Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos : Gefährliche Liebschaften

Gefährliche Liebschaften
Originalausgabe: Les liaisons dangereuses, 1782 Gefährliche Liebschaften Übersetzung: Hans Kauders Winkler-Verlag, München 1959 Neuübersetzung: Wolfgang Tschöke Hanser Verlag, München 2003 Taschenbuch: dtv, München 2007 ISBN 978-3-423-13560-3, 541 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Marquise de Merteuil versteht es, trotz ihrer Intrigen und Affären ihren guten Ruf zu wahren. Der Vicomte de Valmont soll ihr bei einem Racheplan gegen einen ehemaligen Liebhaber helfen und dessen Braut entehren. Valmont hat sich jedoch erst einmal vorgenommen, die fromme und sittenstrenge Madame de Tourvel ins Bett zu kriegen. Ohne es zu merken, wird der von seiner Eitelkeit getriebene skrupellose Frauenheld von der perfiden, im Gegensatz zu ihm kühl und klug agierenden Marquise am Gängelband geführt. …..
mehr erfahren

Kritik

Der Briefroman "Gefährliche Liebschaften" von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos ist eine meisterhafte Satire über die Verderbtheit der aristokratischen Gesellschaft des Ancien Régime. Obwohl das Buch mehr als 240 Jahre alt ist, wirkt es kein bisschen verstaubt. Dafür sorgt der Autor mit Witz, Ironie und Suspense, Esprit, Raffinesse und Einfallsreichtum.
mehr erfahren

Racheplan

Die 36-jährige Marquise de Merteuil war noch sehr jung, als sie verheiratet wurde. Ihr Ehemann starb bald darauf, und die vorwiegend in Paris lebende Witwe hat seither alle Bewerber abgewiesen. Ihr Ruf ist untadelig, denn sie versteht es, sowohl ihre Intrigen als auch Affären geheim zu halten.

Zu ihren ehemaligen Liebhabern gehört auch der Vicomte de Valmont. Dem berüchtigten Libertin, der sich mit seinen zahlreichen amourösen Abenteuern brüstet, schlägt sie im August 17xx einen Racheplan vor: Er soll die 15-jährige Klosterschülerin Cécile de Volanges entehren. Deren Mutter beabsichtigt, sie mit dem Comte de Gercourt zu verheiraten. An dem Grafen will sich die Marquise rächen, weil er sie wegen einer anderen verließ, bevor sie von ihm genug hatte. Deshalb soll Valmont die Braut entjungfern und am Tag nach der Hochzeit einen Skandal auslösen. Ihm müsste selbst an der Rache gelegen sein, weil Gercourts damalige Eroberung den Vicomte wegen der neuen Affäre sitzen ließ.

Valmonts Vorhaben

Aber Valmont lehnt das Ansinnen zunächst ab, denn die Verführung eines unerfahrenen Mädchens reizt ihn nicht. Stattdessen strebt er die Eroberung der für ihre Frömmigkeit und Tugend bekannten Ehefrau des Präsidenten de Tourvel an. Die 22-Jährige, deren Ehemann länger in Burgund zu tun hat, hält sich zur Zeit nicht am Wohnsitz in Paris auf, sondern ist bei Valmonts 84-jähriger in einem Schloss auf dem Land lebenden Tante Madame de Rosemondes zu Gast – ebenso wie Valmont.

Die Marquise de Merteuil reagiert verärgert auf dessen Absage:

Wie, Sie wollen die Präsidentin de Tourvel besitzen? Welch lächerliche Kaprice! Daran erkenne ich Ihren Wirrkopf, der nur begehrt, was er glaubt nicht erlangen zu können. Was ist denn eigentlich Besonderes an dieser Frau? […]
Welche Schmach, wenn Sie scheitern! Und wie wenig Ruhm selbst im Falle des Erfolges! Noch etwas: erhoffen Sie sich kein Vergnügen davon. Hat man denn welches bei prüden Frauen? − ich meine solche, die es wirklich sind.

