Heinrich von Kleist : Michael Kohlhaas
Inhaltsangabe
Kritik
Michael Kohlhaas, der knapp über 30 Jahre alte Sohn eines Schulmeisters, lebt mit seiner Frau Lisbeth und seinen fünf Kindern als rechtschaffener Pferdehändler in Kohlhaasenbrück an der Havel. Als er wieder einmal eine Koppel Pferde nach Dresden bringen will, um sie dort zu verkaufen, trifft er an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen auf einen neuen Schlagbaum in der Nähe einer Burg auf sächsischem Gebiet. Vom Zöllner erfährt er, dass der alte Schlossherr einem Schlaganfall erlag und das Gebiet nun Junker Wenzel von Tronka gehört. Nachdem Michael Kohlhaas den Zoll bezahlt hat, will er weiterziehen, aber der Burgvogt ruft ihn zurück und verlangt seinen Pass zu sehen. Der Pferdehändler passierte diese Grenze bereits siebzehn Mal, und noch nie fragte ihn jemand nach einem Pass, da aber der Burgvogt darauf besteht, verspricht Kohlhaas, sich in Dresden um ein entsprechendes Dokument zu kümmern. Als Pfand muss er zwei Rappen zurücklassen. Während seiner Abwesenheit soll sein zuverlässiger Knecht Herse auf die Tiere aufpassen.
In Dresden stellt sich heraus, dass es einen Pass wie den geforderten überhaupt nicht gibt. Es hat sich also um einen Willkürakt gehandelt.
Als Kohlhaas nach dem Verkauf der restlichen Pferde wieder zu der Burg an der Grenze kommt, findet er statt seiner wohlgenährten Rappen zwei jämmerliche Mähren vor, und den Knecht hat man davongejagt. Der Händler lässt seine beiden Gäule stehen und eilt nach Hause, wo ihm der Knecht Herse berichtet, was vorgefallen ist: Der Burgverwalter ließ die beiden Rappen als Zugtiere bei der Feldarbeit einsetzen und in einem Schweinekoben unterbringen, in dem sie noch nicht einmal aufrecht stehen konnten. Als Herse die besudelten Tiere zur Schwemme außerhalb der Burg führen wollte, um sie zu säubern, hetzte man ihm die Hunde nach und prügelte ihn halb tot.
Michael Kohlhaas reicht in Dresden eine gerichtliche Klage gegen Junker Wenzel von Tronka ein. Monatelang wartet er auf eine Nachricht. Erst im folgenden Jahr erfährt er, dass die Klage auf Veranlassung des Mundschenks Hinz von Tronka und des Kämmerers Kunz von Tronka niedergeschlagen wurde. Der Stadthauptmann Heinrich von Geusau, zu dessen Regierungsbezirk auch Kohlhaasenbrück gehört, rät Kohlhaas, den Kurfürsten von Brandenburg in einer Supplik um landesherrlichen Schutz gegen das in Sachsen erlittene Unrecht zu bitten. Der Kurfürst delegiert die Angelegenheit an seinen Kanzler, Graf Kallheim, aber der hintertreibt sie, weil er mit den von Tronka verschwägert ist. In der Resolution heißt es, Kohlhaas sei ein Querulant. Eine neue Bittschrift will Lisbeth Kohlhaas dem Kurfürsten persönlich überbringen, doch eine übereifrige Wache stößt sie mit dem Lanzenschaft so heftig vor die Brust, dass sie im Liegen nach Hause gebracht werden muss und ein paar Tage später stirbt.
Da ruft Michael Kohlhaas seine sieben Knechte zusammen, bewaffnet sie und reitet mit ihnen zu der Burg des Junkers Wenzel von Tronka. Sie brennen die Gebäude nieder. Der Vogt und der Verwalter kommen mit ihren Frauen und Kindern ums Leben. Dem Junker aber gelingt es, sich in das von seiner Tante Antonia von Tronka geleitete Damenstift von Erlabrunn zu retten. Als Michael Kohlhaas mit seinen Mannen dort eintrifft, ist Wenzel von Tronka bereits weiter nach Wittenberg geflohen. Mit Plakaten fordert Kohlhaas dazu auf, „seine Sache gegen den Junker von Tronka, als dem allgemeinen Feind aller Christen“ zu unterstützen. Dreimal steckt er Teile von Wittenberg in Brand, und mit seiner kleinen Streitmacht besiegt er den mit 500 Mann heranziehenden Prinzen Friedrich von Meißen.
Als Martin Luther dem Rebellen auf öffentlichen Anschlägen „Ungerechtigkeit“ und den „Wahnsinn stockblinder Leidenschaft“ vorwirft, dringt dieser verkleidet zu ihm vor und setzt ihm seine Sache auseinander. Luther verspricht, sich für ihn zu verwenden und schickt am nächsten Tag ein Schreiben an den Kurfürsten von Sachsen, der daraufhin Kohlhaas freies Geleit zusichert, damit er seine Klage nochmals in Dresden vertreten kann.
