Åke Edwardson : Toter Mann

Toter Mann
Originalausgabe: Nästan död man Norstedts, Stockholm 2007 Toter Mann Übersetzung: Angelika Kutsch Ullstein Buchverlage, Berlin 2009 ISBN: 978-3-550-08712-7, 539 Seiten Ullstein Taschenbuch, Berlin 2010 ISBN: 978-3-548-60994-2, 539 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In einem angeblich gestohlenen Auto stellt die Spurensicherung einen Einschuss fest. Kurz darauf alarmiert ein Schriftsteller die Polizei und behauptet, auf ihn sei geschossen worden. In der nächsten Nacht wird der Nachbar des Autors erschossen im Auto eines Gemeinderats aufgefunden, der seither verschwunden ist. Alle Projektile stammen aus ein und derselben Pistole. Kommissar Erik Winter leitet die Ermittlungen ...
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Kritik

Lange Zeit reiht Åke Edwardson in dem Kriminalroman "Toter Mann" winzige Bruchstücke von Szenen so aneinander, dass man als Leser keinen roten Faden sieht. Erst als er beginnt, allen Figuren Namen zu geben, werden Beziehungen und Zusammenhänge erkennbar.
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Auf der Älvsborgsbrücke in Göteborg wundert sich Kriminalinspektor Lars Bergenhem über ein dort mit laufendem Motor abgestelltes Auto. Zugelassen ist es auf Roger Edwards. Der sagt bei der Vernehmung aus, der Wagen sei ihm gestohlen worden, während er kurz in einem Supermarkt einkaufte. Er habe noch keine Zeit gehabt, den Diebstahl anzuzeigen. Bei der polizeilichen Überprüfung werden ein Einschussloch im Sitzpolster und ein Projektil entdeckt.

In einer der darauf folgenden Nächte alarmiert der Schriftsteller Jacob Ademar die Polizei und behauptet, auf ihn sei geschossen worden. Weil er seinen Nachbarn Bengt Sellberg am Nachmittag wegen zu lauter Musik zurechtwies, verdächtigt er ihn eines Racheakts. Sellberg beteuert, keine Schüsse gehört zu haben, und die Ermittler bezweifeln zunächst Ademars Angaben. Der Autor klagt:

„Es muss passiert sein, damit man es versteht. Aber bis jetzt ist es nur in meiner Wirklichkeit passiert. Und das reicht denen nicht. Es muss auch in der Wirklichkeit anderer passiert sein.“ (Seite 83)

Erst als die Spurensicherung in der Umgebung der beiden Häuser auf Patronenhülsen und Geschosse stößt, glaubt man Ademar. Die Untersuchung ergibt, dass die Schüsse hier und in Edwards‘ Auto aus derselben Waffe abgegeben wurden.

In der nächsten Nacht wird die Polizei zum Parkdeck unter dem Pädagogischen Institut gerufen. In einem der Autos liegt ein Toter. Er wurde erschossen. Bei dem Ermordeten handelt es sich um Bengt Sellberg. Er befindet sich im Auto des christdemokratischen Gemeinderats Jan Richardsson, das der Polizei vierundzwanzig Stunden vorher aufgefallen war, weil es vor Sellbergs Haus geparkt war. Bei der Befragung gab Richardsson an, Sellberg seinen Wagen geliehen zu haben.

Berit Richardsson, die Ehefrau des Gemeinderats, sagt aus, sie habe am Vorabend zum letzten Mal von ihrem Ehemann Jan gehört. Er scheint untergetaucht zu sein.

Kommissar Erik Winter leitet die Ermittlungen.

Er ist seit neunzehn Jahren bei der Polizei und wird bald fünfzig. Seit der Pensionierung seines Vorgesetzten Sture Birgersson leitet Winter faktisch das aus siebenundfünfzig Personen bestehende Morddezernat in Göteborg. Seine Frau Angela wuchs in Leipzig und Berlin auf. Sie arbeitet als Allgemeinärztin am Sahlgrenska-Universitätskrankenhaus. Das Ehepaar hat zwei Kinder: Lilly und Elsa.