Céciles Mutter, Madame de Volanges, warnt die mit ihr befreundete Madame de Tourvel vor Valmont. Der habe noch nie etwas ohne geheime Absicht getan, schreibt sie, und verfolge nur unehrenhafte Pläne. Die Präsidentin entgegnet, Valmont sei vielleicht besser als sein Ruf, aber Madame de Volanges meint, selbst wenn das so wäre, müsse Madame de Tourvel darauf achten, dass ihre eigene Reputation nicht durch ihren Umgang mit ihm Schaden nehme. Am 24. August schreibt sie:

Meine schöne Freundin, gerade Ihre Ehrbarkeit spielt Ihnen da einen Streich, indem sie Ihnen das Gefühl der Sicherheit einflößt, bedenken Sie doch: richten werden über Sie teils frivole Leute, die an eine Tugend nicht glauben, weil sie für sie unter sich kein Beispiel finden, teils aber böse Menschen, die ihre Reinheit schon aus dem Grunde nicht werden anerkennen wollen, um Sie für deren Besitz zu strafen.

Erste Liebe

Die von Madame de Volanges geplante Hochzeit verschiebt sich, als Graf de Gercourt wegen Kriegshandlungen unerwartet mit seinem Regiment nach Korsika muss.

Inzwischen lässt sie ihre bereits aus der Klosterschule nach Hause geholte Tochter von einem Musiklehrer unterrichten. Der Chevalier Danceny ist fünf Jahre älter als seine Schülerin. Obwohl Cécile de Volanges weiß, dass ein Eingehen auf seine heimlich zugesteckten Liebesbriefchen sie entehren könnte, tut sie es nach anfänglichem Zaudern doch und verliebt sich schwärmerisch in ihn.

Die von dem naiven, Rat suchenden Mädchen ins Vertrauen gezogene Marquise de Merteuil schreibt Valmont:

Aber dieser Danceny ist ein Knabe, der seine Zeit mit Liebesgetändel versäumen wird, ohne ans Ziel zu kommen.

In einem anderen ihrer Briefe heißt es:

Die Kleine ist wirklich entzückend. Sie hat weder Charakter noch moralische Grundsätze – danach können Sie sich vorstellen, wie ergötzlich und bequem der Umgang mit ihr ist. Ich glaube nicht, dass sie jemals durch Gefühl glänzen wird; aber alles an ihr verspricht ein lebhaftes Feuer der Sinne. Ohne Witz und ohne Raffinesse, besitzt sie doch eine gewisse natürliche Falschheit […].

Valmonts Fortschritte

Valmont nutzt den gemeinsamen Aufenthalt im Schloss seiner Tante dazu, Madame de Tourvel weiter zu umgarnen. Weil er annimmt, dass sie von seinem schlechten Ruf gehört hat, beklagt er einige frühere Schandtaten und behauptet, die Begegnung mit ihr habe ihn geläutert. Sie glaubt ihm und beginnt, sich mit ihm anzufreunden, aber seine Liebeserklärung weist sie zurück.

Weil Valmont gemerkt hat, dass ihn Madame de Tourvel observieren lässt, richtet er es am 20. August so ein, dass er dabei beobachtet wird, wie er in einem Nachbardorf die Steuerschulden einer mittellosen Familie begleicht und sich als Wohltäter inszeniert. Das beeindruckt die fromme Präsidentin de Tourvel.

Sie ahnt nicht, wie sich der Vicomte und die Marquise über sie austauschen. Die Intrigantin spornt ihren ehemaligen Liebhaber an:

Sobald Sie Ihre schöne Frömmlerin besessen haben und mir dafür den Beweis liefern können, kommen Sie, und ich gehöre Ihnen. […] wird Ihr Erfolg um so reizvoller sein, wenn er zugleich das Sprungbrett zur Untreue ist. Kommen Sie also, kommen Sie so bald als möglich, um mir das Unterpfand Ihres Triumphes zu bringen, unsern tapfern Rittern von einstmals gleich, die zu den Füßen ihrer Dame die glänzenden Früchte ihres Sieges niederlegten.

