Lou Andreas-Salomé


1844: General Gustav von Salomé (1804 – 1879) und die Waise Louise Wilm (1823 – 1913) heiraten in St. Petersburg.

Das von Hugenotten aus Avignon abstammende Geschlecht von Salomé lebt seit Generationen im Baltikum. Gustav von Salomé, der im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach St. Petersburg gekommen war, brachte es in der russischen Armee zum General und wurde 1831 von Zar Nikolaus I. geadelt. Louise Wilm ist die Tochter des wohlhabenden, aus Hamburg stammenden Zuckerfabrikanten Siegfried Wilm.

Das russisch, französisch und deutsch sprechende Ehepaar hat fünf Söhne, von denen zwei früh versterben. Der Familie steht in St. Petersburg eine mondäne Dienstwohnung im Generalitätsgebäude (Morskája) gegenüber dem Winterpalais zur Verfügung; außerdem besitzt Gustav von Salomé ein Landhaus in Peterhof, ganz in der Nähe der Sommerresidenz des Zaren.

12. Februar 1861: Louise (»Lolja«) von Salomé wird als sechstes Kind von Gustav und Louise von Salomé in St. Petersburg geboren. Ihre noch lebenden Brüder Alexandre, Robert und Eugene sind zwölf, neun bzw. drei Jahre alt.

3. März 1861: Zar Alexander II. schafft die Leibeigenschaft in Russland ab.

Louise von Salomé wird von einer russisch-orthodoxen Amme gestillt und später von einer französischen Gouvernante erzogen.

Der Vater nimmt sie immer wieder vor der strengeren Mutter in Schutz. Der Vater erlaubt ihr auch, an der deutsch-reformierten Petri-Schule zu hospitieren, statt regelmäßig den Unterricht zu besuchen.

Um ihn nicht zu verletzen – Gustav von Salomé gründete mit Erlaubnis des Zaren die deutsch-reformierte Kirchengemeinde in St. Petersburg –, nimmt Louise zunächst am Konfirmationsunterricht teil.

23. Februar 1879: Gustav von Salomé stirbt.

Nun verweigert Louise von Salomé die vorgesehene Konfirmation bei dem dogmatischen Protestanten Hermann Dalton.

Mai 1879: Sie wendet sich in einem Brief an Hendrik Gillot (1836 – 1916), den liberalen Pastor der Niederländischen Gesandtschaft und Erzieher der Kinder des Zaren.

Ihre kritisch-rebellische Haltung gegenüber dem Glauben hindert sie nicht daran, sich von dem Geistlichen Privatunterricht geben zu lassen und sich mit ihm anzufreunden. Beeindruckt von ihrer Klugheit, lässt er sie schon bald an seinen Predigten mitarbeiten.

Der 24 Jahre ältere Ehemann und Vater von zwei Kindern, der sie in die Philosophie und vergleichende Religionsgeschichte einführt, wäre bereit, ein neues Leben mit ihr anzufangen. Er macht ihr einen Heiratsantrag. Aber Lou von Salomé – wie sie sich nun nennt – ist an einem intimen Verhältnis ebenso wenig interessiert wie an den Bällen der vornehmen Gesellschaft in St. Petersburg. Sie ist überzeugt, dass der Verzicht auf sexuelle Befriedigung geistig-schöpferische Kräfte freisetzt, und die sind ihr wichtiger als alles andere, denn sie strebt über das Normale hinaus.

Mai 1880: Lou von Salomé lässt sich von Hendrik Gillot in der niederländischen Gemeinde Santpoort konfirmieren.

September 1880: Sie reist mit ihrer Mutter nach Zürich und immatrikuliert sich an der Universität, einer der wenigen Hochschulen, die bereits für Frauen zugänglich sind.

Frühjahr 1881: Nach einem halben Jahr muss sie ihr Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte aufgrund eines Bluthustens aufgeben.

1881: In der Hoffnung auf ein zuträglicheres Klima halten sich Lou von Salomé und ihre Mutter einige Zeit im Seebad Scheveningen auf.

Februar 1882: Sie brechen nach Rom auf.

In Rom verkehren sie mit der 65-jährigen deutschen Schriftstellerin Malwida von Meysenbug (1816 – 1903), die in ihrem Salon regelmäßig Intellektuelle empfängt.

März 1882: Bei ihr lernt Lou von Salomé den Philosophen Paul Rée (1849 – 1901) kennen.

21. März 1882: Paul Rée berichtet seinem Freund Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), der sich in Genua aufhält, in einem Brief von der Begegnung.

