Dan Brown : Sakrileg
Inhaltsangabe
Kritik
Die Handlung beginnt um 22.46 Uhr im Louvre mit dem Angriff des hünenhaften Mönches Silas, eines Albinos, auf Direktor Jacques Saunière.
In der Grande Galerie stürzte Jacques Saunière, der Museumsdirektor, zu einem der kostbaren alten Meister, einem Caravaggio, klammerte sich an den schweren Goldrahmen und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht daran, bis das Gemälde sich von seiner Aufhängung löste. Die Leinwand beulte sich aus, als sie den rückwärts fallenden siebenundsechzigjährigen Gelehrten unter sich begrub.
Kurz darauf wird Saunière von einer Kugel in den Bauch getroffen.
Saunière sah an sich herunter. Eine Handbreit unter dem Brustbein hatte das Projektil ein Loch in seine blütenweiße Hemdbrust gestanzt, dessen Ränder sich rasch rot verfärbten. Der Magen. Grausamerweise hatte die Kugel das Herz verfehlt. Als Veteran des Algerienkriegs hatte Saunière oft genug den quälend langsamen Tod miterlebt, den eine solche Wunde verursacht. Von dem Moment an, wo die Magensäure in die Brusthöhle sickerte und den Körper allmählich von innen vergiftete, hatte er noch fünfzehn Minuten zu leben.
Nur der tödlich Verletzte und drei andere Eingeweihte kennen ein bedeutendes Geheimnis, dessen Aufdeckung die Welt erschüttern würde. Weil der Sterbende, der zu Recht befürchtet, dass die Mitwisser bereits ermordet wurden, verhindern möchte, dass die über viele Generationen gepflegte Kette des Geheimwissens bei seinem Tod reißt und es für immer verloren geht, mobilisiert er seine letzten Kräfte, um verschlüsselte Zeichen zu hinterlassen.
Zwei dreiviertel Stunden später wird Professor Robert Langdon im Hotel Ritz von Jérome Collet geweckt, einem Leutnant der Direction Centrale Police Judiciaire, dem französischen Pendant zum FBI. Der Harvard-Wissenschaftler, der als einer der bedeutendsten Experten für religiöse Symbolologie gilt, hielt an diesem Abend auf Einladung der Amerikanischen Universität in Paris einen gut besuchten Diavortrag über heidnisches Symbolgut in den Steinmetzarbeiten der Kathedrale von Chartres. Die Polizei weiß aufgrund eines Eintrags im Terminkalender des Louvre-Direktors Jacques Saunière, dass dieser sich nach der Veranstaltung mit Langdon treffen wollte. Der Amerikaner bestätigt es und fügt hinzu, Saunière sei zu der Verabredung nicht erschienen. Leutnant Collet hält Langdon ein vor knapp einer Stunde im Louvre aufgenommenes Polaroid-Foto hin. Es zeigt Saunière kurz vor seinem Tod. Der Museumsdirektor hat sich nackt ausgezogen und in einen mit seinem eigenen Blut auf den Fußboden geschmierten Kreis gelegt, und zwar mit erhobenen Armen und gespreizten Beinen nach dem Vorbild der berühmten Zeichnung „Vitruvischer Mann“ von Leonardo da Vinci. Langdon ist entsetzt und fragt sich zugleich, was der Museumsdirektor damit gemeint haben könnte. Nachdem er sich angekleidet hat, folgt er Leutnant Collet zu dessen Wagen. Sie rasen zum Louvre, wo Capitaine Bezu Fache auf den berühmten Symbolologen wartet.
Langdon ahnt nicht, dass Capitaine Fache nicht nur seinen fachlichen Rat sucht, sondern ihn für den Mörder hält und vorhat, ihn festnehmen zu lassen. Das erfährt er von Sophie Neveu, der Enkelin des Ermordeten. Verdächtig ist Langdon, weil Saunière die schriftliche Aufforderung hinterließ: „PS: Robert Langdon suchen!“ Anders als Fache sieht Sophie darin allerdings keinen Hinweis auf den Mörder, sondern glaubt, dass die Botschaft für sie bestimmt war: Ihr Großvater, der sie „Prinzessin Sophie“ nannte, riet ihr damit, den amerikanischen Symbolologen zu suchen und sich bei der Entschlüsselung der für sie ausgelegten Codes helfen zu lassen. Saunière, der wie beispielsweise auch Leonardo da Vinci, Victor Hugo und Isaac Newton der Prieuré de Sion angehörte, hütete offenbar ein Geheimnis und wollte es vor seinem Tod in verschlüsselter Form an Sophie weitergeben.