Als Madame de Tourvel befürchtet, Valmont nicht länger widerstehen zu können, drängt sie ihn, das Schloss zu verlassen und nach Paris zurückzukehren.

Der Vicomte findet heraus, dass sie von Madame de Volanges vor ihm gewarnt wurde. Deshalb geht er endlich auf den Plan der Marquise ein, denn wenn er Cécile de Volanges verführt, kann er sich zugleich an deren Mutter rächen.

Im Bett und auf dem Rücken seiner nackten Geliebten Emilie schreibt Valmont am 30. August in Paris einen Brief an die Präsidentin de Tourvel. Darin heißt es unter anderem:

Noch nie empfand ich beim Schreiben eines Briefes an Sie soviel Vergnügen, und nie verspürte ich bei dieser Beschäftigung eine so süße und doch so lebhafte Regung. […] der Tisch selbst, auf dem ich schreibe und der zum ersten Mal diesem Dienst geweiht ist, verwandelt sich mir in einen heiligen Liebesaltar.

Cécile

Madame de Rosemondes lädt nach der Abreise ihres Neffen und der Präsidentin Madame de Volanges ein, ihr auf dem Schloss Gesellschaft zu leisten.

Fünf Tage bevor Madame de Volange am 11. September mit ihrer Tochter aufs Land reist, findet sie die Liebesbriefe des Chevaliers Danceny an Cécile und gerät außer sich. Sie erteilt dem Musiklehrer Hausverbot und untersagt ihm jeden Kontakt mit ihrer Tochter.

Cécile verdächtigt ihre Zofe und ihren Beichtvater als Verräter. Sie ahnt nicht, dass sich die Marquise de Merteuil in einem Brief an Valmont damit brüstet, Madame de Volanges durch gezielte Andeutungen dazu gebracht zu haben, die Briefe zu suchen.

Valmont freundet sich zum Schein mit dem Chevalier Danceny an und bietet an, Botschaften zwischen ihm und Cécile zu schmuggeln.

Unangekündigt kehrt er ins Schloss seiner Tante zurück – und überrascht bald darauf die schlafende Cécile in ihrem Zimmer. Er vergewaltigt und defloriert die 15-Jährige, die ihm in ihrer Verwirrung eine weitere Nacht zusagt, Gefallen daran findet und eine Affäre mit ihm beginnt.

Rückschlag

Als Valmont schon glaubt, bei Madame de Tourvel am Ziel zu sein, reist sie Anfang Oktober unvermittelt nach Paris.

Diese Frau bringt mich zur Verzweiflung, ich begreife sie nicht; ich habe hundert Beweise ihrer Liebe – und tausend ihres Widerstands.

Die Marquise de Merteuil verspottet ihn:

Ach, mein armer Valmont, was für ein Abstand ist noch zwischen Ihnen und mr! Der ganze Hochmut Ihres Geschlechts genügte nicht, ihn zu überbrücken. […]
Was haben Sie denn geleistet, das ich nicht tausendfach überboten hätte? Sie haben viele Frauen verführt, ja sogar zugrunde gerichtet. Aber welche Schwierigkeiten hatten Sie zu bewältigen, welche Hindernisse zu überwinden? […]
Sehen Sie hingegen mich an, wie ich über Ereignisse und Meinungen verfüge, wie ich aus diesen so fürchterlichen Männern ein Spielzeug meiner Launen mache, den einen des Willens, den andern der Macht beraubend, mir zu schaden […].

Prévan

Am 10. September sprach man in einer Gesellschaft in Paris über die nicht anwesende Marquise de Merteuil. Ein Offizier namens Prévan ergriff das Wort:

[…] Madame de Merteuil ist vielleicht jene Frau in Paris, die sich am wenigsten zu verteidigen hat. Ich persönlich […] werde an ihre Tugend erst glauben, wenn ich in meiner Bemühung um sie sechs Pferde zuschanden geritten habe.