Nietzsche wird neugierig auf Lou von Salomé und erwägt eine Ehe auf Zeit mit ihr, etwa für zwei Jahre. Auch Malwida von Meysenbug erwähnt Lou von Salomé in ihren Briefen an Nietzsche.

Paul Rée hält bei Louise von Salomé um die Hand ihrer Tochter an, wird jedoch von Lou abgewiesen.

24. April 1882: Lou von Salomé lernt seinen Freund Friedrich Nietzsche in der Peterskirche kennen.

Lou von Salomé regt Friedrich Nietzsche und Paul Rée dazu an, mit ihr einen Dreierbund zu bilden, um gemeinsam zu philosophieren.

Nietzsche bewundert Lou von Salomé als schöne Frau, wegen ihres herausragenden Intellekts und weil sie ihre eigenen Ziele verfolgt, statt sich nach den Erwartungen anderer Menschen zu richten. Er ersucht Paul Rée, ihr in seinem Namen einen Heiratsantrag zu machen. Sie lehnt ab und begründet dies mit ihrer grundsätzlichen Abneigung gegen jede Ehe und ihrer kleinen Pension, auf die sie im Fall einer Eheschließung verzichten müsste.

Ende April 1882: Lou von Salomé und ihre Mutter verlassen Rom in Richtung Norden. Louise von Salomé will zurück nach Russland, aber ihre Tochter nach Oberitalien.

In Mailand treffen sie erneut mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche zusammen, die mit ihnen gemeinsam zu den oberitalienischen Seen weiterreisen. Von dort fährt Nietzsche allein nach Basel und besucht das mit ihm befreundete Ehepaar Franz und Ida Overbeck.

Anfang Mai 1882: Lou von Salomé und Friedrich Nietzsche machen allein einen Ausflug auf den Sacro Monte d’Orta am Orta-See.

Obwohl Lou von Salomé bereits in Rom einen Heiratsantrag Nietzsches abgelehnt hat, verabredet sich der 37-jährige Philosoph mit ihr in Luzern und drängt sie erneut, seine Frau zu werden. Lou von Salomé sucht aber weder einen Liebhaber noch einen Ehemann. Stattdessen schätzt sie die Gespräche mit den beiden Philosophen und hält an ihrer Idee eines philosophischen Dreierbundes fest.

In Luzern lassen sich Lou von Salomé, Friedrich Nietzsche und Paul Rée von Jules Bonnet (1840 – 1928) fotografieren. Die beiden Männer tun so, als würden sie einen Leiterwagen ziehen, in dem Lou sitzt und eine Kinderpeitsche in der erhobenen rechten Hand hält.

Sommer 1882: Während die Mutter von ihrem Sohn Eugene in Berlin abgeholt wird und ohne ihre Tochter nach St. Petersburg zurückkehrt, folgt Lou von Salomé Paul Rée nach Stibbe, auf das Gut seiner Familie in Westpreußen. Friedrich Nietzsche fährt zu seiner Mutter Franziska und seiner Schwester Elisabeth nach Naumburg und schreibt dort das letzte Kapitel für »Fröhliche Wissenschaft«. Zwischendurch versucht er Lou von Salomé in Berlin abzupassen, wartet jedoch am Anhalter Bahnhof vergeblich auf sie.

24. Juli 1882: Sie ist in Leipzig mit Nietzsches Schwester Elisabeth (1846 – 1935) verabredet. Die beiden Frauen fahren zu den Bayreuther Festspielen.

August 1882: Bei der Abreise aus Bayreuth trifft Lou von Salomé im Bahnhof Elisabeth Nietzsche, die sich von ihrem Bekannten Bernhard Förster (1843 – 1889) verabschiedet, der ebenfalls den Zug nach Jena nimmt und während der Fahrt angeregt mit der Russin plaudert. (Am 22. Mai 1885 heiraten Bernhard Förster und Elisabeth Nietzsche.)

Elisabeth Nietzsche folgt Lou von Salomé nach Jena und gerät dort bei der Übernachtung im Pfarrhaus in einen heftigen Streit mit ihr. In dessen Verlauf behauptet Lou von Salomé, Friedrich Nietzsche habe ihr eine wilde Ehe vorgeschlagen. Nachdem sich die beiden Frauen beruhigt haben, fahren sie zusammen weiter mit dem Zug nach Tautenburg nordöstlich von Jena, wo sie von Nietzsche abgeholt werden.

9. bis 26. August 1882: Elisabeth ist auch in der Rolle einer Anstandsdame dabei, als Lou von Salomé und Friedrich Nietzsche den in Italien begonnenen Gedankenaustausch in Tautenburg vertiefen. Sie wohnen alle drei im Pfarrhaus.