Nachdem Langdon und Sophie die Polizei durch ihre vorgetäuschte Flucht aus dem Louvre weggelockt haben, beginnen sie, nach versteckten Hinweisen zu suchen und sie zu deuten. Offenbar geht es um einen versteckten Gral.
Nachdem Langdon und Sophie die Polizei durch ihre vorgetäuschte Flucht aus dem Louvre weggelockt haben, beginnen sie, nach versteckten Hinweisen zu suchen und sie zu deuten.
In einem Bankschließfach finden Sophie und Langdon ein zylindrisches Gefäß, das einen Papyrus mit einem weiteren Wegweiser enthält, aber wie ein Tresor mit einer Art Zahlenschloss verschlossen ist: Nur wer auf den fünf Ringen mit je 26 Buchstaben das richtige Losungswort einstellt, kann den Zylinder öffnen. Bei einem Fehlversuch wird der Papyrus durch Säure zerstört. André Vernet, der Bankdirektor, der seit zwanzig Jahren darauf gewartet hat, dass jemand das geheimnisvolle Schließfach öffnet, rettet Sophie und Langdon zwar vor der anrückenden Polizei, aber nur, um ihnen den Zylinder abzujagen. Das gelingt ihm jedoch nicht.
Jedes Rätsel, das Sophie und Langdon bei der Schnitzeljagd lösen, wirft neue Fragen auf. Rat suchen sie bei einem Bekannten Langdons, dem exzentrischen englischen Gralsforscher Sir Leigh Teabing im Château Villette. Der erklärt ihnen, dass Leonardo da Vinci auf seinem 1495 bis 1498 für das Refektorium der Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie in Mailand entstandenen Wandgemälde „Abendmahl“ unter den Jüngern eine Frau versteckt hat: Nicht Johannes, sondern Maria Magdalena sitzt neben Jesus an der Tafel. Die beiden Figuren sind spiegelbildlich dargestellt, und der Zwischenraum zwischen ihnen bildet ein großes V, das Zeichen des Kelches bzw. Grals und des weiblichen Schoßes.
Während Capitaine Fache das Château Villette mit einem Großaufgebot umstellt, dringt Silas ein und stürzt sich auf Langdon, aber er wird von Sir Leigh niedergeschlagen. Dessen Butler, Remy Jean, nutzt das Chaos, um sich in den Besitz des Zylinders zu bringen. Die anderen fliehen mit dem gefesselten Mönch in Sir Leighs Privatmaschine nach London. Fache folgt ihnen.
In England suchen Sophie und Langdon aufgrund eines weiteren Hinweises eine von einem Papst (a pope) angelegte Grabstätte, bis sie begreifen, dass mit „A Pope“ der Dichter Alexander Pope (1688 – 1744) gemeint ist. Schritt für Schritt kommen sie dahinter, welche Geheimnisse Jacques Saunière zwar seinem Mörder nicht verraten, aber auch nicht mit in den Tod nehmen wollte.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Seit zweitausend Jahren wurde das geheime Wissen von der Prieuré de Sion bewahrt und von Generation zu Generation weitergereicht. Es geht um die von der Kirche geleugnete Tatsache, dass Jesus Christus mit Maria Magdalena verheiratet war. Nicht Petrus und die Päpste sollten die Kirche führen, sondern Frauen, beginnend mit seiner Witwe und seiner nach seiner Kreuzigung geborenen Tochter Sara.
