In ihren Augen

In ihren Augen

In ihren Augen

In ihren Augen – Originaltitel: El secreto de sus ojos – Regie: Juan José Campanella – Drehbuch: Eduardo Sacheri, Juan José Campanella, nach dem Roman "La pregunta de sus ojos" von Eduardo Sacheri – Kamera: Félix Monti – Schnitt: Juan José Campanella – Musik: Federico Jusid, Emilio Kauderer – Darsteller: Soledad Villamil, Ricardo Darín, Pablo Rago, Guillermo Francella, Javier Godino, Mariano Argento, Carla Quevedo u.a. – 2009; 125 Minuten

Inhaltsangabe

1974 wird eine junge Frau in Buenos Aires vergewaltigt und erschlagen. Romano, ein für den Fall gar nicht zuständiger Gerichtsbeamter, lässt zwei Bauarbeiter festnehmen und aus ihnen Geständnisse herausprügeln. Benjamín Esposito, der die Ermittlungen leitet, sorgt für ihre Frei-lassung und Romanos Strafversetzung. Es gelingt ihm und der Richterin Dr. Irene Menéndez Hastings, den Mörder zu überführen, aber Romano, der inzwischen beim Geheimdienst arbeitet, holt den zu lebenslanger Haft Verurteilten als V-Mann aus dem Gefängnis ...
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Kritik

Bei "In ihren Augen" handelt es sich um eine gelungene Mischung aus Melodram und Politthriller. Statt auf spektakuläre Szenen baut Juan José Campanella auf ein durchdachtes Drehbuch, differenzierte Charaktere und die schauspielerischen Leistungen v. a. von Soledad Villamil und Ricardo Darín.
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Am 21. Juni 1974 wird eine junge Frau namens Liliana Colotto (Carla Quevedo) in Buenos Aires brutal vergewaltigt und erschlagen. Der Gerichtsbeamte Benjamín Esposito (Ricardo Darín) besichtigt den Tatort und übernimmt die Ermittlungen. Dann setzt er sich mit dem Ehemann der Ermordeten in Verbindung, dem Bankangestellten Ricardo Morales (Pablo Rago).

Bevor Benjamín eine konkrete Spur gefunden hat, lässt der Kollege Romano (Mariano Argento) zwei Arbeiter verhaften, die kürzlich mit Renovierungsarbeiten an dem Haus beschäftigt waren, in dem das Verbrechen geschah: Jacinto Cáceres und Juan Robles (Sergio López Santana, Elvio Duvini). Ein kurzer Besuch bei ihnen im Gefängnis überzeugt Benjamín von ihrer Unschuld. Im Gerichtsgebäude stürzt er sich wütend auf Romano und wirft ihm vor, zwei Männer durch Schläge zu einem falschen Mordgeständnis gezwungen zu haben. Seine Dienstaufsichtsbeschwerde führt dazu, dass Romano zum Geheimdienst versetzt wird.

Ricardo Morales erklärt Benjamín, es sei gut, dass es keine Todesstrafe mehr gebe, denn für Lilianas grausamen Mörder wäre sie eine viel zu geringe Strafe. Er wünsche sich, dass der Schuldige ein langes und qualvolles Leben führen müsse. Beim Durchblättern von Fotoalben mit Ricardo Morales bemerkt Benjamín auf mehreren Bildern einen Mann, der Liliana Colotto auf besondere Weise ansieht. Der Witwer kennt ihn, er heißt Isidoro Gómez (Javier Godino).

Ohne sich mit Benjamín abzusprechen, ruft Ricardo Isidoros Mutter (Alicia Haydée Pennachi) an und tut so, als habe er für ihren Sohn ein interessantes Jobangebot. Sie sagt ihm, Isidoro arbeite auf einer Baustelle und habe dort in der Nähe eine Wohnung gemietet. Als Ricardo sie nach Liliana fragt, sagt sie, Isidoro und die schöne junge Frau seien ein Traumpaar gewesen, bis Liliana sich von ihm getrennt habe und nach Buenos Aires gezogen sei.