Nach Lou von Salomés Abreise behauptet Elisabeth Nietzsche, die Frau benutze ihren Bruder nur. Darüber geraten die Geschwister in heftigen Streit.

Lou von Salomé, Friedrich Nietzsche und Paul Rée treffen sich in Leipzig. Von dort wollen sie gemeinsam nach Wien, München oder Paris.

Wohl aus Eifersucht und um zu verhindern, dass ihr Bruder mit Paul Rée und Lou von Salomé nach Paris zieht, verbreitet Elisabeth Nietzsche das Gerücht, Lou von Salomé habe ihren Bruder verleumdet. Entrüstet zeigt sie das in Luzern aufgenommene Foto des Mädchens mit den beiden Philosophen herum.

Oktober 1882: Mit einer regelrechten Kampagne gelingt es Elisabeth, ihren Bruder so gegen Lou von Salomé einzunehmen, dass er sich in Leipzig mit ihr überwirft und dann auch von Paul Rée nichts mehr wissen will.

November 1882: Paul Rée und Lou von Salomé lassen Friedrich Nietzsche in Leipzig zurück und mieten in Berlin gemeinsam eine möblierte Wohnung in einer Pension. Dennoch bleibt ihre Beziehung platonisch: Paul Rée wird für Lou von Salomé kein Sexualpartner, sondern seine Rolle entspricht der eines großen Bruders.

Die beiden versammeln in Berlin einen Kreis von Intellektuellen um sich, darunter Hans Delbrück, Paul Deussen, Hermann Ebbinghaus und Ferdinand Tönnies.

Winter 1882/83: Friedrich Nietzsche hält sich in Santa Margherita-Ligure auf, dann in Rapallo und schließlich in Genua.

Mai 1883: Friedrich Nietzsche reist von Genua nach Rom.

21. Juni 1883: Nietzsche trifft in Sils-Maria im Engadin ein.

Juli 1883: Während Nietzsche sich in Sils-Maria aufhält, quartieren sich einige Täler weiter nordwestlich, in Flims (Graubünden), Lou von Salomé, Paul Rée und Ferdinand Tönnies ein.

Winter 1883/84: Lou von Salomé und Paul Rée halten sich in Gries-Meran auf. Nietzsche verbringt den Winter in Nizza.

12. Februar 1885: Friedrich Nietzsche schließt den vierten und letzten Teil seines Werkes »Also sprach Zarathustra« ab. Von den ersten drei Teilen wurden erst 70 Exemplare verkauft.

Frühjahr 1885: Ein Leipziger Verlag veröffentlicht den ersten Roman von Lou von Salomé: »Im Kampf um Gott«. Sie hat dafür das Pseudonym »Henri Lou« gewählt.

Sommer 1885: Lou von Salomé und Paul Rée halten sich im Engadin auf.

Winter 1885/86: Nachdem seine Habiltationsschrift von der Universität Straßburg abgelehnt wurde, beginnt Paul Rée in Berlin Medizin zu studieren, und er mietet ein eigenes Zimmer.

In die Pension, in der Lou von Salomé weiterhin wohnt, kommt regelmäßig der Orientalist Friedrich Carl Andreas (1846 – 1930), um Sprachunterricht zu erteilen. Dabei fällt ihm die 15 Jahre jüngere Schriftstellerin auf.

August 1886: Er klopft an ihre Tür und bittet sie kurzerhand, seine Frau zu werden.

Friedrich Carl Andreas ist der Sohn eines armenisch-persischen Prinzen aus Isfahan und der Tochter eines deutschen Arztes, der auf Java eine Malaiin geheiratet hatte. Er wurde am 14. März 1846 in Batavia geboren und wuchs dort bis zum sechsten Lebensjahr auf. Dann zog die Familie nach Hamburg, wo er eingeschult wurde. Nach dem Abitur in einem Schweizer Internat studierte Friedrich Carl Andreas an verschiedenen Universitäten in Deutschland klassische und orientalische Sprachen, bis er 1868 in Erlangen promovierte. Mit einer Expedition reiste er 1875 nach Persien, von wo er erst 1882 nach Deutschland zurückkehrte.

Lou von Salomé will überhaupt nicht heiraten und lehnt einen Antrag ab.

31. Oktober 1886: Friedrich Carl Andreas rammt sich vor Lou von Salomés Augen ein Messer in die Brust, überlebt jedoch den Selbstmordversuch.

1. November 1886: Daraufhin verlobt sich Lou von Salomé mit Friedrich Carl Andreas.

Zwei Bedingungen hat sie ihm dafür gestellt: An ihrer Beziehung zu Paul Rée soll sich nichts ändern, und sie braucht auch nach der Hochzeit nicht mit ihrem Ehemann ins Bett zu gehen.