Valmont, der das mitbekommen hatte, warnte seine Freundin vor Prévan. Aber statt sich vor ihm in Acht zu nehmen, ermutigt die erfahrene Frau Prévan durch geschickte Bemerkungen dazu, sich ihr zu nähern. Am Ende lockt sie ihn in eine Falle. Wie verabredet, versteckt er sich nach einer Abendgesellschaft in ihrem Haus. Aber als sie ihn dann vor ihrem Schlafzimmer hört, schreit sie und zieht an der Klingel, bis das Gesinde zusammenläuft und der vermeintliche Eindringling verhaftet wird. Danach befeuert die Marquise auch noch den Klatsch über den Skandal.

Ihres Liebhabers Belleroche überdrüssig, erkort sie den 20-jährigen Chevalier Danceny zum Nachfolger.

Am Ziel

Ein verlogener Brief Valmonts lässt Madame de Tourvels Beichtvater Pater Anselm glauben, die junge Frau habe den Wüstling durch ihr Vorbild auf den rechten Weg gebracht. Um die vermeintliche Bekehrung Valmonts nicht zu gefährden, vermittelt der Kirchenmann zwischen den beiden und erreicht, dass Madame de Tourvel ihren Widerstand gegen eine angeblich letzte Unterredung mit Valmont am 28. Oktober aufgibt.

Ihr Besucher tut so, als wolle er sich nur von ihr verabschieden und deutet an, dass er in seiner Verzweiflung über die unglückliche Liebe zu ihr keinen anderen Ausweg sehe, als sich das Leben zu nehmen. Noch in derselben Nacht gibt sie sich ihm hin.

Am 30. Oktober gratuliert Madame de Rosemondes der Präsidentin de Tourvel ahnungslos dazu, dass sie dem Werben ihres Neffen widerstanden habe und tugendhaft geblieben sei. Die Jüngere antwortet ihr mit einem schwärmerischen Brief über den vermeintlich geläuterten Vicomte und ihr neues Liebesglück. Daraufhin gibt Madame de Rosemondes ihr am 4. November zu bedenken:

Der Mann genießt das Glück, das er empfindet, die Frau das, das sie verschafft. […] Das Vergnügen des einen besteht darin, seine Begierden zu befriedigen, das des andern vor allem darin, sie hervorzurufen. Gefallen ist für ihn nur ein Mittel zum Erfolg, während es für sie der Erfolg selbst ist.

Umschwung

Stolz hält Valmont die Marquise über seine Erfolge auf dem laufenden. Am 11. November schreibt sie ihm:

So ist es denn wahr, Vicomte, dass Sie sich über das Gefühl, das Sie an Madame de Tourvel knüpft, noch Täuschungen hingeben? Das ist Liebe, oder es hat nie welche gegeben. Zwar leugnen Sie es auf hundert Arten, aber Sie beweisen es auf tausend.

Um die Meinung der Marquise zu widerlegen, verlässt Valmont seine neue Geliebte eines Abends vorzeitig und schützt eine beinahe vergessene geschäftliche Verabredung vor. Durch Zufall gerät ihre Kutsche wenig später neben seiner in einen Verkehrsstau, und Madame de Tourvel sieht, dass eine andere Frau bei ihm ist, die ihr dann auch noch höhnisch ins Gesicht lacht.

Verzweifelt teilt sie Madame de Rosemondes am 15. November mit, dass sie sich in Valmont getäuscht habe.

Der behauptet, er habe den Geschäftspartner nicht mehr angetroffen, sei stattdessen einer früheren Bekannten begegnet und habe ihr höflich angeboten, sie in seiner Kutsche nach Hause zu bringen. Madame de Tourvel versöhnt sich mit Valmont und wirft sich vor, ihm nicht vertraut zu haben.

Zugleich berichtet der Lügner der Marquise von dem Ereignis und amüsiert sich vor allem darüber, seine Begleiterin Emilie darauf hingewiesen zu haben, dass es sich bei der Frau in der anderen Kutsche um die Empfängerin seines auf Emilies nacktem Rücken verfassten Briefes handele.

Am 21. November berichtet Valmont seiner Vertrauten von einer Fehlgeburt Céciles. Deren Mutter sorgt sich zwar um ihre krank aussehende Tochter, ahnt allerdings weder etwas von den Liebesnächten mit Valmont noch von der Schwangerschaft.

