Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels - Originaltitel: The Discovery of Heaven / De ontdekking van de hemel - Regie: Jeroen Krabbé - Drehbuch: Edwin de Vries, nach dem Roman "Die Entdeckung des Himmels" von Harry Mulisch - Kamera: Theo Bierkens - Schnitt: Nigel Galt und Kant Pan - Musik: Henny Vrienten - Darsteller: Stephen Fry, Greg Wise, Flora Montgomery, Neil Newbon, Diana Quick, Inday Ba, Dimitris Philippou, Sean Harris, Emma Fielding, Gillian Barge, John Franklyn-Robbins, Harry Landis, Ellen Vogel, Viv Weatherall, Maureen Lipman, Jeroen Krabbé u.a. - 2001; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Weil sich kaum noch jemand an die Zehn Gebote hält, kündigt Gott den mit Moses geschlossenen Bund auf und will, dass die längst vergessenen Gesetzestafeln als Testimonium beseitigt werden. Damit der menschliche Vollstrecker des göttlichen Willens gezeugt wird, führt ein Engel scheinbar zufällig drei sehr verschiedene Menschen zusammen ...
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Kritik

Bei der von Jeroen Krabbé inszenierten Verfilmung des Romans "Die Entdeckung des Himmels" von Harry Mulisch handelt es sich um eine gelungene, unterhaltsame Adaptation voller Esprit.
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Prolog

Weil sich kaum noch jemand an die Zehn Gebote hält, kündigt Gott den Bund mit der Menschheit auf und ordnet die Beseitigung des Testimoniums an: Die von Moses beschriebenen, inzwischen längst vergessenen Gesetzestafeln sollen zerstört werden. Da der freie Wille der Menschen eine direkte Lenkung ausschließt und zudem niemand den Aufbewahrungsort der beiden Steintafeln mit den Zehn Geboten kennt oder etwas von ihrer Existenz ahnt, muss für genau die richtigen Erbeigenschaften eines Neugeborenen gesorgt werden, damit daraus der Vollstrecker des göttlichen Willens hervorgeht. Ein Engel (Viv Weatherall) erhält 1914 entsprechende Anweisungen. Als seine Chefin (Maureen Lipman) am 13. August 1967 feststellt, dass er mit dem Vorhaben noch nicht weit gekommen ist, setzt sie ihm ungehalten eine letzte Frist von 17 Jahren.

Der Anfang vom Anfang

Der Niederländer Max Delius (Greg Wise) leidet unter der Vorstellung, dass seine jüdische Mutter auf Initiative seines deutschen Vaters nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Der durch das Trauma zum ruhelosen Frauenverführer gewordene geniale, gründliche und pedantische Astrophysiker arbeitet in Amsterdam-Westerbork. Er wolle den Himmel entdecken, sagt er.

Anfang 1967 nimmt Max in Den Haag einen Anhalter mit: Onno Quist (Stephen Fry). Der chaotische, steinreiche Snobist, Sohn des früheren niederländischen Regierungschefs Hendrikus Quist (John Franklyn-Robbins), ist ein autodidaktisches Sprachgenie, hat etruskische Texte entziffert und beschäftigt sich zur Zeit mit dem Diskus von Phaistos. Onno wurde am 6. November 1933 geboren, Max am 27. November 1933, weil Onno jedoch drei Wochen zu früh auf die Welt kam, müssen sie beide am selben Tag gezeugt worden sein, und zwar am 27. Februar 1933, als der Reichstag in Berlin brannte (Reichstagsbrand). Sie werden enge Freunde.

Max beginnt mit der Cellistin Ada Brons (Flora Montgomery), die er im März 1967 in einer Buchhandlung kennen lernt, ein Liebesverhältnis, und nachdem er von einer Reise nach Auschwitz zurückkommt, möchte er mit Ada ein Enkelkind für seine tote Mutter zeugen. Während seiner Abwesenheit sind jedoch Ada und Onno ein Paar geworden.

