Coco Chanel

Der märchenhafte Aufstieg einer Näherin aus der Provinz zur Pariser Modeschöpferin

Albert Chanel trieb sich wie sein Vater als Straßenhändler in Frankreich herum. Sein Vater musste heiraten, als er eine sechzehnjährige Bauerntochter geschwängert hatte; er selbst willigte erst in eine Hochzeit ein, als eine seiner Geliebten das dritte Kind von ihm erwartete. Am 19. August 1883 kam seine zweite Tochter zur Welt, und weil er gerade wieder unterwegs war, gab die Mutter vor, er sei ihr Ehemann und habe die Heiratsurkunde bei sich. Tatsächlich wurde das Neugeborene mit dem Familiennamen des Vaters ins Taufregister eingetragen – aufgrund eines Schreibfehlers als „Gabrielle Chasnel“. Als Gabrielle Chanel zwölf Jahre alt war, starb ihre Mutter, und der Vater lieferte seine beiden ältesten Töchter in einem Waisenhaus ab, während sich ein Verwandter um die übrigen vier Kinder kümmerte.

Gabrielle Chanel schlug sich in der Provinz als Näherin durch, bis sie von prahlerisch-spendablen
Offizieren eines Jägerregiments ausgeführt wurde, ihre Stelle kündigte, als „Coco“ in einem Tingeltangel auftrat und schließlich einem der Offiziere auf dessen Landsitz folgte.

Der steinreiche englische Unternehmer Arthur Capel, der sich in sie verliebte, lieh ihr das Geld für ein Hutgeschäft in Paris. Coco Chanel verstand sich nämlich darauf, Hüte geschickt aufzuputzen. Mit einem weiteren Kredit ihres Geliebten eröffnete sie in dem mondänen Seebad Deauville eine Boutique. 1914 entwarf sie den Körper locker umspielende Kleider, und während des Kriegs kreierte sie aus einem Restposten Jersey eine neue Mode mit klaren Linien statt der üblichen Verzierungen. Bald beschäftigte sie 300 Näherinnen, und sie konnte ihre Schulden begleichen. Das war ihr wichtig, denn sie wollte von niemand abhängig sein, um nicht wie ihre Mutter darunter zu leiden.


Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen. © Piper Verlag 

Ein literarisches Porträt von Coco Chanel finden Sie in dem Buch
„EigenSinnige Frauen. 10 Porträts“ von Dieter Wunderlich
(Piper Verlag) und in dem Hörbuch „Coco Chanel“.
Leseprobe


Arthur Capel heiratete eine standesgemäße Engländerin und verunglückte gut ein Jahr später bei einer Autofahrt an der Côte d’Azur tödlich. Durch ihre Freundin Misia lernte Coco Chanel nicht nur Jean Cocteau, Serge Diaghilew und Igor Strawinsky kennen, sondern auch den russischen Großfürsten Dimitri Pawlowitsch. Ein Jahr lang schwelgte das Paar im Liebesglück, dann trennten sie sich. Auf Grund der neuen Enttäuschung sträubte sich Coco Chanel gegen eine neue Liebesbeziehung, aber gerade das reizte Hugh Richard Arthur Grosvenor, den Herzog von Westminster, und schließlich gab sie seinem Werben nach.

Während des Zweiten Weltkriegs sah sie eine Möglichkeit, die jüdischen Unternehmer Paul und Pierre Wertheimer unter Druck zu setzen, um bessere Konditionen für die Vermarktung des von ihr kreierten Parfums „Chanel No. 5“ herauszuschlagen, aber es gelang ihr nicht. Ihr Liebhaber war nun ein dreizehn Jahre jüngerer deutscher Diplomat. Weil er wusste, dass Coco Chanel zur
Zeit ihrer Liaison mit dem Herzog von Westminister mit Winston Churchill befreundet gewesen war, brachte er sie 1943 mit einflussreichen Nationalsozialisten zusammen, die sie überredeten, den englischen Premierminister auf die Möglichkeit eines Separatfriedens anzusprechen. Wegen einer Erkrankung Churchills kam die beabsichtigte Begegnung allerdings nicht zustande,
und die Mission scheiterte.

1954 versuchte die Siebzigjährige ein Comeback als Modeschöpferin. Obwohl die Presse mit beißendem Spott darüber berichtete, machte sie unbeirrt weiter – bis im Jahr darauf „Life“ die schlichte Eleganz ihrer wollenen Straßenkostüme lobte und sich von da an Weltstars von ihr einkleiden ließen.

Am 10. Januar 1971 – während der Vorbereitungen für die nächste Kollektion – starb Coco Chanel im Alter von 87 Jahren.

In dem Kinofilm „Coco Chanel. Der Beginn einer Leidenschaft“ von Anne Fontaine spielt Audrey Tautou die Titelrolle. Dargestellt wird Coco Chanels Leben von der Aufnahme im Waisenhaus bis zum Tod von Arthur Capel. Es handelt sich also um die Vorgeschichte der erfolgreichen Modeschöpferin. Der Originaltitel lautet dementsprechend: „Coco avant Chanel“. Jan Kounen erzählt in seinem Kinofilm „Coco Chanel & Igor Stravinsky“ von der Affäre der französischen Modeschöpferin mit dem russischen Komponisten.

© Dieter Wunderlich 2001 / 2008

Anne Fontaine: Coco Chanel. Der Beginn einer Leidenschaft
Jan Kounen: Coco Chanel & Igor Stravinsky

Dirk R. Meynecke - Die Autoren-Fibel
Der erfahrene Lektor und Literaturagent Dirk R. Meynecke schildert in seiner "Autoren-Fibel" nicht, wie man einen Roman oder ein Sachbuch schreibt, sondern was es zu beachten gilt, wenn das Manuskript von einem Verlag angenommen und veröffentlicht werden soll.
Die Autoren-Fibel