Donna W. Cross : Die Päpstin

Die Päpstin
Originalausgabe: Pope Joan, 1996 Die Päpstin Übersetzung: Wolfgang Neuhaus Deutsche Erstausgabe: Rütten & Loening, Berlin 1996
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

814 wird die heidnische Frau eines Priesters in Ingelheim von einer Tochter entbunden, die den Namen Johanna erhält. Der griechische Gelehrte Aeskulapius erkennt während einer Rast Johannas außergewöhnliche Intelligenz und unterrichtet sie deshalb. Nach einem Normannenüberfall schlüpft Johanna in die Kleidung ihres getöteten Bruders Johannes und tritt als Mönch in das Kloster Fulda ein. Zwölf Jahre später zieht sie als Medicus nach Rom ...
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Kritik

"Die Päpstin" ist ein opulenter historischer Roman mit zahlreichen lebendigen Episoden und farbig dargestellten Ereignissen. Die Sprache zumindest der deutschen Übersetzung ist allerdings recht plump.
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Ein aus England stammender Priester hatte bei der Sachsenmission eine sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre alte blonde Heidin mit dem Namen Gudrun zur Frau genommen und war mit ihr nach Ingelheim gezogen, aber es gelang ihm nicht, sie zu bekehren. Nach zwei Söhnen – Matthias und Johannes – wird Gudrun im Jahr 814 von einer Tochter entbunden, die auf den Namen Johanna getauft wird.

Im Alter von sieben Jahren drängt Johanna ihren sechs Jahre älteren Bruder Matthias, sie heimlich lesen und schreiben zu lehren. Der strenggläubige Vater darf davon nichts wissen, denn er ist überzeugt davon, dass Bildung den Männern vorbehalten ist.

Als Matthias einer Krankheit erliegt, endet Johannas Unterricht. In ihrer Verzweiflung klammert sie sich an die Hoffnung, der Vater werde sie auf eine Schule schicken, wenn sie ihn von ihren Fähigkeiten überzeugt. Sie nimmt seine lateinischsprachige Bibel und liest ihm flüssig daraus vor. Aber statt seine Tochter zu loben, springt der Priester jähzornig auf und beschuldigt Johanna, durch ihr frevelhaftes Tun den Tod ihres Bruders verschuldet zu haben.

Einige Monate später legt der griechische Gelehrte Aeskulapius auf dem Weg nach Mainz, wo er als Lehrmeister an die Domschule berufen wurde, in Ingelheim eine Rast ein. Der Priester will ihm die Kenntnisse seines Sohnes vorführen, aber Johannes versagt. Stattdessen rutscht Johanna bei einer der Fragen eine Antwort heraus. Während ihr Vater wegen des Gastes eine wütende Reaktion unterdrückt, prüft Aeskulapius neugierig Johannas Kenntnisse und erkennt ihre außergewöhnliche Intelligenz. Er will ihr Tutor werden, und weil sie als Mädchen die Domschule nicht besuchen darf, schlägt er vor, alle zwei Wochen nach Ingelheim zu kommen und sie zu unterrichten. Um die Zustimmung ihres Vaters zu bekommen, muss Aeskulapius auch Johannes an den Lektionen teilnehmen lassen.

Nach einem Jahr wird Aeskulapius an der Domschule von Mainz durch einen Franken ersetzt. Bevor er zu einem Freund nach Athen zieht, verabschiedet er sich von Johanna und schenkt ihr einen wertvollen griechischen Folianten. Johanna steht jede Nacht heimlich auf, um darin zu lesen. Als ihr Vater sie dabei ertappt, schlägt er sie halbtot. Zeitlebens wird ihr Rücken von den Narben entstellt sein.

Ein Abgesandter des Bischofs von Dorstadt kommt zum Priester von Ingelheim, um Johanna abzuholen. Auf ein Ersuchen von Aeskulapius hin will Bischof Fulgentius das Mädchen in seine von Odo geleitete Domschule aufnehmen. Johannas Vater überredet jedoch den einfältigen Boten, statt des Mädchens Johannes mitzunehmen.

