Elly Beinhorn


30. Mai 1907: Elly Beinhorn wurde in Hannover als einziges Kind des Kaufmanns Hans Beinhorn und dessen Ehefrau geboren.

In der Schule lernte sie schnell, aber sie wollte auf keinen Fall für eine Streberin gehalten werden und ließ sich lieber wegen ihres Betragens rügen. Von Fernweh und Abenteuerlust getrieben, schrieb sie mit Sechzehn an die »Abteilung Tierfang-Expeditionen« des Tierparks Hagenbeck in Hamburg. Auf eine Antwort wartete die Gymnasiastin vergeblich.

In der letzten Klasse brach Elly Beinhorn den Besuch des Lyzeums ab.

Herbst 1928: Als der vierzigjährige Flieger Hermann Köhl in der Stadthalle von Hannover einen Vortrag über die erste Atlantiküberquerung in Ost-West-Richtung hielt, die ihm am 12. April zusammen mit Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld und James C. Fitzmaurice in einer auf den Namen »Bremen« getauften Junkers W 33 geglückt war, wusste Elly Beinhorn schlagartig, was sie wollte.

Am nächsten Tag sprach die Einundzwanzigjährige mit dem Präsidenten des Aeroklubs in Hannover. Der versuchte ihr das Vorhaben auszureden. Keine Fluggesellschaft sei bereit, eine Fliegerin einzustellen, warnte er sie, und mit Kunstflügen könnte sie kaum ihre Kosten decken, selbst wenn sie sich gegen die männliche Konkurrenz durchsetzen würde. Elly Beinhorn ließ sich nicht beirren.
Dass ihr Vater lauthals an ihrem Verstand zweifelte und ihre Mutter weinte, brachte sie auch nicht mehr von ihrem Ziel ab: Sie fuhr nach Berlin, mietete ein möbliertes Zimmer in Spandau und begann bei einer Fliegerschule am Lützowufer ihre Ausbildung.

2. November 1928: Elly Beinhorn kletterte auf dem Flughafen in Berlin-Staaken mit ihrem Fluglehrer Otto Thomsen zum ersten Mal in ein Flugzeug. Das Chassis des Zweisitzers mit 20 PS, in dem der Kopf und die Schultern der beiden Insassen im Freien blieben, war von den Klemm Leichtflugzeugbauwerken aus Holz und Eisen angefertigt worden.

Weihnachten 1928: Elly Beinhorn war wieder bei ihren Eltern in Hannover. Sie besaß nun einen Flugschein, aber damit konnte sie zunächst nichts anfangen. Um durch die Beteiligung an Flugtagen etwas Geld verdienen zu können, war ein Kunstflugschein erforderlich.

Frühjahr 1929: Elly Beinhorn machte einen Kunstflugschein bei der Fliegerschule in Würzburg. Robert Ritter von Greim (1892 – 1945), der die Einrichtung von 1927 bis 1934 leitete, unternahm mit ihr zusammen im Mai sechs Kunstflüge in einer Udet U12a „Flamingo“.

1929: Elly Beinhorn übernahm den Auftrag, ein von der Fliegervereinigung in Königsberg gekauftes Flugzeug von Berlin nach Ostpreußen zu überführen. Die Empfänger schlugen ihr vor, zum Großflugtag im Sommer wiederzukommen und beim Kunstflugprogramm mitzumachen. Dafür benötigte Elly Beinhorn erst einmal ein Flugzeug. Also besorgte sie sich bei den Bayerischen Flugzeugwerken in Augsburg – der späteren Messerschmitt AG – einen freitragenden Tiefdecker. Damit zeigte sie in Königsberg, was sie gelernt hatte, und am Abend tanzte sie mit dem elf Jahre älteren Fliegerass Ernst Udet, der ihre Kunstflugfiguren ironisch kommentierte, aber auch eine Karte mit unterschrieb, die sie ihren Eltern nach Hannover schickte.

