Manchester by the Sea
Manchester by the Sea
Inhaltsangabe
Kritik
Lee Chandler (Casey Affleck) verdient seinen Lebensunterhalt als Hausmeister in Quincy südöstlich von Boston. Er bezieht den Mindestlohn und haust in einem Kellerraum. Obwohl er sachlich mit den Mieterinnen und Mietern spricht und sich nicht lange bitten lässt, tropfende Wasserhähne und verstopfte Toiletten zu reparieren, beschweren sich einige über seinen Mangel an Gesprächigkeit, darunter auch eine Frau (Missy Yager), auf deren Verführungsversuche er nicht einging. An einem Abend provoziert Lee ohne erkennbaren Anlass zwei fremde Geschäftsleute (Lewis D. Wheeler, Anthony Estrella) an der Theke und fängt eine Prügelei an.
Ein Arzt des Beverly Hospitals ruft ihn an und teilt ihm mit, dass sein herzkranker Bruder Joe (Kyle Chandler) gestorben ist. Lee macht sich sofort auf den Weg nach Beverly und trifft im Krankenhaus George (C. J. Wilson), der mit ihm und Joe befreundet ist bzw. war. Nachdem er Abschied von dem Toten genommen hat, fährt er weiter nach Manchester-by-the-Sea, wo er aufwuchs und Joe bis zuletzt lebte. Dort holt er seinen 16-jährigen Neffen Patrick Chandler (Lucas Hedges) vom Hockey-Training ab und überbringt ihm die Nachricht vom Tod des Vaters. Lee quartiert sich für ein paar Tage im Haus der Chandlers ein und plant mit einem Bestatter (Chaunty Spillane) die Trauerfeier. Die Beerdigung kann erst im nächsten Frühjahr stattfinden, wenn der Boden aufgetaut ist.
Ein Rechtsanwalt (Josh Hamilton) teilt Lee mit, dass Joe ihn als Patricks Vormund bestimmt hat. Für seinen Umzug von Boston nach Manchester-by-the-Sea sind 5000 Dollar vorgesehen. Lee ist überrascht und entsetzt. Er will nicht in seiner Geburtsstadt leben und fühlt sich nicht in der Lage, die Verantwortung für einen Jugendlichen zu übernehmen.
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Entsetzliche Bilder drängen sich ihm in der Anwaltskanzlei auf. Er erinnert sich an einen Abend, den er mit einem halben Dutzend Freunden im Partykeller seines Hauses in Manchester-by-the-Sea verbrachte. Um 2 Uhr nachts beschwerte sich seine Frau Randi (Michelle Williams) über den Lärm und forderte ihn auf, die Gäste hinauszuwerfen. Nachdem er das getan hatte, legte sie sich wieder schlafen. Lee schaute noch nach dem Baby sowie den Töchtern Suzy (Chloe Dixon) und Karen (Ellie Teeves). Weil es im Haus kalt geworden war, zündete er den Kamin an. Obwohl er schon einiges getrunken hatte, war er noch zu aufgedreht, um zu schlafen. Er ging deshalb zum Supermarkt, um Bier zu kaufen. Als er zurückkam, stand das Haus in Flammen und die Feuerwehr bekämpfte das Feuer. Randi wurde ins Krankenhaus gebracht, aber die Kinder konnten nur noch tot aus dem Obergeschoss geborgen werden. Den Brand ausgelöst hatte ein Holzscheid, das nur deshalb auf den Boden gefallen war, weil Lee versäumt hatte, das Kamingitter wieder aufzustellen. Nach der Vernehmung bei der Polizei entriss er einem der Beamten die Dienstwaffe, um sich zu erschießen, aber die Pistole war gesichert und konnte ihm abgenommen werden.
Lee hat vor, Patrick mit nach Boston zu nehmen. Aber der Junge will Manchester-by-the-Sea nicht verlassen. Hier geht er zur Schule, gehört zum Hockey-Team und spielt in einer Band. Außerdem hat er zwei Freundinnen, die nichts voneinander wissen. Silvie (Kara Hayward) schläft mit ihm in seinem Bett. Falls ihre Eltern anrufen, soll Lee behaupten, sie habe im Gästezimmer übernachtet. Und wenn Patrick bei Sandy (Anna Baryshnikov) im Zimmer ist, soll deren Mutter Jill (Heather Burns) glauben, sie würden Mathematik üben.