Unterwegs wird der Gesandte von einem Wegelagerer durch einen Pfeilschuss ermordet. Johannes ersticht den Räuber mit dem Messer, das er seinem Vater stahl. Zusammen mit Johanna, die inzwischen von zu Hause fortgelaufen ist, gelangt Johannes nach Dorstadt, wo Bischof Fulgentius die Geschwister in die Domschule aufnimmt. Weil die Dreizehnjährige nicht im Schlafsaal der Schüler übernachten kann, nimmt der fünfundzwanzigjährige Markgraf Gerold sie in der Burg Villaris auf, wo er mit seiner Ehefrau Richild sowie den Töchtern Gisla und Dhuoda wohnt.

Gerold und Johanna verlieben sich, und obwohl sie es voreinander verbergen wollen, kommt es zu einer Situation, in der sie sich leidenschaftlich küssen. Odo, der Johanna ohnehin hasst, weil er sie auf Befehl des Bischofs in seiner Domschule studieren lassen muss, wird zufällig – und von dem Paar unbemerkt – Zeuge des Kusses. Unverzüglich berichtet er Gräfin Richild, was er gesehen hat.

Um mit seinen Gefühlen ins Reine zu kommen, übernimmt Gerold einen Auftrag, der mit einer vierwöchigen Reise verbunden ist. Diese Zeit nützt Richild, um gegen Johanna zu intrigieren: Mit dem Hinweis, ihr Vetter Sigismund, der Bischof von Utrecht, habe sich bei ihr über die Amtsführung des Bischofs von Dorstadt erkundigt, erpresst sie Fulgentius, der mit einer Mätresse zusammenlebt. Richild bringt ihn dazu, Johannas Besuch der Domschule für beendet zu erklären. Damit steht der sofortigen Verheiratung des Mädchens mit Iso, dem Sohn des Hufschmieds von Dorstadt, nichts mehr im Weg. Höhnisch setzt sie Johanna darüber in Kenntnis und behauptet, Gerold habe ihr von dem Kuss erzählt und sich über Johanna lustig gemacht. Die Schülerin will in der Nacht vor der geplanten Vermählung fliehen, aber Richild lässt ihr ein Glas Wein mit einem Schlafmittel bringen.

Bevor Iso und Johanna im Dom getraut werden können, wird Dorstadt von Normannen überfallen. Die Angreifer metzeln alle Bewohner nieder. Johanna versteckt sich hinter dem Altar und beobachtet, wie Gisla mehrmals vergewaltigt und dann mitgezerrt wird. Gräfin Richild und Dhuoda liegen unter den Toten. Auch Johannes ist im Kampf gegen die Normannen gefallen.

Johanna zieht die Sachen ihres toten Bruders an, schneidet sich die Haare kurz und macht sich auf den Weg zum Kloster Fulda, wo sie als Bruder Johannes Anglicus aufgenommen wird. Jetzt, wo man sie für einen Mann hält, bringen ihr Bildung und Klugheit Anerkennung ein. Bruder Benjamin, der Medicus des Klosters, gibt sein Wissen an sie weiter.

Leprakranke werden unbarmherzig aus der Gesellschaft verstoßen. Unter den Kranken, denen dieses Schicksal droht, ist eines Tages die Witwe Madalgis, die darum fleht, zu ihren vier Kindern zurückkehren zu dürfen. Johanna erkennt, dass es sich bei der Hautkrankheit der armen Frau nicht um Lepra handelt und erreicht, dass der Prior ihr erlaubt, Madalgis nach Hause zu begleiten. In der Kate leben Menschen und Tiere unter einem Dach. Johanna säubert den Fußboden, erneuert die Schlafstellen und bringt Madalgis dazu, sich im Fluss zu baden. Bald klingt die Hautkrankheit ab.