Die Societas sacerdotalis Sanctae Crucis et Opus Dei, ein Organ der römisch-katholischen Kirche will die Aufdeckung des Geheimnisses über das Verhältnis von Jesus und Maria Magdalena unter allen Umständen verhindern. Bischof Manuel Aringarosa hetzte Capitaine Fache auf Langdon, indem er ihm die Lüge erzählte, der Amerikaner habe ihm den Mord an Jacques Saunière gebeichtet. Silas – der wie Aringarosa und Fache zum Opus Dei gehört – versucht den Gral im Auftrag eines Unbekannten zu finden, der sich „der Lehrer“ nennt. Dem „Lehrer“ verkauft schließlich Remy Jean den erbeuteten Zylinder, aber sein Geschäftspartner vergiftet ihn nach der Übergabe.
Der „Lehrer“ ist niemand anderes als Sir Leigh Teabing. Mit vorgehaltener Pistole will er Sophie und Langdon zwingen, den Zylinder zu öffnen. Langdon nimmt das Gefäß, dreht ihm den Rücken zu, konzentriert sich – und wirft den Zylinder plötzlich in die Luft. Mit einem Aufschrei des Entsetzens versucht Sir Leigh, ihn zu fangen, damit er nicht am Boden zerschellt und der Papyrus durch die Säure zerstört wird. Im nächsten Augenblick taucht Fache auf, der inzwischen durchschaut hat, dass Aringarosa ihm eine Lüge erzählte, und verhaftet den Engländer. Während Sir Leigh abgeführt wird, begreift er, dass Langdon den Zylinder öffnete und den Papyrus herausnahm, bevor er den Zylinder in die Luft warf.
Silas, der sich in England befreite, wird ebenfalls von der Polizei aufgespürt. Der Mönch erschießt mehrere Beamte und verletzt versehentlich auch Bischof Aringarosa, bevor er im Kugelhagel stirbt.
In der Rosslyn-Kapelle in Schottland stoßen Sophie und Langdon schließlich auf die Ordensarchive der Prieuré de Sion und auf die Nachfahren der Mitglieder der Bruderschaft, die 1307 aus Frankreich hierher geflüchtet waren. Darunter ist auch Sophies Großmutter, die Sophie herzlich willkommen heißt. Sophies Eltern und ihr Bruder waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, bei dem es sich möglicherweise um einen Mordanschlag der Kirche gehandelt hatte. Jacques Saunière, ein Großmeister der Prieuré de Sion, nahm das Mädchen bei sich auf und gab es als seine eigene Enkeltochter auf. Tatsächlich handelt es sich bei Sophie um die letzte lebende Nachfahrin von Jesus Christus und Maria Magdalena.
Während Sophie in Schottland bleibt, kehrt Langdon nach Paris zurück. Als er sich im Hotel Ritz rasiert und das Blut im Waschbecken ein Symbol bildet, ahnt er, wo der Gral – das Grab von Maria Magdalena – zu finden ist. Er läuft zum Louvre und blickt von außen durch die Scheiben auf die Stelle, an der die Spitze der hängenden Glaspyramide die Spitze einer kleinen Kalksteinpyramide berührt, wo also das weibliche V und das umgekehrte männliche Dreieck wie im Davidstern verschmelzen. Die Stelle markiert das Grab von Maria Magdalena. Robert Langdon fällt auf die Knie.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Thematisch handelt es sich bei dem Thriller „Sakrileg“ von Dan Brown um eine Mischung aus Kunst, Mystik, Religion und Verschwörungstheorie. Im Grunde geht es um eine Schnitzeljagd, um die Suche nach verborgenen Hinweisen und deren Entschlüsselung. Dabei legt Dan Brown ein atemberaubendes Tempo vor, entwickelt das Geschehen in sehr kurzen Kapiteln aus wechselnden Perspektiven und führt die Leserinnen und Leser immer wieder in die Irre, um sie mit unerwarteten Wendungen überraschen zu können. Abgesehen von der Spannung, der Dramaturgie und der Konkretisierung der Ereignisse in Szenen und Dialogen weist der sprachlich anspruchslose Roman „Sakrileg“ keine literarischen Qualitäten auf, aber Leserinnen und Leser, denen es vor allem auf spannende Unterhaltung ankommt, werden davon nicht enttäuscht sein. Nicht umsonst wurden bereits 50 Millionen Exemplare des Buches verkauft.
