Inge Löhnig : Der Sünde Sold

Der Sünde Sold
Der Sünde Sold Originalausgabe: Ullstein Buchverlage, Berlin 2008 ISBN: 978-3-548-26864-4, 430 Seiten List Taschenbuch, Berlin 2017 ISBN 978-3-548-61357-4
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein Jahr nachdem ihre Tochter und ihr Mann bei einem Wohnungsbrand in München ums Leben kamen, versucht Agnes Gaudera in einem Vorort der Großstadt einen Neuanfang. Noch am Tag ihres Einzugs wird ein fünfjähriger Junge vermisst. Kommissar Dühnfort leitet die Ermittlungen. Handelt es sich um eine Entführung zum Zweck der Erpressung? Wurde Jakob Opfer eines Pädophilen? Oder hat die Tat einen religiösen Hintergrund? Dühnfort geht allen Spuren nach ...
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Kritik

Inge Löhnig erzählt chronologisch aus verschiedenen Perspektiven. Die spannende Aufklärung einer Mordserie verwebt sie in "Der Sünde Sold" mit privaten Problemen des Kommissars Konstantin ("Tino") Dühnfort und Ansätzen einer Liebesgeschichte.
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Als Agnes Gaudera am 15. März 2007 von einem Besuch bei ihrer Freundin Kathrin in Pullach nach München-Neuhausen zurückkehrt, steht ihre Wohnung in Flammen. Später werden die verkohlten Leichen ihres Ehemanns Rainer und ihrer Tochter Yvonne gefunden. Der Brandsachverständige kommt zu dem Schluss, dass ein laienhaft verlegtes Kabel hinter einer Trockenbauwand einen Schwelbrand auslöste.

Gut ein Jahr später kauft sich die Fünfunddreißigjährige, die noch nicht über den Tod der beiden engsten Angehörigen hinweggekommen ist, in Mariaseeon am Kirchsee südöstlich von München eine Jugendstilvilla. Dort will sie einen Neuanfang versuchen und nach acht Jahren Pause wieder in ihrem Beruf als Grafikdesignerin arbeiten.

Rainer hatte darauf bestanden, dass sie ihren Beruf aufgab, solange Yvonne noch nicht die Schule besuchte. Agnes hatte allerdings die Hoffnung gehabt, spätestens wenn Yvonne in den Kindergarten gehen würde, stundenweise arbeiten zu können. Als Freiberuflerin konnte sie sich die dafür nötige Zeit einteilen. Aber Rainer setzte sich durch, und sie konnte ihn verstehen. Er war als Kind, nach der Scheidung seiner Eltern, in der Verwandtschaft herumgereicht worden. Der Vater war nach Südafrika gegangen, wo er in Johannesburg für ein deutsches Unternehmen das Vertriebsnetz aufbaute. Die Mutter machte Karriere in einem Pharmakonzern und war ständig auf Reisen. Schließlich sorgten abwechselnd seine Großeltern und seine Tante für Rainer. Zu Hause fühlte er sich weder da noch dort. „Du bist mein Zuhause“, hatte er einmal gesagt. „Du gibst mir das, wonach ich gesucht habe, ohne dass ich wusste, was mir fehlte. Geborgenheit. Das kannte ich ja nicht. Dafür liebe ich dich.“

Am 8. Mai 2008 zieht Agnes ein. Noch am selben Abend kommt die Nachbarin Melanie („Melli“) Berger herüber: Der fünfjährige Jakob Sonnberger, den sie als Erzieherin im Kindergarten betreut, wird vermisst. Die Eltern Gabi und Beppo Sonnberger sind mit allen verfügbaren Dorfbewohnern auf der Suche nach dem Kind. Die Polizei wird eingeschaltet.

Assistiert von Gina Angelucci und Alois Fünfanger, leitet Kriminalhauptkommissar Konstantin („Tino“) Dühnfort aus dem Münchner Polizeipräsidium die Ermittlungen.

