Die Weimarer Nationalversammlung
Trotz der Unruhen konnten die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 geordnet durchgeführt werden. Die Kommunisten boykottierten die Wahl. Obwohl auch die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) die parlamentarische Staatsform ablehnte und ein Rätesystem propagierte, stellte sie sich zur Wahl. Insgesamt bewarben sich neunzehn Parteien um die Wählerstimmen. Für die Interessen „des arbeitenden Volkes in Stadt und Land“ setzten sich die Mehrheitssozialisten (SPD) ein. Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) hatte am 15. November 1918 die Nachfolge der Fortschrittlichen Volkspartei angetreten. Die linksliberale Partei stützte sich auf führende Bankiers und das mittelständische Bürgertum der Städte. Sie sprach sich für eine parlamentarisch kontrollierte unitarische Republik aus. Die zentralen Staatsgewalten föderalistisch beschränken wollte das katholische Zentrum. Die konservative Deutsche Volkspartei (DVP) vertrat die Interessen der Großindustrie. Als Sammelpartei rechtsgerichteter Gruppen war am 24. November 1918 die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) gegründet worden. Stimmberechtigt waren alle Deutschen, die das zwanzigste Lebensjahr vollendet hatten; erstmals in der deutschen Geschichte wählten und kandidierten auch Frauen. 82,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab; 37,9 Prozent wählten die SPD, 19,7 Prozent das Zentrum, 18,5 Prozent die DDP, 14,7 Prozent entschieden sich für eine der beiden großen konservativen Parteien, und 7,6 Prozent votierten für die USPD. Die restlichen 1,6 Prozent der Stimmen verteilten sich auf unbedeutende Parteien. Die 421 Mandate wurden proportional zum Stimmenverhältnis verteilt (Verhältniswahlrecht).
Am 6. Februar 1919 wurde die deutsche Nationalversammlung einberufen, nicht in die preußische Hauptstadt Berlin, sondern in das Nationaltheater der Goethe-und-Schiller-Stadt Weimar. Das war symbolisch gemeint; zugleich blieb die Versammlung damit auch von den Berliner Unruhen verschont.
Die Weimarer Versammlung hatte eine neue provisorische Zentralgewalt zu bilden, einen Friedensvertrag mit den Alliierten abzuschließen und eine neue Verfassung zu verabschieden.
Der Rat der Volksbeauftragten übergab der Nationalversammlung die Regierungsgewalt. Am 10. Februar verabschiedeten die Abgeordneten ein „Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt“, und tags darauf wurde Friedrich Ebert mit mehr als 70 Prozent der Stimmen zum vorläufigen Reichspräsidenten gewählt. Philipp Scheidemann bildete am 13. Februar eine Koalitionsregierung mit SPD-, DDP- und Zentrums-Ministern („Weimarer Koalition“).
Als der bayrische Regierungschef Kurt Eisner am 21. Februar 1919 in München zum Landtag fuhr, vermutlich um nach dem Wahldebakel der bayrischen USPD am 12. Januar seinen Rücktritt bekannt zu geben, wurde er von Anton Graf von Arco auf Valley (1897 – 1945) erschossen. Eisners Stellvertreter, der Mehrheitssozialist Erhard Auer (1874 – 1945), unterrichtete den Landtag über das Attentat. Während er sprach, schoss ein Anhänger Eisners von der Zuschauertribüne aus auf ihn und verletzte ihn schwer.
Der Kongress der bayerischen Arbeiter- und Soldatenräte, die Gewerkschaften, der Bayerische Bauernbund und die beiden sozialistischen Parteien einigten sich am 17. März auf eine Koalitionsregierung unter dem Sozialdemokraten Johannes Hoffmann (1867 – 1930). Aber am 7. April riefen ein paar Fanatiker in München die Räterepublik aus, und die Regierung Hoffmann floh nach Bamberg. Am 13. April bildeten die Kommunisten eine neue Räteregierung unter Eugen Levine (1883 – 1919). Als süddeutsche und preußische Freikorps anrückten, ließ der kommunistische Münchner Stadtkommandant am 30. April im Keller des Luitpold-Gymnasiums zehn Mitglieder der rechtsradikalen Thule-Gesellschaft misshandeln und erschießen. Nicht weniger grausam schlugen Gustav Noskes Truppen am 2. Mai die Münchner Räterepublik nieder.
Am 9. März 1919 hatte Gustav Noske angeordnet: „Jede Person, die mit Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.“
© Dieter Wunderlich 2006
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