You Can Count on Me

You Can Count on Me

You Can Count on Me

You Can Count on Me – Originaltitel: You Can Count on Me – Regie: Kenneth Lonergan – Drehbuch: Kenneth Lonergan – Kamera: Stephen Kazmierski – Schnitt: Anne McCabe – Musik:Lesley Barber – Darsteller: Laura Linney, Mark Ruffalo, Matthew Broderick, Rory Culkin, Jon Tenney, J. Smith-Cameron, Gaby Hoffmann, Amy Ryan, Michael Countryman, Adam LeFevre, Halley Feiffer, Whitney Vance, Peter Kerwin u.a. – 2000; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Samantha braucht Ordnung und Kontrolle. Damit ist sie das Gegenteil ihres Bruders Terry, der nie länger an einem Ort wohnt und keinen festen Job hat. Nach zwei Jahren besucht er erstmals wieder seine Schwester und seinen achtjährigen Neffen Rudy. Den nimmt er schon mal heimlich mit in eine Kneipe, aber bei genauerem Hinsehen widerlegt er mit seinem Verhalten das Vorurteil vom verantwortungslosen Herum­treiber. Dass auch Samanthas Leben nicht nur in geordneten Bahnen verläuft, zeigt ihre neue Affäre ...
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Kritik

"You Can Count On Me" ist ein leises, tragikomisches, von Dialogen und schauspielerischen Leistungen getragenes Familiendrama. Kenneth Lonergan gibt nicht vor, Lösungen für die gezeigten Probleme zu kennen.
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Sheriff Darryl (Adam LeFevre) klopft bei Familie Prescott in Scottsville/New York. Die Tür wird von Amy (Halley Feiffer) geöffnet, einem jungen Mädchen, das auf die beiden kleinen Kinder Samantha (Whitney Vance) und Terry (Peter Kerwin) aufpasst. Darryl überbringt die Nachricht vom Tod der Eltern der Kinder: Thomas Gerard und Rachel Louise (Michael Countryman, Amy Ryan) mussten mit ihrem Auto einem anderen Wagen ausweichen und prallten dabei in einen entgegenkommenden Lastwagen.

Wenn wir Samantha Prescott (jetzt: Laura Linney) wiedersehen, arbeitet sie seit sieben Jahren als Kreditberaterin in Scottsville und wohnt als allein erziehende Mutter mit ihrem achtjährigen Sohn Rudy (Rory Culkin) im Elternhaus. Nachdem sie ein halbes Jahr lang nichts mehr von ihrem jüngeren Bruder Terry (jetzt: Mark Ruffalo) gehört hat, kündigt ein Brief von ihm seinen Besuch an.

Während Terry in Wooster/Ohio seine Sachen packt, bittet er seine Lebensgefährtin Sheila (Gaby Hoffmann) um Geld für den Überlandbus und rät ihr beim Abschied, zu ihren Eltern zurückzukehren.

Rudy hat seinen Onkel Terry zuletzt vor zwei Jahren gesehen. Samantha freut sich auf ihren Bruder, wirft ihm aber kurz nach seiner Ankunft vor, sich nicht gemeldet zu haben. Sie weiß von seinem längeren Aufenthalt in Alaska, aber dann ließ er nichts mehr von sich hören. Auf Terrys Geständnis, wegen einer Prügelei eine dreimonatige Haftstrafe in Florida verbüßt zu haben, reagiert sie entsetzt. Und als er sie um Geld bittet, unterstellt sie ihm, nur aus diesem Grund gekommen zu sein. Am Abend ruft Terry in Wooster an und erfährt, dass Sheila versuchte, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin steckt er die Banknoten, die er von seiner Schwester bekam, in ein Kuvert und adressiert es an Sheila.

