeit schaffte es die Tochter eines Lebensmittelhändlers an die Spitze der britischen Regierung. Entschlossen verteidigte sie die Interessen ihres Landes, selbst wenn sie dazu Krieg führen musste. Aber die Stärken der »Eisernen Lady« verwandelten sich im Lauf der Zeit in Schwächen, denn durch ihre Unnachgiebigkeit, Intoleranz und Selbstgerechtigkeit war sie nicht in der Lage, sich auf Kompromisse einzulassen und anderen zu vertrauen.

Tabellarische Biografie: Margaret Thatcher


Margaret Thatcher: »Eiserne Lady«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts
Piper Verlag, München 2013

Nach dem Wahldebakel der Torys drängten führende Parteimitglieder Edward Heath dazu, daraus Konsequenzen zu ziehen und den Parteivorsitz aufzugeben. Als der 58-Jährige das jedoch ablehnte, wurde Margaret Thatcher von Kollegen ermutigt, ihm den Parteivorsitz streitig zu machen. Am 25. November 1974 suchte sie deshalb Edward Heath auf und unterrichtete ihn über ihre Absicht, gegen ihn zu kandidieren. Offenbar war es eine eisige Begegnung. »Er blickte mich kalt an, drehte mir den Rücken zu, zuckte mit den Schultern und sagte: ›Wenn Sie müssen.‹«

Ein Journalist bezeichnete Margaret Thatcher am selben Tag als »the best man among them«. Um diesem Image entgegenzuwirken, versuchte sie sich den Anschein zu geben, eine ganz gewöhnliche Hausfrau und Mutter zu sein, »altmodisch, häuslich und nicht feministisch«. Sie bereite noch jeden Morgen für ihren Mann das Frühstück zu, behauptete sie, und in einem Interview sagte sie:

Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. © Piper Verlag 2013

»Was die Leute nicht an mir wahrnehmen, ist, dass ich eine ganz gewöhnliche Person bin, die ein ganz normales Leben führt. Ich genieße es und achte darauf, dass die Familie ein gutes Frühstück bekommt. Und Einkaufen hält mich in Kontakt mit der Bevölkerung.«

Zwar wünschten sich viele in der Partei eine Ablösung des als Regierungschef gescheiterten Parteivorsitzenden, aber nur wenige glaubten wirklich daran, dass Margaret Thatcher eine Chance gegen Edward Heath haben würde. Doch sie belehrte alle Skeptiker eines Besseren: Bei der Kampfabstimmung gegen Edward Heath am 11. Februar 1975 gewann sie die Mehrheit, und bei einer zweiten Abstimmung eine Woche später besiegte sie William Whitelaw, Geoffrey Howe, James Prior und John Peyton. Damit hatte sie sich gegen das Establishment der Partei durchgesetzt und löste Edward Heath im Vorsitz ab. Als ein Reporter sie fragte, ob sie gewonnen habe, weil sie eine Frau war, antwortete sie verärgert: »Ich würde gern glauben, dass ich durch Leistung gewann.«

[…]

[…] Margaret Thatcher diffamierte die Sozialisten als »die natürliche Partei der Arbeitslosigkeit« und James Callaghan als »den Premierminister der Arbeitslosigkeit«. Auf einem Plakat der Conservative Party war eine Warteschlange von Arbeitslosen abgebildet, und dazu hieß es: »Labour Isn’t Working.« Tatsächlich stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vereinigten Königreich zu dieser Zeit auf eineinhalb Millionen. Ebenso viele Menschen beteiligten sich am 22. Januar 1979 an einem nationalen Aktionstag; das war die größte Arbeitsniederlegung seit über 50 Jahren.

Bei den Unterhauswahlen am 3. Mai 1979 gewann die Conservative Party schließlich wieder die Mehrheit. Am nächsten Tag wurde Margaret Thatcher von Königin Elisabeth II. empfangen und zur ersten Premierministerin des Vereinigten Königreichs ernannt. Sie war nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern auch die erste Person mit einem akademischen Titel. Das sorgte natürlich für Aufsehen, aber Margaret Thatcher wollte nicht, dass der Wahlerfolg auf ihr Geschlecht zurückgeführt wurde. Die Erwartungen an sie waren durchaus zwiespältig […].

Margaret Thatcher stürzte sich auf jeden Fall sofort in die Arbeit. »Sie wurde vom glühenden Gefühl einer patriotischen Mission und historischen Bestimmung getrieben. […] Ab dem Augenblick, in dem sie durch die Tür von Number ten ging, spürten ihre Beamten die Kraft dieses leidenschaftlichen Glaubens an sich selbst. Kenneth Stowe, ihr erster Privatsekretär, erinnert sich, dass sie von diesem Augenblick an ›absolut fokussiert, absolut engagiert‹ und ›sehr zupackend‹ war: sie wollte über alles unterrichtet werden und alles sofort selbst in die Hand nehmen.« Dass sie alles selbst entscheiden wollte, zeugt von ihrem Ehrgeiz, aber auch von ihrer Selbstüberschätzung und Unsicherheit. Die Anforderungen, die sie an sich – und andere – stellte, waren enorm. Oft schlief sie gerade einmal vier Stunden pro Nacht, und nur selten erlaubte sie sich fünf oder sechs Stunden Schlaf. »Während der Woche ging sie selten vor zwei Uhr ins Bett, und um sechs stand sie wieder auf. Sie beherrschte die Regierung durch schieres physisches Durchhaltevermögen.« Psychische oder physische Schwächen wollte sie zumindest nicht wahrhaben. Und sie war auch nicht in der Lage, sich zu entspannen, nicht zuletzt, weil sie keine anderen als politische Interessen verfolgte. Urlaub sei etwas für Warmduscher, soll sie des Öfteren gesagt haben.

Leseprobe aus Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts

© Piper Verlag, München 2013
Quellenangaben und Fußnoten wurden in dieser Leseprobe weggelassen, sind jedoch im Buch zu finden.
Zitate, soweit nicht von Margaret Thatcher selbst:
John Campbell: The Iron Lady. Margaret Thatcher. From Grocer’s Daughter to Iron Lady,
Vintage Books 2012, S. 115 / S. 366, Übersetzung: der Autor

Margaret Thatcher (tabellarische Biografie)

J. M. Coetzee - Schande
J. M. Coetzee erzählt die trostlose Geschichte unpathetisch, schnörkellos, in einer kargen Sprache. Er beschwört in "Schande" die Folgen des Rassenhasses auf erschütternde Weise.
Schande

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.