Ende November fordert die Marquise de Merteuil den Vicomte de Valmont dazu auf, sich von Madame de Tourvel zu trennen. Tatsächlich schreibt er den von ihr vorgegebenen Text ab und schickt ihn seiner Geliebten:

Adieu, mein Engel; ich habe Dich mit Vergnügen genommen und verlasse Dich ohne Bedauern. Vielleicht komme ich einmal wieder zu Dir zurück. Das ist der Lauf der Welt.

Das kommentiert die Intrigantin am 29. November folgendermaßen:

Es ist ja gerade dies, dass ich nicht über Madame de Tourvel einen Sieg davongetragen habe, sondern über Sie; das ist das Drollige und wirklich Köstliche daran.
Ja, Vicomte, Sie liebten die Präsidentin sehr und lieben sie sogar noch. Sie lieben sie bis zum Wahnsinn! Aber weil ich mir den Spaß erlaubte, Sie deshalb zu verspotten, haben Sie sie brav geopfert. Sie hätten ihrer lieber tausend geopfert, als irgendeine Stichelei zu ertragen. Wozu verführt uns doch die Eitelkeit!

Mit der Begründung, er habe sich in Madame de Tourvel verliebt und die Jüngere ihr vorgezogen, verweigert die Marquise ihm das für die Eroberung zugesagte Schäferstündchen.

Krieg

Das Zerwürfnis zwischen den beiden Intriganten eskaliert zum Krieg.

Die Marquise de Merteuil weiß sich allerdings zu wehren. Sie klärt ihren jungen Geliebten darüber auf, dass Valmont ihn und Cécile de Volanges die ganze Zeit über betrogen habe, und der Chevalier Danceny fordert daraufhin den Vicomte de Valmont zum Degenduell heraus.

Tödlich verletzt übergibt Valmont dem Sieger am 7. Dezember ein Bündel Briefe, das die maliziösen Machenschaften der Marquise de Merteuil beweist.

Einen Tag nach Valmont stirbt Madame de Tourvel, die sich verzweifelt in ein Kloster zurückgezogen hatte und dort psychisch und physisch zusammengebrochen war.

Danceny veröffentllicht zwei der Briefe, einen, um Prévans zu rehabilitieren, den anderen, um die perfide Marquise de Merteuil öffentlich zu entlarven.

Madame de Volanges schreibt dazu am 11. Dezember in einem Brief an Madame de Rosemondes:

Seit kurzem meine liebe und verehrungswürdige Freundin, gehen hier über Madame de Merteuil recht seltsame und ärgerliche Gerüchte um. Natürlich bin ich weit entfernt daran zu glauben, und ich möchte wetten, dass es nur eine hässliche Verleumdung ist. […] Vor allem wünschte ich, dass ihnen noch rechtzeitig Einhalt geboten würde bevor sie weitere Verbreitung finden. […]
Man behauptet nämlich, dass der zwischen Herrn de Valmont und dem Chevalier Danceny plötzlich entstandene Streit das Werk Madame de Merteuils sei, die alle beide hintergangen habe […].

Nachdem Cécile de Volanges die Wahrheit über Valmont erfahren hat, geht sie ins Kloster und lässt sich auch von ihrer Mutter nicht mehr von dem Entschluss abbringen.

Die Marquise de Merteuil wird in Gesellschaft demonstrativ gemieden. Sie erkrankt an schwarzen Blattern, überlebt zwar, verliert jedoch ein Auge, und ihr Gesicht bleibt durch die Narben entstellt. Nicht genug damit: Am 12. Januar des folgenden Jahres wird in einem lange schon dauernden Gerichtsverfahren das Urteil gesprochen, und das ruiniert die Aristokratin finanziell. Sie verschwindet aus Paris und hinterlässt einen Schuldenberg.

Der Chevalier Danceny, der wegen des gesetzeswidrigen Duells eine Strafverfolgung befürchten muss, setzt sich nach Malta ab.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Der (fiktive) Verleger äußert im Vorwort den Verdacht, dass die in diesem Buch veröffentlichten Briefe nicht echt seien.