Der Einundvierzigjährige stammt aus Hamburg. Während des Jura-Studiums begriff er, dass es seinem Vater, dem erfolgreichen Strafverteidiger Alexander Dühnfort, nicht um Wahrheit und Gerechtigkeit ging, sondern um Ruhm und Geld. Daraufhin brach er das Studium ab und fing bei der Polizei an. Weil er befürchtete, beruflich mit seinem Vater in Konflikt zu kommen, zog er schließlich nach München.

Er ist einsam. In Hamburg liebte er die japanische Musikstudentin Kim, die ihn jedoch nach einiger Zeit verließ und den Juniorchef des größten Autohauses in der Hansestadt heiratete. Mit seiner zweiten Freundin hatte Dühnfort auch kein Glück: Die Lehrerin Konstanze fand sich mit seinen unregelmäßigen Dienstzeiten nicht ab. Als er vor zwei Jahren merkte, dass sie ihn mit einem Oberstudienrat betrog, beendete er die Beziehung.

Alexander Dühnfort wird am 17. Mai in Hamburg seinen 70. Geburtstag feiern. Sein Sohn Julius verschickte die Einladungen. Im Gegensatz zu Tino hat Julius die Erwartungen des Vaters an die Söhne erfüllt: Er führt die Kanzlei weiter, und seine aus den besten Kreisen der Hamburger Gesellschaft stammende Ehefrau Viktoria erwartet ein Kind. Alexanders erste Ehefrau, die Mutter seiner beiden Söhne, hat ihre Teilnahme an der Geburtstagsfeier bereits abgesagt. Tino beabsichtigt, am 16. Mai nach Hamburg zu fahren, obwohl er keine enge Beziehung zu seinem Vater hat und von seinem Bruder noch immer als Rivale wahrgenommen wird.

In einem Waldstück stoßen die Ermittler auf einen Ziegenkopf und weitere Fleischstücke, die in den Ästen hängen und ein Hexagramm bilden, in dessen Zentrum ein flacher Findling liegt. Kerzenwachs deutet darauf hin, dass hier eine schwarze Messe gefeiert wurde. Wurde Jakob in diesem Zusammenhang entführt? Dr. Claudius Herzog, der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in München, findet allerdings heraus, dass die Ziege nicht geopfert wurde. Bei den Fleischstücken handelt es sich offenbar um Schlachtabfälle.

Jakobs Eltern bewirtschaften einen Bauernhof, der sich seit Generationen im Familienbesitz des Mannes befindet. Dühnfort erfährt zu seiner Überraschung, dass Gabi Sonnberger, eine geborene Münch, mehrere Millionen auf dem Konto hat. Das Geld will sie allerdings nicht anrühren, sondern für ihren Sohn aufheben, der später über die Verwendung entscheiden soll. Es stammt aus dem Verkauf von Grundbesitz ihrer Familie in einer Zeit, als Spekulanten davon ausgingen, dass Ackerland zu Bauland werden würde. Der Gemeinderat von Mariaseeon, dem viele Grundstücksbesitzer angehören, heizte entsprechende Gerüchte an – bis die Verträge unterschrieben waren. Danach verhinderte dasselbe Gremium die Bebauung der verkauften Areale. Gabi war zehn Jahre alt, als ihr älterer Bruder Anselm kurz nach dem Tod des Vaters Grundstücke verkaufte und ihr und der Mutter Hedwig Münch je ein Drittel des Erlöses überließ.

Anselm Münch, ein promovierter Historiker Anfang vierzig, lebt nach wie vor in Mariaseeon. Er ist nicht verheiratet und gilt als Einsiedler. Nur mit dem Dorfarzt Dr. Till Wiessner trifft er sich regelmäßig zum Backgammon. Die beiden sind seit der Schule befreundet. Wiessner studierte in Heidelberg und kam erst vor einigen Jahren mit seiner Familie nach Mariaseeon zurück, um die Praxis seines Vaters zu übernehmen.