Obwohl Abt Rabanus den jungen Bruder Johannes Anglicus für zu eigenwillig und zu wenig unterwürfig hält, ernennt er ihn aus taktischen Gründen zum Priester.

Zehn Jahre nachdem Johanna ihr Elternhaus verließ, taucht unerwartet ihr Vater im Kloster Fulda auf. Gudrun starb vor einem Monat. Nun will er seinen Sohn Johannes besuchen. Johanna hat panische Angst vor der Begegnung, zieht die Kapuze in die Stirn und hält sich im Schatten. Zuerst erkennt er sie nicht, aber dann merkt er, dass er statt mit Johannes mit Johanna spricht. Entsetzt wirft er ihr vor, noch einen Bruder ermordet zu haben und verlangt eine Unterredung mit dem Abt, um ihn darüber aufzuklären, dass sich eine Frau in sein Kloster eingeschmuggelt hat. Aber er regt sich so auf, dass er einen Schlaganfall erleidet und tot zusammenbricht, bevor er seine Tochter verraten kann.

Als Bruder Benjamin stirbt, verliert Johanna einen väterlichen Freund.

Einige Zeit später wird sie selbst schwer krank. Um das Fieber zu senken, will Odilo, der Leiter des Spitals, Bruder Johannes Anglicus ausziehen und in ein feuchtes Tuch hüllen. Obwohl Johanna halb bewusstlos ist, weiß sie, dass dies nicht geschehen darf. Sie schleppt sich aus dem Kloster, klettert am Ufer der Fulda in ein Fischerboot und bricht darin entkräftet zusammen.

Nach einer Woche kommt sie wieder zu sich und merkt sofort, dass man sie mit einer Frauentunika bekleidet hat. Sie befindet sich auf dem Anwesen des Grafen Riculd, fünfzig Meilen stromabwärts von Fulda. Ihr Retter ist Arn, einer der Söhne der vor sechs Jahren von Johanna geretteten Witwe Madalgis. Er ist jetzt achtzehn und Gutsverwalter des Grafen Riculd. Seine Frau heißt Bona, die Tochter trägt den Namen Arnalda. Sie werden Johanna nicht verraten.

Zwölf Jahre nach ihrem Eintritt in das Kloster Fulda zieht die inzwischen Siebenundzwanzigjährige nach Rom und wird dort von der Scola Anglorum aufgenommen. Schon bald hat sich herumgesprochen, dass Johannes Anglicus ein hervorragender Gelehrter und Medicus ist. So kommt es dann auch, dass Johanna – sehr zum Missfallen der römischen Ärzte – von Benedikt, dem Bruder des wegen seiner Völlerei gichtkranken Papstes Sergius II., in das Patriarchum gerufen wird. Nach der erfolgreichen Behandlung ernennt Papst Sergius sie zu seinem Leibarzt. Als Benedikt sich wegen Johannas Einfluss auf seinen Bruder Sorgen macht, lockt er sie in eine Falle: Sie wird zu der angeblich schwer kranken Kurtisane Marioza in Trastevere gerufen. Die Zweiundzwanzigjährige versucht den vermeintlichen Priester zu verführen, fordert ihn auf, ihren Herzschlag abzuhören, enthüllt ihre Brüste, und als die Wachen kommen, zerrt sie ihn aufs Bett. Johanna wird festgenommen und eingekerkert.

Erst als Papst Sergius II. erneut schwer erkrankt, holt Haushofmeiser Arighis die Gefangene aus dem Kerker. Endlich kann Johanna dem Papst berichten, dass sie von Benedikt hereingelegt wurde, und sie wird rehabilitiert.

Johannas Aussage ist umso glaubwürdiger, als Benedikt inzwischen Rom mit den Schatztruhen des Papstes verlassen hat. Kaiser Lothar II. ist nämlich auf dem Vormarsch nach Rom. Benedikt fällt jedoch Gerold in die Hände. Der Graf schloss sich nach der Zerstörung von Dorstadt und seiner Burg durch die Normannen dem Kaiser an und befehligt eine der nach Rom ziehenden Armeeeinheiten. Gerold nimmt Benedikt als Gefangenen mit. In Rom sorgt Arighis dafür, dass dem Dieb zur Strafe beide Hände mit einem Schwert abgeschlagen werden, und Benedikt stirbt an der schweren Verletzung.

