Lawrence Norfolk : Lemprière's Wörterbuch
Inhaltsangabe
Kritik
John Lempière erfährt aus dem Testament seines Vaters, dass dieser bereits vor seinem Tod gewusst hatte, dass sein Leben ein grausames Ende nehmen würde. Bei der Spurensuche nach seinen Ahnen trifft der junge Gelehrte auf die unterschiedlichsten zwielichtigen Gestalten. Nichts ist so wie es scheint und alles ist hintergründig. Er wird konfrontiert mit den kriminellen finanziellen Praktiken der Ostindien-Gesellschaft, mit korrupten Kapitänen, skurrilen Ärzten; er nimmt teil an orgiastischen Ritualen eines dubiosen Clubs, begegnet Wissenschaftlern, die Automatenmenschen auftreten lassen, muss grausam ausgeführte Morde mitansehen und gerät in die obskuren Machenschaften einer Geheimgesellschaft. Das sind nur einige Stränge, die sich durch die verschlungene Geschichte ziehen. Eine Liebesaffäre darf natürlich nicht fehlen. Wenn am Schluss mit einem Opernbrand und einem Wassereinbruch in einen unterirdischen Tunnel der Höhepunkt angesteuert wird, sind die dafür auslösenden Momente kaum noch zu erinnern, weil der Fortlauf der Geschichte immer wieder mit Einschüben unterbrochen wird beziehungsweise damit Parallelen zu der „real“ verlaufenden Erzählung aufgezeigt werden sollen. Historische Tatsachen werden mit fantastischen Erfindungen verwoben. Figuren der griechischen Mythologie werden mit Personen des Romans gleichgesetzt oder verglichen. Wer sich für verschiedene Schiffstypen und Schiffbau interessiert, kommt ebenso auf seine Rechnung wie jemand, der wissen will wie sich Algen zellbiologisch zusammensetzen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Mit den unterschiedlichsten skurrilen Personen und undurchsichtigen Vorgängen an den diversen geheimnisvollen Orten des Geschehens hätte dies eine spannende Geschichte werden können. Dem Labyrinth der Handlungsabläufe ist umso schwerer zu folgen, als immer wieder ausführliche Einschübe den Fortgang hemmen. Dass das einem Roman nicht unbedingt abträglich sein muss, beweist Umberto Eco mit meisterhaft leichter Feder in seinem Roman „Der Name der Rose“, wo er detailliert und seitenlang zum Beispiel ein Kirchenportal beschreibt. Auch in „Baudolino“ versteht es Eco, die ausschweifenden Ausmalungen seiner Figurenschöpfungen oder Landschaften zu einem Vergnügen für den Leser werden zu lassen. Bei „Lemprière’s Wörterbuch“ von Lawrence Norfolk hat man jedoch den Eindruck, mit Bildungshuberei erschlagen zu werden. Es kommt zwar viel Fantastisches vor, aber die originellen Einfälle werden durch zuviel realistische und ausführliche Beschreibungen zunichte gemacht.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Irene Wunderlich 2003
Textauszüge: © Albrecht Knaus Verlag