1930: Elly Beinhorn sollte von Berlin nach Rom fliegen und einem skandinavischen Großindustriellen den Frack bringen, den dieser für einen unerwarteten Empfang des italienischen Außenministers im festlichen Rahmen benötigte. Nach der Zollabfertigung bei einer Zwischenlandung in Dresden flog Elly Beinhorn weiter nach Wien. Als sie am nächsten Tag Venedig ansteuerte, orientierte sie sich zunächst an Bahngleisen, aber die verschwanden plötzlich in einem Berg, und es dauerte eine Weile, bis Elly Beinhorn sich wieder auskannte. An Alpentunnels hatte sie nicht gedacht. Dann setzte auch noch einer der fünf Zylinder ihres Motors aus. Deshalb musste sie auf einem Hochplateau bei Tarvisio notlanden und die verölten Zündkerzen putzen, bevor sie wieder aufsteigen konnte. Endlich erreichte sie den Flugplatz auf dem Lido di Venezia. Obwohl man ihr in Berlin zugesichert hatte, dass sie kein Triptik benötigen würde, hielten die italienischen Behörden ihre Maschine fest. Elly Beinhorn musste in eine Linienmaschine umsteigen – und traf erst am Tag nach dem Empfang in Rom ein. Der Industrielle begrüßte sie jedoch gutgelaunt, denn er rechnete damit, die Genehmigung für den Bau einer Fabrik zu bekommen, und dass er am Vorabend keinen Frack hatte tragen können, war nicht weiter schlimm gewesen.

Juni 1930: Elly Beinhorn nahm an der ersten deutschen Damenkunstflugmeisterschaft in Bonn-Hangelar teil. Weil sie das Reglement nicht richtig gelesen hatte und deshalb gegen Vorschriften verstieß, blieb sie chancenlos. Den Titel holte sich die Kölner Fliegerin Elisabeth (»Liesel«) Bach (1905 – 1992), die erst seit zwei Monaten einen Kunstflugschein besaß.

Gegen Bezahlung führte Elly Beinhorn Reklameflüge für eine Brauerei an der Saar durch. Als sie nach einem Rundflug über Saarbrücken die Gäste des Flughafenrestaurants mit einer rasanten Landung beeindrucken wollte, verlor sie die Kontrolle über das Flugzeug. Elly Beinhorn und ihr Gast kamen mit Rissen in der Kleidung, Prellungen und einem abgebissenen Zungenstückchen davon.

Seit langem träumte Elly Beinhorn von einem Langstreckenflug. Als sie erfuhr, dass der österreichische Ethnologe Hugo Bernatzik (1897 – 1953) mit seiner Ehefrau Emmy und dem Jenaer Völkerkunde-Professor Bernhard Struck (1888 – 1971) eine Expedition zu den Bijagos-Inseln vor der westafrikanischen Küste plante und einen Sportflieger suchte, sah sie eine Möglichkeit, ihren Traum zu verwirklichen. Sie flog nach Wien, um sich Bernatzik vorzustellen. Er konnte zwar nicht einmal ihre Kosten übernehmen, geschweige denn ein Honorar bezahlen, aber er begleitete sie nach Berlin und führte sie bei den Redaktionen einiger großer Zeitschriften ein. Die Herren interessierten sich durchaus für spektakuläre Fotos und Reportagen, aber mit einer einzigen Ausnahme lehnten sie es ab, Elly Beinhorn einen Vorschuss zu geben.

4. Januar 1931: Elly Beinhorn startete am 4. Januar 1931 in Berlin-Staaken zu einem Alleinflug nach Afrika. Die Klemm L 25, die sie von der Luftfahrtindustrie geliehen hatte, war ein freitragender Tiefdecker in Holzbauweise mit einem 40 PS starken Sternmotor. Damit benötigte sie für die 500 Kilometer von Berlin nach Böblingen sieben Stunden. Weiter ging es über Basel, Lyon, Barcelona, Madrid nach Sevilla. In Rabat landete Elly Beinhorn erstmals auf afrikanischem Boden. Dann steuerte sie Casablanca an und folgte der Küste bis Dakar. Von dort aus waren es nur noch 360 Kilometer bis Bissau, der Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea, wo sie nach einem insgesamt 7000 Kilometer langen Flug pünktlich am 1. Februar eintraf.

10. Februar 1931: Elly Beinhorn brach mit Hugo Bernatzik zu einem ersten Erkundungsflug über den Bijagos-Archipel auf.

Als sie einmal von so einem Flug zurückkehrte, konnte sie den Landeplatz wegen eines Heuschreckenschwarms nicht sehen und musste – mit bangem Blick auf die Treibstoffanzeige – eine halbe Stunde kreisen, bis die Insekten fort waren. An einem anderen Tag deckte sie die Maschine mit Palmwedeln gegen die Sonne ab. Beim ersten Flug danach zwickte es sie fürchterlich an den Beinen, weil Wanderameisen ins Cockpit gekrabbelt waren.