Wir glauben das Publikum darauf hinweisen zu müssen, dass wir […] für die Echtheit dieser Sammlung nicht einstehen können, sondern vielmehr allen Anlass zu der Meinung haben, dass es sich nur um einen Roman handelt.
Zudem dünkt uns, dass der Verfasser zwar die Absicht hatte, seinem Werk den Anschein eines wahrheitsgetreuen Berichts zu geben dass er diese Absicht aber – dazu auf die ungeschickteste Weise – durch die Zeit vereitelt hat, in die er die erzählten Begebenheiten versetzt. In der Tat führen einige Personen, die er auftreten lässt, einen so sittenlosen Lebenswandel, dass wir unmöglich annehmen können, sie hätten in unserem Jahrhundert gelebt – in unserem Jahrhundert der Philosophie, in dem, wie jedermann weiß, die allenthalben verbreitete Aufklärung sämtliche Männer so gut und sämtliche Frauen so bescheiden und zurückhaltend gemacht hat.

Auch vom (fiktiven) Herausgeber gibt es eine Vorbemerkung. Da heißt es unter anderem:

Aber auch unter den günstigsten Voraussetzungen dürfte diese Briefsammlung nur wenigen gefallen. Die verderbten Männer und Frauen haben alles Interesse daran, ein Buch, das ihnen schaden kann, in Verruf zu bringen; und da es ihnen nicht an Geschicklichkeit fehlt, werden sie am Ende auch die sittenstrengen Leute in ihr Lager ziehen, die sich darüber entsetzen, dass man eine solche Verworfenheit darzustellen sich nicht scheute.

Im Hauptteil folgen 175 Briefe. Die Sammlung beginnt mit einem Schreiben von Cécile Volanges an ihre Freundin Sophie Carnay bei den Ursulinerinnen vom 3. August 17xx und endet mit einem Brief der Madame de Volanges an Madame de Rosemonde vom 14. Januar des folgenden Jahres. Die in Paris und in einem Schloss auf dem Land spielende Handlung dauert also fast ein halbes Jahr.

Weil er sich vor der Zensur in Acht nehmen musste, verfasste Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos keinen gesellschaftskritischen Essay, sondern einen satirischen Roman über das verdorbene Ancien Régime, der auch nach mehr als 200 Jahren kein bisschen verstaubt wirkt. Auf unterhaltsame Weise prangert de Laclos in „Gefährliche Liebschaften“ die Doppelmoral an und entlarvt die höflichen Konventionen als Fassaden. Die Veröffentlichung des Briefromans im Frühjahr 1782, also kurz vor der Französischen Revolution, war zwar ein Skandalerfolg, weil die Käufer eine erotische Lektüre erwarteten, aber schon durch die Bestrafung der Hauptfiguren am Ende zeigt de Laclos seine Missbilligung der Unmoral.

In „Gefährliche Liebschaften“ gibt es weder einen auktorialen Erzähler noch Kommentare eines Autors. Die Fußnoten des fiktiven Herausgebers dienen lediglich dazu, den Anschein der Authentizität zu betonen und sind zumeist auch noch satirisch gemeint.

Die Handlung dreht sich um die beiden Hauptfiguren, die Marquise de Merteuil und den Vicomte de Valmont. Ohne es zu merken, wird der von seiner Eitelkeit getriebene skrupellose Frauenheld von der perfiden, im Gegensatz zu ihm kühl und klug agierenden Freundin am Gängelband geführt. Aber es gibt in „Gefährliche Liebschaften“ auch Briefe anderer Romanfiguren, beispielsweise die 15-Jährige Klosterschülerin Cécile Volanges, die anfangs noch naiv-schwärmerische Briefe schreibt. Auf dem Klavier der multiperspektivischen Darstellung spielt de Laclos sehr geschickt. Wir erleben dadurch die eine oder andere Szene aus verschiedenen Blickwinkeln, und weil immer wieder eine Person mehr weiß als die andere, ergötzen wir uns bei der Lektüre an Witz, Ironie und Suspense.