Nach zehn Jahren sehen Johanna und Gerold sich wieder. Sie lieben sich nach wie vor, aber Johanna ist nicht bereit, ihre männliche Identität aufzugeben und Gerolds Frau zu werden.

Als Papst Sergius II. stirbt, setzt der Intrigant Arsenius alles daran, dass sein ebenso skrupelloser und ehrgeiziger Sohn Anastasius von den Römern zum Papst gewählt wird. Johanna vereitelt das, indem sie Anastasius öffentlich der Korruption bezichtigt. Daraufhin kippt die Stimmung in der zur Papstwahl versammelten Volksmenge, und nicht Anastasius, sondern Leo erhält den meisten Beifall.

Unter Papst Leo IV. steigen Gerold und Johanna in hohe päpstliche Ämter auf.

Arsenius bringt den von ihm bestochenen päpstlichen Vicedominus Waldipert dazu, Papst Leo zu vergiften und ruft seinen in Aachen abwartenden Sohn nach Rom zurück. Doch statt dem Papst das Gift über einen längeren Zeitraum in kleinen Dosen zu verabreichen, tötet Waldipert ihn mit einem einzigen vergifteten Gericht. Anastasius ist noch unterwegs, als Leo stirbt und Arsenius Waldipert die Kehle durchschneidet.

Ohne ihr Zutun – sie ist bei der Wahlversammlung nicht einmal anwesend – wird Johanna zum neuen Papst gewählt.

Päpstin Johanna eröffnet nicht nur eine Schule für Frauen, sondern sie lässt auch das verfallene Marcianische Aquädukt unter Gerolds Leitung wieder aufbauen, damit frisches Wasser von den fünfzig Kilometer entfernten Quellen von Subiaco nach Rom geleitet werden kann.

Als der Tiber nach anhaltenden Niederschlägen 854 die Felder der Campagna überflutet und innerhalb der Stadtmauern das Armenviertel Campus Martius unter Wasser setzt, zieht Päpstin Johanna sich nicht zu Gebeten für die Betroffenen zurück, sondern besteigt mit Gerold ein Boot und lässt sich zu den Betroffenen rudern, um ihnen zu helfen. Dabei werden sie jedoch von einer neuen Flutwelle samt ihrem Boot in eine Ruine gespült. Gerold ist bewusstlos und droht zu sterben. Um ihn zu wärmen, zieht Johanna ihm die nasse Kleidung aus und legt sich dann nackt zu ihm unter eine trockene Decke. Schließlich kommt Gerold wieder zu sich – und diesmal geben sie sich beide ihrer Leidenschaft hin.

Einige Wochen später stellt Johanna erschrocken fest, dass sie schwanger ist. Sie mischt sich ein Abtreibungsmittel, aber es wirkt nicht. Als sie es Gerold erzählt, drängt er sie, mit ihm zusammen aus Rom zu fliehen. Es bleibt ihr wohl nichts anderes übrig, aber sie möchte noch einen Monat bleiben, um nicht durch den Skandal den Gläubigen das Osterfest zu verderben. Als es so weit ist, trifft die Nachricht ein, dass Kaiser Lothar erneut nach Rom unterwegs ist. In dieser Lage will Johanna die Römer nicht im Stich lassen.

Aufgrund einer von Anastasius angestifteten Falschaussage des magister militum Daniel wird Gerold als angeblicher Verräter von Kaiser Lothar gefangen genommen, aber Päpstin Johanna weist durch kluge Fragen an Daniel die Unwahrheit der Beschuldigungen nach.

