Bill James : Rivalen
Inhaltsangabe
Kritik
Seit der britische Drogenboss Kenward Knapp vor seiner Haustür im Kugelhagel starb – der Mordfall blieb unaufgeklärt –, versuchen andere Kriminelle, das Machtvakuum für ihre Zwecke zu nutzen.
Nach Kenward war ein wilder, anhaltender Kampf darum entbrannt, wer das wohl am schönsten eingeführte Großhandelsunternehmen in Kokain, Crack, Ecstasy und Gras in ganz Großbritannien – wahrscheinlich der gesamten Europäischen Union, Holland nicht ausgenommen – erben würde. (Seite 27)
Einer der Männer, die Kenward Knapp beerben wollen, heißt Ralph Ember (Spitzname: „Panikralphy“). Ihm gehört der zwielichtige Nachtklub „The Monty“. Fay und Venetia, die beiden Töchter von ihm und seiner Ehefrau Margaret, büffeln in teuren Internaten.
Nachdem es Ember in einem zugemüllten Vogelschutzgebiet am Strand mit seiner Geliebten Christine („Chris“) Tranter getrieben hat, bemerkt die junge Frau zwei noch weit entfernte Männer, die sich nähern. Sie hält die beiden für Spanner, doch Ember weiß es besser: Es sind Profikiller! Die sollen ihn im Auftrag eines Konkurrenten in der Drogenszene erledigen. Er drängt Chris, rasch in ihr Kleid zu schlüpfen und rennt mit ihr fort, aber sie wird von zwei Schüssen in den Rücken getroffen und bricht tot zusammen. Ember findet es schrecklich, dass seine Geliebte seinetwegen sterben musste. Nach Einbruch der Dunkelheit kehrt er an den Strand zurück, zerrt die Leiche ein Stück weit den Strand hinauf, damit sie nicht von der Flut weggeschwemmt werden kann und wischt ihr den Schlamm aus dem hübschen Gesicht. Er muss herausfinden, wer hinter dem Anschlag steckt, denn aufgrund seiner kruden Vorstellung von Ehre fühlt er sich verpflichtet, Chris zu rächen.
Der örtliche Polizeichef Mark Lane teilt seine Vision von einer Region, in der es keine Verbrechen mehr gibt, mit dem Assistant Chief Desmond Iles und dessen Untergebenen Colin Harpur. Iles und Harpur, die wissen, dass Ralph Ember und Chris Tranter ein Verhältnis hatten und dem Nachtklub-Besitzer unterstellen, dass er groß ins Drogengeschäft einsteigen möchte, gehen davon aus, dass die tödlichen Schüsse nicht Chris, sondern Ember galten. Die Projektile stammen aus teuren Sokolovsky-Pistolen, wie sie nur Profikiller aus London benutzen. Offenbar wollte jemand einen Konkurrenten eliminieren lassen.
Ein windiger Typ, den alle „Beau“ Derek nennen, warnt Ember vor Stan Stanfield, der sich mit Keith Vane zusammengetan haben soll, um die Kontrolle über den Drogenhandel an sich zu reißen. Derek ist überzeugt, dass Stanfield die Killer angeheuert hatte und nennt Ember auch deren Namen: Jason the Pigtail und Alf Impater. Sie sind im „Sleeping Sentinel Pub“ in London zu finden. – Ember erinnert sich daran, dass er sich geschworen hat, Chris zu rächen.
Der Gedanke, Leute in so einer Dschungelgegend und in einer derartigen Verbrecherburg zu hetzen, ließ ihn aufstöhnen und schwitzen. Er hob selbst die Hand und fasste an die Narbe. Chris hätte weiß Gott nicht von ihm erwartet, dass er nach London fuhr und gegen eine Armee von Verbrechern antrat. Dafür war er ihr viel zu viel wert gewesen. Und außerdem, verflucht, war offiziell die Rache nicht seine Aufgabe. Er war nicht ihr Ehemann gewesen. Er trug keine öffentliche Verantwortung. (Seite 132f)
Er wählt die Nummer des Witwers Leslie Tranter und teilt ihm mit verstellter Stimme mit, wie die Mörder seiner Frau heißen und wo er sie finden kann.
Widerwillig beteiligt Ember, der inzwischen drei Lieferanten aufgetan hat, die beiden Kleinganoven Harry Foster und Gerry Reid am Aufbau seines Drogensyndikats. Foster und Reid sollen unter den Straßendealern Kunden gewinnen, darunter vor allem Eleri ap Vaughan, eine Sechzigjährige, die zahlreiche gutsituierte Bürger unter ihren Abnehmern hat. Als Ember von Barney, seinem neuen Geschäftspartner in Hampshire, eine Lieferung Kokain abholen will, fordert dieser ihn auf, seine beiden Partner mitzubringen: Barney will sich einen persönlichen Eindruck von dem Team verschaffen. Er empfängt die drei Besucher im „Spielzimmer“ seiner Villa.