Mit Esprit, Raffinesse und Einfallsreichtum entwickelt Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos die Geschichte. Die stringente Komposition ist klug durchdacht. Und gegen Ende zu steigert de Laclos auch noch das Tempo. Obwohl die Handlung im Ancien Régime spielt, kann man es beim Lesen kaum glauben, einen mehr als 240 Jahre alten Roman vor sich zu haben.

Nur an einer Stelle hat sich ein Denkfehler eingeschlichen, der eigentlich nicht zu der raffinierten Marquise de Merteuil passt: In einem Brief an Valmont vom 20. September schildert sie einige ihrer Schandtaten und behauptet dann, sie achte stets darauf, dass es keine schriftlichen Zeugnisse gebe.

Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos stellte das Manuskript des Briefromans 1781 fertig. Im März 1782 wurde das Buch in Paris veröffentlicht. Der Originaltitel lautete: „Les Liaisons dangereuses, ou Lettres recueillies dans une Société et publiées pour l’instruction de quelques autres“. Die 2000 Exempare der ersten Auflage waren schon nach einem Monat verkauft.

Eine erste Übersetzung des Romans ins Deutsche gab es bereits 1783: „Die gefährlichen Bekanntschaften, oder Briefe gesammelt in einer Gesellschaft und zur Belehrung einiger anderer bekanntgemacht“. Weitere Übertragungen folgten, unter anderem von Heinrich Mann: „Gefährliche Freundschaften“ (1905). 1920 änderte man den Titel in „Schlimme Liebschaften“. 2003 erschien eine Neuübersetzung von Wolfgang Tschöke unter dem Titel „Gefährliche Liebschaften“.

Der Briefroman von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos gilt inzwischen als ein Hauptwerk der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts und Klassiker der Weltliteratur. 1999 wählten die Mitglieder der Académie Goncourt zwölf Bücher, die „sich als wesentliche Werke der französischen Literatur behaupten“. Dabei kam der Roman „Les Liaisons dangereuses“ auf Platz 1.

Heiner Müller adaptierte „Gefährliche Liebschaften“ 1980 unter dem Titel „Quartett“ fürs Theater (Uraufführung 1982 am Schauspielhaus Bochum). Eine weitere (später von Alissa und Martin Walser ins Deutsche übertragene) Bühnenfassung stammt von Christopher Hampton (1985).

Diese liegt der Verfilmung durch Miloš Forman nach einem Drehbuch von Jean-Claude Carrière zugrunde: „Valmont“ (1989). Fast gleichzeitig kam die Verfilmung der Romanvorlage durch Stephen Frears ins Kino: „Gefährliche Liebschaften“ (1988). Von den weiteren Verfilmungen seien zwei genannt: Roger Vadim drehte mit Jeanne Moreau und Gérard Philipe in den Hauptrollen (1959), Josée Dayan mit Catherine Deneuve, Rupert Everett und Nastassja Kinski (2003).

Die Oper „The Dangerous Liaisons“ von Conrad Susa hatte 1994 in San Francisco Premiere. Zwei Jahre später kam die Oper „Les liaisons dangereuses“ von Piet Swerts auf die Bühne. Nach Heiner Müllers Theater-Adaptation des Romans entstand die 2011 an der Mailänder Scala uraufgeführte Oper „Quartett“. Und 2015 hatte das Musical „Gefährliche Liebschaften“ von Wolfgang Adenberg und Marc Schubring am Staatstheater am Gärtnerplatz in München Premiere.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2020
Textauszüge: © Winkler Verlag

Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos (kurze Biografie)

Milos Forman: Valmont
Stephen Frears: Gefährliche Liebschaften

Ragnar Jónasson - Dunkel
Ragnar Jónasson verzichtet in dem ruhig und stringent entwickelten Kriminalroman "Dunkel" weitgehend auf Action-Szenen und lässt sich auf eine Antiheldin als Ermittlerin ein. Noch ungewöhnlicher ist das Ende des im Grunde einfachen Plots.
Dunkel

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.