Statt sich als Rivalen zu bekämpfen, halten Max und Onno ihre Freundschaft aufrecht. Sie begleiten Ada auf einer Konzertreise nach Kuba. Spaßeshalber gibt Onno sich bei der Einreise als Kommunist aus und wird deshalb zusammen mit Max zu einem Kongress der Regierungspartei eingeladen. Am Tag vor der Rückreise lässt Onno sich von der lasziven Kubanerin María (Inday Ba) verführen. Ada und Max treiben es währenddressen im warmen Meer. Als Onno ins Hotel zurückkommt, schläft Ada auch mit ihm. In Amsterdam stellt Ada fest, dass sie schwanger ist. Max drängt sie zur Abtreibung, weil das Kind ihm ähnlich sehen und seine Freundschaft mit Onno zerstören könnte, aber Onno freut sich über das Kind, von dem er annimmt, dass es seines ist, und er heiratet Ada, die nicht weiß, welcher der beiden Freunde der Vater ist.

Das Ende vom Anfang

Einige Zeit später erleidet Adas Vater (Rob van de Meeberg) in Leiden einen Herzinfarkt. Max will Ada und Onno trotz eines gerade tobenden Unwetters sofort hinfahren. Als er wegen eines über die Straße gestürzten Baumes eine Vollbremsung macht, rutscht er in die Böschung. Die beiden Männer versuchen, das Auto zurückzuschieben. Da kracht ein durch den Sturm entwurzelter Baum auf das Auto, in dem die schwangere Frau sitzt. Im Krankenhaus glauben die Ärzte nicht, dass Ada jemals wieder aus dem Koma erwachen wird, aber dem Embryo fehlt nichts.

Max überbringt Adas Mutter Sophia (Diana Quick), die gerade vom Tod ihres Mannes erfahren hat, die schlimme Nachricht. Wegen des schlechten Wetters übernachtet er bei ihr. In ihrer Verzweiflung klammert Sophia sich an ihn und schläft mit ihm.

Das am 30. Mai 1968 durch einen Kaiserschnitt auf die Welt gebrachte engelsgleiches Kind erhält von Onno den Namen Quinten – nach dem Akkord mit der perfekten Harmonie.

Der Anfang vom Ende

Während Onno in Amsterdam eine Politikerkarriere beginnt und wieder mit Helga Hartman (Emma Fielding) zusammenkommt, die ihn 1967 verlassen hatte, ziehen Max und Sophia ins Schloss Groot Rechteren und nehmen Quinten zu sich.

Schon als Zwölfjähriger ist Quinten (Neil Newbon) überzeugt, eine besondere Aufgabe erfüllen zu müssen, und er betrachtet immer wieder einen Kupferstich von Giovanni Battista Piranesi (1720 – 1778) mit dem Titel „Piazza di S. Giovanni in Laterano“

Onnos vielversprechende Karriere – er wird für das Amt des Verteidigungsministers vorgeschlagen – endet 1981 abrupt, als Fotos auftauchen, die seine Teilnahme an einem kommunistischen Kongress auf Kuba im Jahr 1967 beweisen. Zur gleichen Zeit wird Helga von einem Autodieb (Daniël Boissevain) die Kehle durchgeschnitten. Quinten sah die Bluttat voraus, kam aber nicht mehr rechtzeitig hin, um Helga zu retten.

Ebenso vergeblich versucht er Max vor einem Unglück zu warnen: Gerade als der Astronom den Himmel entdeckt hat, wird er von einem Meteoriten erschlagen.

Das Ende vom Ende

Zwei Wochen vor seinem 17. Geburtstag reist Quinten nach Rom – und wird dort von Onno im Pantheon entdeckt. Onno war nach seinem politischen Absturz und der Ermordung Helgas aus Holland verschwunden. Er lebt seit einiger Zeit etwas verwahrlost in Rom und ist seit einem Schlaganfall auf einen Gehstock angewiesen.

