Tschick

Tschick

Tschick

Originaltitel: Tschick. Der beste Sommer von allen – Regie: Fatih Akin – Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm und Fatih Akin nach dem Roman "Tschick" von Wolfgang Herrndorf – Kamera: Rainer Klausmann – Schnitt: Andrew Bird – Musik: Vince Pope – Darsteller: Anand Batbileg, Tristan Göbel, Nicole Mercedes Müller, Claudia Geisler-Bading, Aniya Wendel, Sammy Scheuritzel, Max Kluge, Julius Felsberg, Jerome Hirthammer, Udo Samel u.a. – 2016; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Der 14-jährige Gymnasiast Maik gilt als langweilig und deshalb als Außenseiter. In den Sommer­ferien unterzieht sich seine alkohol­kranke Mutter einer Entziehungskur, und der Vater verreist für zwei Wochen mit seiner Geliebten. Maik befürchtet, die Ferien allein zu Hause verbringen zu müssen, aber da taucht der aus Russland stammende Mitschüler Andrej Tschichatschow ("Tschick") mit einem gestohlenen Auto auf und überredet ihn zu einer Fahrt in die Walachei ...
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Kritik

In der ersten Stunde hält sich die Verfilmung des Romans "Tschick" von Wolfgang Herrndorf eng an die Vorlage. Im letzten Drittel strafft Fatih Akin die Handlung. "Tschick" ist eine unterhaltsasme Mischung aus Road Movie und Coming-of-Age-Story.
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Maik Klingenberg (Tristan Göbel) ist 14 Jahre alt und besucht ein Gymnasium in Berlin-Marzahn. Seine Eltern und er wohnen in einem Einfamilienhaus mit Pool. Aber Maik argwöhnt, dass sein Vater (Uwe Bohm), ein Immobilienmakler, aufgrund von fehlgeschlagenen Spekulationen überschuldet ist. Seine alkoholkranke Mutter (Anja Schneider) lässt sich in regelmäßigen Abständen in einer Entzugsklinik („Beautyfarm“) behandeln.

Der Klassenlehrer Wagenbach (Udo Samel) stellt einen neuen Schüler vor, einen Deutschrussen, und bemüht sich, den Namen Andrej Tschichatschow (Anand Batbileg) halbwegs richtig auszusprechen. Bald wird der Neue nur noch Tschick gerufen. Ohne sich anzustrengen, schreibt Tschick die besten Mathematik-Arbeiten, aber er hat ständig eine Alkoholfahne und übergibt sich einmal mitten im Unterricht vor der Lehrerin Strahl (Katerina Poladjan).

Maik gilt in der Klasse als langweiliger Außenseiter und wartet deshalb vergeblich auf eine Einladung zur Geburtstagsparty der attraktiven, von ihm angehimmelten Mitschülerin Tatjana Cosic (Aniya Wendel), die am zweiten Tag der Sommerferien stattfinden soll. Dabei hat er eigens ein aufwendiges Porträt von ihr als Geburtstagsgeschenk gezeichnet.

Als die Ferien beginnen, lässt Maiks Mutter sich wieder einmal für vier Wochen in eine Entzugsklinik bringen. Kurz nachdem sie ins Taxi gestiegen ist, erklärt der Vater seinem Sohn, er müsse für 14 Tage geschäftlich weg. Seine Assistentin Mona ( Xenia Assenza), die nur wenig älter als Maik ist, holt ihn ab.

Am zweiten Ferientag kommt Tschick überraschend bei Maik vorbei und lädt ihn zu einer Spritztour in einem kurzgeschlossenen, also augenscheinlich gestohlenen Lada ein. Er wurde ebenfalls nicht zu Tatjanas Geburtstags­party eingeladen. Tschick macht sich nichts aus Mädchen, aber als er das Porträt sieht, begreift er, dass Maik unglücklich in die Mitschülerin verliebt ist. Deshalb bringt er ihn zu dem Fest und sorgt dafür, dass Maik der Gastgeberin das Bild übergibt. Bevor Tatjana und ihre Gäste sich von der Verwunderung erholt haben, fahren Tschick und Maik wieder los.

Der Deutschrusse schlägt vor, seinen Großvater in der Walachei zu besuchen. Eine Straßenkarte haben sie zwar nicht zur Hand, aber Tschick glaubt zu wissen, dass er sich erst einmal Richtung Süden orientieren muss.

In einem Dorf fragen sie einen kleinen Jungen (Matthis Schmidt-Foß) nach einem Supermarkt, weil sie Hunger haben. Friedemanns Mutter (Claudia Geisler-Bading) lädt die beiden zum Risi-Pisi-Essen im Kreis ihrer Kinderschar ein.

Als die 14-Jährigen zum gestohlenen Wagen zurückkommen, stoßen sie auf den Dorfpolizisten (Marc Hosemann), der Verdacht geschöpft hat. Tschick gibt Gas und fährt ohne Maik los. Der Polizist rennt dem Auto nach, und Maik nutzt die Gelegenheit, um sich auf dessen Fahrrad zu schwingen und ebenfalls zu flüchten.

Bei einem Windrad, an dessen Fuß sie die letzte Nacht im Freien verbrachten, treffen Maik und Tschick sich wieder.

Erst als der Tank fast leer ist, wird ihnen ein Problem bewusst: Sie verfügen zwar über Geld, aber was würde das Tankstellenpersonal von zwei 14-Jährigen halten, die ohne Erwachsene mit einem Auto unterwegs sind? Sie wollen deshalb Sprit aus einem geparkten LKW stehlen. Dazu benötigen sie einen Schlauch. Den hoffen sie auf einer nahen Müllkippe zu finden.