1931: Für den Rückflug nach Casablanca wählte Elly Beinhorn eine Route im Landesinneren, aber nach 1500 Kilometern blieb der Propeller wegen einer gebrochenen Ölleitung stehen. Während sie in einem Überschwemmungsgebiet bei Timbuktu notlandete, bemerkte sie einen Afrikaner, der mit erhobenen Händen wegrannte. Nachdem sie aus der nicht weiter beschädigten Maschine geklettert war, suchte sie ihn. Er hatte sich hinter einem dürren Baum versteckt. Sie lachte ihn an, sprach beruhigend auf ihn ein und bot ihm eine Zigarette an, aber damit konnte er nichts anfangen: Offenbar hatte er noch nie Kontakt mit einem Weißen gehabt. Nach einer Weile tauchten weitere Afrikaner auf. Wie Elly Beinhorn später erfuhr, handelte es sich um Nomaden vom Volk der Songhai, rechtlose Sklaven der Tuareg. Irgendwie gelang es ihr mit Händen und Füßen, den Schwarzen klarzumachen, dass sie einen Boten zur nächsten europäischen Station schicken sollten. Bei 45 Grad im Schatten hielt Elly Beinhorn es nicht lange ohne Trinken aus, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als von dem vorhandenen sumpfigen Wasser zu trinken. Zwar hatte sie eine Flasche Cognac als Universalmittel dabei, aber keinen Wasserfilter. Die Nacht verbrachte sie – von Moskitos geplagt – in einer von vier winzigen Hütten, die die Songhai aufgestellt hatten, und erst am anderen Tag merkte sie, dass die Bewohnerin an Lepra erkrankt war.

Endlich tauchte der ausgesandte Bote mit einem uniformierten Afrikaner auf. Der führte sie in die 50 Kilometer entfernte Stadt Timbuktu. Weil es unmöglich war, das Flugzeug ohne Ersatzteile aus Europa zu reparieren oder durch die Sümpfe nach Timbuktu zu transportieren, konnte Elly Beinhorn nichts anderes tun, als es stehen lassen. Eine Militärmaschine brachte sie nach Bamako, der südlich von Bissau gelegenen Hauptstadt des französischen Gouvernements Haut Senegal Niger, von wo sie zwei Wochen zuvor aufgebrochen war.

Die Nachricht von ihrer Notlandung in Afrika sorgte in Europa für Aufsehen und machte Elly Beinhorn erst recht berühmt. Für den Heimflug stellte ihr eine Berliner Zeitung eine Ersatzmaschine zur Verfügung, die der Pour-le-mérite-Flieger Theodor Osterkamp (1892 – 1975) nach Afrika brachte. Elly Beinhorn fuhr mit dem Zug nach Dakar und ging dort an Bord eines Schiffes, das sie nach Casablanca brachte, wo Osterkamp sie am Kai erwartete.
29. April 1931: Elly Beinhorn traf wieder in Berlin ein.

Bald darauf stand sie nun selbst wie Hermann Köhl am Rednerpult in der Stadthalle von Hannover und berichtete über ihren abenteuerlichen Flug. Mit den Honoraren für Vorträge, Fotos und Zeitungsartikel trug sie ihre Schulden ab. Zur gleichen Zeit bereitete sie sich auf ihr nächstes Projekt vor: eine Weltreise.


Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. © Piper Verlag 2009

Ein literarisches Porträt von Elly Beinhorn finden Sie in dem Buch
„AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2009 – Leseprobe


4. Dezember 1931: Elly Beinhorn hob in Berlin ab, wieder in einem einmotorigen Flugzeug mit einer Sperrholzbeplankung, die sich unter dem Einfluss von Sonne und Regen verzog. Über ein Funkgerät verfügte sie noch immer nicht, und fürs Navigieren standen ihr nur Uhr, Kompass und Karten zur Verfügung.