Anfang 1887: Paul Rée trennt sich jedoch von ihr und verlässt Berlin.

20. Juni 1887: Lou von Salomé und Friedrich Carl Andreas lassen sich von Hendrik Gillot in Santpoort (Holland) trauen. Die zivile Eheschließung fand bereits vorher in St. Petersburg statt.

1887: Friedrich Carl Andreas wird an das neugegründete Institut für orientalische Sprachen in Berlin berufen.

In den ersten Jahren begnügt sich das Paar mit Andreas‘ Junggesellenbude in Berlin-Tempelhof, denn er verdient nicht viel, und seine Frau, die das Schreiben inzwischen zum Beruf gemacht hat, bekommt auch noch keine hohen Honorare.

Seine Hoffnung, sie werde sich ihm nicht dauerhaft sexuell entziehen, erfüllt sich nicht. Während sie Paul Rée wie einen älteren Bruder liebte, handelt es sich bei ihrer Ehe um eine Art Vater-Tochter-Verhältnis. Dass Lou Andreas-Salomé auf ein Sexualleben verzichtet, hält Männer offenbar nicht davon ab, sich in sie zu verlieben.


Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. © Piper Verlag 2013

Ein litarisches Porträt von Lou Andreas-Salomé finden Sie in dem Buch
„Unerschrockene Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2013 – Leseprobe


1890: In der Absicht, auch Arbeitern das Theater näherzubringen, wird die Freie Volksbühne in Berlin gegründet. Das Ehepaar Andreas schließt sich dem Freundeskreis der Volksbühne an, zu dem auch Gerhart Hauptmann und Maximilian Harden gehören, die Lou Andreas-Salomé bewundern.

Frühjahr 1891: Friedrich Carl Andreas verliert die Stelle am Institut für orientalische Sprachen.

Oktober 1891: Das Ehepaar Andreas zieht nach Berlin-Schmargendorf, in ein kleineres Haus.

Dezember 1891: Lou Andreas-Salomé lernt bei dem Schriftsteller Wilhelm Bölsche (1861 – 1939) und dessen Frau in Friedrichshagen den sozialistischen Journalisten und Politiker Georg Ledebour (1850 – 1947) kennen. Sie begleitet ihn zu Arbeiterversammlungen. Er macht ihr eine Liebeserklärung. Dass sie nicht mit ihrem Ehemann schläft, hält er für unmoralisch.

30. Dezember 1891: Georg Ledebour entschuldigt sich bei ihr, umwirbt sie jedoch auch weiterhin.

Georg Lebedour möchte, dass Friedrich Carl Andreas seine Frau freigibt. Das Ehepaar Andreas fühlt sich so bedrängt, dass es an einen erweiterten Selbstmord denkt.

15. Mai 1892: Erst als Georg Ledebour erneut aus politischen Gründen inhaftiert wird, atmet das Ehepaar Andreas auf.

1892: Lou Andreas-Salomé freundet sich mit der Schriftstellerin Frieda Freiin von Bülow (1857 – 1909) an.

1892: Sie beschäftigt sich intensiv mit Werken von Henrik Ibsen und schreibt das Buch: »Henrik Ibsens Frauengestalten nach seinen sechs Familiendramen«.

23. Februar 1894: Lou Andreas-Salomé trifft sich mit Georg Ledebour, aber nur, um endgültig mit ihm Schluss zu machen.

27. Februar 1894: Sie reist allein nach Paris (erster Paris-Aufenthalt).

Dort trifft sie sich u. a. mit Frank Wedekind (1864 – 1918). Er bedrängt sie, aber sie weist ihn zurück. Am nächsten Tag entschuldigt er sich bei ihr – und damit beginnt ihre Freundschaft.

Lou Andreas-Salomé verbringt in Paris viel Zeit mit ihrer aus Ostafrika zurückgekehrten Freundin Frieda Freiin von Bülow.

Sie wird auf eine Blumenverkäuferin aufmerksam, die einen kranken Sohn hat. Als die Frau erkrankt, verkleiden sie und Frieda von Bülows Schwester Sophie sich als Blumenmädchen und verkaufen für die Kranke deren Vorrat.

1894: Lou Andreas-Salomé veröffentlicht das Buch: »Friedrich Nietzsche in seinen Werken«.

Sommer 1894: Mit dem russischen Arzt Ssawelij, den sie während ihres monatelangen Aufenthalts in Paris kennenlernte, verbringt Lou Andreas-Salomé drei Wochen auf einer Alm in den Schweizer Bergen und kehrt dann unbekümmert nach Paris zurück.