Weil Anastasius inzwischen die Geduld verloren hat, will er nun mit Waffengewalt Papst werden. Bei einer Prozession werfen einige Männer Steine. Sofort reitet Gerold auf die Störenfriede zu. Sie weichen ein Stück zurück und holen überraschend Schwerter aus ihrer Kleidung. Zugleich wird Gerold von hinten angegriffen. Die päpstliche Garde will ihm zu Hilfe kommen, aber eine weitere Gruppe von Verschworenen blockieren den Weg. Gerold kämpft – bis er von hinten erdolcht wird. Vor Entsetzen erleidet Johanna eine Fehlgeburt und bricht tot zusammen.

Trotz des Anschlags folgt nicht Anastasius, sondern Benedikt III. der Päpstin auf den Thron. Anastasius bringt es nur zum päpstlichen Bibliothekar. In dieser Eigenschaft obliegt es ihm, das Liber Pontificalis zu schreiben, die offizielle Chronik der Päpste, und diese Möglichkeit nutzt er, um sich an seiner Widersacherin Johanna zu rächen und ihr Pontifikat totzuschweigen. Doch zweiundvierzig Jahre nach Johannas Tod fertigt Erzbischof Arnaldo in Paris eine Abschrift des Liber Pontificalis an – und fügt in das Register zwischen den Päpsten Leo IV. und Benedikt III. die Päpstin Johanna ein. Bei Erzbischof Arnaldo handelt es sich übrigens um Arnalda, die Tochter von Johannas Rettern Arn und Bona.

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In einem Anhang zu ihrem Roman „Die Päpstin“ geht Donna Woodfolk Cross auf die Frage ein, was an ihrer Geschichte wahr und was fiktiv ist. Beispielsweise wurde Rom 854 tatsächlich von einer Flutkatastrophe heimgesucht. Die Völlerei und Gichtkrankheit des Papstes Sergius II. sei ebenso überliefert wie die Ermordung des Papstes Leo IV. Der Normannenüberfall auf Dorstadt fand zwar statt, allerdings nicht 824, sondern erst zweiundzwanzig Jahre später. Kaiser Lothar II. zog nur einmal persönlich nach Rom, und das rund zwanzig Jahre vor den hier geschilderten Ereignissen (Ostern 823: Kaiserkrönung durch Papst Paschalis I.).

Entscheidend ist natürlich die Frage, ob es eine Päpstin Johanna gegeben hat. Donna W. Cross hält es für möglich und führt eine Reihe von Indizien an. Dass Papst Johannes 1276 die Nummerierung von XX. in XXI. änderte, sei darauf zurückzuführen, dass er sich von der Existenz seiner Vorgängerin überzeugt habe. Vermutlich im 14. Jahrhundert habe jemand in einem Exemplar des Liber Pontificalis das Register mit einer Notiz über Päpstin Johanna ergänzt. Weitere Argumente liefere der Ketzerprozess gegen Johannes Hus im Jahr 1413: Hus bezweifelte die Unfehlbarkeit der Päpste und argumentierte u. a. damit, dass mit Johanna irrtümlich eine Frau in das Amt gewählt worden sei. Während das Gericht Hus‘ sonstige Behauptungen ausdrücklich zurückgewiesen habe, führt Donna W. Cross aus, sei es auf seine These über die Existenz einer Päpstin Johanna nicht eingegangen. Nach der Entdeckung Johannas hätten sich die neu gewählten Päpste bis ins 16. Jahrhundert mit nacktem Unterkörper auf einen Stuhl aus Porphyr setzen müssen, dessen Sitzfläche man herausgenommen hatte (sella stercoraria), behauptet Donna W. Cross. Der Waliser Adam von Usk, der sich zwei Jahre lang in Rom aufhielt, bezeugte angeblich diese sog. Sesselprüfung bei der Wahl von Papst Innozenz VII. im Jahr 1404. Die Erklärung der römisch-katholischen Kirche, die herausnehmbare Sitzfläche habe keine Bedeutung gehabt, hält Donna W. Cross nicht für überzeugend. Sie weist auch noch darauf hin, dass Prozessionen vom Patriarchum zur Peterskirche auf dem kürzesten Weg durch die Via Sacra erfolgt waren – bis man nach der Fehlgeburt der Päpstin Johanna eine andere Strecke wählte. Donna W. Cross unterstellt, dass die Gläubigen jahrhundertelang von der Päpstin Johanna wussten. Erst im 17. Jahrhundert habe die Kirche alle Hinweise auf sie vernichtet.