Quinten, der von Max und Sophia agnostisch erzogen wurde, besichtigt mit Onno die Stadt und erfährt dabei auch einiges über die Bibel, den jüdischen und den christlichen Glauben. Beispielsweise erzählt Onno in der Kirche San Pietro in Vincoli vor der berühmten Statue Michelangelos von Moses und den Zehn Geboten. Die Bundeslade mit den beiden schätzungsweise 48 mal 16 Zentimeter großen Gesetzestafeln, erfährt Quinten, stand im Allerheiligsten des jüdischen Tempels in Jerusalem. Als Nebukadnezar diesen ersten Tempel 597 vor Christus zerstörte, gingen die Bundeslade und ihr Inhalt verloren. Im Lateran erläutert Onno, dass Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, einer mittelalterlichen Legende zufolge die Scala Sancta, die Heilige Treppe, im 14. Jahrhundert aus Jerusalem hierher hatte bringen lassen. Es soll sich um die achtundzwanzig Marmorstufen aus dem Palast des römischen Statthalters Pilatus handeln, über die der dornengekrönte Jesus hinaufgeführt worden war. Als Papst Sixtus V. (1585 – 1590) den Lateran-Palast abreißen und neu errichten ließ, blieb nur die päpstliche Kapelle – das Sancta Sanctorium, das Allerheiligste – stehen. Ohne weitere Details zu kennen, ist Quinten überzeugt, dass in der Kapelle die verschollenen Tafeln mit den Zehn Geboten zu finden sind und es seine Aufgabe ist, sie von dort wegzuschaffen.

Am Abend vor seinem 17. Geburtstag lässt Quinten sich mit Onno im Lateran einschließen. Mit dem eigens besorgten Werkzeug gelingt es ihm, die Schlösser des Allerheiligsten eines nach dem anderen zu öffnen. Das Innere scheint leer zu sein, aber er findet die beiden unter den Schrein geschobenen Steinplatten. Im Morgengrauen nehmen Onno und Quinten im Flughafen Leonardo da Vinci die erste Maschine. Sie fliegt nach Karachi, aber die beiden steigen bei einer Zwischenlandung in Tel Aviv aus.

Quinten weiß selbst nicht, was er in Israel vorhat, aber er ist zuversichtlich, dass alles von selbst in Ordnung kommen wird. In Jerusalem deponieren sie den Koffer mit den Gesetzestafeln im Hotelsafe und amüsieren sich, weil der Besitzer nicht ahnen kann, dass sein Tresor vorübergehend in die Bundeslade verwandelt wurde.

In einer Fernsehübertragung aus Rom sehen sie, dass man inzwischen hinter den Gittern des Allerheiligsten den von Onno dort vergessenen Gehstock entdeckte. Ein Wunder! Man hält den Gehstock für den Stab, mit dem Moses Wasser aus dem Felsen geschlagen hatte. Von überall her machen sich Pilger auf den Weg nach Rom. Alle Flüge sind ausgebucht.

Auf dem Tempelberg besichtigen Onno und Quinten auch Al-Aqsa. Dabei, so erklärt ihnen der Führer Ibrahim (Harry Landis), handelt es sich nicht um eine Moschee, sondern um einen im 7. Jahrhundert von Kalif Abd al-Malik errichten Schrein für den mannshohen Felsen in der Mitte, den die Juden für den Grundstein des Weltgebäudes halten. Quinten begreift: Hier stand einst die Bundeslade, und später lagen die Tafeln auf dem Felsen.

In einem Straßencafé schlägt Onno entnervt vor, die Steintafeln mit den Zehn Geboten in ein Jerusalemer Museum zu bringen. Da fällt ihm am Nebentisch eine ältere Israeli (Ellen Vogel) auf, die am Arm eine Tätowierung mit einer Nummer hat. Ihre leuchtend blauen Augen erinnern Onno sowohl an Quinten als auch an Max. Handelt es sich um die Mutter von Max? Hatte sie Auschwitz überlebt? Und war Max Quintens Vater?