Für den Fall, dass es sich beim Täter um einen Erpresser handelt, lässt Dühnfort die Familie Sonnberger von drei Beamten überwachen. Er will verhindern, dass die Eltern des entführten Kindes ohne Einschaltung der Polizei über Lösegeldzahlungen verhandeln. Als Gabi Sonnberger sich auf dem Waldfriedhof mit Thomas Schmidt unterhält, dem Filialleiter der Sparkasse Mariaseeon, ist Dühnfort alarmiert. Aber die beiden trafen sich wohl nur zufällig bei der Grabpflege.

Robert Bachmaier, der Chef der Polizeitaucher, die den Kirchsee absuchen, hört von Georg Veith, der in Mariaseeon ein Geschäft für Raumausstattung betreibt und sich in seiner Freizeit bei der DLRG engagiert, dass drei Kinder im letzten Sommer gesehen haben wollen, wie der pensionierte Lehrer Kallweit am Ufer nackt onanierte. Kallweit, dessen Frau vor zehn Jahren gestorben war und dessen drei Töchter längst aus dem Haus sind, behauptete bei der Vernehmung, er habe sich lediglich nach dem Schwimmen abgetrocknet, die Kinder hätten das falsch aufgefasst.

Am 11. Mai findet ein Bittgottesdienst statt. Statt daran teilzunehmen, läuft Agnes Gaudera eine Runde. In der Nähe der zum Münch-Hof gehörenden, 1788 von Josef-Maria Münch im Wald errichteten Marienkapelle findet sie einen Turnschuh, der von Jakob stammen könnte. Gleich darauf hört sie ein Kind wimmern. Sie kriecht durchs Gestrüpp und findet Jakob auf einer Lichtung. An einen Pfahl gefesselt, liegt er nackt auf einem Reisighaufen. Daneben steht ein Benzinkanister. Offenbar wollte der Entführer den Jungen verbrennen. Agnes ist zwar nicht gläubig und schon gar nicht bibelfest, aber sie assoziiert die Szene mit der im letzten Augenblick verhinderten Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham. Sie befreit Jakob von der Fessel, schlüpft aus ihrem Sweatshirt, zieht es ihm über und trägt ihn zur Kirche.

Wegen eines anbrechenden Unwetters kann der Fundort erst am nächsten Morgen untersucht werden. Als die Polizei dort eintrifft, sind Pflock, Reisighaufen und Benzinkanister verschwunden. Der Platzregen hat auch andere Spuren beseitigt.

Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung werden Rückstände des Wirkstoffs Midazolam in Jakobs Blut gefunden. Der Täter hat ihn also betäubt, seltsamerweise mit einem Präparat unter dem Handelsnamen Dormicum, das vor allem in der Notfallmedizin verwendet wird. Offenbar penetrierte er das Opfer nicht. Dass Jakob dennoch sexuell missbraucht wurde, lässt sich nicht ausschließen. Das Kind ist verstört. Weder die Eltern noch die Psychologin Beatrice Mével können ihm brauchbare Hinweise auf den Entführer entlocken.

Gabi Sonnberger gesteht Dühnfort, dass bei ihrer Mutter eine Lösegeldforderung eintraf. Der Sparkassenleiter Thomas Schmidt beschaffte ihr eine Million Euro in bar, die sie in der vorletzten Nacht in zwei Müllsäcken auf dem Parkplatz Portenläng bei Otterloh deponierte. Weder ihr Mann noch die Polizei bekamen etwas davon mit. Sie ist überzeugt, dass Jakob nach der Lösegeldübergabe freigelassen wurde. Als sie von dem Reisig und dem Benzin erfährt, reagiert sie entsetzt.

Auf dem Erpresserbrief wird ein feiner Niederschlag gefunden. Er besteht aus Stärkemehl wie es in Druckereien verwendet wird.