Unerwartet meldet sich Patricks Mutter Elise (Gretchen Mol), die Joe und ihren Sohn vor langer Zeit verließ. Die alkoholkranke Frau hat augenscheinlich seit einiger Zeit nicht mehr getrunken und lebt wieder mit einem Mann zusammen. Als Patrick die beiden besucht, stellt er fest, dass Elise von Jeffrey Garner (Matthew Broderick) umsorgt, aber auch bevormundet wird.
Zufällig begegnen sich Lee und Randi auf der Straße. Sie schiebt einen Kinderwagen. Schon, als sie fragte, ob sie zur Trauerfeier kommen dürfe, teilte sie Lee mit, dass sie wieder schwanger sei. Schluchzend bittet sie ihn um Verzeihung für die Beschimpfungen nach dem verheerenden Feuer. Sie möchte wieder Kontakt zu ihm haben, aber er hält nichts davon und lässt sie schließlich stehen.
George hilft Patrick, das von Joe geerbte Boot instandzuhalten. Weil ein neuer Motor benötigt wird, will Lee das Boot zunächst loswerden, aber als er begreift, was es für Patrick bedeutet, schlägt er vor, eine kleine Waffensammlung Joes zu verkaufen, um den Motor bezahlen zu können.
George und seine Frau Janine (Jami Tennille) sind bereit, Patrick zu adoptieren. Lee kann nach Boston zurückkehren. Er sucht allerdings eine größere Wohnung, in der Patrick übernachten kann, wenn er zu Besuch kommt.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Nicht nur der aus der Bahn geworfene, still leidende Protagonist Lee Chandler, sondern auch Personen in seinem Umfeld werden durch den Tod seines Bruders veranlasst, sich noch einmal mit einem schrecklichen Ereignis in der Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Kenneth Lonergan erzählt die tragische Geschichte ruhig und bedächtig, unaufdringlich und ohne Effekthascherei. „Manchester by the Sea“ ist ein beinahe minimalistischer Film. Die Grundstimmung kann gar nicht anders als melancholisch sein, aber wir werden auch immer wieder durch Humor und Komik überrascht. In Rückblenden sehen wir Lee, Joe und dessen Sohn Patrick auf Joes Boot. Erst wenn Lee in der Anwaltskanzlei erfährt, dass er die Vormundschaft für seinen Neffen übernehmen soll, erfahren wir durch einen Flashback, was Lee traumatisiert hat.
Es ist die Alltäglichkeit, die Lonergan interessiert und die er in sorgsam komponierten Tableaus untersucht. Postkartenartig wirken die Häuser und Boote, akribisch kleinbürgerlich sind die Innenräume ausstaffiert, sodass das Setting manchmal fast wie eine Kulisse wirkt. Lonergan zeigt die Banalität des Lebens, die es selten auf die Leinwand schafft. Und oft sind es auch banale, kleine Missverständnisse, die den Humor dieses Films ausmachen. Oft lösen sie sich auf in scharfsinnigen Dialogen oder auch in beiläufig erzählten tragikomischen Ereignissen – etwa wenn es zwei Sanitätern partout nicht gelingen will, eine Trage in den Krankenwagen zu verfrachten. (Caspar Shaller, „Die Zeit“, 19. Januar 2017)
Die Grundidee soll von Matt Damon und John Krasinski stammen. Matt Damon wollte eigentlich auch selbst die Hauptrolle spielen, überließ sie dann jedoch seinem Jugendfreund Casey Affleck. Und die Regie vertraute er Kenneth Lonergan an, der ursprünglich nur für das Drehbuch vorgesehen war. Matt Damon beschränkte sich auf eine Mitwirkung bei der Produktion von „Manchester by the Sea“.
Die Dreharbeiten begannen am 23. März 2015 in Manchester-by-the-Sea im US-Bundesstaat Massachusetts.
Die Premiere von „Manchester by the Sea“ fand am 23. Januar 2016 beim Sundance Film Festival statt.
„Manchester by the Sea“ wurde mit zwei „Oscars“ ausgezeichnet. Kenneth Lonergan erhielt den Preis fürs Drehbuch, Casey Affleck für die Hauptrolle. Nominiert hatte man „Manchester by the Sea“ auch in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bester Nebendarsteller (Lucas Hedges) und Beste Nebendarstellerin (Michelle Williams).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Kenneth Lonergan: You Can Count on Me