Ein Schloss in Schweden

Ein Schloss in Schweden

Ein Schloss in Schweden

Ein Schloss in Schweden – Originaltitel: Château en Suède – Regie: Josée Dayan – Drehbuch: Christopher Thompson, Florian Zeller, nach dem Theaterstück "Ein Schloss in Schweden" von Françoise Sagan – Kamera: Stephan Ivanov – Schnitt: Yves Langlois – Musik: Frédéric Botton – Darsteller: Jeanne Moreau, Guillaume Depardieu, Géraldine Pailhas, Aymeric Demarigny, Marine Delterme, Normand d'Amour u.a. – 2008; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Zu Beginn des Winters kommt der Doktorand Frédéric für einige Tage in das Schloss der Familie Falsen in Schweden, um im Archiv zu recherchieren. Die Greisin Agathe Falsen lebt hier mit ihrem Neffen Hugo, dessen Frau Éléonore, deren Bruder Sébastian und zwei Dienstboten. Als Frédéric eine Frau weinen hört, heißt es, es handele sich um eine verrückt gewordene Magd. Weil er sich in Éléonore verliebt, versäumt er es, abzureisen, bevor das Schloss eingeschneit wird ...
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Kritik

Josée Dayan verfilmte das Theaterstück "Ein Schloss in Schweden" von Françoise Sagan. Raffinierte Dialoge und grandiose Schauspieler machen das groteske Kammerspiel zum intellektuellen Vergnügen.
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Die standesbewusste Greisin Agathe Falsen (Jeanne Moreau) ist die Herrin auf dem Schloss ihrer traditionsreichen Familie in Schweden. Weil es achtzehn Kilometer vom nächsten Dorf entfernt ist, müssen sich die Bewohner zu Beginn des Winters mit Vorräten eindecken, denn die einzige Straße, die zum Schloss führt, ist in der Regel drei Monate lang wegen des Schnees unpassierbar.

Bei Agathe leben ihr grobschlächtiger Neffe Hugo (Normand d’Amour) und dessen erste Ehefrau Mathilde, die hier nur Ophélie genannt wird (Marine Delterme). Dienstboten sind die beiden debilen Zwillinge Gerald und Gunter. Seit drei Jahren gehören auch Hugos zweite Ehefrau Éléonore (Géraldine Pailhas) und ihr zynischer Bruder Sébastian (Guillaume Depardieu) zum Kreis der Familie. Nachdem Agathe vergeblich auf eine Schwangerschaft von Ophélie gewartet hatte, erklärte sie sich mit der zweiten Eheschließung ihres Neffen einverstanden, weil sie unbedingt verhindern möchte, dass das Geschlecht der Falsen ausstirbt. Da für sie eine Scheidung in ihrer Familie undenkbar gewesen wäre, täuschte Hugo einen Unfalltod seiner ersten Frau vor, ließ einen leeren Sarg bestatten und versteckt Ophélie seither, wenn Besucher kommen – was selten geschieht.

Éléonore und Sébastian vermissen das bunte Leben in ihrer Heimatstadt Paris. Sébastian ist seiner schönen Schwester nach Schweden gefolgt, weil er zu dekadent ist, um sich selbst zu versorgen. Der Schmarotzer ist aber auch durch inzestuöse Liebe an sie gefesselt. Bei dem Geschwisterpaar handelt es sich um Hedonisten, die ihren Spaß dabei haben, sich intellektuelle Spiele auszudenken und andere zu manipulieren. Den derben Landmenschen Hugo verachten sie beide. Éléonore hat ihr eigenes Schlafzimmer und erlaubt es ihrem Mann so gut wie nie, sich ihr zu nähern. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sie nicht schwanger wird.

Kurz vor dem erwarteten Wintereinbruch reist der junge Forscher Frédéric (Aymeric Demarigny) an, um für seine Dissertation zu recherchieren. Agathe hat ihn eingeladen, einige Tage auf dem Schloss zu verbringen und die Korrespondenz von General Falsen, dem Gründer des Geschlechts, einzusehen. In seinen Briefen beschrieb der General einige der Schlachten, für die Frédéric sich interessiert.

Bevor der Besucher eintrifft, sperrt Hugo seine erste Frau in ihrem Zimmer ein, denn er will auf keinen Fall wegen Bigamie verklagt werden.

Bereits am ersten Abend hört Frédéric eine Frau weinen. Nachts sieht er sie durch den Korridor huschen. Als er sich am Morgen nach ihr erkundigt, heißt es, es handele sich um eine durch Liebeskummer verrückt gewordene Dienstmagd.

Hugo findet den Besucher lästig und argwöhnt, er könne sich an Éléonore heranmachen. Tatsächlich haben sich Éléonore und Sébastian verschworen, Frédéric den Kopf zu verdrehen. Das ist ein Zeitvertreib nach ihrem Geschmack. Vergeblich warnt Hugo den Forscher davor, dass in zwei, drei Tagen mit einem Schneesturm zu rechnen sei und er dann ein Vierteljahr bleiben müsse.

