Franz Kafka : Das Schloss

Das Schloss
Manuskript: 1922 Erstausgabe durch Max Brod 1926 © Schocken Verlag Berlin 1935 / New York 1946 © S. Fischer Verlag 1982 Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt/M 2006 ISBN 3-518-45825-6
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

K. trifft in einem verschneiten Dorf ein, um dort eine Anstellung und eine Wohnung zu suchen. Vergeblich bemüht er sich immer wieder, Kontakt mit der Schlossverwaltung aufzunehmen, zu der das Dorf gehört. Ebenso scheitert sein Versuch, in der Gemeinde Fuß zu fassen.
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Kritik

Das Dorf liegt im Machtbereich eines Schlosses, dessen überperfektionierter Verwaltungs- und Überwachungsapparat scheinbar ins papierene Chaos abzugleiten droht. Für K. sind Einzelheiten durchaus greifbar, aber das Übergeordnete bleibt unfassbar für ihn.
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K. trifft in einem verschneiten Dorf ein, um dort eine Anstellung und eine Wohnung zu suchen. Er übernachtet im Brückengasthof. Gleich nachdem er eingeschlafen ist, weckt ihn der Sohn des Kastellans aus dem nahe gelegenen Schloss, fragt nach seiner Aufenthaltsgenehmigung und überprüft die Angabe, er sei der neue Landvermesser, durch ein Telefongespräch mit der Schlossverwaltung. Am nächsten Tag überbringt der Bote Barnabas einen Brief des Kanzleivorstehers Klamm, der K.’s Anstellung als Landvermesser bestätigt. Man teilt ihm die beiden Gehilfen Artur und Jeremias zu, die angeblich schon früher für ihn arbeiteten – doch Gehilfen hat K. noch nie gehabt.

Die Beamten der Schlossverwaltung verkehren nicht beim Brückenhof-Wirt, sondern im Gasthof Herrenhof. Dort lernt K. die Schenkkellnerin Frieda kennen, die sich dem Fremden in den Bierlachen hinter dem Tresen hingibt, obwohl sie Klamms Geliebte ist. Danach beabsichtigen K. und Frieda zu heiraten. Man tuschelt, K. habe sich an Frieda nur herangemacht, weil er damit rechne, aufgrund ihrer Fürsprache einmal mit Klamm sprechen zu dürfen.

Obwohl es für einen Landvermesser nichts zu tun gibt, lässt Klamm K. ausrichten, man sei mit seiner Arbeit sehr zufrieden. Der Dorfvorsteher erklärt K., dass dessen Berufung auf einen Irrtum vor einigen Jahren zurückgehe. Notgedrungen nimmt K. die Stelle eines Schuldieners an und zieht mit Frieda ins Schulgebäude. Die lästigen Gehilfen Artur und Jeremias versucht er zu verscheuchen.

Bei einem Besuch im Haus von Barnabas führt K. endlose Gespräche mit dessen beiden Schwestern Olga und Amalia. Amalia zerriss vor einiger Zeit den Brief eines Schlossbeamten, weil sie sich über dessen unsittlichen Vorschläge entrüstete. Eine Sanktion der Behörde blieb zwar aus, doch wird Barnabas‘ Familie seither von allen gemieden. Der Aufforderung eines Beamten widersetzt man sich nicht! Angst, Willfährigkeit gegenüber dem Schloss und gegenseitiges Misstrauen prägen das Leben im Dorf.

Frieda argwöhnt, dass K. sie mit Olga oder Amalia betrügt. Deshalb verlässt sie ihn. Fast zur gleichen Zeit erhält K. eine Aufforderung aus dem Schloss, sein den Kanzleivorsteher Klamm möglicherweise irritierendes Verhältnis mit Frieda zu beenden.

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Ende Januar 1922 reiste Franz Kafka zur Erholung nach Spindelmühle im Riesengebirge und quartierte sich für drei Wochen im Hotel „Krone“ in Friedrichstal ein. Dort schrieb er die Szene, in der K. in einem verschneiten Dorf eintrifft, die zum Beginn einer „Schlossgeschichte“ wurde.

Das Dorf – in dem energische Frauen den Ton angeben – liegt im Machtbereich eines Schlosses, dessen überperfektionierter und ausschließlich von Männern besetzter Verwaltungs- und Überwachungsapparat scheinbar ins papierene Chaos abzugleiten droht. Für K. sind Einzelheiten durchaus greifbar, aber das Übergeordnete bleibt unfassbar für ihn (und absurd für die Leser). Die Dorfbewohner stellen nicht viele Fragen und finden sich in dieser Welt offenbar gut zurecht, aber der Fremde verliert die Orientierung. Indem er gegen ihm unbekannte Regeln verstößt, brüskiert er ungewollt die Dorfbewohner. Diese wundern sich über seine in ihren Augen naiven und vergeblichen Versuche, zum Schloss vorzudringen, Beamte auf sich aufmerksam zu machen oder auch nur durch die Vermittlung subalterner Bediensteter endlich eine Existenzgründung genehmigt zu bekommen.

Über welche Machtmittel das „Schloss“ (oder das Gericht in „Der Prozess“) verfügen, erfahren wir nicht. Offenbar beanspruchen die Beamten feudale Rechte, besonders gegenüber den Frauen. Was haben sie zu tun? Es scheint so bedeutsam und zeitraubend zu sein, dass sie sich nicht um K.’s Angelegenheit kümmern können. Vermutlich wäre es falsch, die beiden Romane als Satiren auf die Justiz und Behördenapparate aufzufassen: Franz Kafka zielt nicht auf konkrete Institutionen. Josef K. durchschaut nicht die Gesetze, nach denen das Gericht über ihn urteilt; K. versteht nicht, wie das Dorf vom Schloss aus regiert wird – aber sie richten sich beide nach der anonymen, unnahbaren Autorität, der sie hilflos ausgeliefert sind.

Michael Haneke verfilmte „Das Schloss“ 1997.

Nach Motiven aus „Der Prozess“ und „Das Schloss“ und einem Drehbuch von Lem Dobbs drehte Steven Soderbergh 1992 eine fiktive Filmbiografie über einen Prager Versicherungsangestellten (Jeremey Irons), dessen Freund ermordet wird: „Kafka“.

Ulrich Matthes ist der Sprecher einer Hörbuch-Fassung des Romans „Das Schloss“ (Deutsche Grammophon, Berlin 2008, 10 CDs, 13 Std 20 Min).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2008

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Die satirische Erzählung "1912 + 1" ist in das politische Geschehen unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg eingebettet und nach Leonardo Sciascias eigenen Worten "vollgestopft mit Zitaten, Verweisen und Anspielungen" (Seite 87).
1912 + 1