Über Budapest, Sofia, Istanbul, Konia, Aleppo gelangte sie nach Bagdad. Bei Bandar Dilam, einem Dorf mit dreihundert Einwohnern 150 Kilometer nördlich von Buschir (Abuschehr) am Persischen Golf, musste sie wegen eines Motorschadens notlanden. Zwar gab es im Ort eine Telegrafenstation, aber mit lateinischen Buchstaben konnten die Angestellten nicht umgehen. Es war also nicht möglich, Hilfe herbeizurufen. Elly Beinhorn bat deshalb darum, mit der Post nach Buschir gebracht zu werden. Am nächsten Morgen wurde ein schrottreifes Fahrzeug voll beladen. Dreizehn Stunden dauerte die Fahrt über Straßen, die nur aus Schlaglöchern zu bestehen schienen.

In Buschir traf Elly Beinhorn den amerikanischen Flieger Moye Wicks Stephens (1907 – 1995), der mit dem Abenteurer und Reiseschriftsteller Richard Halliburton (1900 – 1939) in einer auf den Namen »Flying Carpet« getauften Maschine um die Erde reiste. Das Einverständnis seines Auftraggebers voraussetzend, flog Stephens sogleich mit Elly Beinhorn nach Bandar Dilam und half ihr, den Motor in viertägiger Arbeit zu reparieren.

Ende 1931: Erstmals verbrachte Elly Beinhorn Weihnachten nicht mit ihren Eltern. Von Delhi aus schickte sie ihnen ein Telegramm. An Silvester erreichte sie Kalkutta, und von dort flog sie nach Gangtok, in die Hauptstadt des Königreichs Sikkim auf den südlichen Ausläufern des Himalaja.
Anfang 1932: Um den Mount Everest sehen zu können, schraubte sie sich mit ihrem Sportflugzeug durch eine geschlossene Wolkendecke bis in eine Höhe von über 3000 Metern hinauf. Dicht über den Wolken fliegend, freute sie sich über den Anblick der in der Sonne gleißenden Berggipfel.

Auf Timur ließ sie ihre Maschine stehen und fuhr mit einem Dampfer zur Nachbarinsel Bali. Von Bali hatte sie geträumt, seit sie in einem Magazin ein Foto gesehen hatte. Die Wirklichkeit war weniger idyllisch: Um 6 Uhr morgens stand Elly Beinhorn frierend an Deck des Schiffes und blickte auf die von dicken Regenwolken verhangene Küste. Doch als das Wetter schöner wurde, kam sie sich wie verzaubert vor.

Der deutsche Maler und Musiker Walter Spies (1895 – 1942), der seit 1927 auf Bali lebte, kam mit seinem Cousin und Lebensgefährten Konrad (»Kosja«) Spies eigens zu ihr ins Hotel und lud sie zu sich ein. Sein Haus galt als kulturelles Zentrum von Bali. (Zu seinen Gästen gehörten Charlie Chaplin, Vicky Baum, Margaret Mead, Leopold Stokowski, Barbara Hutton und andere Prominente). Gemeinsam fuhren Elly Beinhorn, Walter und Konrad Spies zum Baden an den Strand von Lebih im Süden der Insel. Elly Beinhorn war noch bis zu den Hüften im Wasser, als Konrad Spies hinter ihr gellend schrie. Ein Barrakuda hatte ihm den rechten Oberschenkel und die Hände zerfleischt. Walter Spies und Elly Beinhorn brachten ihn ins Hospital von Denpasar, aber der Blutverlust war so groß, dass Konrad Spies nicht mehr gerettet werden konnte.

22. März 1932: Wegen der japanischen Angriffe gegen China wagte sich Elly Beinhorn nicht in die beiden Länder. Stattdessen landete sie in Darwin, der nördlichsten Großstadt von Australien.

24. März 1932: Elly Beinhorn flog sie nach Sydney.

Dort hielt sie Vorträge, um das für die Weiterreise benötigte Geld zu verdienen.

Weil eine Pazifiküberquerung mit dem kleinen Holzflugzeug nicht möglich gewesen wäre, ließ Elly Beinhorn es zerlegen, verpacken und auf einen Dampfer verladen, der sie nach Panama brachte.