Jede Nacht kommt Éléonore zu Frédéric ins Zimmer und schläft mit ihm. Aber sie warnt ihn vor ihrem jähzornigen Mann.

Weil sich Frédéric in Éléonore verliebt hat, reist er auch nach Abschluss seiner Recherchen nicht ab, und eines Morgens ist das Schloss eingeschneit.

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Ophélie holt den jungen Forscher in ihr Zimmer, erzählt ihm ihre Geschichte und verrät ihm, dass Hugo sie eingesperrt habe, aber nicht wisse, dass einer der Dienstboten ihr einen Schlüssel verschaffte.

Als Éléonores Geburtstag gefeiert wird, erscheint Frédéric mit Ophélie am Arm auf der Treppe und sorgt dafür, dass sie am Fest teilnehmen kann.

Hugo will Frédéric töten, um das Geheimnis zu wahren und einen Rivalen aus dem Weg zu schaffen, aber Agathe hält ihn davon ab und versucht, ihn zu beruhigen, weil der junge Forscher ein Buch über General Falsen plant und sie stolz darauf ist. Statt Frédéric erschlägt Hugo den Dienstboten, der Ophélie den Schlüssel zusteckte.

Seit Frédéric weiß, dass Hugos zweite Ehe gar nicht gültig ist, weil seine erste Ehefrau noch lebt und auch nicht von ihm geschieden ist, träumt er von einer gemeinsamen Zukunft mit Éléonore. Sébastian warnt ihn allerdings vor Hugo: Der werde Éléonore nicht aufgeben.

Frédéric möchte mit Éléonore durch den Schnee fliehen, aber sie rät ihm, allein loszugehen. Dann könne er mit Helfern zurückkommen und sie holen.

Frédéric verlässt das Schloss und stapft energisch durch den tiefen Schnee.

Ein Jahr später. Wieder steht der Wintereinbruch bevor. Éléonore hat einen Sohn, und Agathe ist glücklich, weil die Familie nicht ausstirbt. Sie freut sich, dass ein junger Forscher namens Mathieu seinen Besuch angekündigt hat. Ob Éléonore sich noch an den armen Frédéric erinnere, fragt Agathe. Mit ihm geschah das Gleiche wie vor vier Jahren mit Wilhelm, dann mit Gustave und Christian: Nach dem Winter fand man am Waldrand seine Knochen.

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Die französische Regisseurin Josée Dayan verfilmte das 1960 von Françoise Sagan geschaffene Theaterstück „Ein Schloss in Schweden“ („Château en Suède“). Christopher Thompson (Szenario) und Florian Zeller (Dialoge) schrieben das Drehbuch.

Das Bühnenstück war bereits 1963 von Roger Vadim fürs Kino adaptiert worden:

Originaltitel: Château en Suède – Regie: Roger Vadim – Drehbuch: Claude Choublier , nach dem Theaterstück „Ein Schloss in Schweden“ von Françoise Sagan – Kamera: Armand Thirard – Schnitt: Victoria Mercanton – Musik: Raymond Le Sénéchal – Darsteller: Monica Vitti, Jean-Claude Brialy, Curd Jürgens, Suzanne Flon, Françoise Hardy, Jean-Louis Trintignant, Sylvie, Daniel Emilfork, Michel Le Royer, Henri Attal, Dominique Zardi, Loulou Laguerre u.a. – 1963

Das groteske Drama handelt von einem jungen Forscher, der nicht merkt, wie er in einem eingeschneiten Schloss in Schweden zur Marionette einer dekadenten Familie wird, einer standesbewussten Greisin, die verhindern möchte, dass ihr Geschlecht ausstirbt und eines gelangweilten Geschwisterpaars aus Paris, das die innere Leere durch die spielerische Manipulation anderer Menschen auszufüllen versucht.

Die Dekadenz der Drahtzieher und die Raffinesse des Spiels erinnern an den Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos, den Josée Dayan 2003 verfilmte.

Der Film spielt mit Ausnahme einer kurzen Szene am Bahnhof auf einem Schloss in Schweden. Es ist ein von raffinierten Dialogen getragenes Kammerspiel, ein intellektuelles Vergnügen. Die beklemmende Atmosphäre wird durch die Musikuntermalung von Frédéric Botton verstärkt. Hervorragend sind auch die schauspielerischen Leistungen, allen voran die von Jeanne Moreau und ganz besonders die von Guillaume Depardieu. (Der Sohn von Gérard Depardieu und dessen Ehefrau Élisabeth Guignot starb am 13. Oktober 2008 im Alter von siebenunddreißig Jahren an einer Lungenentzündung.)

Deutsche Synchronsprecher in „Ein Schloss in Schweden“: Ilona Grandke (Agathe), Tobias Kluckert (Sébastian), Antje von der Ahe (Éléonore), Robin Kahnmeyer (Frédéric), Ilona Otto (Ophélie). Buch und Dialogregie: Beate Klöckner.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008

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