Am nächsten Tag fährt Benjamín zu der angegebenen Baustelle, erfährt jedoch, dass Isidoro Gómez nicht zur Arbeit erschien. Es stellt sich heraus, dass er die Mietwohnung nach einem Anruf seiner Mutter am Abend zuvor verließ.

Ricardo Morales geht von da an jeden Abend nach der Arbeit zum Bahnhof und hält dort Ausschau nach Isidoro Gómez.

Benjamín arbeitet mit einem befreundeten Kollegen namens Pablo Sandoval (Guillermo Francella) für die Richterin Dr. Irene Menéndez Hastings (Soledad Villamil). Pablo ist alkoholkrank und vertrinkt zum Ärger seiner Ehefrau Alejandra (Gabriela Daniell) sein Gehalt. Zum wiederholten Mal übernimmt Benjamín seine Schulden in einer Bar. Aber dieses Mal verlangt er eine Gegenleistung: Pablo soll Schmiere stehen, während er in das Haus von Isidoros Mutter eindringt und nach Belastungsmaterial sucht. Benjamín findet ein Bündel Briefe des Verdächtigen, allerdings ohne Kuverts und Absender. Statt draußen aufzupassen, kommt Pablo ins Haus, und als die Bewohnerin mit ihrem Hund unerwartet zurückkehrt, nimmt er die zwölf Briefe auf der Flucht mit.

Der Einbruch bleibt nicht unbemerkt. Der Richter Juez Fortuna Lacalle (Mario Alarcón) erhält den Anruf eines Kollegen, der sich darüber beschwert, dass der Gerichtsbeamte Benjamín Esposito illegal in ein Haus eingedrungen sei. Weil jemand die Autonummer notiert hatte, war er leicht zu identifizieren. Irene Menéndez Hastings setzt sich für Benjamín ein und verhindert, dass er bestraft wird.

Benjamin liebt sie heimlich, wagt es jedoch nicht, ihr das zu gestehen, denn er kann sich nicht vorstellen, dass eine kluge und schöne, aus einer reichen Familie stammende Richterin, die an der Columbia University in New York promovierte, an einem einfachen Justizbeamten interessiert sein könnte. Außerdem ist sie verlobt. Dass Irene immer wieder versucht, ihn zu ermutigen, weil sie ihn ebenfalls liebt, will er nicht wahrhaben.

Mit Hilfe des Notars Andretta (David Di Napoli), den er aus einer Kneipe kennt, identifiziert Pablo in den Briefen, die Isidoro Gómez seiner Mutter schrieb, einige Personennamen als die von Fußballspielern und schließt daraus, dass der Verdächtigte zu den Fans eines Fußballvereins in Avellaneda gehört. Benjamín hält es zwar für aussichtslos, schaut sich aber mit Pablo zusammen bei Fußballspielen um, und ein Jahr nach dem Mord entdecken sie Isidoro Gómez tatsächlich unter den Zuschauern. Er versucht zu flüchten, wird jedoch nach einer kurzen Verfolgungsjagd festgenommen.

Bei der Vernehmung durch Benjamín gibt Isidoro Gómez zwar zu, dass Liliana Colotto eine Jugendfreundin von ihm war, lässt sich jedoch sonst nichts entlocken, was gegen ihn verwendet werden könnte. Irene kommt hinzu. Ein Blick in die Augen des Mannes überzeugt sie von dessen Schuld. Spontan fängt sie an, ihn durch Zweifel an seiner Männlichkeit zu provozieren, bis er aufspringt, sie schlägt und in seinem Zorn den Mord gesteht.

Daraufhin wird er zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bald darauf erfahren Ricardo Morales und Benjamín Esposito, dass Isidoro Gómez aus der Haft entlassen wurde. Auf Romanos Veranlassung verpflichtete der argentinische Geheimdienst den Verbrecher als V-Mann. Irene und Benjamín stellen den früheren Kollegen zur Rede. Sie wissen, dass Romano sich auf diese Weise für die demütigende Versetzung rächt, aber sie können nichts gegen ihn ausrichten. Als sie im Fahrstuhl nach unten fahren, steigt Isidoro Gómez ein, holt wortlos seine Pistole heraus, überprüft und entsichert sie demonstrativ und steckt sie dann wieder ein.