Kohlhaas löst unverzüglich seine Kriegshaufen auf, reist in die sächsische Hauptstadt und trägt seinen Fall dem Großkanzler des Gerichts vor. Der verweist ihn an einen anderen Advokaten, der die Klage formulieren soll.
Die Anwälte des Junkers geben einmal vor, der Vorfall am Schlagbaum habe sich ohne Wissen und Beteiligung ihres Mandanten abgespielt und schieben die Schuld auf den Burgvogt und den Verwalter, die bei dem Überfall auf die Burg ums Leben kamen. Dann wieder behaupten die Verteidiger, die Rappen seien bereits bei der Ankunft an der Grenze unverkennbar krank gewesen. Der Junker habe deshalb nur seine Pflicht erfüllt, sie nicht auf sächsisches Territorium zu lassen.
Als Graf Kallheim den Großkanzler des Gerichts ablöst und der vorübergehend abwesende Polizeichef durch einen weiteren Parteigänger Wenzels von Tronka vertreten wird, sieht Michael Kohlhaas seine Chancen sinken. Schädlich für ihn ist auch die Nachricht, dass sein ehemaliger Gefolgsmann Nagelschmidt sich als sein Statthalter ausgibt, auf eigene Faust eine Räuberbande rekrutiert hat und plündernd durchs Land zieht. Den Wachen, die nach Kohlhaas‘ Ankunft aufgestellt wurden, um ihn zu beschützen, hat man jetzt offensichtlich befohlen, ihn festzuhalten. Als Nagelschmidt einen Boten zu Michael Kohlhaas schickt und ihm die gewaltsame Befreiung anbietet, geht dieser in seiner Verzweiflung darauf ein. Aber die Behörden, die den Boten schon vorher abgefangen hatten und ihn seinen Auftrag nur zum Schein ausführen ließen, wissen Bescheid.
Wegen der neuen Verschwörung wird Michael Kohlhaas in Dresden zum Tod verurteilt, aber der Kurfürst von Brandenburg rettet ihn, indem er ihn als Untertan reklamiert und im Einverständnis mit dem Kurfürsten von Sachsen nach Berlin bringen lässt.
Während Ritter Friedrich von Malzahn mit dem Delinquenten nach Berlin reist, nimmt der Kurfürst von Sachsen an einer Jagd teil. Als die Jagdgesellschaft davon hört, dass der berüchtigte Rebell in der Nähe sei, überredet Heloise, die Ehefrau des Kämmerers Kunz, den Kurfürsten, sich den Pferdehändler inkognito anzusehen. Der Kurfürst fragt den Gefangenen nach der Bleikapsel, die dieser an einem Seidenfaden um den Hals trägt. Kohlhaas erzählt, wie er den darin aufbewahrten Zettel vor sieben Monaten in Jüterbock unter ungewöhnlichen Umständen von einer Wahrsagerin zugesteckt bekam. Der Kurfürst von Sachsen bricht ohnmächtig zusammen und ist tagelang schwer krank.
Schließlich verrät er dem Kämmerer im Vertrauen, was es mit dem Zettel auf sich hat. Er hielt sich damals zu Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Brandenburg in Jüterbock auf. Eine Zigeunerin auf dem Marktplatz forderten sie auf, etwas sofort Überprüfbares zu prophezeien. Auf diese Weise wollten sie die Frau vor allen Leuten lächerlich machen. Sie sagte vorher, ein vom Sohn des Gärtners im Schlosspark aufgezogener Rehbock werde auf den Marktplatz kommen. Um sicher zu gehen, schickte der Kurfürst von Brandenburg einen Boten mit dem Befehl ins Schloss, das Tier sofort zu erlegen. Die Zigeunerin las ihm Gutes aus der Hand, aber als auch der Kurfürst von Sachsen die Hand ausstreckte, schrieb sie den Namen des letzten Regenten seines Hauses auf, dazu das Jahr, in dem er seine Herrschaft durch Waffengewalt verlieren werde und den Namen seines überlegenen Herausforderers. Den zusammengefalteten und versiegelten Zettel übergab sie einem der Umstehenden. Die beiden Kurfürsten hielten das alles für einen Spaß – bis der große Schlachterhund auf dem Marktplatz auftauchte und sie bemerkten, dass er den toten Rehbock herangeschleift hatte. Natürlich wollte der sächsische Kurfürst nun unter allen Umständen wissen, was die Wahrsagerin aufgeschrieben hatte, aber sie war ebenso verschwunden wie der Mann mit dem Zettel.