Dass sie als verheiratete Frau mit einem anderen Mann in einer Berghütte war, gilt als Skandal, ganz gleich ob sie miteinander schliefen oder nicht. Für weiteren Gesprächsstoff sorgt ihr braungebranntes Gesicht, das sich deutlich vom hellen Teint der anderen Damen abhebt, denn eigentlich setzen nur Bauern, Viehhirten und Fischer ihr Gesicht der Sonne aus.

September 1894: Lou Andreas-Salomé kehrt nach Berlin zurück.

Frühjahr 1895: Möglicherweise findet die erste Begegnung von Lou Andreas-Salomé und Sigmund Freud statt.

März 1895: Lou Andreas-Salomé und Frieda von Bülow reisen zunächst nach St. Petersburg und danach für mehrere Monate nach Wien.

1895: Lou Andreas-Salomé veröffentlicht den Roman »Ruth«.

Dezember 1895: In Wien lernt Lou Andreas-Salomé als Gast der Frauenrechtlerin Rosa Mayreder (1858 – 1938) die zwei Jahre jüngere Malerin Broncia Pinell (eigentlich: Bronizlawa Pineles; 1863 – 1934) und deren Bruder Friedrich Pineles (1868 – 1936) kennen, der als Arzt am Allgemeinen Krankenhaus in Wien arbeitet. Lou und Broncia werden Freundinnen.

Februar 1896: Lou Andreas-Salomé verlässt Wien.

Mai 1896: Sie kehrt nach Wien zurück und unternimmt mit Friedrich Pineles eine Rucksacktour im Salzkammergut.

Frühjahr 1897: Lou Andreas-Salomé fährt mit Frieda von Bülow von Berlin nach München, wo sie René Maria Rilke (1875 – 1926) begegnet.

Der 14 Jahre jüngere Student erinnert sie an ihre eigene Phase des schwärmerischen, wirklichkeitsfremden Fühlens und Denkens. Die beiden werden ein Liebespaar, und Rainer Maria Rilke lässt sich nachhaltig von Lou Andreas-Salomé beeinflussen. Auf ihren Rat hin ändert er auch seinen eigentlichen Vornamen René in Rainer.

Juni/Juli 1897: Lou Andreas-Salomé hält sich mit Rainer Maria Rilke und Frieda von Bülow in einem Bauernhaus in Wolfratshausen auf, in dem sie sich so wohlfühlt, dass sie es »Loufried« nennt.

23. Juli 1897: Friedrich Carl Andreas reist seiner Frau nach und trifft sie in Wolfratshausen.

September 1897: Lou Andreas-Salomé fährt allein zu Friedrich Pineles (»Zemek«) nach Hallein.

Oktober 1897: Rainer Maria Rilke zieht nach Berlin, mietet in der Nähe der Wohnung des Ehepaars Andreas ein Zimmer und verbringt die meiste Zeit mit Lou in der Küche, während deren Ehemann im Wohnzimmer arbeitet.

Frühjahr 1898: Aus Sorge über die zunehmende Abhängigkeit des labilen Dichters drängt ihn Lou Andreas-Salomé, allein eine Bildungsreise nach Italien zu unternehmen.

1898: Ihr Bruder Eugene stirbt.

25. April 1899: Rainer Maria Rilke reist mit dem Ehepaar Andreas für sechs Wochen nach Moskau und St. Petersburg.

Wie viele andere Intellektuelle auch, begeistert er sich für die russische Kultur.

22. Juni 1899: Ende der Russland-Reise

Sommer 1899: Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke verbringen einige Zeit bei Frieda von Bülow auf dem Bibersberg bei Meiningen, dann kehren sie nach Berlin zurück.

7. Mai 1900: Lou Andreas-Salomé reist mit ihrem Geliebten nach Russland und lässt ihren Ehemann allein in Berlin zurück.

In Jasnaja Poljana besuchen sie Leo Tolstoi (1828 – 1910), und sie begegnen Boris Pasternak (1890 – 1960).

Ihres Begleiters überdrüssig, lässt Lou Andreas-Salomé ihn auf dem Bahnsteig in St. Petersburg stehen und fährt allein zu ihrer Familie, die den Sommer in Rongas (Finnland) verbringt.

22. bis 26. August 1900: Lou Andreas-Salomé und Rilke kehren gemeinsam von St. Petersburg nach Berlin zurück.

27. August 1900: Rainer Maria Rilke trifft einen Tag nach der Rückkehr von der Russland-Reise in Worpswede ein.

26. Februar 1901: Lou Andreas-Salomé beendet das intime Verhältnis mit dem exaltierten Schriftsteller. Allerdings bleibt sie ihm eine mütterliche Freundin.