Pablo macht wieder einmal Ärger in einer Kneipe. Benjamín nimmt den Betrunkenen mit in seine Wohnung und fährt dann los, um Pablos Frau zu holen. Als er mit Alejandra zurückkommt, liegt Pablo blutüberströmt auf dem Bett. Er wurde erschossen. Vermutlich hat ein Auftragskiller ihn mit Benjamín verwechselt.

Daraufhin lässt sich der Gerichtsbeamte in eine Provinzstadt versetzen. Irene, deren Hochzeit bereits geplant ist, verabschiedet sich von ihm auf dem Bahnhof. Als der Zug losfährt, rennt sie ihm am Bahnsteig nach, und Benjamín schaut traurig aus dem Heckfenster des letzten Wagens.

Im Jahr 2000 wird Benjamín Esposito pensioniert. Er nimmt sich vor, einen Roman über die Ereignisse von damals zu schreiben. Schließlich besucht er Irene in ihrem Büro im Gerichtsgebäude. Sie haben sich seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. Er gibt ihr das Manuskript zu lesen. Der Roman beginnt mit der Abschiedsszene im Bahnhof. Warum er sie nicht mitgenommen habe, fragt Irene.


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Ricardo Morales ließ sich nach der Entlassung von Isidoro Gómez aus dem Gefängnis von seiner Bank in die Provinz versetzen. Benjamín fährt zu ihm. Der Witwer wohnt allein in einem abgelegenen Haus auf dem Land. Benjamín zeigt ihm das Manuskript, aber Ricardo hält nichts davon und rät seinem Besucher, die Ereignisse von damals zu vergessen. Benjamín erklärt ihm, Pablo Sandoval müsse von anderen erschossen worden sein, denn Isidoro Gómez hätte ihn nicht mit seinem Freund verwechselt. In seiner Vorstellung malt Benjamín sich aus, dass Pablo sich für ihn opferte und dem Killerkommando bestätigte, dass er der Gesuchte sei. Als Benjamín nicht aufhört, Ricardo zu fragen, wie dieser über den brutalen Tod seiner Frau und die Straflosigkeit des Mörders hinweggekommen sei, weist Ricardo ihm schließlich die Türe. Im Gehen versichert Benjamín, er werde Isidoro Gómez aufspüren. Daraufhin holt Ricardo ihn zurück und erzählt ihm, er habe Isidoro Gómez kurz nach der Entlassung aus der Haft auf der Straße überfallen, niedergeschlagen, in den Kofferraum eines Autos gezerrt und in einer abgelegenen Gegend erschossen. Es sei zwecklos, weiter nach ihm zu suchen.

Im Auto erinnert sich Benjamín, dass Ricardo einmal sagte, der Tod sei eine zu geringe Strafe für Lilianas Mörder. Und er denkt daran, wie Pablo sagte, die Leidenschaft eines Mannes verändere sich nicht und sie deshalb den Fußfallfan Isidoro Gómez aufspürten. Ricardos Leidenschaft ist es, dafür zu sorgen, dass der Mörder seiner Frau lebenslang büßt!

Benjamín hält an und pirscht sich durchs Gebüsch bis in die Nähe von Ricardos Grundstück vor. In seinem Versteck wartet er, bis Ricardo aus dem Haus kommt und mit einem Teller in der Hand zu einem Nebengebäude geht. Er schleicht ihm nach. Ricardo hält den Mörder seiner Frau offenbar seit 25 Jahren in einem Käfig gefangen und bringt ihm Essensreste. Schweigend starrt Benjamín auf die beiden Männer vor ihm. Isidoro Gómez fleht ihn stammelnd an, wenigstens ein paar Worte mit ihm zu reden, aber Benjamín geht wieder, ohne etwas gesagt zu haben.

Zu Hause findet er einen Zettel, auf den er vor 25 Jahren TEMO schrieb (ich fürchte). Nun fügt er ein A hinzu und macht daraus TEAMO (ich liebe dich).