Agnes bekommt einen ersten Auftrag. Sie soll für Anselm Münch ein Buch gestalten, das er über die Geschichte von Mariaseeon geschrieben hat. Dabei kommt es dem Eigenbrötler nicht darauf an, viele Exemplare zu verkaufen, und die Kosten spielen keine Rolle.

Am nächsten Tag erfährt Dühnfort von der Erzieherin Melanie Berger, dass sich Kallweit letztes Jahr am Rand eines Maisfeldes in unmittelbarer Nähe des Kindergartens mit einem Fotoapparat herumtrieb. Als sie ihn zur Rede stellte, behauptete er, keine Kinder sondern Pflanzen fotografiert zu haben. In Grünwald sucht Dühnfort Margarete Benninsen auf, die Mutter der drei Kinder, von denen Georg Veith dem Chef der Polizeitaucher erzählt hatte. Sie erinnert sich, dass der Verdächtige eine Kamera in einer Kühltasche versteckt hatte und damit heimlich fotografierte. Als sie einen DLRG-Mitarbeiter darüber informierte und mit ihm zurückkam, war der Mann verschwunden.

Bei der Befragung Georg Veiths erfährt Dühnfort, dass sich dessen bester Freund Sepp vor achtundzwanzig Jahren als Vierzehnjähriger mit dem Jagdgewehr seines Vaters erschoss. Die Eltern und der Pfarrer vertuschten den Selbstmord und brachten den Dorfarzt dazu, als Todesursache Lungenembolie anzugeben, damit Sepp christlich beerdigt werden konnte. Dem Pfarrer ging es dabei aber auch darum, eine rechtsmedizinische Untersuchung zu verhindern, bei der sich herausgestellt hätte, dass der Jugendliche mehrfach vergewaltigt und ausgepeitscht worden war. Der pädophile, sadistische Geistliche hatte Sepp und Georg in der Hand, weil er durch die Beichte von ihrer homosexuellen Beziehung wusste. Georg wurde allerdings nur einmal von ihm missbraucht. Kurz nach Sepps Suizid erlag der Pfarrer einem Herzinfarkt.

Am 14. Mai führt Dühnfort mit mehreren Polizeibeamten bei Kallweit eine Hausdurchsuchung durch. Der pensionierte Lehrer kam soeben von einem Münchner Pflegeheim zurück. Dort war am frühen Morgen sein achtundneunzigjähriger Vater gestorben. Nichts Verdächtiges wird gefunden. Die Polizisten wollen das Haus bereits verlassen, als Dühnfort im Keller auf eine Geheimtüre stößt. Dahinter befindet sich ein Raum, den Kallweit wie eine Schiffskajüte eingerichtet hat. Hier bewahrte er nicht nur kinderpornografische Fotos und Videos auf, sondern auch Fetische von Kindern aus dem Dorf.

Kallweit wird festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim gebracht.

Am 16. Mai fährt Dühnfort wie geplant zum Münchner Hauptbahnhof. Dort erhält er einen Anruf von Gina Angelucci: Der Filialleiter der Raiffeisenbank in Baierdilching meldete, dass auf dem überzogenen Firmenkonto der Druckerei Karl Prohacek & Sohn mehrere hunderttausend Euro eingegangen seien. Statt nach Hamburg zu reisen, lässt Dühnfort sich von Gina abholen und nach Baierdilching mitnehmen. Das Geburtstagsgeschenk für seinen Vater, ein Gutschein für einen Segelflug, schickt er per Post.

Eine Überprüfung ergibt, dass das Firmenkonto der Druckerei Karl Prohacek & Sohn durch Überweisungen von Karl Prohaceks Privatkonten gefüllt wurde. Jemand zahlte in den letzten Tagen auf siebzehn verschiedenen Bankkonten in München Bargeld ein. Auf einem Computer in der Druckerei findet Romeo („Meo“) Klein, der IT-Spezialist der Münchner Mordkommission, das Erpresserschreiben. Karl Prohacek wird verhaftet. Der Anwalt Dr. Hilprant kann sich nicht vorstellen, dass sein Mandant ein Kind entführt haben soll. Dühnfort hält Prohacek ohnehin für einen Trittbrettfahrer, der von der Entführung erfuhr und sich in seiner finanziellen Not die Umstände zunutze machte.

