Die Zerschlagung der SA"Röhm-Putsch" (1934)


Die SA ist Anfang 1934 mit zwei bis drei Millionen Männern zwanzigmal so stark wie die Reichswehr, und Ernst Röhm träumt bereits davon, die Reichswehr in die SA zu integrieren: „Der graue Fels muss in der braunen Flut untergehen.“ Da sich Adolf Hitler mit dem Reichspräsidenten, der Reichswehr und der Großindustrie arrangiert, um mit deren Hilfe seine Machtposition auszubauen, stacheln sich die „alten Kämpfer“ gegenseitig zu einer „zweiten Revolution“ auf. Joseph Goebbels pflichtet ihnen bei: Die Revolution dürfe „nirgends Halt machen“.

Hermann Göring und Heinrich Himmler, die nicht zulassen wollen, dass Röhm sich neben Hitler als zweitstärkster Mann etabliert, drängen darauf, gegen die SA loszuschlagen und notieren auch gleich die Namen von zweiunddreißig Männern, die bei der bevorstehenden Aktion liquidiert werden sollen. Am Rand der Hochzeitsfeier des Essener Gauleiters Joseph Terboven am 28. Juni besprechen Hitler und Göring das weitere Vorgehen.

Joseph Goebbels, der gerade noch mit Ernst Röhm in München Würstel aß und Hitlers Absichten nicht kennt, wird am 29. Juni nach Bad Godesberg beordert. Er hofft, dass sich Hitler an die Spitze der „zweiten Revolution“ setzt. Um so bestürzter ist er, als dieser ihn am Nachmittag in seinen Plan einweiht und ihm klar wird, dass ein Schlag gegen die SA unmittelbar bevorsteht. Wieder einmal ändert er sofort seine Meinung und bittet darum, bei der Aktion mitmachen zu dürfen.

Den SA-Führern hat Hitler befohlen, sich am 30. Juni in Bad Wiessee zu versammeln. Um 2 Uhr morgens startet Hitler mit Goebbels und fünf weiteren Mitarbeitern in Bonn-Hangelar. Die Ju-52 landet zweieinhalb Stunden später in München-Oberwiesenfeld. Gegen 7 Uhr halten drei Autos vor der Pension „Hanselbauer“ in Bad Wiessee. Hitler stürmt los, mit der Reitpeitsche in der Hand. Goebbels drängt ihm nach und steht dabei, als er Röhms Zimmertür aufreißt und den aus seinem Bett hochschreckenden SA-Chef anbrüllt, er sei verhaftet.

„Unsere Rückfahrt nach München geht unter dramatischen Umständen vor sich“, berichtet Goebbels. „Manchmal in Abständen von nur einigen Minuten begegnen uns die Wagen der zur Tagung nach Wiessee fahrenden SA-Führer. Die alten und treuen Kampfgefährten unter ihnen, die von allem keine Ahnung haben, werden kurz orientiert; die ins Komplott verwickelten schuldigen Hochverräter verhaftet der Führer persönlich.“ Zurück in München telefoniert Goebbels gegen 10 Uhr im Vorzimmer des Reichsstatthalters Franz Ritter von Epp mit Hermann Göring in Berlin und unterrichtet ihn über den Verlauf der Aktion in Bayern.

Göring und Himmler, die Hitler und Goebbels am späten Abend auf dem Flugplatz Berlin-Tempelhof empfangen, überzeugen den zögernden „Führer“, dass Ernst Röhm die Aktion nicht überleben darf.

Drei Tage dauert das Morden. Hundert Menschen werden getötet, nicht nur profilierte Angehörige der SA, sondern auch andere Persönlichkeiten, die den neuen Machthabern im Weg stehen. Als Göring nach dem Krieg gefragt wird, warum er in der Kadettenanstalt von Berlin-Lichterfelde dreiundvierzig Männer erschießen ließ, bereut er nichts: „Was war doch die SA für eine Rotte perverser Banditen! Es ist eine verflucht gute Sache, dass ich sie beseitigte, oder sie hätten uns umgebracht.“

Goebbels wendet sich am 1. Juli über den Rundfunk an die Bevölkerung und sorgt dafür, dass die Ereignisse in den Medien so dargestellt werden, als habe Hitler im letzten Augenblick durch sein persönliches Eingreifen die „Röhm-Revolte“ verhindert und das „unter unsäglichen Opfern von der ganzen Nation gewonnene Aufbauwerk“ gegen eine „zweite Revolution“ verteidigt. Er vergisst auch nicht, auf die „schimpfliche und ekelerregende sexuelle Abnormität“ des homosexuellen Stabschefs und das „Lotterleben“ der SA-Führer hinzuweisen und Hitler zum Vorkämpfer der Sittlichkeit zu stilisieren.

Mit „soldatischer Entschlossenheit und vorbildlichem Mut“ habe der „Führer“ die „Verräter und Meuterer“ zerschmettert, verbreitet Reichswehrminister Werner von Blomberg in einem Erlass, und der kranke Reichspräsident, der sich Anfang Juni auf sein Gut Neudeck zurückzog, telegrafiert Hitler am 2. Juli: „Aus den mir erstatteten Berichten ersehe ich, dass Sie durch Ihr entschlossenes Zugreifen und die tapfere Einsetzung Ihrer Person alle hochverräterischen Umtriebe im Keim erstickt haben. Sie haben das deutsche Volk aus einer schweren Gefahr gerettet. Hierfür spreche ich Ihnen meinen tief empfundenen Dank und meine Anerkennung aus.“ Göring beglückwünscht er zu seinem „energischen und erfolgreichen Vorgehen bei der Niederschlagung des Hochverrats“ und befördert ihn zum General der Infanterie.

Göring versichert: „Ich habe kein Gewissen! Mein Gewissen heißt Adolf Hitler.“ Preußischen Staatsanwälten schärft er ein, es gehe sie nichts an, ob hier richtig gehandelt wurde: „Das Recht und der Wille des Führers sind eins.“

Durch die Ereignisse und die folgende Propaganda steigt Hitlers Popularität noch einmal kräftig. Als die Menschen merken, dass ihr Regierungschef vor politischen Morden nicht zurückschreckt, werden sie nicht misstrauisch, sondern sie feiern ihn als Garanten von Ruhe und Ordnung!

Von Ernst Röhms Nachfolger Viktor Lutze verlangt Hitler „blinden Gehorsam und unbedingte Disziplin“; „ein Vorbild in der Einfachheit“ habe er zu sein. Die SA versinkt in der „Bedeutungslosigkeit eines Sammelbüchsen schwingenden Kleinbürgervereins“. Davon profitiert Heinrich Himmler: Am 20. Juli 1934 löst Hitler die SS aus der SA: „Im Hinblick auf die großen Verdienste der SS, besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 1934, erhebe ich dieselbe zu einer selbstständigen Organisation im Rahmen der NSDAP.“

Quelle:
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie
© Verlag F. Pustet, Regensburg 2002 (Fußnoten wurden weggelassen)

Heinrich Himmler (Kurzbiografie)
Joseph Goebbels (Kurzbiografie)
Hermann Göring (Kurzbiografie)

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"Der Rosenkavalier" ist eine leichte Komödie von Hugo von Hofmannsthal mit einigen ernsten Anspielungen, u. a. auf das Altern und den Verzicht, den Standesdünkel und die Benachteiligung der Frau.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.