Zurück im Hotel, sieht Quinten Onnos Tod voraus. Um ihn zu retten, folgt er seiner Bestimmung: Niemand ertappt ihn, als er das Schloss des Hotelsafes mit der spontan erratenen Kombination J, H, W, H öffnet, die beiden Platten herausnimmt und damit von einem Raben geleitet zum Tempelberg geht. Mit einem Pferd reitet er in das aus Al-Aqsa strömende Licht. Dort lässt er die Steintafeln auf den Felsen fallen. Sie zersplittern. Die Buchstaben des Dekalogs lösen sich und umtanzen Quinten, während er zum Himmel auffährt.

Als Onno nach Quinten sieht, ist die Türkette von innen eingehängt. Er muss also im Zimmer sein, aber er meldet sich nicht. Beunruhigt drückt Onno die Tür mit Gewalt ein. Das Zimmer ist leer. Einer Ahnung nachgebend, lässt Onno sich den Koffer aus dem Safe geben. Die Steintafeln sind weg!

Der Erzengel Gabriel (Jeroen Krabbé) kündigt seinen Abschlussbericht über das Projekt an und verlangt Onnos Tod, damit es keinen Zeugen der Ereignisse in Rom und Jerusalem gibt. Der Engel, der den göttlichen Befehl ausführte, protestiert und stellt sich gegen den erbarmungslosen Himmel: Er will als Mensch auf die Erde und versuchen, Onno und die Menschheit zu retten.

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Der Schauspieler Jeroen Krabbé (*1944), der 1998 mit „Kalmans Geheimnis“ als Regisseur debütiert hatte, verfilmte als Zweites den 1992 von Harry Mulisch veröffentlichten Roman „Die Entdeckung des Himmels“.

Die meisten Kritiker verrissen die Kino-Adaptation, aber diese Ablehnung teile ich nicht. Selbstverständlich lassen sich die Gedanken der Figuren auf der Leinwand ebenso wenig wiedergeben wie die historischen, philosophischen, kabbalistischen und literarischen Anspielungen des Schriftstellers, aber Edwin de Vries (Drehbuch) und Jeroen Krabbé (Regie) ist es m. E. gelungen, Witz und Esprit, Ernst und Ironie des Romans in den Film zu übertragen. Bei der Handlung haben sie sich eng an die literarische Vorlage gehalten. Den Himmel, der im Roman nur der Ort von Dialogen ist, aber von Harry Mulisch nicht weiter beschrieben wird, sehen wir im Film als düsteres, labyrinthartiges Gemäuer, das an die Kerker-Gemälde von Giovanni Battista Piranesi und die unendlichen Treppenfluchten von M. C. Escher erinnert und von schwarz gekleideten, übellaunigen Engeln ohne Flügel bevölkert wird, die eine strenge hierarchische Ordnung zu beachten haben. „Menschen interessieren mich nicht“, schimpft der von Jeroen Krabbé selbst gespielte Erzengel Gabriel bezeichnenderweise. Die ästhetischen Einstellungen (Kamera: Theo Bierkens) sind prägnant, und für viele davon haben sich die Filmemacher ein originelles Detail einfallen lassen, das die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesselt. Einige der Schnitte bzw. Überblendungen (Nigel Galt, Kant Pan) schaffen verblüffende Zusammenhänge. Die ersten eineinhalb Stunden sind turbulent und unterhaltsam; erst beim „Ende vom Ende“ verlangsamt sich das Tempo und die Atmosphäre wird pathetisch – aber das ist auch im Roman so.

Fazit: Bei dem von Jeroen Krabbé inszenierten Film „Die Entdeckung des Himmels“ handelt es sich um eine gelungene, unterhaltsame Literaturadaptation voller Esprit.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Harry Mulisch: Die Entdeckung des Himmels

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