Für die Fans von Dan Brown scheint auch die Diskrepanz zwischen der vom Autor vorgetäuschten Gründlichkeit seiner Recherchen und ihrer tatsächlichen Genauigkeit keine Rolle zu spielen. Sie verweisen zu Recht darauf, dass Dan Brown unter dem Titel „Sakrileg“ kein Sachbuch, sondern einen Roman geschrieben habe und dabei durchaus Fakten mit Fiktion mischen durfte.
Wenn Dan Brown in „Sakrileg“ behauptet, Leonardo da Vinci habe auf dem Wandgemälde „Abendmahl“ nicht den Jünger Johannes, sondern Maria Magdalena dargestellt, ignoriert er, dass die Auftraggeber diese Abweichung von den Konventionen in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts niemals zugelassen hätten. Der Kunsthistoriker Frank Zöllner („Leonardo da Vinci 1452 – 1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen“) hält denn auch die Interpretation des Kunstwerkes in „Sakrileg“ für absurd. Doch auf solche zweifelhaften Indizien stützt Dan Brown seine Verschwörungstheorie. Er behauptet, Konstantin der Große sei niemals Christ geworden, sondern habe das Christentum nur aus pragmatischen Gründen privilegiert und dafür gesorgt, dass auf dem Konzil von Nicaea im Jahr 325 beschlossen wurde, dass Ehe und Vaterschaft nicht in das Bild passt, das sich die Gläubigen von Jesus Christus machen sollen. Also habe die Kirche entsprechende Hinweise aus den alten Schriften entfernt, unter anderem aus den 1951 bis 1956 bei Qumran am Nordwestufer des Toten Meeres ausgegrabenen Rollen, die den Essenern zugeschrieben werden (Qumran-Rollen). Der Theologe Eckhard Rau, der sich seit Jahrzehnten mit diesen Fragen befasst, weist darauf hin, dass inzwischen viele Schriften aus der Zeit vor dem Konzil von Nicaea aufgetaucht sind und ihm keine Textstelle bekannt ist, die als Hinweis auf eine sexuelle Beziehung Jesus Christus und Maria Magdalena gedeutet werden könnte.
Die geheime Bruderschaft Prieuré de Sion ist so fiktiv wie die Fachrichtung Symbolologie; es gibt nur ein Kloster dieses Namens in Frankreich. Die Societas sacerdotalis Sanctae Crucis et Opus Dei (kurz: Opus Dei) gibt es tatsächlich – sie wurde 1928 von José Maria Escrivà de Balaguer y Albas in Madrid gegründet –, aber Dan Brown zeichnet in „Sakrileg“ ein Zerrbild der Personalprälatur (Bistum ohne Territorium), beispielsweise wenn er den Mörder Silas in einer Mönchskutte und mit einem Bußgürtel am Oberschenkel auftreten lässt, obwohl Opus Dei zu keiner Zeit ein Orden war und die Mitglieder niemals Kutten getragen haben.
Zuerst Lewis Perdue und später Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln beschuldigten Dan Brown, aus ihren Büchern „The Da Vinci Legacy“ (1983) beziehungsweise „The Holy Blood and the Holy Grail“ (1983) abgeschrieben zu haben. Aber die Plagiatsvorwürfe wurden gerichtlich zurückgewiesen. – Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der Nachname einer entscheidenden Figur in „Sakrileg“ ein Anagramm des Autorennamens Baigent darstellt: Sir Leigh Teabing.
Der Journalist Dan Burstein schrieb das Buch „Die Wahrheit über den Da Vinci-Code. Das Sakrileg entschlüsselt“ (Goldmann Verlag, München 2004).
Ron Howard verfilmte den Roman von Dan Brown. Der werkgetreue, von der Kritik als uninspirierter Mainstream-Thriller verrissene Film „The Da Vinci Code. Sakrileg“ lockte allein in Deutschland 5,6 Millionen Menschen ins Kino.
Im Herbst 2009 erscheint nach „Illuminati“ und „Sakrileg“ der dritte Roman von Dan Brown über den amerikanischen Symbolologen Robert Langdon: „Das verlorene Symbol“ („The Lost Symbol“).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006 / 2009
Textauszüge: © Lübbe
Ron Howard: The Da Vinci Code. Sakrileg
Dan Brown: Illuminati