Alma Mahler-Werfel
Die Tochter des Malers Emil Jakob Schindler faszinierte bedeutende Künstler: Mit Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel war sie verheiratet; Oskar Kokoschka zählte zu ihren Geliebten.
Tabellarische Biografie: Alma Mahler-Werfel
Alma Mahler-Werfel: »Wenn ich die Steigbügel dieser Ritter des Lichts halten durfte, so war mein Dasein gerechtfertigt«
Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
Piper Verlag, München 2009 (3. Auflage: 2011)
Knapp sieben Wochen nach Manons erstem Geburtstag, am 14. November 1917, besuchte der Schriftsteller Franz Blei Alma in Wien und brachte seinen Freund und Kollegen Franz Werfel mit. Danach schrieb sie in ihr Tagebuch: »Werfel ist ein O-beiniger, fetter Jude mit wülstigen Lippen und schwimmenden
Schlitzaugen!« Trotzdem ließ sich die Achtunddreißigjährige auf eine Liebesbeziehung mit dem elf Jahre Jüngeren ein.
Als sie erneut schwanger wurde, rätselte sie zunächst, ob das Kind von ihrem Ehemann während des Weihnachtsurlaubs oder von ihrem Geliebten ein paar Tage später gezeugt worden war. Werfel kam im Sommer 1918 zu ihr nach
Breitenstein und verbrachte vom 27. auf den 28. Juli eine besonders leidenschaftliche Liebesnacht mit ihr, über die er in seinem Tagebuch schrieb: »Ich hatte […] mich nicht beherrscht. Wir liebten uns! Ich schonte sie nicht.« Beim Aufwachen merkte Alma, dass sie aus dem Unterleib blutete. Werfel rannte zum eine Stunde entfernten Sanatorium und alarmierte den Arzt, der jedoch an Tuberkulose erkrankt war und deshalb nur langsam gehen konnte. Um einen Skandal zu vermeiden, beschloss Werfel abzureisen. Am Bahnhof sah er Walter Gropius, der verständigt worden war, und gerade mit einem Gynäkologen in einem Militärzug ankam. Zum Glück bemerkte der aufgeregte Ehemann den Liebhaber seiner Frau nicht. Alma wurde nach Wien gebracht, ausgerechnet in das Sanatorium Löw, in dem Gustav Mahler gestorben war. In der Nacht auf den 2. August 1918 leiteten die Ärzte die Geburt des Kindes künstlich ein, und Alma brachte ihren einzigen Sohn zur Welt.
Hinter dem Rücken ihres Mannes telefonierte und korrespondierte sie mit Werfel über den Namen, den das Kind bekommen sollte. Bei einem dieser Telefongespräche überraschte Gropius seine Frau. Zur Rede gestellt, gab Alma zu, dass sie mit dem Schriftsteller ein Verhältnis habe.
Der Säugling litt an Gehirnwassersucht , weshalb die Ärzte im Januar 1919 seinen Schädel punktierten. Der monströse Kopf schwoll jedoch weiter an. Die Mutter führte die Erkrankung darauf zurück, dass der Vater – Werfel – einer minderwertigen Rasse angehörte. Sie fühlte sich zwischen ihrem Mann und ihrem Liebhaber hin- und hergerissen. Als dann auch noch Oskar Kokoschka, der sich gerade von einer schweren Kriegsverletzung erholt hatte, wieder von sich hören ließ und beteuerte, dass er sie noch immer liebe, wusste sie gar nicht mehr, wem sie sich zuwenden sollte. Während sie sich bei Gropius in Weimar aufhielt, starb ihr kleiner Sohn Martin am 15. Mai 1919 in einem Krankenhaus in Wien. Trotzdem kehrte sie erst Mitte Juni in die Donau-Metropole zurück.
Wenige Wochen später bat sie Gropius um die Scheidung. Er erklärte sich damit einverstanden, war jedoch zunächst nicht bereit, ihr das Sorgerecht für Manon zu überlassen. Im Lauf der Zeit änderte er seine Meinung, und beim Scheidungsprozess am 11. Oktober 1920 in Berlin nahm er sogar die Schuld auf sich, damit Manon bei der Mutter bleiben konnte. Als »Beweis« hatte er sich zuvor von einem Privatdetektiv mit einer Prostituierten in einem Hotelbett »ertappen« lassen.
Quelle: Dieter Wunderlich, AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
© Piper Verlag, München 2009
Überall im Buchhandel
Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen. Zitate:
Oliver Hilmes: Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel, 2005, S. 176
Alma Mahler-Werfel: Mein Leben, 1963, S. 80
Alma Mahler-Werfel (tabellarische Biografie)