Rudy weiß nichts von seinem Vater. Er stellt sich einen Held vor, aber Terry behauptet, es sei ein Mistkerl. Allmählich entwickelt Terry sich für Rudy zum Vaterersatz. Er zeigt dem Jungen, wie man Nägel einschlägt und lässt sich von ihm dabei helfen, eine durchgerostete Leitung im Elternhaus zu reparieren. Als Samantha allerdings an der Baustelle stolpert und sich am Knie verletzt, ruft sie gegen den Willen ihres Bruders einen Klempner (Richard Hummer). Während sie einen Abend mit ihrem Freund Bob Steegerson (Jon Tenney) verbringt, hält Terry sich an die Vorgabe, Rudy nicht zu lange vor dem Fernsehgerät sitzen zu lassen – und geht mit ihm zum Billardspielen in eine Kneipe. Das ist nicht verboten, aber Terry schärft seinem Neffen ein, Samantha nichts davon zu sagen. (Sie erfährt es dann von Darryl.)

Dass Bob ihr einen Heiratsantrag macht, bringt Samantha durcheinander. Statt sofort ja oder nein zu sagen, verspricht sie, darüber nachzudenken.

In der Bank hat sie seit einiger Zeit einen neuen Chef. Brian Everett (Matthew Broderick) ist ebenso ehrgeizig wie pedantisch und pocht noch stärker auf die Einhaltung von Regeln als Samantha. Es dauert nicht lang, bis sie in Streit geraten. Am Abend danach sind sie noch als Letzte in der Bank. Sie versöhnen sich, gehen miteinander essen – und im Auto fällt der sonst so korrekte Filialleiter über die Angestellte her, obwohl er verheiratet ist und mit seiner Frau Nancy (Nina Garbiras) ein Kind erwartet. Es ist der Beginn einer Affäre, die jeder Vernunft widerspricht.

Samantha möchte ihrem Bruder dabei helfen, sein Leben in den Griff zu bekommen. Sie wendet sich deshalb an den Geistlichen ihrer Kirchengemeinde. Ron (Kenneth Lonergan), so heißt er, kommt daraufhin zu einem Gespräch zu ihr und ihrem Bruder ins Haus. Terry, der im Gegensatz zu seiner Schwester den Glauben verloren hat, findet es nicht besonders ermutigend, dass Samantha ihm nicht zutraut, sein Leben selbst in Ordnung zu bringen. Dennoch gibt er sich Mühe, auf den Pfarrer einzugehen.

An einem der nächsten Tage sucht Samantha den Rat des Geistlichen in eigener Sache. Sie beichtet ihm, Sex mit einem verheirateten Mann zu haben und erwartet, dass der Pfarrer ihr wegen des Ehebruchs mit ewiger Verdammnis droht. Das würde ihr vielleicht die Kraft geben, wieder für Ordnung in ihrem Leben zu sorgen. Aber Ron zeigt Verständnis für ihre sexuellen Bedürfnisse und hält nichts von der Anprangerung von Todsünden.

Samantha lehnt Bobs Heiratsantrag ab und beendet gleichzeitig die Affäre mit Brian.

Beim Angeln schlägt Terry seinem Neffen vor, dessen Vater zu suchen. Zuletzt habe Rudy Kolinski (Josh Lucas) in Auburn/New York gewohnt, sagt er. Das sei nicht weit weg. Dort finden sie ihn auch im Telefonbuch. Bei der Adresse handelt es sich um eine Hütte in einer verwahrlosten Gegend. Rudy Kolinski will die beiden unerwarteten Besucher allerdings nicht im Haus haben und beginnt sofort Streit mit Terry. Die Auseinandersetzung eskaliert in einer Prügelei. Vergeblich versucht Rudy Kolinskis Lebensgefährtin (Kim Parker), die beiden Männer zu trennen. Nachbarn rufen die Polizei. Vor den Augen seines Neffen wird Terry in Handschellen abgeführt.

Am Abend sucht Samantha nach ihrem Sohn und ihrem Bruder. In ihrer Verzweiflung ruft sie Bob um Hilfe, und er erweist sich trotz der Ablehnung seines Heiratsantrags als verlässlicher Freund. Als sie am nächsten Morgen endlich erfährt, wo die beiden Vermissten sind, bringt Bob sie mit dem Wagen hin.

Weil Samantha wegen der Fahrt nach Auburn nicht ins Büro kommt, ruft Brian mehrmals bei ihr zu Hause an. Endlich erreicht er sie und stellt sie wegen des unentschuldigten Fehlens aufgebracht zur Rede. Sie legt auf. Als sie dann in die Bank kommt, will Brian sie feuern, aber sie droht damit, die Affäre publik zu machen und erreicht mit dieser Erpressung, dass er klein beigibt.