Er besucht Irene erneut im Büro. Er müsse ihr etwas sagen, erklärt er, und als sie in seine Augen schaut, weiß sie, dass er ihr endlich seine Liebe erklären wird. Freudig lächelnd fordert sie ihn auf, die Türe zu schließen.

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Der Film „In ihren Augen“ basiert auf dem 2005 veröffentlichten Roman „La pregunta de sus ojos“. Der Autor, der argentinische Schriftsteller und Geschichtsprofessor Eduardo Sacheri, schrieb mit dem Regisseur Juan José Campanella zusammen auch das Drehbuch.

Eduardo Sacheri und Juan José Campanella zeigen „In ihren Augen“, wie Erinnerungen und Erfahrungen die Wahrnehmung verändern. Erst im Nachhinein erkennt der Protagonist Zusammenhänge, die er zunächst ausblendete.

Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: 1974/75 und 2000. Dass Argentinien in der Zeit von 1976 bis 1983 eine von einer rechtsgerichteten, nationalistischen Junta beherrschte Militärdiktatur war, wird im Film nicht explizit erwähnt. Aber erst durch die veränderten Verhältnisse ist es einem zum Geheimdienst versetzten Justizbeamten möglich, sich an einem ehemaligen Kollegen zu rächen, indem er einen zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder aus dem Gefängnis holt. Legitimiert die offensichtliche Strafvereitelung eine Selbstjustiz? Dieser Frage geht „In ihren Augen“ nach. Der Film veranschaulicht dabei auch, wie regimekritische Menschen in einer Diktatur vereinsamen.

„In ihren Augen“ beginnt in der Gegenwart, im Jahr 2000 in Buenos Aires. Der 1975 in die Provinz versetzte Gerichtsbeamte Benjamín Esposito wurde kürzlich pensioniert. Nun hat er sich vorgenommen, einen Roman zu schreiben. Er fängt mit einer Szene in einem Bahnhof an, streicht den handgeschriebenen Text aber gleich wieder durch wie viele andere Romananfänge zuvor schon. Als Nächstes versucht Benjamín es mit Ricardo Morales und dessen Ehefrau Liliana Colotto, die am 21. Juni 1974 beim Frühstück sitzen und nicht ahnen, dass es ihr letzter gemeinsamer Tag sein wird. Da drängt sich eine andere Szene in seine Vorstellungen: Liliana wird brutal vergewaltigt.

Bald wird klar, dass der Kern der Handlung in den Jahren 1974/75 spielt. Aber „In ihren Augen“ endet wieder in der Gegenwart, denn erst im Jahr 2000 erfolgt die Auflösung sowohl der Kriminal- als auch der Liebesgeschichte, um die es geht. Die Rahmenhandlung bildet also einen integralen Bestandteil der Geschichte.

Geschickt verschmelzen Eduardo Sacheri und Juan José Campanella in ihrem Film „In ihren Augen“ die Genres Melodram und Politthriller. Das Drehbuch ist sorgfältig durchdacht. Erzählt wird ruhig und umsichtig, aber ganz ohne Längen. „In ihren Augen“ kommt ohne Action, spektakuläre Szenen und ambitionierte formale Experimente aus. Dabei ist die Kameraführung durchaus anspruchsvoll. In einer offenbar im Computer nachbearbeiteten Szene nähert sich die Kamera beispielsweise einem vollbesetzten Fußballstadion aus der Vogelperspektive und fährt dann über die Spieler hinweg zu den Tribünen, bis Benjamín Esposito und Pablo Sandoval aus der Nähe zu sehen sind.

Obwohl es um Gewalt geht und die Atmosphäre intensiv melancholisch ist, kommt auch feiner Humor nicht zu kurz. Geschliffene und aufs Notwendige beschränkte Dialoge und differenziert dargestellte Charaktere tragen die Handlung dieses spannenden und vielschichtigen Films. Hervorzuheben sind darüber hinaus die schauspielerischen Leistungen vor allem von Soledad Villamil und Ricardo Darín.

Aus dem spanischen Originaltitel „El secreto de sus ojos“ (das Geheimnis in ihren/seinen Augen) wurde der deutsche Titel „In ihren Augen“.

„In ihren Augen“ wurde in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ mit einem „Oscar“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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