In dem Zimmer stand an einer Wand eine Kirchenbank mit hoher Lehne, zu der Barney sie führte. Die vier setzten sich nebeneinander […] Weitere Möbel gab es nicht in dem Raum […] Ember saß in der Reihe am weitesten von Barney entfernt […] Es war unbequem, so zu sitzen und zu reden, und es machte einen unkomplizierten Austausch unmöglich, aber Barney war der Gastgeber, und es wäre unhöflich gewesen, sich zu beklagen. (Seite 199f)
Für die 40 000 Pfund, die Ember bei sich hat, bekommt er von Barney 2,6 kg Kokain. Dann kommt Barney auf den Mord am Strand zu sprechen und erzählt, Leslie Tranter habe für Kenward Knapp gearbeitet und sich nach dessen Tod offenbar selbständig machen wollen. Um ihm einen Schrecken einzujagen und ihn von seinem Vorhaben abzubringen, sei seine Frau im Auftrag eines anderen Drogenhändlers erschossen worden. Ember erfährt zwar erst jetzt, dass der Ehemann seiner ermordeten Geliebten nicht nur mit selbst erfundenen Tierfutterautomaten, sondern auch mit Drogen handelt, aber er tut so, als habe er das alles längst gewusst. Während der Rückfahrt meint Reid, bei dem Auftraggeber des Mordes könne es sich nur um Stanfield handeln. Er werde ihn umlegen, nicht nur um den wichtigsten Konkurrenten auszuschalten, sondern auch um den feigen Mord an einer attraktiven Frau zu rächen.
Colin Harpur möchte mithelfen, die Vision des Polizeichefs zu verwirklichen. Um in der Drogenszene aufzuräumen, beschließt er, zum Schein auf das Angebot von Keith Vane einzugehen und in das Geschäft miteinzusteigen. Zur eigenen Absicherung schildert er sein Vorhaben in einem ausführlichen Brief, den er zuklebt, an Desmond Iles adressiert und seiner Geliebten anvertraut, der neunzehnjährigen Studentin Denise. Falls ihm etwas zustößt, soll sie das Kuvert Iles überbringen. Nach einigen Tagen kann Denise ihre Neugierde jedoch nicht länger unterdrücken: Sie öffnet den Umschlag und liest den Brief. Dann zerreißt sie ihn.
Vane überzeugt Stanfield von den Vorteilen, einen Bullen als Partner zu haben, der sie vor polizeilichen Maßnahmen warnen und seine Kollegen auf falsche Spuren setzen kann. Stanfield bleibt jedoch misstrauisch, und um Harpur zu testen, fordert er ihn auf, bei einer anstehenden größeren Drogenlieferung dabei zu sein. Zum angegebenen Zeitpunkt warten Stanfield, Vane und Harpur allerdings vergeblich auf die Lieferungen, und dem verdeckten Ermittler wird klar, dass Stanfield ihn überprüfen wollte und ihm deshalb auch schon vorher den Treffpunkt verriet. Im Fall einer Festnahme wäre Vane und Stanfield nichts nachzuweisen gewesen, aber Harpur hätte sich enttarnt.
Monatelang hatte Harpur ein Verhältnis mit Sarah Iles, der Frau seines Chefs. Der ist immer noch wütend, doch als Sarah argwöhnt, ihr Mann könne dem Nebenbuhler einen lebensgefährlichen Undercover-Auftrag gegeben haben, um ihn auszuschalten, spricht Iles mit Harpur darüber:
„Ermitteln Sie etwa auf eigene Faust, Sie hinterhältige Sau?“, fragte Iles.
„Verdeckte Ermittlungen sind eine komplizierte Angelegenheit, Sir, die Unterstützung und einen Gesamtplan erfordert.“
„Sie Wichser“, sagte Iles, „Sie sind untergetaucht, stimmt’s?“ Seine Stimme überschlug sich wieder, diesmal aber hatte sie einen flehenden Ton. „Mein Gott, Harpur, lassen Sie das. Auf der Stelle. Ich will nicht, dass Sie umgebracht werden. Mein Leben mit Sarah wäre beendet. Sie würde mir unser Kind wegnehmen. Sie würde mir für immer die Schuld geben, wenn man Sie enttarnen und liquidieren würde.“ (Seite 242)
Nachdem Stanfield und Vane im „The Monty“ waren und Ember drohend andeuteten, sie wüssten, welche Internate seine Töchter besuchen, findet der Nachtklub-Besitzer Stanfields Leiche hinter einer Regentonne auf dem Parkplatz. Jemand hat Stanfield den Schädel eingeschlagen.
