Titanic


1907 vereinbarten die von dem amerikanischen Bankier John Pierpont Morgan aufgekaufte White Star Line und die irische Werft Harland & Wolff den Bau von drei Luxuslinern in Rekord-Dimensionen und mit noch nie dagewesenem Komfort. Mit der Olympic-Klasse wollte die Reederei auf der Atlantikroute Southampton – Cherbourg – Queenstown – New York – Plymouth – Cherbourg – Southampton neue Maßstäbe setzen.

Als erstes der drei Schiffe wurde am 16. Dezember 1908 die Olympic auf Kiel gelegt. Der Stapellauf fand am 20. Oktober 1910 statt, und am 31. Mai 1911 wurde der Dampfer Olympic der White Star Line übergeben. Es folgten die Titanic (Kiellegung: 31. März 1909, Stapellauf: 31. Mai 1911, Übergabe: 2. April 1912) und die Britannic, für die zunächst der Name Gigantic geplant gewesen war (Stapellauf: 26. Februar 1914). Da die Britannic erst nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs fertiggestellt wurde (14. Dezember 1915), wurde sie statt als Passagierdampfer als Lazarettschiff eingesetzt.

Die Olympic-Klasse brachte der White Star Line kein Glück. Nur die Olympic blieb längere Zeit im Einsatz; das Schiff wurde am 11. Oktober 1935 abgewrackt. Die Britannic sank am 21. November 1916 nach einer Explosion, die entweder von einer Mine oder einem Torpedo ausgelöst worden war. Für besonderes Aufsehen sorgte der Untergang der Titanic.

Die äußeren Abmessungen der Titanic entsprachen denen der Olympic, da sie jedoch etwas mehr umbauten Raum aufwies (46 329 Bruttoregistertonnen), war sie 1912 das größte Schiff der Welt. Die Titanic war 269 Meter lang, über 28 Meter breit und 56 Meter hoch. Die Antriebsleistung betrug bis zu 60 000 PS. Auf See wurden in neunundzwanzig Kesseln mehr als 600 Tonnen Kohle am Tag verbraucht. Die Titanic hätte laut Zulassung 3300 Passagiere plus Besatzung befördern dürfen, aber durch die Luxusausstattung der ersten Klasse mit Rauchsalons, Bibliotheken, Lounges, einem Schwimmbad und Sporträumen reduzierte sich die maximale Zahl der Passagiere auf 2400.

Am 10. April 1912 stach die Titanic mit Kapitän Edward John Smith zu ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York in See. An Bord waren mehr als 1300 Passagiere, darunter viele Prominente, und etwas weniger als 900 Besatzungsmitglieder.

Bereits beim Ablegen wäre es beinahe zu einem Unfall gekommen, denn das von der Titanic verdrängte Wasser hob den im Hafen vertäuten Dampfer New York, die Halteleinen rissen, und die beiden Schiffe drohten zu kollidieren. In Cherbourg verließen 22 Passagiere die Titanic und 274 kamen an Bord. Weitere Passagiere – vor allem Auswanderer – stiegen in der irischen Hafenstadt Queenstown (seit 1922: Cobh) zu.

Im Atlantik erhielt die Titanic mehrere Warnungen von anderen Schiffen, die auf der Route Eisberge gesichtet hatten. Am vierten Tag der Jungfernfahrt, am 14. April 1912, gegen 23.40 Uhr, warnte der Matrose im Ausguck vor einem Eisberg. Der wachhabende Offizier hatte das Ruder zu diesem Zeitpunkt bereits nach Backbord gedreht, konnte aber nicht verhindern, dass die Titanic mit dem Eisberg kollidierte und an sechs Stellen auf der Steuerbordseite aufgerissen wurde. Das riesige Schiff prallte vermutlich mehrmals auf und wurde zwischendurch abgestoßen. Die vorderen fünf der insgesamt sechzehn Kammern (Abteilungen) füllten sich mit Wasser. Innerhalb einer Stunde drückten schätzungsweise 20 000 bis 25 000 Tonnen Wasser ins Schiff. Die Titanic neigte sich deshalb nach vorn und geriet so tief in die See, dass durch Lüftungsschächte, Luken und Bullaugen weiteres Wasser einströmen konnte.