April 1901: Rainer Maria Rilke heiratet in Worpswede die Künstlerin Clara Westhoff (1878 – 1954).

1901: Als Lou Andreas-Salomé an einem nervösen Herzleiden erkrankt, wird sie von Friedrich Pineles behandelt, und sie beginnt mit dem sieben Jahre jüngeren Arzt eine Liebesbeziehung.

Mai 1901: Lou Andreas-Salomé und Friedrich Pineles reisen ins Riesengebirge.

Sommer 1901: Sie reisen zusammen nach Dänemark, nach Wien und Oberwaltersdorf (Niederösterreich).

Pineles‘ Eltern, orthodoxe Juden, missbilligen sein Verhältnis mit Lou Andreas-Salomé.

Während ihrer Schwangerschaft fällt Lou Andreas-Salomé beim Apfelpflücken in Oberwaltersdorf von einer Leiter und erleidet eine Fehlgeburt.

Pineles würde sie gern heiraten, aber Lou Andreas-Salomé lehnt seinen Antrag ab und redet ihm das Vorhaben aus, ihren Ehemann um die Scheidung zu bitten.

28. Oktober 1901: Paul Rée, der seit 1890 als Armenarzt in Stibbe tätig war, stirbt bei einer Bergwanderung im Engadin. Ob es sich um einen Unfall oder um Selbstmord handelt, bleibt unklar.

Dezember 1901: Rainer Maria Rilke und Clara Westhoff bekommen ein Kind.

August / September 1902: Lou Andreas-Salomé und Friedrich Pineles wandern in den Hohen Tauern.

März 1903: Das Ehepaar Andreas zieht nach Berlin-Westend.

Juni 1903: Friedrich Carl Andreas erhält endlich eine Professur, und zwar am Lehrstuhl für Westasiatische Sprachen an der Universität Göttingen.

Oktober 1903: Er zieht deshalb mit seiner Frau und der Haushälterin Marie Stephan von Berlin-Westend nach Göttingen.

Auf ihrem Anwesen am Hainberg hält Lou Andreas-Salomé Hühner und baut Gemüse an.

Frühjahr 1904: Lou Andreas-Salomé reist mit Friedrich Pineles nach Norditalien.

Sommer 1904: Lou Andreas-Salomé reist mit Friedrich Pineles nach Skandinavien, dann zu ihrer Mutter nach St. Petersburg. Rainer Maria Rilke versucht vergeblich, sie in Skandinavien zu treffen.

Februar 1905: Marie Stephan bekommt eine Tochter, deren Vater vermutlich Friedrich Carl Andreas ist. Dennoch bleibt die Haushälterin mit ihrem Kind bei dem Ehepaar.

Frühjahr 1905: Rainer Maria Rilke besucht Lou Andreas-Salomé in Göttingen und fährt mit ihr zu Helene Klingenberg in den Harz.

Sommer 1905: Lou Andreas-Salomé und Friedrich Pineles in Frankreich

1908: Lou Andreas-Salomé und Friedrich Pineles bereisen den Balkan.

1908: Als Friedrich Pineles die Hoffnung auf eine Eheschließung mit Lou Andreas-Salomé aufgibt, trennt er sich von ihr, denn er erträgt es nicht länger, nur ein von ihren Launen abhängiger Liebhaber zu sein.

12. März 1909: Frieda von Bülow stirbt an Krebs.

1909: Lou Andreas-Salomé reist mit der befreundeten schwedischen Reformpädagogin und Schriftstellerin Ellen Key (1849 – 1926) nach Paris und trifft dort Rainer Maria Rilke.

1910: Lou Andreas-Salomé hält sich zum dritten Mal mit Ellen Key in Paris auf.

August/September 1911: Lou Andreas-Salomé besucht Ellen Key in Alvastra (Schweden).

Durch Ellen Key lernt sie den Nervenarzt Poul Bjerre (1876 – 1964) kennen. Er bringt ihr sein Fachgebiet näher, und obwohl er eine unheilbar kranke Frau hat, umwirbt er sie.

3. September 1911: Poul Bjerre nimmt Lou Andreas-Salomé mit zum Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Weimar.

20. September 2011: Lou Andreas-Salomé wird Sigmund Freud in Weimar vorgestellt.

Anfang 1912: Lou Andreas-Salomé kündigt Carl Gustav Jung (1875 – 1961) einen Aufsatz »Über Sublimation« für das »Jahrbuch für Psychoanalyse« an. Jung fragt Sigmund Freud (1856 – 1939) was er davon hält. Am Ende schickt sie doch nichts.

Die Psychoanalyse fasziniert Lou Andreas-Salomé.

