Franziska zu Reventlow
Die aus Husum stammende »Schwabinger Gräfin« missachtete gesellschaftliche Konventionen, gab sich als Bohemien, ließ sich auf zahlreiche Liebesaffären ein und war glücklich, einen Sohn zu haben, obwohl unverheiratete Mütter und deren Kinder geächtet wurden.
Tabellarische Biografie: Franziska zu Reventlow
Franziska Reventlow:
»Ich will überhaupt lauter Unmögliches«
Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
Piper Verlag, München 2009 (3. Auflage: 2011)
Im Januar 1897 bestätigte eine medizinische Untersuchung ihre Vermutung, erneut schwanger zu sein. Obwohl eine uneheliche Geburt damals als Skandal galt und unverheiratete Mütter ebenso wie ihre Kinder gesellschaftlich geächtet
wurden – weshalb die Familien ein Neugeborenes in der Regel sofort zur Adoption freigaben – freute sich Franziska auf das Kind, das sie allein erziehen wollte. Wer der Vater war, verriet sie nie, und es wäre ihr auch nicht recht gewesen, wenn er sich um das Kind gekümmert hätte. Ihr Motto lautete zeitlebens: »Ich will überhaupt lauter Unmögliches, aber lieber will ich das wollen, als mich im Möglichen schön zurechtlegen.«
Während der Schwangerschaft musste sie den Scheidungsprozess durchstehen. Weil dabei auch zur Sprache kam, dass sie bei der Hochzeit schwanger gewesen war, wurde wegen des Verdachts einer strafbaren Abtreibung vorübergehend gegen sie ermittelt. Am 14. April 1897 erfolgte die Scheidung. Franziska Gräfin zu Reventlow musste die Kosten übernehmen, denn das Gericht befand sie des mehrfachen Ehebruchs für schuldig.
Da sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, floh sie Ostern vor dem Vermieter an den Bodensee. Begleitet wurde sie dabei von dem mit ihr befreundeten Studenten Rainer Maria Rilke. Anfang Mai kehrte sie nach Schwabing zurück. Obwohl sie Tag und Nacht übersetzte, musste sie sogar ihr Bettzeug ins Leihhaus bringen.
Ihre Stimmungslage wechselte zwischen der Freude auf das Kind und Depressionen. »Die Nächte sind fürchterlich«, schrieb sie am 3. Juli in ihr Tagebuch, »Angst, Selbstmordgedanken.«
Am 1. September 1897 wurde Franziska zu Reventlow von einem Sohn entbunden, den sie Rolf nannte. Sie machte sich nichts aus dem Getuschel der Leute, war glücklich, ein Kind zu haben, ließ sich durch die Mutterpflichten jedoch nicht davon abhalten, weiterhin an Bällen und Atelierfesten teilzunehmen, bei denen es in Schwabing hoch herging.
Quelle: Dieter Wunderlich, AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
© Piper Verlag, München 2009
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Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen.
Franziska zu Reventlow (tabellarische Biografie)