Louise Patten, eine Enkelin Charles Lightollers, der den Untergang der Titanic als Zweiter Offizier überlebt hatte, lüftet in ihrem Roman „Good as Gold“ (London 2010) angeblich ein Familiengeheimnis. Sie behauptet, der Zusammenstoß mit dem Eisberg sei durch ein Missverständnis verursacht worden. Das Kommando „Steuerbord“ bedeutete im überkommenen System, dass das Steuer nach rechts gedreht – und damit das Schiff nach Backbord (links) gelenkt werden sollte. Bei der Titanic war bereits eine Übersetzung eingebaut. Wer also das Schiff nach Backbord lenken wollte, bewegte das Steuer nach Backbord. Trotzdem galt noch die alte Sprachregelung. Als der Eisberg auf der Steuerbord-Seite auftauchte, so Louise Patten, habe der Befehl „Hart Steuerbord“ gelautet, um nach Backbord auszuweichen. In der Aufregung drehte der Steuermann das Steuer jedoch zunächst in die angegebene, statt in die entgegengesetzte Richtung – auf den Eisberg zu –, und als er den Fehler korrigierte, war es zu spät.

Nach einer Inspizierung der Schäden ließ Kapitän Edward John Smith kurz nach Mitternacht Notrufe senden. Kapitän Arthur Rostron auf der zur Cunard Line gehörenden Carpathia nahm sofort Kurs zur Unglücksstelle.

Als mehrere Personen an Bord der Titanic Lichter sahen, ließ Smith Seenot-Raketen abfeuern, aber die Lichter verschwanden in der Ferne. Bis heute blieb unklar, ob es sich um die Lichter der Californian unter Kapitän Stanley Lord handelte. Jedenfalls scheint die Californian sehr viel näher an der Unglücksstelle gewesen zu sein als die Carpathia, weil jedoch die Bordfunkstation nachts nicht besetzt war, konnte das Schiff die Notrufe der Titanic nicht empfangen.

Man forderte die Passagiere der leck geschlagenen Titanic auf, Schwimmwesten anzulegen und sich auf Deck zu begeben. Für die 2200 Menschen an Bord standen lediglich zwanzig Rettungsboote mit einer Gesamtkapazität von 1178 Plätzen zur Verfügung. Weil manche Offiziere nur Frauen und Kinder einsteigen ließen und es nicht wagten, die Boote vollbesetzt zu fieren, saßen am Ende lediglich 705 Personen darin. Viele Passagiere scheuten ohnehin davor zurück, sich einem Rettungsboot anzuvertrauen, denn sie glaubten, auf dem für unsinkbar gehaltenen Ozeanriesen sicherer zu sein, auf dem das achtköpfige Orchester unter Leitung von Wallace Hartley auf Anordnung des Kapitäns spielte, als sei nichts geschehen, um einer Panik entgegenzuwirken. Um 2.05 Uhr wurde das letzte Rettungsboot ins Wasser gelassen.

Zu dieser Zeit war die siebte Kammer der Titanic vollgelaufen. Die Trimmung des Schiffes Richtung Bug nahm stetig zu, und als der vordere der vier knapp 25 Meter hohen Schornsteine abbrach, wurden einige Menschen von den Trümmern erschlagen. Nach und nach mussten die Kessel- und Maschinenräume evakuiert werden. Gegen 2.18 Uhr brach der Schiffsrumpf ab, das Heck richtete sich steil auf und sank zwei Minuten später ebenfalls.