Von dort wollte Elly Beinhorn an der Pazifikküste entlang nach Süden fliegen. Um ausreichend Treibstoff für die elfstündigen Etappen aufnehmen zu können, war es erforderlich, in der wieder zusammengebauten Maschine unter dem zweiten Sitz einen sechsten Tank einzubauen und sowohl zwei Koffer als auch das Reisegrammofon vorauszuschicken. Dass sie nach jeder Landung von Reportern umlagert wurde, sich bei Pressekonferenzen ausfragen und bei Empfängen bestaunen lassen musste, fand Elly Beinhorn lästig. In Lima wurde sie von Präsident Sanchez Cerro (1889 – 1933) in den Palast gerufen. Sie sprachen französisch, und er hielt sie fast drei Stunden lang fest: Der einsame, seiner Rolle offenbar überdrüssige Mann hätte sich am liebsten zu ihr ins Flugzeug gesetzt und aus dem Land bringen lassen.

In Santiago de Chile gab Elly Beinhorn das restliche Gepäck nach Buenos Aires auf, denn wegen der gefährlichen Fallböen über den Bergen musste sie mit ihrer kleinen 80-PS-Maschine eine Höhe von 5000 Metern erreichen, um heil über die Anden zu kommen.

1. Juli 1932: In Buenos Aires ließ Elly Beinhorn ihr Flugzeug erneut zerlegen und auf einen Dampfer verladen.

Drei Wochen später erreichte sie Bremerhaven.

26. Juli 1932: Elly Beinhorn landete wieder in Berlin.

Inzwischen hatte sie 16 000 Reichsmark Schulden (umgerechnet über 50 000 Euro). Glücklicherweise waren ihre Vorträge, Fotos und Reiseberichte gefragt. Der Reichsverband der Deutschen Flugzeugindustrie griff ihr finanziell unter die Arme.

April 1933: Elly Beinhorn bekam für ihre fliegerischen Leistungen den mit 10 000 Mark dotierten Hindenburg-Pokal.

1934: Elly Beinhorn besichtigte die historischen Zentren der Maya-Kultur auf der Halbinsel Yucatan und flog – wieder allein – von San José am Panama-Kanal über Los Angeles nach New York.

Elly Beinhorn nahm sich vor, an einem einzigen Tag von Deutschland nach Asien und zurück zu fliegen. Um das Vorhaben durchführen zu können, überzeugte sie leitende Herren der Messerschmitt AG in Augsburg von der Werbewirksamkeit eines solchen Rekordflugs und erhielt eine 300 Stundenkilometer schnelle Bf 108 mit geschlossener Kabine und einziehbarem Fahrwerk, der sie den Namen »Taifun« gab.

13. August 1935: Um 3.40 Uhr nachts startete Elly Beinhorn in Gleiwitz. Nachdem sie eine Runde über dem asiatischen Teil von Istanbul gedreht hatte, landete sie um 9.34 Uhr in Yesilköy auf der europäischen Seite, um zu tanken und sich der Presse zu präsentieren, kletterte um 10.47 Uhr wieder in ihre Maschine und beendete den 3470 Kilometer weiten Flug um 18.08 Uhr in Berlin-Tempelhof.

29. September 1935: Bei einem Besuch des Autorennens auf dem Masaryk-Ring bei Brünn lernte Elly Beinhorn den zwei Jahre jüngeren Rennfahrer Bernd Rosemeyer kennen, der hier seinen ersten Sieg feierte.

Vor dem Haus in Berlin, in dem Elly Beinhorn wohnte, stand bald regelmäßig das aufsehenerregende Horch-Cabriolet des Rennfahrers mit acht Zylindern, 4944 Kubikzentimetern Hubraum und 100 PS. Gegen eine Eheschließung sträubte sich Elly Beinhorn, denn sie wollte mit ihren Rekordflügen und Vortragsreisen weitermachen. Aber Bernd Rosemeyer brachte eines Tages seine vollständigen Heiratspapiere mit und forderte sie auf, auch ihre zusammenzusuchen.

13. Juli 1936: Mitten in der Rennsaison feierten Elly Beinhorn und Bernd Rosemeyer Hochzeit.

Als Traumpaar wurden Elly Beinhorn und Bernd Rosemeyer bewundert und von den Nationalsozialisten hofiert. In »Alleinflug. Mein Leben« schreibt Elly Beinhorn, ihre erste Ehe sei trotz ihrer ursprünglichen Skepsis glücklich gewesen.

26. Juli 1936: Bernd Rosemeyer gewann den »Großen Preis von Deutschland«.

6. August 1936: Um 2 Uhr nachts startete Elly Beinhorn in Damaskus zu einem neuen, 3750 Kilometer langen Rekordflug über drei Kontinente an einem einzigen Tag: Damaskus (Asien) – Kairo (Afrika) – Berlin (Europa).