27. September 1912: Nachdem sie sich in Göttingen autodidaktisch damit beschäftigt hat, bittet sie Sigmund Freud in einem Brief darum, zu ihm nach Wien kommen zu dürfen.

1. Oktober 1912: Sigmund Freud erklärt sich bereit, sie als Schülerin anzunehmen.

25. Oktober 1912: Lou Andreas-Salomé reist nach Wien.

Ende Oktober 1912 bis Anfang April 1913: Sie verbringt ein knappes halbes Jahr lang zu Studienzwecken in Wien, nimmt an den Mittwoch-Sitzungen und am Samstags-Kolleg teil.

Lou Andreas-Salomé besucht das Einführungsseminar des Psychoanalytikers Viktor Tausk (1879 – 1919) und verliebt sich in ihn.

Januar 1913: Louise von Salomé stirbt in St. Petersburg.

März 1913: Lou Andreas-Salomé nimmt mit Sigmund Freuds Billigung an Alfred Adlers Diskussionsabenden in Wien teil.

Ende August 1913: Lou Andreas-Salomé fährt erneut nach Wien und hilft Viktor Tausk bei der Vorbereitung eines Vortrags über den Narzissmus für den psychoanalytischen Kongress im September 1913 in München.

Narzissmus ist ein Thema, das Lou Andreas-Salomé besonders interessiert; darüber schreibt sie später das Buch »Narzissmus als Doppelrichtung« (1921).

6. bis 8. September 1913: Psychoanalytischer Kongress in München.

In München stellt Lou Andreas-Salomé dem Erfinder der Psychoanalyse Rainer Maria Rilke vor und führt mit Sigmund Freud bei einem Spaziergang im Hofgarten ein längeres Gespräch unter vier Augen. Möglicherweise ermutigt er sie dabei, sich als Psychotherapeutin zu versuchen.

1913: Lou Andreas-Salomé eröffnet in ihrem Wohnhaus in Göttingen eine psychotherapeutische Praxis.

Juli 1914: Rilke besucht Lou Andreas-Salomé in Göttingen.

Anfang 1915: Ihr Bruder Alexander stirbt.

März 1915: Lou Andreas-Salomé besucht Rilke in München.

1916: Hendrik Gillot stirbt.

1917: Die Wohnung der von Salomés in St. Petersburg wird von den Bolschewiken konfisziert und einem Knecht der Familie übergeben. Lous Bruder Robert von Salomé muss nun seinem früheren Knecht bei der Arbeit helfen, um weiter dort bleiben zu können.

21. Februar 1919: Kurt Eisner wird in München ermordet.

26. März 1919: Lou Andreas-Salomé besucht Rainer Maria Rilke in München. Sie bleibt zwei Monate lang. Die beiden sehen sich zum letzten Mal.

7. April 1919: Die Räterepublik wird in München ausgerufen.

Juli 1919: Viktor Tausk verübt Selbstmord.

9. November bis 20. Dezember 1921: Während eines Besuchs bei Sigmund Freud in Wien werden Lou Andreas-Salomé und seine 25-jährige Tochter Anna (1895 – 1982) Freundinnen.

31. Mai 1922: Anna Freud hält vor der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung einen Vortrag, den sie in Gesprächen mit Lou Andreas-Salomé erarbeitete.

13. Juni 1922: Lou Andreas-Salomé wird in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen.

25. bis 27. September 1922: Sie beteiligt sich am Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Berlin.

29. Dezember 1926: Rainer Maria Rilke stirbt.

1928: Marie Stephan stirbt.

Oktober 1928: Lou Andreas-Salomé trifft Sigmund und Anna Freud in Berlin.

Winter 1929/30: Als Lou Andreas-Salomé nach einer Operation am Fußgelenk sechs Wochen lang im Krankenhaus liegt, besucht Friedrich Carl Andreas sie häufig, und die beiden kommen sich wieder nah.

3. Oktober 1930: Der 84-Jährige stirbt.

Danach fühlt sich Lou Andreas-Salomé einsam.

Bei ihr im Haus wohnt Maria Apel, die uneheliche Tochter ihrer früheren Haushälterin, mit ihrem Ehemann, dem Kaminkehrer Robert Apel. Maria Apel versorgt Lou Andreas-Salomé den Haushalt und pflegt sie bei Bedarf.

April 1931: Lou Andreas-Salomé eröffnet mit ein paar Nutrias eine Pelztierzucht. (Allerdings wird sie es nicht fertigbringen, die Tiere zu töten.)

1931: Lou Andreas-Salomé lernt Ernst Pfeiffer (1893 – 1986) kennen.

