Charlotte von Stein
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Weimar verliebte sich Johann Wolfgang Goethe in Charlotte von Stein. Die sieben Jahre ältere, verheiratete Aristokratin ließ sich auf eine enge Freundschaft mit dem Dichter ein, bestand jedoch darauf, dass ihr Verhältnis platonisch blieb. Zu ihrem Entsetzen begann Goethe nach 13 Jahren eine wilde Ehe mit der jungen Arbeiterin Christiane Vulpius.
Tabellarische Biografien: Charlotte von Stein / Christiane Vulpius / Johann Wolfgang von Goethe
Charlotte von Stein, Christiane Vulpius:
Goethe zwischen »Seelenfreundin« und »Bettschatz«
Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Verführerische Frauen. Elf Porträts
Piper Verlag, München 2012
Um seine Ehefrau in die Weimarer Gesellschaft einzuführen, überredete Goethe die aus Danzig stammende und erst seit einigen Wochen in Weimar lebende Witwe Johanna Schopenhauer, ihn zusammen mit Christiane am 20. Oktober [1806] zum Tee zu empfangen. Von der 40-jährigen Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer stammt der Satz: »Wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.« Wilhelm von Humboldt meinte: »Die Geheimrätin [ ] ist ein ganz leidliches Wesen, und Goethe tut alles, um zu machen, dass die Weimarschen Damen mit ihr umgehen sollen.« Selbst Charlotte von Stein ließ sich zwei Jahre später erweichen, die Einladung
Christiane von Goethes zu einer Teegesellschaft anzunehmen: »Angenehm ist es mir freilich nicht, in der Gesellschaft zu sein. Indessen, da er das Kreatürchen sehr liebt, kann ich’s ihm wohl einmal zu Gefallen tun.« Wohl fühlte Christiane sich bei diesen Zusammenkünften anscheinend nicht: »Da kann [ich] Dir aber versichern, dass in solcher Gesellschaft beinahe kein vernünftiges Wort gesprochen wird und so gelogen wird, dass man erschrickt.«
Trotz aller Bemühungen hielt die gegen Christiane von Goethe bestehende Feindseligkeit an. »Es ist selbst dem mächtigen Goethe nicht gelungen, Christiane die Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen, die ihr als seiner Gemahlin gebührt hätte – allein den Frankfurter Kreis seiner Mutter ausgenommen, in den Christiane bei einem vorübergehenden Aufenthalt, vielleicht der herzbezwingenden Haltung seiner Mutter zuliebe, um ihrer natürlichen Frische und Klugheit willen wertgehalten wurde.« Katharina Elisabeth Goethe schrieb ihrem Sohn, nachdem sein »Bettschatz« drei Wochen lang bei ihr zu Besuch gewesen war: »Du kannst Gott danken! So ein liebes – herrliches unverdorbenes Gottesgeschöpf findet man selten.«
Quelle: Dieter Wunderlich, Verführerische Frauen. Elf Porträts
© Piper Verlag, München 2012
Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen. Zitate:
Hartmut Fröschle: Goethes Verhältnis zur Romantik, 2002, S. 103
Renate Grumach (Hg.): Johann Wolfgang von Goethe. Begegnungen und Gespräche, Bd. 6, 1999, S. 601
Astrid Seele, Frauen um Goethe, 1997, S. 76
Marianne Reissinger: »Zwei Seelen, ach, in meiner Brust«. Goethe ganz privat, 2003, S. 73
Margarete Susman: Deutung einer großen Liebe. Goethe und Charlotte von Stein,1951, S. 205
Josef Rattner, Goethe. Leben – Werk – Wirkung, 1999, S. 124
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