Die Argumente der Autorin überzeugen mich zwar nicht, aber man kann den Roman „Die Päpstin“ ja auch einfach zur Unterhaltung lesen. Für diesen Zweck bietet Donna W. Cross eine fulminante Geschichte mit zahlreichen lebendigen Episoden und farbig dargestellten Ereignissen. Im Hintergrund der eigentlichen Handlung geht sie immer wieder auf mittelalterliche Gebräuche und Lebensumstände ein, die sie – so beteuert sie im Anhang – sorgfältig recheriert hat. Es gibt auch Szenen, die nicht plausibel wirken, und einige der Daten bzw. Altersangaben passen nicht zusammen. Falsch ist zum Beispiel die Bezeichnung der Peterskirche als „Petersdom“, und in folgendem Satz hat sich ein Übersetzungsfehler eingeschlichen:

Der hohe Klerus […] glaubte allein an die Kraft heiliger Relikte und göttlicher Wunder.

Gemeint sind wohl nicht Relikte, sondern Reliquien. Meine eigentliche Kritik bezieht sich jedoch nicht auf den Inhalt, sondern auf die plumpe Sprache, wobei ich nur die deutsche Übersetzung kenne. Da stören stilistisch missratene und zugleich unlogische Sätze wie:

Eine Windböe fegte zwischen den Bäumen hindurch, krallte ihre eisigen Finger in Hrotruds Körper und drang durch die Löcher und Flicken ihrer dünnen Wollkleidung.

Fazit: Wer sich von formalen Schwächen nicht stören lässt, hat mit „Die Päpstin“ einen opulenten, packenden historischen Roman vor sich.

„Die Päpstin“ von Donna W. Cross gibt es auch als gekürztes Hörbuch, gesprochen von Barbara Rudnik (4 CDs, 310 Minuten, Der Audio Verlag).

Nachdem sich die Produktionsgesellschaft Constantin Film mit Volker Schlöndorff überworfen hatte, wurde Sönke Wortmann für die Verfilmung des Romans „Die Päpstin“ als Regisseur engagiert: „Die Päpstin“.

Dennis Martin und Christoph Jilo brachten „Die Päpstin“ als Musical auf die Bühne. Die Uraufführung erfolgte am 3. Juni 2011 am Schlosstheater Fulda.

Wer sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen möchte, ob es eine Päpstin gegeben hat oder nicht, sei auf die Theologin Elisabeth Gössmann verwiesen:

  • Mulier Papa. Der Skandal eines weiblichen Papstes. Zur Rezeptionsgeschichte der Gestalt der Päpstin Johanna. Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung. Band 5. München 1994
  • Die Päpstin Johanna. Der Skandal eines weiblichen Papstes. Berlin 1998

Ein Lexikon der Päpste einschließlich eines Eintrags über die Päpstin Johanna veröffentlichten Georg Schwaiger und Manfred Heim (Kleines Lexikon der Päpste, C. H. Beck, München 2005, 134 Seiten). Weiterer Literaturhinweis: Max Kerner und Klaus Herbers, Die Päpstin Johanna. Biografie einer Legende (Köln / Weimar / Wien 2010).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 – 2009
Textauszüge: © Rütten & Loening

Sönke Wortmann: Die Päpstin

Alain Decaux - Eduard VIII. und Wallis Simpson
Minutiös rekonstruiert Alain Decaux die Konflikte, Intrigen und Verhandlungen in den Jahren 1936/37. Die chronologische Darstellung ist farbig, lebendig und spannend. Wie in einem Roman werden große Gefühle evoziert.
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