Melanie Berger heiratet am 16. Mai in Mariaseeon den Kfz-Mechaniker Franz Lechner.

Franz Lechner unternimmt neun Tage später mit Agnes Gauderas Bruder Michael Aschauer einen Motorrad-Ausflug. Zu der Zeit, als Melanie und Agnes die beiden Männer zum Essen erwarten, klingeln zwei Polizisten aus Baierdilching: Der Fahrer eines Lieferautos verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit dem Motorrad. Franz war sofort tot. Genickbruch. Michael liegt leicht verletzt im Krankenhaus in Murnau. Nachdem die Hiobsboten fort sind, holt Agnes Dr. Wiessner, der Melanie eine Beruhigungsspritze gibt.

Am nächsten Tag meldet er sich bei Dühnfort und teilt ihm mit, dass er am Vorabend vergeblich in seinem Arztkoffer nach Dormicum gesucht habe. Es sieht so aus, als sei es gestohlen worden.

Kallweit wird am 26. Mai aus der Untersuchungshaft entlassen. Dühnfort lässt ihn überwachen.

Am 30. Mai erhält Agnes überraschend Besuch von ihrer Freundin Kathrin aus Pullach, mit der sie sich vor einem Jahr überworfen hatte. Zunächst freut sie sich, aber die beiden Frauen geraten rasch wieder in Streit, weil Kathrin auf Rainers unangenehme Seiten zu sprechen kommt. Kathrin besteht darauf, dass Agnes ihre rosarote Brille ablegt. Sie erinnert ihre Freundin daran, warum sie an dem Abend, an dem Rainer und Yvonne starben, bei ihr zu Besuch war. Kathrins Ehemann Werner, ein Münchner Immobilienmakler, hatte eine Wohnung für Agnes gefunden. Am nächsten Tag sollte sie den Mietvertrag unterschreiben. Agnes wollte Rainer verlassen, nachdem sie von ihm geschlagen worden war, weil sie sich gegen seinen Willen als Grafikdesignerin bei Niehaus & Partner beworben hatte. Agnes kann es kaum glauben, dass sie das die ganze Zeit verdrängte.

Kathrin ist noch da, als Melanies Mutter fragt, ob ihre Tochter bei Agnes sei. Als die Vermisste Stunden später immer noch nicht aufgetaucht ist, radelt Agnes zu einem Steg, auf dem Melanie gerne sitzt. Im Gras findet sie einen Ehering. Der Gravur entnimmt sie, dass er Franz gehörte. Sie alarmiert Dühnfort. Die Polizei durchsucht die Gegend und findet eine zerbrochene Ampulle Dormicum. Es ist also wahrscheinlich, dass der Entführer Jakobs diesmal eine Frau in seine Gewalt gebracht hat. Agnes denkt wieder an die Bibelszene, in der Abraham seinen Sohn Isaak opfern will. Wurde Melanie entführt, weil sie bei der Beerdigung dem Pfarrer ins Wort gefallen war, als dieser gesagt hatte, Franz‘ Tod müsse einen gottgewollten Sinn haben?

Melanies Leiche wird auf dem Waldfriedhof gefunden. Sie liegt neben dem frischen Grab ihres Mannes. Der Mörder zog ihr ein altmodisches weißes Nachthemd an. Unter ihrer linken Brust befindet sich eine Stichverletzung. Ihre Lippen sind abgeschnitten. Die Zunge ist gespalten und an der Wurzel eingerissen. Die Rechtsmedizinerin Dr. Ursula Weidenbach vermutet, dass der Täter versucht hatte, Melanie an der Zunge aufzuhängen.

