Lady Chatterley

Lady Chatterley

Lady Chatterley

Lady Chatterley – Originaltitel: Lady Chatterley et l'homme des bois – Regie: Pascale Ferran – Drehbuch: Pascale Ferran, Roger Bohbot, Pierre Trividic, nach der zweiten Fassung des Romans "Lady Chatterley" von D. H. Lawrence – Kamera: Julien Hirsch – Schnitt: Mathilde Muvard, Yann Dedet – Musik: Béatrice Thiret – Darsteller: Marina Hands, Jean-Louis Coulloc'h, Hippolyte Girardot, Hélène Alexandridis, Hélène Fillières, Bernard Verley u.a. – 2006; Kino: 105 / TV: 170 Minuten

Inhaltsangabe

1921/22. Der querschnittgelähmte 33-jährige Bergwerksbesitzer Clifford Chatterley wohnt mit seiner sechs Jahre jüngeren Ehefrau Constance auf seinem Landsitz. Lady Chatterley leidet unter der Abgeschiedenheit und fehlenden Sexualität in ihrer Ehe. Als sie dem Wildhüter Oliver Parkin begegnet, sucht Constance dessen Nähe und ist gern mit ihm in der Natur. Bei ihm findet sie schließlich die ersehnte körperliche Liebe ...
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Kritik

"Lady Chatterley" ist ein Plädoyer für die Freiheit in der Liebe, die Überwindung sozialer Schranken und gesellschaftlicher Konventionen. In der Verfilmung des Romans von
D. H. Lawrence bringt Marina Hands die Entwicklung von Lady Chatterley subtil zum Ausdruck.
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Herbst 1921. Der aufgrund einer Kriegsverletzung querschnittsgelähmte dreiunddreißigjährige Bergwerksbesitzer Sir Clifford Chatterley (Hippolyte Girardot) wohnt mit seiner sechs Jahre jüngeren Ehefrau Constance (Marina Hands) auf seinem Landsitz Wragby Hall. Seit vier Jahren sind die beiden verheiratet. Lady Chatterley leidet unter der Abgeschiedenheit und fehlenden Sexualität in ihrer Ehe, doch aus Pflichtgefühl verschweigt sie ihren Verdruss. Clifford wiederum versucht seine Behinderung zu kompensieren, indem er sein Bergwerk leitet, sich intensiv mit Literatur beschäftigt und Constance auf Spaziergängen in einem motorisierten Rollstuhl begleitet.

Constances Vater, Sir Malcolm Reid (Bernard Verley), weist seinen Schwiegersohn darauf hin, dass aus dem lebenslustigen Mädchen eine schwermütige Frau geworden ist. Danach deutet Sir Clifford seiner Frau an, dass er gelegentliche Seitensprünge von ihr tolerieren würde, wenn sie nur nicht mehr so traurig wäre.

Um Constance mehr Freiraum zu verschaffen, stellt Sir Clifford eine Pflegerin ein: Ivy Bolton (Hélène Alexandridis), die einundvierzigjährige Witwe eines bei einem Grubenunglück vor siebzehn Jahren ums Leben gekommenen Bergmanns. Lady Chatterley beginnt wieder Klavier zu spielen; sie besucht eine Bekannte, die ein Kind bekommen hat und freut sich bei Spaziergängen im Wald über die Natur.

Weil einer der Bediensteten ihres Mannes krank ist, übernimmt es Lady Chatterley, bei dem Wildhüter Oliver Parkin (Jean-Louis Coulloc’h) zwei Fasane zu bestellen. Als sie sich dessen Haus nähert, erblickt sie ihn im Freien. Er wäscht sich gerade mit nacktem Oberkörper. Lady Chatterley wartet, bis er damit fertig ist und richtet ihm erst dann den Auftrag aus. Abends betrachtet sie ihren eigenen Körper nackt im Spiegel.

Von da an zieht es Lady Chatterley immer wieder zu einer einsamen Waldhütte, wo der zehn Jahre ältere, wortkarge und virile Wildhüter Hühner und Fasane züchtet. Die Liebe zur Natur verbindet die beiden. Als Lady Chatterley der Anblick eines gerade geschlüpften Kükens zu Tränen rührt, legt ihr Parkin eine Hand auf den Rücken, um sie zu beruhigen. Sie kommen sich trotz des Standesunterschieds näher. Zweimal bringt Lady Chatterley den naturverbundenen Wildhüter dazu, dass er über sie herfällt. Nachdem sie beim dritten Koitus auch selbst zum Orgasmus gekommen ist, fragt sie naiv: „Wie kann ich mich je bei Ihnen bedanken?“ – In der körperlichen Liebe mit Parkin findet sie ihre Lebensfreude wieder.