Obwohl in den meisten Rettungsbooten Plätze frei waren, verhinderten die Insassen in mehreren Fällen, dass im eiskalten Wasser treibende Menschen ins Boot kletterten, weil sie eine Überlastung befürchteten. Viele Schiffbrüchige starben an Unterkühlung. Ab 3 Uhr waren keine Hilferufe mehr zu hören. Um 4.10 Uhr traf die Carpathia ein. 704 Menschen wurden gerettet. Ungefähr 1500 Menschen kamen bei der Schiffskatastrophe ums Leben, unter ihnen Kapitän Edward John Smith.

Dass die Rettungschancen außer für Männer und Besatzungsmitglieder für die Passagiere der dritten Klasse am geringsten waren, lag nicht an ihrer Diskriminierung, sondern hatte andere Ursachen. Es gab hier verhältnismäßig wenig Personal, das die Passagiere alarmieren und ihnen Anweisungen erteilen konnte. Außerdem hatten die Passagiere der dritten Klasse keinen eigenen Zugang zum Deck.

Am 17. April lief die Carpathia mit den Überlebenden in New York ein.

Die USA und Großbritannien setzten Untersuchungskommissionen ein. Aufgrund der Erkenntnisse wurde vorgeschrieben, dass die Kapazität der Rettungsboote für die Evakuierung des Schiffes ausreichen müsse. Außerdem wurde angeordnet, die Bordfunkstationen auf See rund um die Uhr zu besetzen. 1913 fand in London die erste internationale Konferenz zum Schutze des menschlichen Lebens auf See statt (International Convention for the Safety of Life at Sea, SOLAS).

Übrigens handelte es sich beim Untergang der Titanic nicht um die größte Schiffskatastrophe der Geschichte. So kamen beispielswiese bei der Versenkung der Wilhelm Gustloff schätzungsweise 9000 Menschen ums Leben.

Das in drei Teile und zahlreiche Trümmer zerbrochene Wrack der Titanic wurde am 1. September 1985 von Jean-Louis Michel und Robert Ballard in über 3800 Meter Tiefe auf dem Meeresboden entdeckt. Eine erste bemannte Erkundung erfolgte ein Jahr später. Mit der Bergung von Artefakten wurde 1987 begonnen. Ein Gericht in Virgina sprach dem amerikanischen Unternehmen RMS Titanic Inc. am 7. Juni 1994 das Eigentums- und Bergungsrecht am Wrack der Titanic zu. Inzwischen wurden mehr als 5500 Artefakte aus dem Wasser geholt.

Dass die Titanic der Mauretania das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung habe abjagen wollen, ist eines der vielen unzutreffenden Gerüchte über die Schiffskatastrophe. Ebenso unhaltbar ist die von Robin Gardiner und Dan van der Vat aufgestellte Behauptung, dass statt der Titanic die Olympic untergegangen sei, und es sich um eine absichtliche Versenkung bzw. einen Versicherungsbetrug gehandelt habe.

Am 31. Mai 2009 starb mit Millvina Dean die letzte Überlebende des Untergangs der Titanic.

Der Untergang der Titanic wurde von zahlreichen Autoren in Sachbüchern, Romanen und Filmen aufgegriffen. Bemerkenswert ist, dass der amerikanische Schriftsteller Morgan Robertson bereits 1898 – vierzehn Jahre vor der Schiffskatastrophe – in seinem Roman „Futility“ („Titan. Eine Liebesgeschichte auf hoher See“, Übersetzung: Nina Siems, Heyne Verlag, München 1997, 128 Seiten, ISBN: 3-453-12358-1) den Untergang eines für unsinkbar gehaltenen Schiffes mit dem Namen Titan nach einem Zusammenprall mit einem Eisberg beschrieben hatte. Die Parallelen sind verblüffend.