Am 3. Juni wird Dühnfort der Mietvertrag für seine Wohnung in der Pestalozzistraße in München gekündigt. Die Tochter des Eigentümers will in München studieren und sich am 1. Oktober in der Wohnung einrichten.

Eine Fünfzehnjährige namens Korinna, die im Kirchenchor singt, meldet sich bei Pfarrer Schops, der vor achtundzwanzig Jahren die Gemeinde Mariaseeon übernahm. Gegen den Willen ihrer Mutter ist Korinna mit dem Metzgerlehrling Cyril Meierhofer befreundet. Sie habe sich von ihm verleiten lassen, bei einer Teufelsbeschwörung mitzumachen, gesteht sie. Dabei hätten sie Schlachtabfälle in die Bäume gehängt.

Während Dühnfort am 13. Juni bei Anselm Münch ist, um ihm nochmals ein paar Fragen zu stellen, klingelt Dieter, der Ehemann der Friseurin Anna Nötzel. Er kann sie nirgendwo finden. Münch klärt ihn und den Kommissar darüber auf, dass Anna ein Verhältnis mit Konrad Dambrowski hat, von dem das ganze Dorf bis auf die beiden Ehepartner weiß.

Bei seiner Vernehmung gibt Dambrowski zu, am Vorabend mit Anna in einer Jagdhütte verabredet gewesen zu sein. Weil jemand einen Reifen seines Autos zerstochen hatte, verspätete er sich, und als er hinkam, war Anna offenbar schon wieder weggefahren.

Annas Wagen wird in einem Weiher gefunden. Von der Friseurin fehlt jede Spur.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Als Dühnfort am nächsten Tag bei Agnes vorbeischaut, ist sie verstört und betrunken. Schließlich lässt sie ihn einen Brief ihres Mannes lesen, den sie gerade bekam. Den hasserfüllten Brief hatte Rainer Gaudera kurz vor seinem Tod geschrieben und bei den Münchner Notaren Künzlau & Weiler hinterlegt. Er enthält das Geständnis, dass es sich bei dem Feuertod von Rainer und Yvonne um einen erweiterten Selbstmord handelte. Um Agnes die Tochter wegzunehmen, manipulierte Rainer eine elektrische Leitung in der Wohnung so, dass ein Feuer ausbrach und das Mädchen mit ihm zusammen umkam. Mit dem Brief versucht er Agnes einzureden, dass sie schuld am Tod ihrer Tochter ist, weil sie ihn verlassen wollte. Die verzögerte Zustellung sollte die Wirkung des Schreibens steigern.

In ihrer Verzweiflung verführt Agnes den Kommissar, der sich nur zu gern darauf einlässt, denn er hat sich längst in sie verliebt.

Weil Dühnfort bei Agnes in Mariaseeon übernachtet hat, ist er am nächsten Morgen gleich zur Stelle, als Annas Leiche gefunden wird. Sie liegt nackt auf der obersten Stufe des Eingangs zur Kirche. Wie Melanie weist die Tote einen Einstich unter der linken Brust auf. Offenbar peitschte der Mörder Melanie aus, denn ihr Rücken ist mit blutigen Striemen überzogen. Weitere Verletzungen lassen nur den Schluss zu, dass Anna gesteinigt wurde.

Dühnfort, der weiß, dass es sich bei der Steinigung um eine biblische Strafe für Ehebruch handelt, geht nun davon aus, dass Agnes‘ Annahme, bei dem Serienmörder handele es ich um einen religiösen Fanatiker, richtig ist. Pfarrer Schops ist erschüttert. Dühnfort berichtet ihm, dass sein Vorgänger Ministranten missbraucht hatte. Schops ahnte davon nichts und kann die Frage des Kommisars nach Dorfbewohnern, die durch die Übergriffe traumatisiert sein könnten, nicht beantworten. Barbara Schulz, die schon unter Schops‘ Vorgänger den Pfarrhaushalt führte, hört das Gespräch mit an, weil sie den beiden Männer gerade Kaffee serviert. Sie gibt ein Geheimnis preis: Als sie vor achtundzwanzig Jahren ihren Dienstherrn tot auffand, lagen kinderpornografische Bilder vor ihm. Die warf sie weg, bevor sie den Arzt rief. Sie weiß auch noch einen Mann, der damals, als Jugendlicher, zu den Opfern des Pfarrers gehört hatte. Er war kein Ministrant, sondern half beim Äpfelpflücken, Holzhacken und Rasenmähen: Anselm Münch.