Gegen den Willen seiner älteren Schwester Lotta wendet Erik Winter sich an deren früheren Lebensgefährten Benny Vennerhag, der in der schwedischen Unterwelt gut vernetzt ist. Auf Wunsch des Kommissars hört er sich um und erfährt von seinen Kontakten, dass der Drogenbaron Christian Lejon die Ermordung Sellbergs in Auftrag gegeben haben soll.

Jacob Ademar arbeitet an einem Tatsachenroman über das spurlose Verschwinden einer Fünfzehnjährigen am 23. Juli 1975 in Brännö Husvik. Beatrice war dort in einem Sommerlager gewesen. Der Schriftsteller behauptet, nicht gewusst zu haben, dass Sellberg im Sommer 1975 als Küchenhilfe in dem Sommerlager auf Brännö war. Es sei purer Zufall gewesen, dass er das Nachbarhaus mietete.

Ademar merkte es nicht, als er unlängst Christian Lejons geparktes Auto anfuhr. Der Verbrecher findet heraus, wer den Schaden verursachte und überfällt den Buchautor in dessen Haus. Er schlägt ihn zusammen und tritt von allen Seiten auf den wehrlos am Boden Liegenden ein – bis sein Blick auf das unfertige Manuskript fällt. Warum er über Beatrice schreibe, will Lejon wissen. Ademar ist der Bruder der Vermissten. Bevor Lejon das Haus verlässt, vertraut er dem Schriftsteller an, er sei 1975 ebenfalls in dem Sommerlager gewesen, habe Beatrice dort kennengelernt und sie sei seine Freundin geworden. Er will Ademar bei den Recherchen für das Buch helfen.

Jan Richardsson stammt von der Insel Brännö. Sein Name steht in den Ermittlungsakten von 1975, denn es wurde vermutet, dass er Beatrice vor ihrem Verschwinden als Letzter sah. Noch im selben Jahr verließ er Brännö und kehrte nicht einmal zur Beerdigung seiner Eltern zurück.

Erik Winter verbrachte den Sommer 1975 ebenfalls in den Schären vor Göteborg. Er war damals fünfzehn – wie Beatrice. Und er glaubt, sie zusammen mit jungen Männern in einem Motorboot gesehen zu haben, als seine Eltern mit ihm segelten.

Als Kriminalinspektor Lars Bergenhem auf eigene Faust noch einmal Roger Edwards befragen will, spürt er die Anwesenheit eines Dritten, und als er die Terrassentüre öffnet, um im Garten nachzusehen, wird er niedergeschlagen.

Am nächsten Tag erscheint er nicht zum Dienst. Winter macht sich Sorgen um ihn.

Eine Nachbarin von Roger Edwards beschwert sich über den Lärm in der vergangenen Nacht. Offenbar zog Edwards aus. Jedenfalls verluden Männer die Einrichtung in einem Umzugwagen. Ihn selbst sah sie nicht. Sie berichtet, Edwards sei häufig von einer Frau besucht worden. Winter findet heraus, dass es sich bei der Besucherin um Berit Richardsson handelte: Sie ist Roger Edwards‘ Schwester.

Ademar führt Winter zu einer Wohnung, in der er sich unlängst mit Lejons traf. Dort liegt Edwards‘ Leiche mit einem Kopfschuss.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Als Winter ein weiteres Mal zu Berit Richardsson fährt, ahnt sie sofort, dass ihrem Bruder etwas zugestoßen ist. Der Kommissar vermutet einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden, den übrigen Schüssen und dem Verschwinden des Gemeinderats. Schließlich gesteht Berit Richardsson, Sellberg erschossen zu haben. Lejon versuchte, Edwards‘ zu dem Mord zu erpressen, aber Berits Bruder brachte es nicht fertig, einen Menschen zu töten. Berit sprang für ihn ein und tötete Sellberg. Als Nächstes sollte ihr Ehemann ermordet werden, aber der ist untergetaucht. Winter lässt Berit Richardsson festnehmen. Um ihre Kinder Erik und Tova kümmert sich das Jugendamt.

In den Polizeiakten von 1975 liest Winter etwas von einem Schuppen auf Brännö. Dort findet er Jan Richardsson. Der erwartet Lejon. Angeblich will der Gangster ihm helfen, von hier zu verschwinden. Winter ist jedoch überzeugt, dass Lejon unter Verschwinden den Tod meint.

