Tania Blixen : Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika
Originalausgabe: Out of Africa Random House, New York 1937 Jenseits von Afrika Übersetzung: Rudolf von Scholtz Nachwort: Jürg Glauser Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2007 (10) ISBN: 978-3-499-22222-3, 397 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Roman "Jenseits von Afrika" ist keine Autobiografie, sondern Tania Blixen erinnert sich aus zeitlichem und räumlichem Abstand wehmütig an ihre Erlebnisse als Farmerin in Kenia. Davon erzählt sie, und zwar nicht chronologisch linear, sondern thematisch gegliedert. "Kamante und Lulu", "Ein Unfall auf der Farm", "Gäste auf der Farm", "Lose Blätter", "Abschied von der Farm" lauten die Kapitelüberschriften.
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Kritik

"Jenseits von Afrika" ist ein Roman, in dem Fiktion und Realität verwoben sind. Tania Blixen stilisiert und verklärt die Situation der weißen Farmer und der Einheimischen in Kenia.

Tania / Karen Blixen (Kurzbiografie)

Dass eine schwedische Zeitung bei Karen Blixen anfragte, ob sie bereit sei, einen Beitrag über Afrika zu liefern, brachte sie auf die Idee, ihre Erinnerungen an die in Kenia verbrachten Jahre zu Papier zu bringen. Fünf Jahre nach ihrer

Rückkehr aus Afrika baute sie ihre Entwürfe aus den Jahren 1925/26 („Massai-Hefte“) und ihre Vorarbeiten zu dem Gedicht „Ex Africa“ (1915) zu einem Roman aus. Sie schrieb englisch und veröffentlichte „Out of Africa“ (Originaltitel des Buches) zunächst 1937 in England unter dem Pseudonym Isak Dinesen, dann erst in eigener Übersetzung unter dem Namen Karen Blixen in Dänemark: „Den afrikanske Farm“ (1938). In Deutschland bevorzugte man 1938 den Autorennamen Tania Blixen und den Titel „Afrika, dunkel lockende Welt“. (Heute lautet der Titel sowohl des Buches als auch der Verfilmung durch Sydney Pollack „Jenseits von Afrika“.)

Der Roman „Jenseits von Afrika“ ist keine Autobiografie, sondern Tania Blixen erinnert sich aus zeitlichem und räumlichem Abstand wehmütig an ihre Erlebnisse als Farmerin in Kenia. Davon erzählt sie, und zwar nicht chronologisch linear, sondern thematisch gegliedert. Das Buch besteht aus fünf Kapiteln: Kamante und Lulu, Ein Unfall auf der Farm, Gäste auf der Farm, Lose Blätter, Abschied von der Farm. Tania Blixen schildert, wie sie zunächst selbst versuchte, die Geschwüre des neunjährigen Kikuju Kamante zu heilen und ihn dann im Krankenhaus behandeln ließ. Ein verwaistes Antilopenkitz, das sie auf der Farm aufzog, wurde von ihr „Lulu“ genannt. Wir lesen von der Kinderschar, die sich jeden Tag kurz vor 12 Uhr im Haus aufstellte, um die Kuckucksuhr zu bestaunen.

Sie ließen ihre Ziegen auf dem Rasen und kamen lautlos auf ihren nackten Füßen heran; die größeren waren zehn, die kleinsten zwei Jahre alt. Sie benahmen sich musterhaft und beachteten eine Art selbst erfundenes Besuchszeremoniell, das darin bestand, dass sie ungehindert im Hause umhergehen durften, solange sie nichts anfassten, sich nicht setzten und nicht unangesprochen den Mund aufmachten. Wenn der Kuckuck hervorgestürzt kam, ging eine lebhafte Welle von Entzücken und verhaltenem Lachen durch die Schar. (Seite 52)

In dem Kapitel „Ein Unfall auf der Farm“ schildert Tania Blixen, wie der siebenjährige Küchenjunge Kabero, der Sohn des Squatters Kaninu, mit einer auf der Veranda gefundenen Schrotflinte herumalberte und – in der Annahme, sie sei nicht geladen – auf andere Kinder zielte und abdrückte. Tania Blixen brachte die beiden schwer verletzten Jungen Wamai und Wanyangerri ins Eingeborenenhospital in Nairobi. Wamai starb während der Fahrt. Wanyangerri war von der Schrotladung mitten ins Gesicht getroffen worden, aber er überlebte. Kabero lief davon, und seine Familie befürchtete, er habe sich umgebracht [Suizid]. Sein Vater Kaninu musste der Familie des toten Jungen vierzig Schafe als Schadenersatz überlassen.