4. Dezember 1936: Ausnahmsweise erhielt Bernd Rosemeyer von seinem Rennstall, der Auto Union, die Erlaubnis, sich von seiner berühmten Frau zum Rennen um den Großen Preis von Kapstadt fliegen zu lassen, statt einen Linienflug zu buchen. In acht Tagesetappen erreichten sie Südafrika. Nach dem Rennen, in dem Bernd Rosemeyer hinter seinem Teamkollegen Ernst von Delius (1912 – 1937) Zweiter wurde, erhielt er bei Freunden in Windhuk ein Telegramm, in dem ihm sein Vater mitteilte, dass die Mutter gestorben war.

Obwohl ihn das schwer mitnahm, ließ Bernd Rosemeyer sich von der Begeisterung seiner Frau fürs Fliegen anstecken, machte nach der Rückkehr in Deutschland den Flugschein und kaufte eine Klemm Kl 35. Damit besaß das Ehepaar drei Autos und zwei Flugzeuge.

26. Oktober 1937: Als erster Deutscher raste Bernd Rosemeyer mit mehr als 400 Stundenkilometern über eine Autobahn.

12. November 1937: Elly Rosemeyer-Beinhorn gebar in Berlin einen Sohn, der Bernd heißen sollte, wie sein Vater.

28. Januar 1938: Am frühen Morgen brach Rudolf Caracciola (1901 – 1959) den von Bernd Rosemeyer aufgestellten Rekord und beschleunigte auf der Reichsautobahn zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt ein von Mercedes speziell dafür gebautes Auto auf 432,7 Stundenkilometer. Obwohl Bernd Rosemeyer vor Windböen gewarnt wurde, stieg er gleich darauf in einen Wagen der Auto Union mit 560 PS. Um den Motor auf die optimale Betriebstemperatur zu erwärmen, fuhr der Achtundzwanzigjährige erst einmal mit über 400 Stundenkilometern von Frankfurt nach Darmstadt und zurück. Nach einer kurzen technischen Überprüfung des Fahrzeugs ging er gegen Mittag erneut auf die Strecke und versuchte, Caracciola zu überbieten. Bei Langen-Mörfelden drückte eine Windböe das über 430 Stundenkilometer schnelle Fahrzeug in den Mittelstreifen der Autobahn. Bernd Rosemeyer überschlug sich mehrfach, wurde aus dem zerberstenden Wrack geschleudert und brach sich das Genick.

Elly Beinhorn wurde mit Beileidsbekundungen überschüttet. Heinrich Himmler versicherte ihr, ein Motorsturm der SS werde »für immer« den Namen Rosemeyer tragen.

1938: Nachdem sie das Erinnerungsbuch »Mein Mann, der Rennfahrer. Der Lebensweg Bernd Rosemeyers« geschrieben hatte, wollte Elly Beinhorn auf andere Gedanken kommen und übernahm es, eine im Auftrag des rumänischen Hofes in Augsburg gebaute »Taifun« nach Bukarest zu überführen und dort den französisch sprechenden Piloten einzuweisen.

Juni 1939: Elly Beinhorn flog nach Kalkutta und über Bombay, Teheran und Bagdad zurück.

Ihren kleinen Sohn brachte sie vor solchen Flügen zu seinem Großvater nach Lingen (Ems), oder ihr Hausmädchen Agnes passte in Berlin auf ihn auf.

26. September 1941: Elly Beinhorn heiratete den drei Jahre älteren Industriekaufmann Karl Wittmann (1904 – 1976).

26. September 1942: Die Vierunddreißigjährige wurde von ihrer Tochter Stefanie Elly Barbara entbunden, aber die Geburt verlief nicht so komplikationslos wie die erste. Das Kind musste mit der Zange geholt werden. Karl Wittmann, der inzwischen an der Westfront Kriegsdienst leistete, durfte nur kurz nach Berlin kommen, dann musste er wieder nach Holland.

Wegen der Luftangriffe auf Berlin verbrachte Elly Beinhorn einige Wochen mit ihren Kindern in Garmisch-Partenkirchen.

Sommer 1943: Sie folgte der Einladung eines befreundeten Ehepaars, das in Ostpreußen lebte.