Während Constance in einem Gespräch mit ihrem Mann Verständnis für die streikenden Bergarbeiter äußert, vertritt dieser die Ansicht, dass die Arbeiter sich nur selbst damit schaden, weil sie auf den Lohn angewiesen sind, während er auch über andere Einnahmequellen verfügt. Weil Constance der Meinung ist, dass sich die Zeiten geändert haben, schimpft Sir Clifford sie eine Sozialromantikerin. Kompromisslos hält er daran fest, dass es auch weiterhin eine herrschende und eine gehorchende Klasse geben müsse.

Bei einem Ausflug reicht die Motorkraft des Rollstuhls für die Überwindung einer Steigung nicht aus. Als der Wildhüter dazukommt und ihn schieben will, lehnt er es zornig ab: Das Fahrzeug sei dafür konstruiert, allein zu fahren. Erst nachdem er rückwärts einen Abhang hinuntergerollt und knapp einem Unfall entgangen ist, lässt er sich helfen.

An diesem Abend schleicht Lady Chatterley sich heimlich davon und verbringt die Nacht mit Parkin.

Bevor Lady Chatterley im Frühsommer 1922 mit ihrem Vater und ihrer Schwester Hilda Reid (Hélène Fillières) verreist, kommen Gerüchte auf, sie sei schwanger. Sir Clifford gibt ihr zu verstehen, er werde ein Kind als sein eigenes anerkennen, wenn der leibliche Vater aus einem würdigen englischen Hause stamme.

Als Parkin erfährt, dass Lady Chatterley ein Kind von ihm möchte, argwöhnt er zunächst, sie habe sich nur aus diesem Grund mit ihm abgegeben, doch sie gesteht ihm ihre Liebe: Ihr Verhältnis geht längst über die Sexualität hinaus. Zu seiner Verwunderung hält Lady Chatterley es nicht für ausgeschlossen, sich von Sir Clifford scheiden zu lassen und ihn trotz der gesellschaftlichen Konventionen zu heiraten.

Am Tag, bevor Lady Chatterley von Hilda mit dem Auto abgeholt wird, läuft sie trotz eines Wolkenbruchs noch einmal zu der Waldhütte. Dort zieht sie sich nackt aus und tollt lachend im Regen herum, bis Parkin es ihr nachmacht und sie im nassen Gras liebt. Danach sitzen sie nackt vor dem Kaminfeuer und schmücken sich gegenseitig mit Blüten.

Hilda und Constance fahren zunächst nach London und von dort mit ihrem Vater nach Paris, wo sich ihnen der junge Maler Duncan Forbes (Jean-Baptiste de Laubier) anschließt, ein Jugendfreund der beiden Schwestern. Gemeinsam verbringen sie einen Monat an der Riviera.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Mrs Bolton teilt Lady Chatterley in einem Brief mit, dass kurz nach ihrer Abreise die ordinäre Ehefrau des Wildhüters auftauchte, offenbar, weil sie von ihrem Liebhaber hinausgeworfen worden war. Bertha Parkin wollte wieder von ihrem Ehemann aufgenommen werden, aber der Wildhüter zog zu seiner Mutter und reichte die Scheidung ein. Daraufhin wurde er von Berthas Bruder und dessen Kumpanen so zusammengeschlagen, dass er ins Krankenhaus musste.

Als Lady Chatterley zurückkommt, staunt sie über ihren Mann, der inzwischen mit eiserner Disziplin gelernt hat, ein paar Schritte an Krücken zu gehen.

Parkin wurde durch einen neuen Wildhüter ersetzt. Lady Chatterley trifft sich mit ihm und teilt ihm mit, dass sie schwanger ist. Er will als Bergarbeiter nach Sheffield gehen, obwohl er weiß, dass er dort unglücklich sein wird, weil er viel allein und in der Natur sein muss. Lady Chatterley schlägt vor, ihm einen Bauernhof zu kaufen, aber er will sich nicht von einer Frau helfen lassen, denn er befürchtet, sich dann klein vorzukommen. Immerhin stellt er in Aussicht, ihr Angebot in einem Jahr anzunehmen, falls er es als Bergarbeiter nicht aushält. Und er verspricht, jederzeit für sie da zu sein, wenn sie ihn braucht.