Die Vorstellungen von Gerechtigkeit sind in Europa und Afrika nicht die gleichen, und die der einen Welt sind unerträglich in der anderen. Für den Afrikaner gibt es nur ein Mittel, Unheil zu heilen: der Schaden muss ersetzt werden. Nach Beweggründen einer Handlung fragt er nicht. (Seite 103)

Mir ging das von Grund aus gegen den Strich. Kaninu, sagte ich mir, hat seinen Sohn geradeso verloren wie die anderen Väter, und das Schicksal seines Kindes schien mir das tragischste von allen. Wamai war tot und aller Not ledig, und Wanyangerri war im Krankenhaus und wurde versorgt, aber Kabero war von allen verlassen, und niemand wusste, wo seine Gebeine lagen. (Seite 113)

Tania Blixen erzählt von einer Heuschreckenplage, von den Schwierigkeiten, eine Farm in Afrika zu betreiben, den Eigenheiten der Afrikaner und von Unterschieden zwischen den Kikuju und den Massai. Obwohl sie ihre Liebe zu den Afrikanern betont, wirkt ihre Einstellung gegenüber den Einheimischen ungewollt blasiert:

Was ich beim Wild des Landes gelernt hatte, kam mir zugute beim Umgang mit den Eingeborenen […]
Ich habe schon in den ersten Wochen in Afrika eine große Liebe für die Eingeborenen gefasst. Es war ein tiefes Gefühl, das jedem Alter und Geschlecht gleichermaßen galt. Die Entdeckung der schwarzen Rasse war für mich eine wunderbare Bereicherung der Welt. (Seite 22f)

Es war nicht leicht, den Schwarzen näherzukommen. Sie waren hellhörig, und wenn man sie erschreckte, flüchteten sie augenblicklich in ihre eigene Welt zurück wie die wilden Tiere […] Ehe man den Schwarzen genau kennt, gelingt es einem kaum, von ihm eine gerade Antwort zu bekommen. (Seite 24)

Die Schwarzen verstummten in der Dürre, ich konnte kein Wort über die Aussichten aus ihnen herausbringen, obgleich man hätte meinen können, dass sie mehr von den Wetterzeichen wüssten als wir. Nicht weniger als ihre Existenz stand auf dem Spiel; es war nichts Unerhörtes für sie, wie vordem für ihre Väter, dass neun Zehntel der Herden in den großen Jahren der Dürre verlorengingen. Ihre Schambas lagen trocken da, nur ein paar matte welke Bataten und Maisstauden hielten stand.
Nach einiger Zeit machte ich mir ihre Art zu eigen und gab es auf, die harten Zeiten zu bereden und zu beklagen wie ein Geächteter. Aber ich war Europäerin und hatte nicht lange genug im Lande gelebt, um die absolute Passivität der Schwarzen mitmachen zu können, wie es manche Europäer tun, die seit vielen Jahrzehnten in Afrika leben. Ich war jung und musste aus Selbsterhaltungstrieb meine Kräfte auf etwas konzentrieren […] Ich begann, in den Abendstunden zu schreiben, Geschichten, Märchen und Erzählungen, die meinen Geist weit fort in andere Länder und Zeiten entführten. (Seite 49f)

Im vorletzten Kapitel („Lose Blätter“) reiht Tania Blixen 25 Miniaturen über verschiedene Themen und Erlebnisse aneinander.

„Jenseits von Afrika“ ist ein Roman, in dem Fiktion und Realität verwoben sind. Beispielsweise gewinnt man beim Lesen des Buches den Eindruck, ihr Liebesverhältnis mit Denys Finch-Hatton sei erst durch seinen tödlichen Flugzeugabsturz beendet worden.

Schließlich, als ich meine Möbel verkaufte, waren Kisten unsere Stühle und eine Kiste unser Tisch; so saßen wir und plauderten bis tief in die Nacht. (Seite 334)

Tatsächlich war die Beziehung schon vorher zerbrochen.

Auch in anderen Abschnitten des Romans stilisiert und verklärt Tania Blixen die Wirklichkeit. Das gilt auch für die Situation der weißen Farmer und der Einheimischen in Kenia.

Das Buch endet mit einem Nachwort von Jürg Glauser.

Der Film „Jenseits von Afrika“ orientiert sich übrigens nur lose an dem gleichnamigen Roman von Tania Blixen.

2010 erschien „Jenseits von Afrika“ in einer Neuübersetzung von Gisela Perlet (Manesse Verlag, Zürich / München 2010, 416 Seiten, 22.95 €).

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Inhaltsangabe und Buchkritik: © Dieter Wunderlich 2008 / 2010
Textauszüge: © Deutsche Verlags-Anstalt

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