Sommer 1933: Konrad von Salomé, der jüngste Sohn ihres Bruders Alexander, schlägt sich zu ihr nach Göttingen durch, und sie adoptiert ihren Neffen.

1933: Elisabeth Förster-Nietzsche schenkt Hitler einen Spazierstock ihres Bruders und behauptet, Lou Andreas-Salomé sei eine finnische Jüdin.

1933: Die zuckerkranke und nahezu erblindete Lou Andreas-Salomé freundet sich mit Ernst Pfeiffer an.

1934: Sie vertraut ihm ihren Nachlass an.

September 1934: Lou Andreas-Salomé adoptiert Maria Apel und setzt sie als Haupterbin ein.

Herbst 1935: Bei Lou Andreas-Salomé wird Brustkrebs diagnostiziert. Sie muss sich einer Operation unterziehen.

5. Februar 1937: Eine Woche vor ihrem 76. Geburtstag stirbt Lou Andreas-Salomé in ihrem Haus in Göttingen.

1951: Ernst Pfeiffer gibt unter dem Titel »Lebensrückblick« Lou Andreas-Salomés Autobiografie mit umfangreichen Anmerkungen heraus.

Lou Andreas-Salomé: Bibliografie (Auswahl)

  • Im Kampf um Gott (Roman, 1885)
  • Henrik Ibsens Frauengestalten, nach seinen sechs Familiendramen (Abhandlung, 1892)
  • Friedrich Nietzsche in seinen Werken (Monografie, 1894)
  • Ruth (Erzählung, 1895)
  • Aus fremder Seele. Eine Spätherbstgeschichte (1896)
  • Jesus der Jude (1895)
  • Fenitschka. Eine Ausschweifung (Erzählungen, 1898)
  • Menschenkinder (Novellensammlung, 1899)
  • Ma. Ein Portrait (Roman, 1901)
  • Im Zwischenland. Fünf Geschichten aus dem Seelenleben halbwüchsiger Mädchen (1902)
  • Die Erotik (Monografie, 1910)
  • Drei Briefe an einen Knaben (1917)
  • Das Haus. Familiengeschichte vom Ende des vorigen Jahrhunderts (1919)
  • Narzissmus als Doppelrichtung (1921)
  • Die Stunde ohne Gott und andere Kindergeschichten (1922)
  • Der Teufel und seine Großmutter (Traumspiel, 1922)
  • Rodinka. Eine russische Erinnerung (1923)
  • Rainer Maria Rilke. Buch des Gedenkens (1928)

Literatur über Lou Andreas-Salomé

  • Kerstin Decker: Lou Andreas-Salomé. Der bittersüße Funke Ich
    (Propyläen Verlag, Berlin 2010)
  • Linde Salber: Lou Andreas-Salomé (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1990)
  • Gunna Wendt: Lou Andreas-Salomé und Rilke – eine amour fou
    (Insel Verlag, Berlin 2011)
  • Michaela Wiesner-Bangard und Ursula Welsch: Lou Andreas-Salomé. „… wie ich dich liebe, Rätselleben“. Eine Bildbiografie (Reclam Verlag, Leipzig 2002)
  • Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts (Piper, München 2013)

Cordula Kablitz-Post drehte den Film „Lou Andreas-Salomé“ mit (je nach Lebensalter) Nicole Heesters, Katharina Lorenz, Liv Lisa Fries und Helena Pieske in der Titelrolle (Kinostart: 30. Juni 2016).

Originaltitel: Lou Andreas-Salomé – Regie: Cordula Kablitz-Post – Drehbuch: Cordula Kablitz-Post, Susanne Hertel – Kamera: Matthias Schellenberg – Schnitt: Beatrice Babin – Darsteller: Nicole Heesters, Katharina Lorenz, Liv Lisa Fries, Helena Pieske, Matthias Lier, Katharina Schüttler, Philipp Hauß, Alexander Scheer, Julius Feldmeier, Merab Ninidze, Peter Simonischek, Petra Morzé, Daniel Sträßer u.a. – 2016; 110 Minuten

© Dieter Wunderlich 2008 / 2012 / 2016

Kerstin Decker: Lou Andreas-Salomé. Der bittersüße Funke Ich

Ein litarisches Porträt von Lou Andreas-Salomé finden Sie in dem Buch
„Unerschrockene Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich (Piper-Taschenbuch, München 2013)

Imre Kertész - Detektivgeschichte
Trotz des Titels handelt es sich bei der Erzählung nicht um eine harmlose "Detektivgeschichte", sondern um eine intelligente, sarkastische, kammerspielartige Parabel auf ein Willkürregime, geschrieben aus der Perspektive eines Geheimpolizisten und Mitläufers.
Detektivgeschichte

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.