Literatur über die Titanic

  • Robert D. Ballard und Rick Archbold: Das Geheimnis der Titanic. 3800 Meter unter Wasser (Berlin 1987)
  • Lawrence Beesley: Titanic. Wie ich den Untergang überlebte (München 1998)
  • Lawrence Beesley: Tragödie der Titanic. Letztes Geheimnis gelüftet? (Hamburg 1995)
  • Duncan Crosbie: Titanic. Das berühmteste Schiff aller Zeiten (Köln 2007)
  • John P. Eaton und Charles A. Haas: Titanic. Triumph und Tragödie (München 1997)
  • John P. Eaton und Charles A. Haas: Titanic. Legende und Wahrheit (Königswinter 1997)
  • Hans Magnus Enzensberger: Der Untergang der Titanic. Eine Komödie (1978)
  • Erik Fosnes Hansen: Choral am Ende der Reise (Roman, 1990)
  • Robin Gardiner und Dan van der Vat: Die Titanic-Verschwörung. Die Geschichte eines gigantischen Versicherungsbetrugs (München 1996)
  • Archibald Gracie und John B. Thayer: Titanic. Zwei Überlebende berichten (Bergisch Gladbach 2001)
  • Manuel Grandegger: Faszination Titanic. Die mysteriöse Geschichte um das scheinbar unsinkbare Schiff (Hamburg 2009)
  • Camillo von Ketteler: Die Geschichte der Titanic. Der sagenumwobene Mythos des letzten Jahrhunderts (Münster 2007)
  • Walter Lord: Die Titanic-Katastrophe (München 2002)
  • Walter Lord: Titanic. Wie es wirklich war (München 1998)
  • Donald Lynch und Ken Marschall: Titanic. Königin der Meere (München 1997)
  • Louise Patten: Good as Gold (London 2010)
  • Charles Pellegrino: Die letzte Fahrt der Titanic. Eine Legende gibt ihr Geheimnis preis (München 1998)
  • Jim Pipe: Titanic (Köln 2007)
  • Wolf Schneider: Mythos Titanic (Hamburg 1987)
  • Stephen Spignesi: Titanic (München 2000)
  • Susanne Störmer: Titanic. Mythos und Wirklichkeit
  • Geoff Tibballs: Titanic. Der Mythos des „unsinkbaren“ Luxusliners (Bindlach 1997)
  • Susan Wels: Titanic. Schicksal und Vermächtnis des Ozeanriesen (Augsburg 1999)

Den erfolgreichsten Kinofilm über den Untergang der Titanic drehte James Cameron mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen. Dafür gab es elf „Oscars“.

Originaltitel: Titanic – Regie: James Cameron – Drehbuch: James Cameron – Kamera: Russell Carpenter – Schnitt: Conrad Buff, James Cameron, Richard A. Harris – Musik: James Horner – Darsteller: Kate Winslet, Leonardo DiCaprio, Billy Zane, Kathy Bates, Bill Paxton, Bernard Hill, Jonathan Hyde, Victor Garber u.a. – 1997; 190 Minuten

Weitere Spielfilme über die Titanic:

  • 1912: Saved From the Titanic
  • 1912: In Nacht und Eis
  • 1929: Atlantic
  • 1943: Titanic
  • 1953: Der Untergang der Titanic
  • 1958: Die letzte Nacht der Titanic
  • 1979: S. O. S. Titanic
  • 1980: Hebt die Titanic
  • 1996: Titanic
  • 1997: Titanic. Anatomy of a Disaster
  • 1999: Mäusejagd auf der Titanic

Es gibt auch eine Reihe von Musikstücken über die Titanic, so zum Beispiel von Stephan Jaeggi (Titanic, 1921), Gavin Bryars (The Sinking of the Titanic, Uraufführung 1969), Wilhelm Dieter Siebert (Der Untergang der Titanic, Uraufführung 1979). Ein Broadway-Musical über die Titanic lief von 1997 bis 2000.

© Dieter Wunderlich 2009 / 2010

Albert Ostermaier - Schwarze Sonne scheine
Der zu lang geratene pathetische Künstlerroman "Schwarze Sonne scheine" von Albert Ostermaier dreht sich um den Missbrauch kirchlicher Autorität. Die Sprache ist barock und ambitioniert.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.