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Der Bergwerksbesitzer Sir Clifford Chatterley verkörpert den modernen, zivilisierten Menschen, der im Geist der Aufklärung davon überzeugt ist, dass die Welt mit dem Räderwerk einer Maschine zu vergleichen und durch den menschlichen Verstand zu kontrollieren ist. Seine Lähmung symbolisiert das Fehlen von Sexualität und Virilität in einer mechanistisch aufgefassten Welt. Anders als seine Frau hält Sir Clifford stur an den überkommenen gesellschaftlichen Verhältnissen fest. Während er Bodenschätze ausbeutet, erlebt Lady Chatterley die Natur als Quelle der Lebensfreude. Ungeachtet des Standesunterschieds fühlt sie sich zu einem Wildhüter hingezogen, der im Einklang mit der Natur zu leben scheint. Durch die körperliche Liebe findet sie ihren Lebenswillen wieder. „Lady Chatterley“ ist ein Plädoyer für die individuelle Freiheit in der Liebe, die Überwindung sozialer Schranken und gesellschaftlicher Konventionen.

D. H. Lawrence konnte das Buch „Lady Chatterley’s Lover“ 1928 nur als Privatdruck in Florenz herstellen lassen. Mit der heute nicht mehr nachvollziehbaren Begründung, der Text enthalte pornografische Szenen und D. H. Lawrence befürworte den Ehebruch, blieb der Roman in England jahrzehntelang verboten. Erst 1960 konnte die erste ungekürzte Ausgabe in London veröffentlicht werden. (Deutschsprachige Ausgabe: „Lady Chatterley“, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2004, 473 Seiten, ISBN: 3-499-26475-7, 5 €)

Als Vorlage für ihre Verfilmung des Romans „Lady Chatterley“ von D. H. Lawrence wählten Pascale Ferran, Roger Bohbot und Pierre Trividic die längste der drei Fassungen: die mittlere aus dem Jahr 1932. In der Inszenierung konzentrieren sie sich auf die Interaktion der Lady und des Wildhüters, die nach anfänglichem Zögern anfangen, die Klassenunterschiede zu vergessen. Dabei bringt Marina Hands die Entwicklung der Titelfigur subtil zum Ausdruck. Lange Einstellungen zeigen die Schönheit der Natur. Bei solchen Szenen ist die einzige Musikuntermalung des Films zu hören.

Pascale Ferran hält sich nicht mit der Vorgeschichte der Hauptfiguren und der kurzen Affäre von Lady Chatterley und dem irischen Dramatiker Michaelis auf. Der Roman endet damit, dass Lady Chatterley zu ihrer Schwester Hilda nach Schottland zieht, während sie sich von ihrem Mann scheiden lässt. Dort erhält sie einen Brief von Oliver Mellors (so heißt der Wildhüter im Roman), der inzwischen als Knecht auf einem Bauernhof arbeitet und auf eine gemeinsame Zukunft hofft. Im Film bleibt das Ende offener: Es gibt zwar Hoffnung, aber auch Zweifel, ob Lady Chatterley sich von ihrem Mann trennen und Parkin zu ihr zurückkehren wird.

Die Kinoversion des Films „Lady Chatterley“ von Pascale Ferran wurde im Februar 2007 mit fünf „Césars“ ausgezeichnet. Weil die Produzenten Arte und ZDF auf einer frühen Fernsehausstrahlung bestanden, fand sich jedoch für Deutschland zunächst kein Filmverleih. Stattdessen zeigte hier Arte am 22. Juni 2007 erstmals die zweiteilige, vierzig Minuten längere Fernsehfassung (Marina Köhler: Buch und Regie der Synchronisation, Stefanie Beba: Lady Chatterley, Dieter Memel: Oliver Parkin, Frank Röth: Sir Clifford Chatterley).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

D. H. Lawrence (Kurzbiografie)
David Herbert Lawrence: Der Hengst St. Mawr
D. H. Lawrence: Das Mädchen und der Zigeuner

Jurek Becker - Jakob der Lügner
Obwohl er selbst im Ghetto von Lodz aufwuchs und seine Mutter von den Nationalsozialisten ermordet wurde, gelingt es Jurek Becker, in "Jakob der Lügner" ohne pathetische Anklagen, aber mit viel Humor vom Leben unter der nationalsozialistischen Willkür zu erzählen.
Jakob der Lügner