Statt Lejon taucht unerwartet Ademar auf. Winter und Richardsson sehen ihn durchs Fenster. Im nächsten Augenblick zerfetzt ein Schuss die Scheibe. Der Schriftsteller bleibt wie angewurzelt stehen; die beiden Männer im Schuppen ducken sich. Vergeblich versucht Winter, Verstärkung anzufordern: Sein Handy hat keinen Empfang.

Lejon fordert Winter auf fortzugehen, und als der Kommissar sich weigert, schießt er Ademar zunächst ins Bein, dann in die Schulter. Winter geht hinaus und verbindert den Bewusstlosen. Als er sich wieder aufrichtet, hat Lejon Richardsson in seiner Gewalt. Mit vorgehaltener Pistole dirigiert er den Kommissar und den Gemeinderat zu einem nahen Tümpel. Dort beschuldigt er Richardsson, Beatrice zusammen mit Sellberg und Edwards ermordet zu haben und zwingt ihn, in den Tümpel zu waten. Plötzlich taucht ein Arm auf. Er gehört zu Lars Bergenhems Leiche.

Im nächsten Augenblick kracht ein Schuss, und Lejons Kopf zerbirst. Gleich darauf taucht Benny Vennerhag auf.

Als Gegenleistung für die Rettung bittet er Erik Winter, bei Lotta ein gutes Wort für ihn einzulegen.

Beatrice stahl sich damals aus dem Sommerlager fort, um zu schwimmen. Junge Männer entführten sie in einem Motorboot und wollten sie dazu zwingen, ihren Badeanzug auszuziehen. Stattdessen tauchte sie und schwamm aufs Meer hinaus. Als hervorragende Schwimmerin wusste sie, dass die anderen sie nicht einholen konnten.

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„Toter Mann“ lautet der Titel des neunten Kriminalromans, den Åke Edwardson über Kommissar Erik Winter schrieb. Lange Zeit reiht er winzige Bruchstücke von Szenen so aneinander, dass man als Leser keinen roten Faden erkennt. Die Namen der Figuren erfahren wir zunächst auch nicht. Zwischendurch schiebt er mit Uhrzeiten überschriebene Fragmente eines Ereignisses ein, von dem man schließlich begreift, dass es sich um die versuchte Vergewaltigung eines Mädchens vor dreißig Jahren handelt.

Der stilistische Gag, dem Leser auf den ersten hundert Seiten Namen und Zusammenhänge vorzuenthalten, stellt eine Herausforderung dar, die Åke Edwardson in „Toter Mann“ meines Erachtens übertrieben hat.

Erst als er beginnt, auch den restlichen Figuren Namen zu geben, werden allmählich Beziehungen zwischen ihnen erkennbar. Aber auch weiterhin springt Åke Edwardson in „Toter Mann“ zwischen den verschiedenen Handlungssträngen hin und her, bis sich am Ende wie bei einem Puzzle ein Bild ergibt, bei dem allerdings nicht alle Zusammenhänge plausibel sind und einige arg konstruiert wirken.

Den Kriminalroman „Toter Mann“ von Åke Edwardson gibt es auch als Hörbuch in einer gekürzten Fassung, gelesen von Boris Aljinovic und Antje Westermann (Regie: Gabriele Kreis, Hamburg 2009, 5 CDs, ISBN: 978-3-89903-682-4).

Romane von Åke Edwardson über Kommissar Erik Winter:

  • Tanz mit dem Engel (Dans med en Ängel, 1997)
  • Die Schattenfrau (Rop frÅn lÅngt avstÅnd, 1998)
  • Das vertauschte Gesicht (Sol och skugga, 1999)
  • In alle Ewigkeit (LÅt det aldrig ta slut, 2000)
  • Der Himmel auf Erden (Himlen är en plats pÅ jorden, 2001)
  • Segel aus Stein (Segel av sten, 2002)
  • Winterland (Winterland, 2003 – Geschichten)
  • Zimmer Nr. 10 (Rum nummer 10, 2005)
  • Rotes Meer (Vänaste land, 2006 – Verfilmung)
  • Toter Mann (Nästan död man, 2007)
  • Den sista vintern (2008)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Ullstein Buchverlage

Åke Edwardson: Der Himmel auf Erden
Åke Edwardson: Kommissar Winter. Rotes Meer (Verfilmung)

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