Dort treffen sie auf ein übel riechendes verwahrlostes Mädchen. Isa Schmidt (Nicole Mercedes Müller) zeigt ihnen, wo Schläuche liegen und folgt ihnen zum Rastplatz. Tschick und Maik versuchen vergeblich sie loszuwerden, aber nachdem Isa ihnen gezeigt hat, dass man das Schlauchende nach dem Ansaugen tiefer halten muss, nehmen sie die Herumtreiberin im Auto mit.

Als sie an einen See kommen, werfen die beiden Jungen das stinkende Mädchen ins Wasser, und Tschick schubst seinen Freund hinterher. Nachdem Isa sich mit einem Stück Seife gewaschen hat, fährt Tschick los, um Brötchen zu holen. Als er zurückkommt, sitzt Isa mit nacktem Oberkörper neben Maik und hat gerade angefangen, den sexuell unerfahrenen Jungen zu küssen.

Bald darauf entdecken sie einen Reisebus, der nach Prag unterwegs ist. Dort lebt Isas Halbschwester. Der Fahrer ist bereit, sie mitzunehmen. Spontan verab­schiedet sie sich von den beiden Jungen.

Nachdem Tschick in einen Nagel getreten ist, muss Maik hinters Lenkrad, obwohl er erst lernen muss, wie man Gas gibt und die Kupplung kommen lässt.

Der Fahrer eines Viehtransporters versucht augenscheinlich zu verhindern, dass sie ihn überholen. Dabei gerät er ins Schleudern. Der Lastwagen kippt um und bleibt quer über die Straße auf der Seite liegen. Maik bremst zwar, kann aber den Aufprall nicht verhindern.

Um nicht wieder ins Heim zu müssen, hinkt Tschick davon, bevor die Polizei eintrifft. (Er wird von einer Autofahrerin mitgenommen und ins Krankenhaus gebracht.)

Vor dem Jugendrichter (Alexander Scheer) behauptet die von den Klingenbergs engagierte Rechtsanwältin (Friederike Kempter), Tschick habe den Lada gestohlen und auch zum Unfallzeitpunkt gelenkt. Maik habe sich von dem Russen bedroht gefühlt und sei aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen mitgefahren. Dieser Lüge widerspricht Maik zum Entsetzen vor allem seines Vaters.

Den wirft Maiks Mutter kurze Zeit später hinaus. Mona holt ihn erneut ab.

Am ersten Tag nach den Ferien wird Maik mit einem Streifenwagen zur Schule gebracht. Das beeindruckt die Klassenkameraden, und Maik erhält unerwartet einen Zettel mit einer Nachricht von Tatjana zugesteckt.

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Fatih Akin verfilmte den auch für Erwachsene geeigneter Jugendroman „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf.

Zwei 14-jährige Außenseiter machen sich in einem gestohlenen Auto auf den Weg in die Walachei, ohne zu wissen, wo genau das ist. Eine Straßenkarte haben sie auch nicht. Dennoch sind sie zuversichtlich unterwegs, und daraus wird auch eine innere Reise der Selbstfindung. „Tschick“ ist eine Mischung aus Road Movie und Coming-of-Age-Story. Zwanglos dreht sich die pikareske Geschichte um Themen wie Liebe und Sexualität, Freundschaft und Ausgegrenztheit, Minderwertigkeitsgefühle und Einsamkeit, Abenteuerlust und Erwachsenwerden.

In der ersten Stunde halten sich Lars Hubrich, Hark Bohm und Fatih Akin eng an die literarische Vorlage von Wolfgang Herrndorf. Im letzten Drittel straffen sie die Romanhandlung.

„Tschick“ beginnt zwar mit dem Unfall, der den Ausflug der beiden Jugendlichen beendet, aber dann entwickelt sich die Handlung chronologisch, und wie – wie im Buch – aus Maiks Perspektive.

Die Kamera ist wild unterwegs. Zu den optisch eindrucksvollen Szenen des unterhaltsamen Films „Tschick“ gehört das Gekurve im Lada durch ein Maisfeld. Als Kontrapunkt zum anarchischen Treiben der beiden Jugendlichen sind im Autoradio immer wieder Takte aus der von Richard Clayderman komponierten und am Klavier gespielten „Ballade pour Adeline“ zu hören.

Auch wenn vieles in der Verfilmung mit der Romanvorlage übereinstimmt, fehlt es der Adaption am Esprit des Originals.

Gleich nachdem Fatih Akin den 2010 veröffentlichten Roman „Tschick“ gelesen hatte, bemühte er sich um die Filmrechte. Aber Wolfgang Herrndorf entschied sich für Lars Hubrich als Drehbuchautor, Marco Mehlitz als Produzenten und David Wnendt als Regisseur. Im Sommer 2015, sieben Wochen vor dem geplanten Beginn der Dreharbeiten, wurde Fatih Akin dann doch gefragt, ob er anstelle von David Wnendt die Regie übernehmen wolle. Fatih Akin sagte zu und überarbeitete mit Hark Bohm das Drehbuch von Lars Hubrich. Weil er den für die Rolle des Maik Klingenberg vorgesehenen Schauspieler für zu alt hielt, ersetzte er ihn durch den 13-jährigen Tristan Göbel, der zunächst nur einen Mitschüler darstellen sollte.

Um einen für die Rolle des Tschick geeigneten Darsteller zu finden, schalteten die für das Casting Verantwortlichen die Mongolische Botschaft in Berlin ein. Einer der Diplomaten – ein Angehöriger einer mongolischen Fürstenfamilie – wies seinen 2001 in München geborenen, die Internationale Schule Berlin besuchenden Sohn Anand Batbileg darauf hin. Der bewarb sich – und erwies sich als Idealbesetzung.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

Wolfgang Herrndorf: Tschick

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