Thomas Bernhard : Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?

Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?
Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? aus: "Prosa" Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1967
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

"Ich verachte das Theater, ich hasse die Schauspieler, das Theater ist eine einzige perfide Ungezogenheit, eine ungezogene Perfidie ..."



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Kritik

In der skurrilen, surrealen Erzählung "Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?" baut Thomas Bernhard vom ersten Satz an eine dichte Atmosphäre auf.

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Der Erzähler ist seit acht oder zehn Wochen nicht mehr ins Theater gegangen. Er weiß warum: „Ich verachte das Theater, ich hasse die Schauspieler, das Theater ist eine einzige perfide Ungezogenheit, eine ungezogene Perfidie …“

Aber vor zwei Tagen kaufte er sich wieder eine Karte fürs Burgtheater. Jetzt, zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung, überlegt der Medizinstudent, ob er nicht doch lieber in seinem Zimmer bleiben und seine wissenschaftliche Arbeit fertigstellen soll. Er scheitert bei seinem Versuch, das verachtete und verhasste Theater zu ignorieren und geht los. In der Nähe des Theaters setzt er sich auf eine Bank im Volksgarten und beobachtet die Theaterbesucher, während er die Karte zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zerreibt.

Als keine Theaterbesucher mehr kommen, steht er auf. Da wird er von einem 50 oder 55 Jahre alten Mann nach der Uhrzeit gefragt. Es ist 20 Uhr. Der Mann trägt Damenhalbschuhe. Ekelhaft! Während der Theatersaison komme er jeden Abend in den Volksgarten und beobachte die Theaterbesucher, sagt er. Vor 48 Tagen habe er zum letzten Mal um 20 Uhr jemand im Volksgarten getroffen und ihn ebenfalls angesprochen. Obwohl er eine Armbanduhr trage, frage er in so einem Fall immer nach der Uhrzeit, um mit jemand ins Gespräch zu kommen.

Der Erzähler begleitet den Mann, der unvermittelt sagt: „Die Welt ist ein Zuchthaus.“ Sie gehen zum Parlament, von dort zurück und weiter durch die Innenstadt. Erst jetzt fällt dem Erzähler auf, dass der Mann nicht nur Damenschuhe trägt, sondern auch einen Damenhut und einen Damenwintermantel, vermutlich überhaupt Frauenkleider.

Der seltsame Fremde berichtet, dass sich seine Eltern vor sechs Wochen das Leben nahmen.

Die beiden Männer nähern sich dem Donaukanal. Hundert Meter vor der Brücke hinter der Rossauerkaserne sagt der Transvestit: „Da, an dieser Stelle […] Ich stieß sie blitzschnell hinein. Die Kleider, die ich anhabe, sind ihre Kleider […] Vor zweiundzwanzig Jahren und acht Monaten.“ Und plötzlich glaubt er zu wissen, dass an diesem Abend im Burgtheater eine Komödie gespielt wird.

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Die skurrile, surreale Zwei-Mann-Geschichte „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“ stammt aus dem Band „Prosa“ von Thomas Bernhard. Erzählt wird sie paradoxerweise nicht von der Figur des Erzählers, sondern von der des Zuhörers.

Der ältere der beiden Protagonisten hatte vor zweiundzwanzig Jahren seine Mutter – und vielleicht auch seinen Vater – ermordet und war deshalb zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Obwohl er nach deren Verbüßung entlassen wurde, fühlt er sich weiterhin wie eingesperrt in der „Straf- und Irrenanstalt Welt“ (Ulrich Weinzierl). Er trägt die Kleider seiner Mutter und zeigt immer wieder Fremden, die so alt sind, wie er zur Tatzeit, die Brücke, von der er seine Mutter ins Wasser gestoßen hatte.

Vom ersten Satz an baut Thomas Bernhard eine dichte Atmosphäre auf.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2005

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