Der Historiker ist nicht zu Hause. Dühnfort und seine Mitarbeiter durchsuchen das Anwesen. In einem Blockhaus auf dem Grundstück entdeckt Dühnfort eine Falltüre. Sie führt in die Gewölbe der Ruine des ehemaligen Klosters Marie Himmelfahrt. Dort hat Münch sich einen Andachtsraum und einen Folterkeller eingerichtet. Auf Münchs Festplatte findet Meo Klein eine Art Tagebuch. Daraus geht hervor, dass der Mörder auch Agnes beobachtete. Anfangs glaubte er, sie sei rein wie er, aber als sie mit dem Kommissar schlief, beschloss er hasserfüllt, sie zu bestrafen.

Erschrocken fordert Dühnfort einen Hubschrauber an und organisiert eine hektische Suche nach Agnes.

Agnes joggte an diesem Morgen zur Marienkapelle. Dort trifft sie auf Münch. Er schlägt sie nieder. Als sie wieder zu sich kommt, nähert er sich mit einer Spritze. Agnes schlägt sie ihm aus der Hand, rammt ihm ein Knie in die Hoden und springt auf. Trotz seiner Schmerzen versucht er, sie zu fangen. Versehentlich reißt sie die Spitzendecke vom Altar. Der Stoff wird von den umgefallenen Kerzen in Brand gesteckt. Agnes flüchtet in die Sakristei und schiebt den Riegel vor. Es dauert jedoch nicht lang, bis sich der Raum mit Rauch füllt. Möglichst geräuschlos öffnet sie den Riegel. Dann wirft sie sich gegen die Tür. Zur Gottesmutter betend, bleibt Münch in den brennenden Kirchenbänken stehen. Erst als Agnes sich ins Freie rettet, folgt er ihr. Er brennt wie eine Fackel und bricht zusammen.

Da hört Agnes die Geräusche eines Hubschraubers und eines Autos.

Münch war dreizehn, als sein jüngerer Bruder ums Leben kam. Benedikt („Bene“) spielte in einem leeren Odelfass. Das war sein U-Boot. Anselm schloss von außen die Luken, das heißt, er setzte den Deckel auf. Dann wurde er durch eine Katze abgelenkt und vergaß seinen Bruder. Die August-Sonne erhitzte das Fass. Als man es endlich öffnete, war Benedikt bereits tot. Anselm beichtete es dem Pfarrer. Der hatte ihn daraufhin in der Hand, vergewaltigte ihn und peitschte ihn aus. Anselm gab der Katze die Schuld am Tod seines Bruders, und er quälte sie zu Tode.

Heimlich holt Agnes am 20. Juni die Urne mit der Asche ihrer Tochter aus dem Grab in München. Sie will nicht, dass ihre Tochter zusammen mit einem Mörder bestattet ist. Zurück in Mariaseeon vergräbt sie die Urne unter einem Baum im Garten.

Zwei Tage später kommt Dühnfort zu ihr. Er würde gern das verwaiste Nachbarhaus der Lechners mieten, sagt er, werde es allerdings nur tun, wenn es ihr nicht zu nah sei. Dühnfort weiß, dass Agnes noch nicht über das Verbrechen ihres Mannes und den Tod ihrer Tochter hinweggekommen ist, und er will ihr Zeit geben. Aber er hofft auf eine gemeinsame Zukunft mit ihr.