Ihren Bruder fordert Samantha auf, seinen Besuch zu beenden. Er sei für Rudy ein schlechtes Vorbild und wisse nicht, wie man verantwortungsvoll mit Kindern umgeht, meint sie. Sie bietet ihm an, seinen Anteil an dem geerbten Haus zu übernehmen und ihm dafür monatlich einen bestimmten Betrag zu bezahlen. Das Geld interessiert Terry nicht. Und er zieht sofort zu einem Bekannten namens Ray.

Am Telefon überredet Samantha ihn, am Morgen vor seiner Abreise noch einmal vorbeizuschauen. Terry verspätet sich zwar, trifft aber gerade noch rechtzeitig ein, um sich von Rudy verabschieden zu können, bevor der Schulbus hält. Samantha wartet dann mit ihrem Bruder zusammen auf den Überlandbus. Dass sie dadurch zu spät in die Bank kommen wird, kümmert sie nicht.

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Samantha stellt Regeln auf und beachtet sie, denn sie braucht Ordnung, Kontrolle und Vorhersehbarkeit. Damit ist sie das genaue Gegenteil ihres jüngeren Bruders Terry. Während sie in der Heimatstadt geblieben ist, wohnt er nie länger an einem Ort und hat keinen festen Job. Seine Spontaneität und sein Temperament bringen ihn mitunter in Schwierigkeiten, beispielsweise wenn er sich zu einer Prügelei provozieren lässt und von der Polizei festgenommen wird. Als er seine Schwester und seinen Neffen besucht, gerät deren Leben durcheinander, aber Terry hat das Herz am rechten Fleck und widerlegt bei genauerem Hinsehen mit seinem Verhalten das Vorurteil vom verantwortungslosen Herumtreiber. Zugleich zeigen sich auch Risse in Samanthas Fassade. Gewiss ist sie ein Vorbild in Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, aber sie lässt sich auch einmal von Terry überreden, vor dem Haus mit ihm einen Joint zu rauchen. Dass ihr Leben nicht nur in geordneten Bahnen verläuft, zeigen die Trennung von Rudys Vater und vor allem die Affäre mit ihrem verheirateten Chef.

„You Can Count On Me“ ist ein leises, tragikomisches Familiendrama von Kenneth Lonergan. (Nur die Musik ist an einigen Stellen zu aufdringlich.) Die Handlung spielt unter „normalen“ Menschen ohne Glamour im Alltag einer Kleinstadt. Ebenso unprätentiös und unaufdringlich ist die Inszenierung. Kenneth Lonergan gibt nicht vor, Lösungen für die gezeigten Probleme zu kennen, und „You Can Count On Me“ wirft mehr Fragen auf als Antworten zu geben. Getragen wird der Film nicht zuletzt von ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen, auf die es auch wegen der Dialoglastigkeit besonders ankommt.

[Kenneth Lonergan] arbeitet mit bestechender erzählerischer Ökonomie, er setzt lieber auf die Intelligenz des Zuschauers als auf lange Erklärungen, und er bewegt sich mit seiner Geschichte nicht auf ein Ende zu, das eine sichere Lösung bereithält. Er bietet weder wohlfeile Beruhigung noch abschließende Resignation, sondern er beschränkt sich auf die präzise Betrachtung eines Zeitabschnitts und lässt alle weiteren Möglichkeiten offen.
(Doris Kuhn, Süddeutsche Zeitung, 19. April 2001)

Die Dreharbeiten fanden in New York City, in Margaretville und in Phoenicia/New York statt.

„You Can Count On Me“ wurde in zwei Kategorien für einen „Oscar“ nominiert: Bestes Originaldrehbuch (Kenneth Lonergan) und Beste Hauptdarstellerin (Laura Linney).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

Kenneth Lonergan: Manchester by the Sea

Sinclair Lewis - Babbitt
In seinem satirischen Roman "Babbitt" geißelt Sinclair Lewis die Intoleranz und Engstirnigkeit des amerikanischen Bürgertums in der Provinz, die Heuchelei, selbstgefällige Bigotterie und das alles beherrschende Gewinnstreben dieser Spießer.
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