Mein Gott, hatte etwa Beau ihm aufgelauert? Oder hatte Vine plötzlich Stanfields Bossallüren und seine Gelüste auf Becky satt gehabt – oder beschlossen, er müsse Stans Anteil an ihren Geschäften haben? Oder hatte Tranter etwas in London erfahren und war zurückgekommen, um mit dem Anstifter abzurechnen? Oder Gerry war ihm doch zuvorgekommen? Oder vielleicht wollte Jack Lamb seine Freundin zurückgewinnen und hatte gedacht, in seinem Alter sei das die einzige Möglichkeit? Oder – (Seite 251)
Selbstverständlich kann Ember nicht die Polizei rufen, denn man würde ihn sofort unter Mordverdacht verhaften. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Toten in den Kofferraum seines Autos zu hieven, zum Strand zu fahren und ihn dort zum Wasser zu schleifen, damit er ins Meer hinausgetrieben wird. Die Leiche von Chris‘ Mörder verschwindet also genau auf dem Weg, auf dem Ember den Körper seiner toten Geliebten gezogen hat, nur in umgekehrter Richtung.
Harpur erhält von Vane den Auftrag, ein halbes Kilogramm Kokain in Reids Wohnung zu verstecken und der Drogenfahndung einen entsprechenden Hinweis zu geben, damit einer von Embers Partnern aus dem Rennen gezogen wird. Vielleicht genügt das als Warnung für den Möchtegern-Drogenboss. Harpur befürchtet, dass Stanfield ihn durchschaut hat und plant, ihn in Reids Wohnung zu liquidieren. Nähme die Polizei dann Reid unter Mordverdacht fest, wäre Embers Syndikat am Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Das Wagnis muss er eingehen. Er fährt zu Reids Wohnung und achtet darauf, dass niemand ihn sieht.
Hier war das Revier der Zuhälter und ihrer Miezen und dazu der Drogendealer. Iles kam ab und zu oder auch öfter hierher, um sich ein oder mehrere Mädchen zu nehmen. Es hätte ihm beim Kopfkissen- oder Rücksitz- oder Müllhaldengeflüster zu Ohren kommen können, wenn Harpur von einer oder zweien oder dreien dieser sehr jungen Huren, die der Assistant Chief so liebte, erkannt worden wäre. (Seite 256)
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Statt Reid das halbe Kilogramm Kokain unterzuschieben, könnte Harpur eine Menge Geld damit machen. Wenn bei der Razzia dann nichts gefunden wird, brauchte er den Verdacht nur auf die Kollegen von der Drogenfahndung zu lenken. (Dass Stanfield tot ist, weiß er noch nicht.) Es wäre nicht das erste Mal, dass Polizisten bei einer Hausdurchsuchung etwas einstecken. Harpur kämpft mit sich. Dann versteckt er das Kokain in einem alten Schnürstiefel, den Reid offenbar nicht mehr trägt. Die Suchhunde werden es dort finden. Doch bevor er die Wohnung verlässt, nimmt er das wertvolle Päckchen wieder an sich.
Als Denise das Kokain entdeckt, behauptet er, es gerade sichergestellt zu haben und am nächsten Morgen im Polizeipräsidium abgeben zu wollen. Er öffnet das Päckchen vorsichtig und zieht je zwei Linien für sich und Denise. Niemand werde merken, dass ein klein wenig Kokain fehlt, meint er. Als die Wirkung einsetzt, gehen Harpur und seine halb so alte Freundin miteinander ins Bett.
Am anderen Morgen wird das Paar von Harpurs fünfzehnjähriger Tochter Hazel und deren jüngerer Schwester Jill geweckt. Die Kinder haben Tee gekocht. Das Kokain, das sie auf dem Küchentisch fanden, spülten sie in der Toilette hinunter, denn in der Schule hat man ihnen beigebracht, dass Drogen ungesund sind.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Rivalen“ von Bill James ist ein sehr unterhaltsamer Thriller voll Ironie und Sarkasmus. Statt eines strahlenden Helden gibt es in „Rivalen“ nur mittelmäßige Kriminelle, die sich toll vorkommen, aber aufgrund von Fehleinschätzungen immer wieder Fehler machen. Die Polizisten sind auch nicht besser. Fast jeder der Männer, um die es hier geht, betrügt seine Frau. Der Protagonist denkt ständig über seine Ehre nach und fühlt sich verpflichtet, seine ermordete Geliebte zu rächen, ist aber zu feig, um sein Vorhaben durchzuführen und sucht vor sich selbst nach Ausflüchten. Bill James schreibt so redundant und nachlässig, dass der Text auch außerhalb der Dialoge wie gesprochene Alltagssprache wirkt.
Das Vergnügen wird ein wenig getrübt durch Schlampigkeiten, die offenbar weder dem Autor, noch dem Lektorat oder dem Übersetzer auffielen: Von Gerry Reid heißt es auf Seite 63, dass er einen prolligen Trainingsanzug anhabe; auf Seite 70 trägt er in derselben Szene ein blaues Hemd, dazu Jeans und Jeansjacke.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Rotbuch Verlag / Sabine Groenewold Verlage