16. Februar 1944: Elly Beinhorn erfuhr in Ostpreußen, dass ihr Haus in Berlin von Bomben zerstört worden war.

August 1944: Elly Beinhorn reiste mit Agnes und den Kindern von Ostpreußen nach Freiburg im Breisgau, wo ihre Eltern seit einigen Monaten in einem Seniorenheim lebten, denn bei ihrer Mutter war eine Krebserkrankung diagnostiziert worden und sie musste operiert werden.

In Trossingen, 60 Kilometer östlich von Freiburg, fand Elly Beinhorn ein neues Zuhause für sich und die Kinder.

Jahreswechsel 1944/45: Über Weihnachten war auch Karl Wittmann da. An Silvester erhielt sie einen Anruf: Ihre Mutter lag im Sterben. Sobald Elly Beinhorn ein Kindermädchen für ihren Sohn und ihre Tochter gefunden hatte – was an so einem Tag schwierig war – eilte sie ins Sanatorium Glotterbad im Glottertal, wo ihre Eltern nach der Bombardierung Freiburgs am 27. November Zuflucht gefunden hatten. Ihre Mutter starb am übernächsten Tag, ihr Vater dreißig Stunden später im selben Zimmer.

1954: Elly Beinhorn bezog mit ihren Kindern ein Haus, das sie in Freiburg hatte bauen lassen. Ihre Ehe war einige Jahre zuvor zerbrochen.

1956: In einer Hörfunksendung des WDR mit dem Titel »Kinder, wie die Zeit vergeht« kamen jeweils zwei Frauen aus der gleichen Berufsgruppe zu Wort. Elly Beinhorns Partnerin war die französische Fliegerin Jacqueline Auriol (1917 – 2000), deren Gesicht seit einem Flugzeugabsturz im Juli 1949 entstellt war, die jedoch weiter flog und im Sommer 1953 als erste Frau der Welt die Schallmauer durchbrochen hatte.

Hans Otto Wesemann von der Deutschen Welle hörte die Sendung und lud Elly Beinhorn daraufhin ein, alle zwei Wochen nach Köln zu kommen und mit ihm die Autofahrer-Sendung »Der Zebrastreifen« zu moderieren.

1961: Als Hans Otto Wesemann Intendant des Senders wurde, sollte Elly Beinhorn mit einem anderen Partner weitermachen, aber das wollte sie nicht.

20. Mai 1967: Elly Beinhorn geht in Frankfurt am Main an bord einer Boeing 707 der Fluggesellschaft »Qantas« und nahm in der ersten Klasse Platz. Die acht Jahre jüngere australische Fliegerin Nancy Bird-Walton hatte sie eingeladen, anlässlich des 35. Jahrestags ihrer Landung in Sydney und ihres 60. Geburtstag nach Australien zu kommen.

1968: Bernd Rosemeyer, der Arzt geworden war, vermählte sich mit Michaela, der dreiundzwanzigjährigen Tochter der Schauspielerin Luise Ullrich (1910 – 1985) und des Flugkapitäns Wulf Diether Graf zu Castell-Rüdenhausen (1905 – 1980).

1979: Elly Beinhorn gab ihre Pilotenscheine aus Altersgründen ab.

1988: Elly Beinhorn wurde mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

1991: Elly Beinhorn erhielt das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.

28. November 2007: Ein halbes Jahr nach ihrem 100. Geburtstag starb Elly Beinhorn in einem Seniorenheim in Ottobrunn östlich von München.

Bücher von Elly Beinhorn

  • Mein Mann, der Rennfahrer. Der Lebensweg Bernd Rosemeyers (1938)
  • Ich fliege um die Welt (1952)
  • Madlen wird Stewardess (Jugendbuch, 1954)
  • Fünf Zimmer höchstens! Heitere Geschichten (1955)
  • Ein Mädchen und fünf Kontinente (1956)
  • So waren die Flieger (1966)
  • Alleinflug. Mein Leben (1977)

© Dieter Wunderlich 2008

Elly Beinhorn: Alleinflug. Mein Leben
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts

Matthias Politycki - Jenseitsnovelle
Matthias Politycki hat seine makabre "Jenseitsnovelle" aus mehreren miteinander verknüpften Handlungssträngen kunstvoll komponiert. Die Sprache ist gemeißelt, mitunter auch etwas manieriert.
Jenseitsnovelle