Inzwischen hat der Kaiser von Michael Kohlhaas‘ Rachefeldzug gehört, den Fall an sich gerissen und seinem Hofassessor Franz Müller anvertraut. Ein Todesurteil wird nicht mehr aufzuhalten sein.
In seinem Testament setzt Michael Kohlhaas einen Vormund für seine fünf Kinder ein. Von der Wahrsagerin erhält er ein Briefchen mit der Warnung, der Kurfürst von Sachsen werde sich inkognito unter die Zuschauer am Richtplatz mischen und noch im letzten Augenblick auf eine Gelegenheit lauern, an den für ihn so wichtigen Zettel zu kommen.
Michael Kohlhaas wird zum Schafott geführt. Der Kurfürst von Brandenburg hebt an: „Nun, Kohlhaas, heut ist der Tag, an dem dir dein Recht geschieht!“
Der Junker Wenzel von Tronka wird zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Der Pferdehändler bekommt alles zurückerstattet, die beiden Rappen, die sich inzwischen wieder gut erholt haben, die Wäsche, die der Knecht Herse auf der Burg hatte zurücklassen müssen und den Geldbetrag, der zur Wiederherstellung seiner Gesundheit erforderlich gewesen war. Zufrieden schenkt Kohlhaas die Pferde seinen beiden Söhnen Heinrich und Leopold und die übrigen Güter der Mutter des bei den Unruhen ums Leben gekommenen Knechts Herse.
Daraufhin fordert ihn der Kurfürst auf, auch das kaiserliche Urteil wegen Landfriedensbruchs zu akzeptieren. Kohlhaas reißt sich das Amulett ab, nimmt den Zettel heraus, zerbricht das Siegel, liest und verschluckt das Papier. Dann lässt er sich widerstandslos köpfen. Im Publikum sinkt ein Herr, den niemand erkennt, ohnmächtig zu Boden.
Der Kurfürst von Brandenburg schlägt die beiden Söhne des Hingerichteten zu Rittern und bestimmt, dass sie an einer Pagenschule erzogen werden.
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In Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ geht es um Gerechtigkeit, Korruption und Selbstjustiz: Ein aufgebrachter Mann, dem Unrecht widerfahren ist, ruft die Gerichte an. Als er begreift, dass sein Widersacher von korrupten und einflussreichen Leuten geschützt wird, versucht er sein Recht gewaltsam zu erzwingen. Die Selbstjustiz wächst sich rasch zu einer Rebellion aus, die vielen Menschen das Leben kostet und andere ins Unglück stürzt. So wird aus dem rechtschaffenen Pferdehändler ein Terrorist, den ein kaiserliches Gericht schließlich zum Tod verurteilt. Aber Michael Kohlhaas (Michael wie der Erzengel?) schätzt den Wert der Gerechtigkeit höher als den seines eigenen Lebens.
Bemerkenswert ist, wie der Zustand der beiden Rappen mit der Situation korrespondiert. Zu Beginn sind sie gesund, und die Welt des Pferdehändlers ist in Ordnung. Dann befinden sie sich in einem jämmerlichen Zustand und drohen zugrunde zu gehen, aber als das Recht am Ende wiederhergestellt wird, sehen sie von Neuem wohlgenährt und prächtig aus.
Klar, dass diese bald 200 Jahre alte Novelle sich nicht mit einem modernen Roman vergleichen lässt, aber sie liest sich überraschend leicht. Dafür sorgen nicht zuletzt der aktionsreiche „Plot“ und das packende Thema.
Die Oper „Michael Kohlhaas“ von Paul August von Klenau wurde 1933 in Stuttgart uraufgeführt.
Volker Schlöndorff verfilmte die Novelle 1968/69 mit David Warner in der Titelrolle:
„Michael Kohlhaas. Der Rebell“ – Regie: Volker Schlöndorff – Drehbuch: Clement Biddle-Wood und Volker Schlöndorff, nach der Novelle „Michael Kohlhaas“ von von Heinrich von Kleist – Kamera: Willy Kurant – Schnitt: Claus von Boro – Musik: Stanley Myers – Darsteller: David Warner (Michael Kohlhaas), Anna Karina, Thomas Holtzmann, Michael Gothard, Kurt Meisel, Anton Diffring, Gregor von Rezzori, Peter Weiss, Anita Pallenberg, Relja Basic, Inigo Jackson, Václav Lohniský, Anthony May, Tim Ray, Ivan Palúch, Emanuel Schmied, Erich Aberle, Zdenek Kryzánek, Karel Krisanek – 1969; 100 Minuten
Eine Neuverfilmung mit Mads Mikkelsen in der Titelrolle stammt von Arnaud des Pallières: „Michael Kohlhaas“. Aron Lehmann machte aus der (fiktiven) Verfilmung der Novelle „Michael Kohlhaas“ eine Realsatire: „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Arnaud des Pallières: Michael Kohlhaas
Aron Lehmann: Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel
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