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In „Der Sünde Sold“, dem Debütroman von Inge Löhnig, geht es um Reaktionen auf traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit: Der Feuertod der Tochter und des Ehemanns, der Unfalltod des kleineren Bruders, die Vergewaltigung durch einen sadistischen Päderasten, aber auch die Enttäuschung über den Vater. In erster Linie ist „Der Sünde Sold“ ein Kriminalroman. Die Aufklärung einer Mordserie steht deshalb im Mittelpunkt. Inge Löhnig durchwebt sie auf unaufdringliche Weise mit privaten Problemen des Kommissars Konstantin („Tino“) Dühnfort und Ansätzen einer Liebesgeschichte.

Die Autorin erzählt chronologisch aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie wechselt zwischen den Perspektiven des Ermittlers Dühnfort, der Grafikdesignerin Agnes Gaudera und des Mörders. Weil dabei Charakteristika des Verbrechers bekannt werden, die nur auf einen der Dorfbewohner passen, lässt sich früh erahnen, um wen es sich handelt. Dennoch bleibt „Der Sünde Sold“ bis zum Ende spannend.

Die Kapitel sind mit Datumsangaben vom 8. Mai bis 22. Juni überschrieben, und weil dazu die Wochentage angeben sind, kann man durch einen Blick in den Kalender feststellen, dass die Handlung im Erscheinungsjahr des Buches (2008) spielt.

Mariaseeon und Baierdilching sucht man allerdings vergeblich auf der Landkarte, denn es handelt sich um fiktive Orte.

Das Seon habe ich mir tatsächlich von Kirchseeon geborgt. Der Kirchsee, an dem mein fiktionales Dorf liegt, ist nicht der Kirchsee in der Nähe von Dietramszell, sondern gleicht in meiner Vorstellung eher dem Steinsee, allerdings war ich so frei, ein Dorf ans Ufer zu bauen. Das Vorbild für den Forst ist der Sauerlacher Forst und für die Marienkapelle [eine] Kapelle [im Sauerlacher Forst], die im Original St. Anna Kapelle heißt. (Inge Löhnig im Literaturforum „Lies und Lausch“)

Für einen Debütroman ist „Der Sünde Sold“ erstaunlich gut gelungen. Zu bemängeln ist, dass eine Reihe von Figuren und Nebenhandlungen, die den Leser in die Irre führen sollen, fallengelassen werden, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben. Bei der Lektorierung wurden einige Kleinigkeiten übersehen, etwa die Verwendung des Wortes gleich, wenn nicht ein ähnlicher, sondern derselbe Täter gemeint ist (Seite 334) oder die stereotype Beschreibung aller im Text vorkommenden Damenröcke.

Mit „Der Sünde Sold“ begann Inge Löhnig eine in München und Umgebung spielende Kriminalromanreihe über Kommissar Dühnfort. Die Titel der nächsten Bände lauten: „In weißer Stille“, „So unselig schön“ und „Schuld währt ewig“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Ullstein Buchverlage

Inge Löhnig: In weißer Stille
Inge Löhnig: So unselig schön
Inge Löhnig: Sieh nichts Böses
Inge Löhnig: Unbarmherzig
Ellen Sandberg: Die Vergessenen
Ellen Sandberg: Der Verrat
Ellen Sandberg: Die Schweigende
Ellen Sandberg: Das Erbe
Ellen Sandberg: Das Geheimnis

Orhan Pamuk - Die Nächte der Pest
In "Die Nächte der Pest" tut Orhan Pamuk so, als habe nicht er, sondern eine Historikerin das Buch geschrieben. Dieser originelle, parodistische Ansatz ist problematisch, denn es fehlt nicht nur an einer Identifikationsfigur, sondern trotz des orientalischen Einfallsreichtums auch an lebendig inszenierten Episoden. Bei einem Geschichtswerk wird das so erwartet, aber in der Belletristik nicht.
Die Nächte der Pest

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.